Der lange Weg in die Finsternis - Joseph S. Pulver Sr. - E-Book

Der lange Weg in die Finsternis E-Book

Joseph S. Pulver Sr.

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Beschreibung

Ein Pferdekarren quält sich gegen den unaufhörlichen, unbarmherzigen Wind durch ein erbarmungsloses Land endloser grauer Sümpfe, schlammiger Hügel und dunkler, undurchdringlicher Wälder. Ein Land der Sünde. Ein Land des Todes. Ein Land, beherrscht von Odalric und Clithanus und dem Grauen Blutegel.Die Gnadenlosigkeit der abgekämpften und vom Staub der beschwerlichen Reise bedeckten Männer Gottes, die in diesem Karren unterwegs sind, steht der des Landes, das sie zu verschlingen droht, in nichts nach. Verfolgt von den Anderen Wölfen und geplagt vom Weg nach Hause haben sie keine andere Wahl, als standhaft zu bleiben. Die Reinheit ihres Glaubens, ihre amerikanischen Winchester-Gewehre und nicht zuletzt ihre Entschlossenheit sind ihre stärksten Waffen gegen den Alptraum, der sie umgibt.Sie haben eine Mission und sie dürfen nicht aufgeben.Joe Pulvers jüngstes Meisterwerk ist ebenso verstörend wie halluzinatorisch eine klaustrophobische, traumartige Reise durch eine verfluchte Welt voller Hass, Grausamkeit und Bitternis, die dem Leser unweigerlich in Erinnerung bleiben wird.

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Seitenzahl: 58

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Impressum

Copyright © Yellow King Productions 2022 Mario Weiß Neuöd - Gewerbepark 12a 92278 Illschwang E-Mail: [email protected] Web: www.yellow-king-productions.de

Autor: Joseph S. Pulver, Sr. Originaltitel: A Long Dark Grim Road (2018) Übersetzung: Kristof Kurz Lektorat: Coralie Baier, Mario Weiß Cover: Synod

Joseph S. Pulver, Sr.

Der lange Weg in die Finsternis

Der lange Weg in die Finsternis

Kein Wein oder Schnaps. Kein Kaffee. Nur (den letzten) Tee aus unserem Proviant. Mit Ziegenmilch. Kein Zucker, kein Honig.

Brot – keine Butter, nur Schmalz. Ziegenkäse. Fleisch aus einer gusseisernen Pfanne. Hirsch, glaube ich (Wildschwein ist es nicht, da ist sich Janning sicher), in Schmalz gebraten. Gekochter Kohl aus einem Topf, der vielleicht 100 Jahre alt ist, vielleicht 1000 Stürme im Freien überstanden hat. Kein Salz. Kein Pfeffer. Keine Gewürze. (Wie seltsam, dass sie keinen Knoblauch, keine Zwiebeln oder Kartoffeln und kein Hühnerfleisch haben, sagte Janning später). Nichts (auf dem groben, unebenen Tisch), das eines Gourmets würdig oder auch nur als schmackhaft zu bezeichnen gewesen wäre. Lediglich mit einem finsteren Blick in unsere Richtung, aber ohne Worte, Murren oder Ausspucken schaufelte die gebeugte, alte Frau des alten Mannes das karge Mahl, das sie gekocht hatte, auf alte, angeschlagene Teller und stellte es vor uns hin. Wir kauten es und schluckten es hinunter.

Das Ende eines langen Tages, eines langen Weges. Ein langer Marsch, verlangsamt durch eingefahrene Spurrinnen, verlangsamt durch unebene Straßen und Schlamm und Steine und Wassergräben und trockene Gräben. Ein langer Weg voller Staub, aufgewirbelt von den Pferdehufen, Staub, vom Wind in unsere Gesichter geweht. Die Straße lässt uns nicht verzagen, obwohl sie hin und wieder ihre Grausamkeit zeigt. Keine Herberge, nur ein kleiner Steinbau mit den Wunden bitterer Armut.

In dem kleinen Holzverschlag, den er als Schuppen bezeichnete, sei Platz für uns drei, teilte der krumme alte Mann (krumm von einem Leben voller ständig wiederholter Konsequenzen) Janning mit. Wir schlugen unser Nachtlager auf, neben drei Pferden (die beiden, die unseren Wagen zogen und ein alter schwarzer Wallach, der dem alten Mann gehörte), drei lauten Ziegen, einem halben Dutzend Hühner und einer Eule – die nach einem kurzen Blick zu dem Schluss kam, dass wir weder Ratten noch schmackhaft waren und in der wilden Finsternis des nächtlichen, dichten Waldes verschwand. Der Hund des alten Mannes hatte mehr Glück: Er durfte im Haus vor dem glimmend-warmen Ofen bleiben.

Wir schliefen in unseren Mänteln und Hüten und Handschuhen auf Heu (gottlob trocken und ungezieferfrei). Es war so kalt, dass wir zitterten. Janning, unser Führer und bei Bedarf auch Dolmetscher, flüsterte einen Fluch in seiner Muttersprache, der sich zu einem inbrünstigen Flehen auswuchs, und schlief mit seinem amerikanischen Winchester-Gewehr an seiner Seite. Draußen in der unmöglich-schwarzen Finsternis ließen Geräusche Grässliches ahnen, kein Heulen oder Bellen, sondern ein widernatürliches Knurren, grausam und abgehackt, begleitet von einem deutlichen Gestank der Verwesung und des Todes. Janning hielt das amerikanische Winchester-Gewehr so fest in den Händen, dass die Knöchel weiß hervortraten. Wieder und wieder murmelte er etwas von den Anderen Wölfen und dem Weg nach Hause und dem Grauen Blutegel.

Erwachen bei Tagesanbruch. Durchgefroren, aber unversehrt. Wir saßen um das strauchelnde Feuer des alten Mannes. Kräutertee, angeblich. Käse. Eine Scheibe altbackenes Brot. Keine Marmelade kein Zucker kein Kaffee keine Eier.

Ich half Janning mit dem Anspannen der Pferde. Bruder Sebastiano verrichtete sein grausiges Werk. Wir drehten uns nicht noch einmal nach dem alten Mann und seiner alten Frau um.

Der Ruf des Sommers erklang mittlerweile in anderen Breiten, hier war er verstummt. Wir zogen weiter … die Straße gegen uns. Den sich verdüsternden Himmel gegen uns. Bäume und dichter dunkler Wald und grünes Gestrüpp und Schlingpflanzen und Laub, formlos voller Geheimnisse, undurchdringliche erdrückende Wildnis umgibt uns. Der bedrohliche Wald beugt sich über unsere Kutsche, gegen uns. Ein weiterer Tag, ein weiterer Tag in einer Reihe vieler langer harter Tage auf dunklen Straßen. Alles vor uns ist gegen uns, gegen unsere Mission.

Der Nachmittag verging, ohne dass wir Unterschlupf fanden. Meine Uhr bestand darauf, dass wir seit 10 Stunden unterwegs waren – ohne auf die Spuren menschlicher Anwesenheit zu stoßen, die kleinen Geschichten, die mit Wissenschaft und Gott und krummem Holz dilettierende Menschen hinterlassen wollen.

Janning machte ein kleines Feuer. Wir saßen an einen großen Felsbrocken gelehnt da und aßen Konserven. Nach der kargen Kost vom gestrigen Abend ein wahres Festmahl.

Bruder Sebastiano, der dritte von uns, kauerte (über uns, in der Finsternis) mit seinem Kruzifix und seinem amerikanischen Winchester-Gewehr und seinem Vertrauen in die Macht der Heiligen auf dem Kutschbock. Wachte. Lauschte dem mannigfaltigen Gewirr der Nachtgeräusche um uns herum. Betete. Leise, flüsternd, leidenschaftlich.

Der nächste von mürrischem, grauem Licht erfüllte Morgen. Eine weitere unwichtige, ärmliche Bauernkate.

Ein knorriger Mann, über 40, wettergegerbt, aber noch nicht gebeugt, verbraucht, aber noch nicht gebrochen. An seiner Seite (ihm nah und gleichzeitig fern), mit einem Säugling in den dünnen jugendlichen Armen – keine Wiege kein sanfter süßer Schlaf kein Traum kein Lächeln auf zur Mutter, keine farbenfrohe Decke keine Wiege – ein drei oder vier Jahre altes Kind zu ihren Füßen (stocksteifes stummes Kind von der Farbe ihrer ausgetretenen Schuhe), das Mädchen, das sein Essen kochte und sein Bett erduldete. (Später bemerkte der über die Maßen angewiderte Janning, dass ihr Antlitz, das Schattengrau ihrer Haut und Haare und Augen dem des Bauern ähnelte, zweifellos eine Cousine oder Schwester. „Inzüchtige Barbaren, dem Herrn unserem Gott ein Gräuel.“)

Er hatte zwei Schafe und zwei Ziegen und 4 Hühner, ein Pferd und einen Wagen mit zerbrochenem Rad und einen Holzstoß, der den Winter nicht überdauern würde. Zwei absurd dünne Katzen, ihre klapprige Gestalt geschüttelt von raubtierhafter Gier. Er baute Karotten und Kohlrabi, Tomaten und Kräuter an. Zwischen jeder Reihe, jedem Büschel, jeder kümmerlichen, zum Verzehr bestimmten Pflanze ragte groß und grau Unkraut hervor.

Anstatt der überschaubaren Behaglichkeit seiner Heimstatt – ein trostloser Ort ohne Bilder oder Bücher – bot er uns die Scheune an. Im Tausch für unser Silber brachte er uns einen kleinen Laib dickrindiges Brot und einen kleinen Topf mit unappetitlich riechender Brühe, in der einige wenige Kartoffeln und Möhren schwammen. Sebastiano rührte nichts davon an, sondern begnügte sich mit einer Konserve aus unseren Vorräten. Als er sein karges Mahl beendet hatte, setzte er sich an unser kleines Feuer und vollführte sein Abendritual, bestehend aus einem Gebet an den Herrn unseren Gott, Er möge uns auf unserem heiligen Auftrag beschützen, sowie aus dem Schärfen seiner Klingen.

Janning wollte sein amerikanisches Winchester-Gewehr nicht aus der Hand geben und schlief damit an seiner Seite. In voller Montur hüllte ich mich in eine grobe Decke und versuchte, trotz des Undenkbaren, das sich in der kalten Nacht um uns regte, zur Ruhe zu kommen.