Der letzte Termin - J.P. Conrad - E-Book
NEUHEIT

Der letzte Termin E-Book

J.P. Conrad

4,0

Beschreibung

Ein Albtraum auf fünf Quadratmetern Der biedere Versicherungsvertreter Mason hat noch einen späten Termin. Die Gegend, in die es ihn verschlägt, ist nicht die beste, und so will er das Beratungsgespräch mit einem potenziellen neuen Klienten zügig hinter sich bringen. Doch dann bleibt der Fahrstuhl stecken. Der Mann von der Notrufzentrale verspricht baldige Hilfe, aber Mason erkennt schnell, dass niemand kommen wird – und dass dies sein letzter Termin sein könnte ...

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Heidi1235

Gut verbrachte Zeit

Die Geschichte war spannend, Grammatik und Kommasetzung etwas irritierend, KI leistet hier mittlerweile gute Dienste😉
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Beliebtheit




Deckblatt

J.P. Conrad

DER LETZTE TERMIN

Thriller

Suspense Verlag

Impessum

»Der letzte Termin«

© 2024 J.P. Conrad, alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung und Satz: Perpicx Media Design, www.perpicx.de

Veröffentlichung:

© 2024 Suspense Verlag

Höhenstraße 18, D-61267 Neu-Anspach

E-Mail: [email protected]

Vorwort

Schuld ist der Schatten der Freiheit

Jean-Paul Sartre

Prolog

Ethan ließ den Bügel des Sicherheitsschlosses wieder einrasten und verstaute das Werkzeug in seinem Rucksack. Den schwang er sich nun über die Schulter und schaltete seine Taschenlampe ein. Die anderen taten es ihm gleich.

»Und warum noch mal mussten wir unbedingt abends herkommen?«, fragte Emily, Ethans Schwester, während sie über die verwitterte Zufahrt liefen.

»Na, wegen des Feelings«, antwortete Ryan mit gedämpfter Stimme wie selbstverständlich. »Macht doch viel mehr Atmo im Dunkeln.«

»Hm, wenn du meinst.« Sie hatte schon seit dem Moment, als klar wurde, dass sie ein Schloss knacken mussten, um auf das Gelände der alten Motorenfabrik zu gelangen, ein leichtes Ziehen im Magen. Die Dunkelheit tat ihr Übriges.

Der Asphalt war von Rissen durchzogen, durch die sich die Natur ihren Weg gebahnt hatte, um das Industriegelände zurückzuerobern.

Nach gut fünfzig Metern, vorbei an Bergen aus Schutt, Metall und Ziegeln, kamen sie an das Pförtnerhaus. Alle Schreiben des achteckigen kleinen Gebäudes waren eingeschlagen. Es wirkte leicht apokalyptisch. Neugierig leuchteten die vier Freunde ins Innere. Sie entdeckten einen alten Drehstuhl und ein Telefon ohne Hörer, bedeckt vom Staub der Zeit. An einer Wand, die von schwarzem Schimmel durchzogen war, hing ein Kalender von 1987.

»Cool«, kommentierte Patrick. »In dem Jahr ist meine Schwester geboren.«

»Wo geht es denn rein?«, fragte Ryan mit hörbarer Ungeduld.

Ethan deutete links am Pförtnerhaus vorbei und setzte sich wieder in Bewegung. Sie liefen ihm hinterher, die Strahlen ihrer Taschenlampen auf alles gerichtet, was interessant erschien.

»Das ist dein erster Lost Place, oder?«, fragte Patrick, an Emily gewandt.

»Nö, ich war mit Ethan schon in der Aldwych U-Bahn Station.«

»Ah, ja. Die ist auch cool.«

»Da waren wir aber bei einer öffentlichen Führung«, fügte Emilys Bruder hinzu. »Das ist nicht annähernd so geil, wie auf eigene Faust.«

Sie erreichten den Haupteingang, dessen Flügeltüren, der Form nach, aus den Fünfzigerjahren zu stammen schienen. Das Drahtglas der Scheiben war eingeschlagen.

Ethan zog die rechte Tür, die bereits einen Spalt offen stand, weiter auf. Sie quietschte wie ein mehrstimmiger Chor aus der Hölle.

»Wer wohl der Letzte war, der die Fabrik verlassen hat?«, fragte Emily, mehr zu sich selbst.

»Keine Ahnung«, antwortete Patrick. »Aber er wird definitiv gewusst haben, dass es endgültig war.«

Sie kamen in eine große, fensterlose Vorhalle. Der gekachelte Boden war mit Schutt und Staub bedeckt. Viele der quadratischen Steinfliesen waren zerbrochen oder fehlten ganz. Dennoch konnte man noch erahnen, dass die Innenarchitektur nicht nur zweckmäßig gewesen war, sondern einst auch Eleganz und Reichtum symbolisierte. Emily, die sich sehr für Architektur vergangener Epochen interessierte, fand es schade, dass in der modernen Baukunst oft nur das Zweckmäßige im Vordergrund stand. An den ebenfalls mit kunstvollen Mosaikbildern verzierten Wänden hingen noch die Wegweiser zu den einzelnen Abteilungen.

»Wo wollen wir zuerst hin?«, fragte Patrick, der seine Taschenlampe auf die Tafel hielt. »Vielleicht zu den Spinden?«

»Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass da noch irgendwas zu holen ist, oder?«, spottete Ryan.

»Nein und nein«, antwortete Ethan. »Deswegen sind wir auch nicht hier. Ich will in die Maschinenhalle!«

Niemand widersprach und so folgten sie ihm weiter.

An die Empfangshalle schloss sich ein Quergang an. Dessen Längsseite bot durch zerborstene und teilweise gänzlich fehlende Fenster einen Blick auf die eine Etage tiefer liegende, weitläufige Montagehalle. Sie war ein beeindruckendes Zeugnis vergangener industrieller Aktivität. Einige Werkbänke standen noch vereinzelt herum, von denen Werkzeuge und Geräte bereits vor langer Zeit entfernt worden waren. Verlassene Werkstattwagen standen zwischen den zurückgelassenen Geräten und Werkbänken, als ob sie in einem Moment der Stille einfach aufgegeben worden wären. Das Zusammenspiel von Licht und Schatten erzeugte eine surreale Atmosphäre, die die einstige Aktivität und Energie der Halle in Kontrast zu ihrer jetzigen Stille setzte.

»Wow«, kommentierte Patrick. »Krass. Wie viele Leute haben hier geschuftet?«

»Zu besten Zeiten etwa hundertfünfzig«, antwortete Ethan.

»War sicher ein krasser Lärm.«

Ryan lachte. »Hätte dir bestimmt nichts ausgemacht. Deine Techno-Mucke hört sich fast genauso an.« Er bekam einen Faustschlag seines Freundes gegen die Schulter.

Ethan deutete nach rechts. »Da geht es runter!«

»Hoffentlich erwischt uns keiner«, sagte Emily, während sie hinter ihrem Bruder die breite Metalltreppe hinunterstieg. »Eigentlich ist das Hausfriedensbruch.«

Er winkte ab. »Ach, Quatsch! Wer soll uns denn hier finden? Höchstens mal ein Penner. Soweit ich gelesen habe, sind die Besitzverhältnisse aktuell unklar. Niemand fühlt sich zuständig. Und da will natürlich auch keiner die Kosten für einen Wachschutz übernehmen.«

»Könnte mir vorstellen, dass es ein paar Investoren gäbe, die hier gerne ein Einkaufszentrum oder so hinstellen würden«, meinte Ryan.

Die Halle besaß beeindruckende Dimensionen und war mindestens so groß wie ein Fußballfeld. Das mit Stahlstreben durchzogene Dach befand sich gut sieben Meter über ihren Köpfen. Durch die kleinen, vor Dreck strotzenden, Fenster darin fiel spärliches Mondlicht.

Die vier liefen vorbei an den staubigen Werkbänken mit den vor sich hin rostenden wuchtigen Werkzeugen, von denen keiner wusste, wofür sie einmal gut gewesen waren. Die Lichtkegel der Taschenlampen glitten über Schrauben, Bolzen, ölverschmierte Oberflächen und eine dicke Schicht aus Staub und Dreck.

»Oh, Scheiße!«, stieß Ryan plötzlich hervor, als er hinter eine der alten Arbeitsstationen leuchtete.

Emily, die mit ihm gleichauf war, folgte mit den Augen der Richtung seines Lichtstrahls. Der Anblick schnürte ihr die Kehle zusammen.

I.

Ich hatte ein wenig Angst um meinen Jaguar. Die Gegend, in die mich mein letzter Termin für diesen Tag verschlagen hatte, war nicht die beste in Sheffield. Es war eine Siedlung mit mehreren Sozialbauten, großen Betonklötzen aus den Siebzigerjahren. Als ich den Wagen abschloss, war es kurz vor sechs. Ich würde pünktlich sein. Es war Oktober und daher bereits dunkel. Der schmale, nur spärlich beleuchtete Weg, den ich entlang lief, war mit unebenen, quadratischen Platten gepflastert. Teilweise waren sie auch gebrochen oder fehlten ganz. Unkraut wucherte aus jedem Spalt. Ich hatte meinen Termin in der Hausnummer sieben, dazu musste ich vom zentralen Besucherparkplatz an zwei der insgesamt sechs, sich in Dreierreihen gegenüberliegenenden Häusern vorbei. Auf einer Bank an einem kleinen, trostlosen Spielplatz, an dem ich vorbei kam, hockten drei dunkle Gestalten, die Kapuzen ihrer Hoodies bis ins Gesicht gezogen. Fast buckelig starrten sie alle auf das Handy des Mittleren. Dabei beschallten sie die halbe Nachbarschaft mit harten Rap-Songs aus einem drahtlosen Lautsprecher.

Vor der breiten Tür des Hauses mit der Nummer sieben angekommen, deren linkes unteres Fenster eingeschlagen war, stellte ich meinen Aktenkoffer ab und besah ich mir die Klingelschilder. Sie hätten, ebenso wie vermutlich die Ethnien der Bewohner, nicht bunter sein können. Manche Namen waren mit Prägeband geschrieben, andere hastig auf ein Stück Papier gekritzelt. Wieder andere hatten ihn einfach mit einem wasserfesten Stift auf dem kleine Täfelchen verewigt. Freudig nahm ich zur Kenntnis, dass meine Kunden, die Familie Arthur, es bevorzugt hatten, ihren Namen auf ein Klingelschild in seiner ursprünglich gedachten Form zu schreiben, nämlich in Druckbuchstaben auf ein Stück weißes Papier unter einer transparenten Plastikabdeckung. Das vermittelte mir den Eindruck, es hier mit Menschen zu tun zu haben, die vielleicht intellektuell etwas aus der Masse der Anwohner herausstachen. Kaum hatte ich diesen Gedanken geformt, wurde mir bewusst, wie rassistisch er eigentlich war.

Ich drückte den kleinen runden Knopf durch und hörte ein hässliches Summen. Es dauerte ein paar Sekunden, dann vernahm ich ein Rauschen in der Sprechanlage.

»Hallo?«

»Guten Abend. Mason Foster von der Britannia Guard Versicherung«, meldete ich mich freundlich. Die weibliche Stimme antwortete mir:

»Sechzehnter Stock. Vom Fahrstuhl aus links, dritte Tür auf der linken Seite.«

Der Öffner summte. Ich bedankte mich und drückte die Tür auf. Die Eingangshalle war recht geräumig. Rechter Hand standen mehrere Kinderwagen, kleine und große Fahrräder sowie Tretroller. Darüber prangte an der Wand ein geprägtes Metallschild: ›Fahrräder abstellen verboten‹. Ich grinste schräg und dachte mir meinen Teil, der meine heimlichen Vorurteile über die Gegend nicht minderte. Auf der linken Seite waren die Briefkästen; es waren sicher an die hundert Stück. Bei manchen stand die Klappe offen, eine hing nur noch an einem Scharnier und auch hier hatte sich jeder mit seinem eigenen Stil oder Desinteresse namentlich verewigt. Der arme Postbote, dachte ich bei mir. Es roch nach kaltem Zigarettenrauch, was mich an meine eigene Vergangenheit erinnerte. Bis vor etwa sieben Jahren war ich selbst Raucher. Aufgrund meines stressigen Berufs hatte ich im Schnitt eine Schachtel am Tag geraucht. Dann, nach einer nächtlichen Nahtoderfahrung, bei der mir buchstäblich die Luft weggeblieben war, hatte ich von heute auf morgen aufgehört. Viele aus meinem Freundeskreis hatten mich dafür bewundert, hatten sie doch selbst immer wieder neue, meist vergebliche, Anläufe unternommen, vom Nikotin wegzukommen. Aber mir war es, stets meinen Beinahe-Tod vor Augen, nicht schwergefallen, auch wenn ich in der Anfangszeit mit Entzugserscheinungen zu kämpfen hatte. Dann kam mir meine Großmutter in den Sinn, die immer über meine Raucherei geschimpft und mir auf ihre naive aber zugleich weise Art geraten hatte, stattdessen doch lieber Bonbons zu lutschen. Das tat ich dann, was mir allerdings ein paar Jahre später von meinem Körper in Form von Diabetes bedankt wurde. Mit der Krankheit lebe ich nun seit über drei Jahren, bin, wie mein Arzt sagen würde, gut eingestellt, und die täglichen Messungen und Insulinspritzen sind längst ein normaler Teil meines Alltags geworden.

Ich hörte Schritte und im nächsten Moment schoss eine dunkle Gestalt um die Ecke und rempelte mich an. Es war ein junger Mann, vielleicht achtzehn, höchstens zwanzig Jahre alt. Auch er trug einen dunklen Hoodie mit in die Stirn gezogener Kapuze und eine dieser grässlichen, extrem weiten Cargohosen. Ohne ein Wort der Entschuldigung oder auch nur der Wahrnehmung meiner Existenz zog er an mir vorbei zum Ausgang.

»Hat mich auch gefreut«, grummelte ich.

Da mir die Frau, von der ich annahm, dass es die Mutter meiner neuen Klienten-Familie war, die sechzehnte Etage als mein Ziel genannt hatte, ging ich zum Fahrstuhl. Er hatte, wie der Rest, den ich bisher gesehen hatte, ebenfalls eine Siebzigerjahre-Anmutung. Die einzelne Tür war aus rot lackiertem Metall, hatte ein schmales vertikales Drahtglasfenster mit Aluminiumeinfassung und einen ebenfalls vertikalen Griff aus verkratztem Aluminium. Ich öffnete die Tür und betrat die mit einem leicht gelblichen Licht beleuchtete Kabine. Sie war rundum mit Paneelen verkleidet, die eine dunkelbraune Holzoptik hatten. Auf Hüfthöhe verlief ein Alu-Haltegriff.

Ich schaute mir das Bedienfeld an: Es war aus Metall und hatte runde, schwarze Knöpfe für die insgesamt achtzehn Etagen, das Erdgeschoss und den Keller. Außerdem einen Notrufknopf und auf Augenhöhe in einem Rund angeordnete Schlitze eines Lautsprechers. Dem Typenschild konnte ich entnehmen, dass der Fahrstuhl aus dem Jahr Neunzehnhundertsechsundsiebzig stammte, sechs Personen fasste und zuletzt vor einem knappen Jahr gewartet worden war. Über mir, in der vorderen linken Ecke war eine Weitwinkel-Überwachungskamera angebracht; sie war das einig Modere in diesem Fahrstuhl. Ist wahrscheinlich notwendig in so einem Haus. Würde mich nicht wundern, wenn hier drin schon mal jemand vergewaltigt wurde.