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Jacques Cazottes Werk "Der Liebesteufel" ist ein Meisterwerk der Fantasy-Literatur des 18. Jahrhunderts. Das Buch erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der von einer unbekannten Frau dazu verführt wird, seinen Seelenvertrag mit dem Teufel zu unterschreiben. Cazotte's literarischer Stil ist von einer mysteriösen und düsteren Atmosphäre geprägt, die den Leser in den Bann zieht. Mit einer geschickten Mischung aus Mystery und Romantik schafft es der Autor, die Grenzen zwischen Realität und Fantasie zu verwischen. Das Werk steht in der Tradition der Schauerromantik und fasziniert durch seine unheimlichen Elemente und überraschenden Wendungen.
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Seitenzahl: 115
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Books
Ich war fünfundzwanzig Jahre alt, Hauptmann in der Garde des Königs von Neapel. Wir lebten miteinander als gute Kameraden und wie junge Leute, das heißt mit Weibern und vom Spiel, solange das Geld reichte, und saßen philosophierend in unsern Quartieren, wenn wir nichts Besseres zu tun wußten.
Eines Abends, als wir uns bei einer Flasche Cyperwein und einer Schüssel gerösteten Maronen über mancherlei Dinge müde geschwätzt hatten, kam das Gespräch auf die Kabbala und die Kabbalisten.
Einer behauptete, sie sei eine wohlgegründete Wissenschaft; vier der Jüngsten wandten dagegen ein, sie sei eine Anhäufung von Albernheiten, eine Quelle von Spitzbübereien, und nur dazu da, leichtgläubige Leute zu betören und Kinder zu vergnügen.
Der älteste von uns, ein geborener Flamländer, rauchte seine Pfeife und sprach kein Wort. Seine Gleichgültigkeit und sein zerstreutes Wesen fielen mir mitten in dem Gelärm, das uns betäubte, auf und hielten mich ab, an einer Unterhaltung teilzunehmen, in der zu wenig Sinn war, um mich zu fesseln. Wir befanden uns im Zimmer des Rauchers, die Nacht rückte vor, man ging auseinander; wir beide blieben allein zurück, mein älterer Kamerad und ich.
Er rauchte phlegmatisch weiter, ich blieb stumm, die Ellbogen auf den Tisch gestemmt, sitzen. Schließlich brach mein Gegenüber das Stillschweigen.
›Junger Mann,‹ sagte er, ›Sie haben da viel Geschrei mit angehört. Warum haben Sie an dem Streite nicht teilgenommen?‹
›Ich schweige lieber still,‹antwortete ich, ›als daß ich einer Sache beistimme oder widerspreche, die ich nicht kenne. Ich weiß nicht einmal, was das Wort Kabbala besagen will.‹
›Es hat verschiedene Bedeutungen,‹ sprach er, ›aber darauf kommt es hier nicht an; es handelt sich hier um die Sache selbst. Glauben Sie, daß es eine Wissenschaft gibt, die Metalle verwandeln und Geister befehlen lehrt?‹
›Ich weiß nichts von Geistern, nicht einmal etwas von meinem eigenen, außer daß er da ist. Was die Metalle anbelangt, so weiß ich, wieviel ein Karolin im Spiele, im Wirtshause und anderswo gilt. Aber im übrigen weiß ich weder von diesen noch von jenen etwas.‹
›Mein lieber Waffenbruder! Ihre Unwissenheit ist besser als das Wissen der andern. Sie sind wenigstens in keinem Irrtum befangen, und was Sie noch nicht wissen, das können Sie noch lernen. Ihre Natur und Ihr Freimut gefallen mir. Ich weiß etwas mehr als gewöhnliche Menschen. Geben Sie mir Ihr Ehrenwort, das Geheimnis zu wahren, und versprechen Sie mir, sich klug zu benehmen, so sollen Sie mein Schüler sein.‹
›Was Sie mir da sagen, mein lieber Soberano, ist mir sehr angenehm. Die Neugier ist meine stärkste Leidenschaft. Ich gestehe Ihnen, ich trage kein heftiges Verlangen nach alltäglichen Kenntnissen, die sind mir immer zu beschränkt vorgekommen, und ich ahne etwas von der höheren Sphäre, in die Sie mich einführen wollen. Wie aber erschließt man sich die Wissenschaft, die Sie nannten? Nach dem, was unsere Kameraden sagten, sind es die Geister selbst, die uns belehren: kann man in Verbindung mit ihnen treten?«
»Sie haben es erraten Alvaro! Von sich selbst aus lernt man nichts. Daß eine Verbindung mit ihnen möglich ist, davon will ich Ihnen einen unwiderleglichen Beweis geben.«
Kaum hatte er dies gesprochen und seine Pfeife zu Ende geraucht, so klopft er damit dreimal an, um die Asche auszuschütten, die darin war, legt sie dicht neben mich auf den Tisch und sagt mit erhobener Stimme: »Calderon, hol meine Pfeife; stopfe sie, zünde sie mir an, und bring sie mir dann wieder!«
Er hatte kaum den Befehl gegeben, so sah ich die Pfeife verschwinden, und ehe ich mich besinnen oder fragen konnte, wer jener Calderon sei, dem er seinen Auftrag erteilt, war die brennende Pfeife schon wieder da, und mein Kamerad rauchte von neuem.«
Er tat noch ein paar Züge, weniger um den Tabak zu schmecken, als um sich an dem Erstaunen zu weiden, das er bei mir erregte. Dann stand er auf und sagte: »Ich habe morgen die Wache, ich muß ausruhen. Gehen Sie schlafen. Seien Sie klug, wir werden uns wiedersehen!«
Ich verließ ihn, neugierig und nach den Enthüllungen lüstern, die Soberano mir versprochen und durch die ich mein Wissen zu bereichern hoffte. Ich sah ihn am andern Morgen und die folgenden Tage, ich kannte keine andere Leidenschaft mehr, ich ward sein Schatten.
Ich stellte ihm tausend Fragen; er wich den einen aus und beantwortete die andern wie ein Orakel. Schließlich befragte ich ihn nach seiner Religion. »Es ist die natürliche,« antwortete er. Wir gingen auf Einzelheiten näher ein. Seine Meinungen stimmten mehr mit meinen Neigungen als mit meinen Grundsätzen zusammen; aber ich wollte zum Ziele kommen und durfte ihm keine Schwierigkeiten machen.
»Sie gebieten den Geistern,« sagte ich zu ihm; »auch ich will mit ihnen in Verbindung treten; ja, ich will es in der Tat!«
»Sie sind zu ungestüm, Kamerad, Sie haben ihre Probezeit noch nicht überstanden; Sie haben keine der Bedingungen erfüllt, unter denen man furchtlos sich diesen erhabenen Wesen nähern darf ...«
»Braucht es noch viel Zeit bis dahin?«
»Vielleicht zwei Jahre ...«
»Dann gebe ich es auf,« rief ich, »denn ich würde bis dahin vor Ungeduld sterben. Sie sind grausam, Soberano. Sie können sich von dem lebhaften Verlangen, das Sie in mir erweckt haben, keine Vorstellung machen. Es verzehrt mich ...«
»Junger Mann, ich traute Ihnen mehr Klugheit zu. Sie lassen mich für Sie selbst wie für mich zittern. Was! Sie wollten es wagen, ohne irgendeine Vorbereitung Geister zu beschwören?«
»Nun, was könnte mir wohl dabei zustoßen? ...«
»Es muß nicht unbedingt ein Unglück daraus entstehen. Haben die Geister Gewalt über uns, so ist es unsere Schwäche, unser Kleinmut, der sie ihnen gibt, im Grunde sind wir geboren, sie zu beherrschen.«
»Nun, ich will über sie herrschen!«
»Ja, Sie haben Mut genug; aber wenn Sie den Kopf darüber verlieren? Wenn der Schrecken Sie erfaßt?«
»Kommt es nur darauf an, sie nicht zu fürchten, so fordere ich sie heraus, mich zu schrecken ...«
»Wie aber, wenn Sie nun den Teufel selbst sähen? ...«
»Ich wollte den Teufel selbst bei den Ohren packen!«
»Bravo! Sind Sie Ihrer selbst so sicher, so dürfen Sie sich der Gefahr aussetzen. Ich verspreche Ihnen meinen Beistand. Nächsten Freitag essen Sie mit zwei unserer Eingeweihten bei mir, da wollen wir die Sache ins Werk setzen.‹
Es war erst Dienstag. Keine Schäferstunde wurde je mit solcher Ungeduld erwartet. Endlich kam die Zeit. Ich traf bei meinem Kameraden zwei Männer, deren Gesichter nicht eben vertrauenerweckend waren. Wir speisten. Die Unterhaltung drehte sich um gleichgültige Dinge.
Nach Tisch schlug man einen Spaziergang nach den Ruinen von Portici vor. Wir machten uns auf den Weg und kamen an unser Ziel. Diese Überreste der ehrwürdigsten Denkmäler, eingesunken, zertrümmert, verstreut, von Dornen überwachsen, erregten gewaltig meine Einbildungskraft und erweckten in mir ungewöhnliche Gedanken. ›Siehe da!‹ sagte ich, ›die Gewalt der Zeit über die Werke menschlichen Stolzes und Fleißes.‹ Wir schritten durch die Ruinen und gelangten in halber Finsternis, uns über Trümmer hinwegtastend, an einen düsteren Ort, in den von außen nicht das mindeste Licht dringen konnte.
Mein Kamerad führte mich am Arm. Plötzlich hielt er inne und stand still. Einer von der Gesellschaft schlug Feuer und zündete eine Kerze an. Der Raum, in dem wir uns befanden, erhellte sich schwach und ich entdeckte, daß wir uns in einem ziemlich wohlerhaltenen Gewölbe befanden, das zwanzig Fuß im Umkreis maß und vier Ausgänge besaß. Wir beobachteten das tiefste Stillschweigen. Soberano beschrieb mit dem Rohr, auf das er sich im Gehen gestützt hatte, rings um sich einen Kreis in den Sand, der den Fußboden bedeckte, und trat hinaus, nachdem er seine Charaktere hinzugezeichnet hatte. ›Stellen Sie sich in diesen Kreis, junger Held!‹ sagte er zu mir, ›und verlassen Sie ihn nur bei guten Zeichen!‹
›Erklären Sie sich deutlicher! Welche Zeichen nennen Sie gute?‹
›Wenn alles Ihnen unterworfen ist! Läßt die Furcht Sie vorzeitig einen falschen Schritt tun, so könnten Sie die größte Gefahr laufen.‹
Hierauf gab er mir eine kurze, eindringliche Beschwörungsformel, die einige Worte enthielt, die mir immer unvergeßlich bleiben werden. ›Sprechen Sie diese Beschwörung mit aller Festigkeit,‹ sagte er, ›und rufen Sie alsdann dreimal laut Beelzebub; vergessen Sie aber nicht, was Sie mir versprochen haben zu tun.‹
Ich erinnerte mich, daß ich mich gerühmt hatte, ihn bei den Ohren zu packen. ›Ich werde Wort halten,‹ sagte ich, weil ich mich nicht wollte Lügen strafen lassen. ›Wir wünschen Ihnen den besten Erfolg,‹ sagte er; ›Sie werden uns rufen, wenn Sie fertig sind. Sie finden dort Ihnen gegenüber die Türe, die Sie wieder zu uns führt.‹ Hierauf ließen sie mich allein.
Kein Prahlhans konnte je in einer schlimmeren Lage sein. Ich war nahe daran, sie zurückzurufen; aber die Schande wäre zu groß gewesen. Ich hielt stand und besann mich einen Augenblick. ›Man hat mich einschüchtern wollen,‹ sagte ich mir, ›man will sehen, ob ich kleinmütig bin. Meine Gefährten sind nur zwei Schritte weit von mir, und auf meine Beschwörung hin habe ich zu erwarten, daß sie versuchen werden, mir Furcht einzujagen. Nur Mut, damit der Spott auf die Spaßmacher selbst zurückfällt!‹
Diese Überlegung währte nicht lange, wurde aber dennoch ein wenig durch das Geschrei der Nachteulen und Fledermäuse gestört, die in der Umgebung und im Innern der Höhle selbst hausten.
Etwas kühner geworden, stelle ich mich fest auf die Beine, spreche die Beschwörung mit heller, sicherer Stimme und rufe dreimal rasch nacheinander mit erhobenem Tone: Beelzebub!
Ein Schauder durchrieselte meine Adern, meine Haare sträubten sich. Kaum hatte ich geendigt, so schlugen mir gegenüber in der oberen Wölbung die beiden Flügel eines Fensters weit auseinander. Ein Lichtstrom, blendender als Tageslicht, brach durch die Öffnung herein; ein Kamelkopf, ebenso widerlich in seiner Dicke, als scheußlich in seiner Form, mit übermäßig langen Ohren, erschien am Fenster. Das häßliche Gespenst sperrte den Rachen auf und erwidert mir mit einer seiner sonstigen Erscheinung entsprechenden Stimme: ›Che vuoi?‹
Alle Gewölbe über und unter der Erde und in der Runde wetteiferten, dieses entsetzliche ›Che vuoi?‹ im Nachhall zu wiederholen.
Ich kann meine Lage nicht schildern; ich kann nicht sagen, was mir den Mut erhielt und mich hinderte, beim Anblick dieses Bildes, bei dem noch furchtbareren Getöse, das an mein Ohr schlug, ohnmächtig zu Boden zu stürzen.
Ich empfand die Notwendigkeit, alle meine Kraft zusammenzunehmen. Kalter Angstschweiß drohte sie zu vernichten. Ich tat mein Äußerstes. Unsere Seele muß wohl sehr groß sein und eine ungeheure Schwungkraft haben! Eine Masse von Gefühlen, Gedanken, Betrachtungen wurden in meinem Herzen rege, schossen durch meinen Geist, drangen auf mich ein. Eine Wandlung ging in mir vor, ich bemeisterte mein Entsetzen. Unerschrocken schaue ich das Gespenst an.
›Wie wagst du es, Verwegener, mir in solch abscheulicher Gestalt zu erscheinen?!‹
Das Gespenst zauderte einen Augenblick. ›Du hast mich verlangt‹ sagte es mit gedämpfter Stimme.
›Darf der Sklave sich vermessen,‹ fragte ich, ›seinen Gebieter zu schrecken? Kommst du, meine Befehle zu empfangen, so wähle eine schickliche Gestalt und nimm einen demütigen Ton an!‹
›Meister!‹ sprach das Gespenst, ›in welcher Gestalt soll ich mich dir zeigen, um dir angenehm zu sein?‹
Das nächste, woran ich dachte, war ein Hund, und ich sagte daher: ›Komm als ein Wachtelhündchen!‹ Ich hatte kaum den Befehl erteilt, so reckte das fürchterliche Kamel den Hals bis zu einer Länge von sechzehn Fuß und warf einen kleinen weißen Wachtelhund mit feinen glänzenden Haaren und langhängenden Ohren aus.
Das Fenster hatte sich wieder geschlossen, jede andere Erscheinung war verschwunden, und es blieb in dem notdürftig erleuchteten Gewölbe nur der Hund und ich. Er lief mit dem Schwanze wedelnd rings um den Kreis herum und machte tausend Sprünge. ›Herr,‹ sagte er, ›ich möchte Euch gern die Fußspitzen lecken; aber der furchtbare Zirkel, der Euch umgibt, hält mich zurück.‹
Mein Zutrauen hatte sich bis zur Verwegenheit gesteigert. Ich trete aus dem Kreis, halte den Fuß hin, der Hund leckt ihn; ich mache eine Bewegung, um ihn an den Ohren zu fassen, er legt sich auf den Rücken, als ob er um Gnade bäte. Ich sah, daß es ein Weibchen war. ›Steh auf,‹ sagte ich, ›ich verzeihe dir. Du siehst, ich bin in Gesellschaft. Die Herren warten nicht weit von hier; sie werden müde vom Gehen sein. Ich will Ihnen eine Erfrischung reichen; eingemachte Früchte, Eis, griechischen Wein, alles wohl angeordnet; der Raum muß nicht prunkhaft, aber anständig ausgeschmückt und erleuchtet sein. Gegen Ende des Mahles erscheinst du als Sängerin ersten Ranges mit einer Harfe; ich werde dir ein Zeichen geben, wann du erscheinen sollst. Spiele deine Rolle aber gut, singe mit Ausdruck und zeige dich sittsam und voll Anstand!‹
›Ich werde gehorchen, Meister; aber unter welcher Bedingung?‹
›Unter der Bedingung, gehorsam zu sein, Sklave! Widersprich mir nicht, sonst ...‹
›Ihr kennt mich nicht, Meister, sonst würdet Ihr nicht so schroff mit mir verfahren. Meine Bedingung wird sein, Euch zu besänftigen und Euch zu gefallen.‹
Die Worte waren kaum verklungen, so sah ich auch schon schneller, als in der Oper eine Verwandlung geschieht, meine Befehle vollzogen. Die eben noch schwärzlichen, feuchten, moosbedeckten Mauern des Gewölbes nahmen eine anmutigere Färbung und Form an und es entstand ein Saal von Jaspis, dessen Decke von Säulen getragen wurde. Acht kristallene Armleuchter, jeder mit drei Kerzen, verbreiteten gleichmäßig eine lebhafte Helligkeit.
Im nächsten Augenblick erschienen Tafel und Schenktisch, bedeckt mit allen Erfordernissen unseres Mahles. Früchte und Backwerk waren auf das köstlichste und schmackhafteste zubereitet. Das Geschirr, von dem wir speisten, war japanisches Porzellan. Das Hündchen lief im Saale hin und her, machte tausend Sprünge um mich herum, als wolle es das Werk beschleunigen und mich fragen, ob ich zufrieden sei.
›Sehr gut so, Biondetta,‹ sagte ich zu ihm, ›zieh nun Livree an und melde den Herren, daß ich sie zu einem kleinen Imbiß erwarte.‹
Kaum habe ich einen Augenblick die Augen abgewandt, so sehe ich einen zierlich in meine Farben gekleideten Pagen mit brennender Fackel in der Hand hinausgehen, der bald darauf meinen Kameraden, den Flamländer, und seine beiden Freunde hereinführt.