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Frau Doktor, Sie sind unsere letzte Rettung! Wir haben schon alles versucht!" Diese Sätze kennt Ulrike Werner nur zu gut. Die Berliner Tierärztin hat sich auf Verhaltensmedizin und Tierverhaltenstherapie spezialisiert. Ihre Praxisräume sind immer dort, wo sie gebraucht wird: vor Ort. Wenn Hundebesitzer nicht mehr weiter wissen oder Haustierärzte um Hilfe bitten, kommt Ulrike Werner vorbei und findet dabei das eigentliche Problem: Weshalb nur wird der süße Welpe Knut in der Großstadt zum beißwütigen Bello? Warum will die Schäferhündin Blanca bei Sturm aus dem Fenster springen? Und weshalb knabbert Karlchen alles an und zerlegt die ganze Wohnung? 26 faszinierende Geschichten von Hundebesitzern und ihren "Sorgenkindern" und wie sie mit der fachkundigen Hilfe von Dr. Werner wieder zueinanderfinden.
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Seitenzahl: 251
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://d-nb.de abrufbar.
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1. Auflage 2014
© 2014 by Lardon Media AG, Berlin. Lizenzausgabe mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
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Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt, München
Umschlagabbildung: shutterstock
Autorenfoto: Dr. Jörg Werner
E-Book-Umsetzung: Georg Stadler, München
ISBN Print 978-3-86882-499-5
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-642-7
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-643-4
www.mvg-verlag.de
»Ich danke meinem lieben Mann Jörg dafür, dass er mit mir gemeinsam durchs Leben geht.«
Ein Vorwort? Lesen Sie gern Vorworte? Mich langweilen sie zumeist. Also fasse ich mich kurz, denn ich habe etwas mit Ihnen vor.
Hiermit, lieber Leser, liebe Leserin, lade ich Sie herzlich ein, mich in meinem Praxisauto zu 24 Hausbesuchen zu begleiten.
Sie wollen wissen, mit wem Sie auf die Reise gehen? Mein Name ist Ulrike Werner, geborene Gieser. Als Tierärztin führe ich mit großer Leidenschaft eine mobile Praxis für Verhaltensmedizin und Verhaltenstherapie in Berlin und Brandenburg. Ja, Sie haben richtig gelesen: Psychotherapie für Vierbeiner unter deutschen Dächern. Bisweilen werden Sie auch meinen drei Hunden Vitus, Jarda und Moses begegnen, meinen Helfern auf vier Pfoten.
Ich wäre irgendwann geplatzt, wenn ich dieses Buch nicht geschrieben hätte. Denn das, was ich tagtäglich erlebe, ist unterhaltsam, komisch, verrückt, tragisch, absonderlich, manchmal traurig oder skurril, oft kaum zu glauben – und nie langweilig!
Nein, dies ist keines der üblichen Hundeerziehungsbücher. Es richtet sich nicht ausschließlich an Hundehalter und Hundeliebhaber. Es ist auch geschrieben für Nicht-Hundehalter, Hundehasser und für Menschen, denen Hunde relativ egal sind, die aber erfahren möchten, was Menschen so alles mit ihren Haustieren anstellen.
Oft erlebe ich Hunde, die mehr für »ihren« Menschen sein sollen als nur ein fröhlicher, guter, vierbeiniger Freund und Begleiter; die als Projektionsfläche für ungestillte Sehnsüchte dienen und daher viel zu viel tragen und ertragen müssen.
Begleiten Sie mich also zu den Zweibeinern und ihren vierbeinigen Haltern – sorry, ich meinte natürlich, zu den Vierbeinern und ihren zweibeinigen Haltern.
Und nun bitte einsteigen! Vitus, Jarda und Moses sind schon an Bord.
Ulrike Werner,
im Winter 2014
Ein Kollege aus Berlin-Wilmersdorf rief mich eines Morgens an. Es ging um einen seiner Patienten, der dringend meine Hilfe brauchte. Die Behandlungsmöglichkeiten in seiner Praxis seien im Fall von Karlchen, dem Yorkshire-Terrier-Zwergdackel-Mix von Hans P., ausgeschöpft. Vielleicht käme ich da weiter, mit einem Hausbesuch und meinem verhaltenstherapeutischen Ansatz.
Er berichtete mir, dass Hans P., ein freundlicher, ziemlich übergewichtiger älterer Herr, bereits seit Jahren mit seinem Hund in die Praxis komme. Außer regelmäßigen Zahnsanierungen in Narkose habe es bislang keine nennenswerten Probleme gegeben. Karlchen stamme aus dem Tierheim, Hans P. habe ihn nach dem Tod seiner Frau zu sich geholt. Eigentlich habe der Hund ein freundliches Wesen, aber Hans P. beklage sich in letzter Zeit immer öfter darüber, dass Karlchen in der Wohnung randaliere, selbst wenn er ihn dort nur kurz alleine ließe.
Mit seinen zarten sechs Kilogramm Körpermasse habe es dieser Zwerg geschafft, zwei Sofas und eine Matratze auseinanderzunehmen, Vorhänge herunterzureißen, Teppiche anzuknabbern sowie eine alte Aktentasche und diverse Kabel zu zerbeißen. Ach ja, und er habe immer wieder schleimigen Dickdarmdurchfall, der einfach nicht in den Griff zu bekommen sei. Wohl ein Fall für den Seelenklempner, wie mich mein Kollege gern scherzhaft nennt. Hans P. würde sich bei mir melden.
Tags darauf rief dieser an. Ich sei seine letzte Rettung. Natürlich, das bin ich immer. Er schilderte mir die Zerstörungswut seines Hundes, und alles hörte sich noch deutlich schlimmer an als von meinem Kollegen beschrieben. Wir vereinbarten einen Termin für die darauffolgende Woche. Den verhaltenstherapeutischen Fragebogen konnte er nicht von meiner Homepage herunterladen, denn er hatte kein Internet – so etwas Neumodisches käme ihm nicht ins Haus!
Kein Problem. Für solche Fälle gab es immer noch die Post.
Ich bereitete mich gründlich vor. Die Verdachtsdiagnose lautete: »Separationsphobie; Typ: Zerstören«, also Trennungsangst. Mal sehen, was die Vor-Ort-Anamnese ans Licht bringen würde.
Hans P. brauchte viel Zeit, ehe er mir die Tür öffnete. Geschätzte 140 Kilogramm bewegen sich langsam. Karlchen hingegen war sehr schnell. Verdammt schnell: Er zwängte sich durch die Tür, stellte sich vor mich hin, grummelte einmal kurz, hob das Bein, pinkelte mich an, scharrte wild mit den Hinterbeinchen auf dem Teppich im Flur, wetzte zurück, holte einen großen Kunststoffknochen, der etwa dreimal so groß wie er selbst zu sein schien, und präsentierte seine Beute.
Was für ein Kerl, dachte ich! Wow! Ein größenwahnsinniger Zwerg! Hans P. hatte das Harnmarkieren seines schnellen Hündchens an meinem Hosenbein nicht bemerkt, lächelte mich an und sagte: »Er freut sich immer so über Besuch!« Wir setzten uns ins Wohnzimmer und begannen mit der Anamnese.
Seine Wohnung bot ein Bild der Zerstörung. Kaum ein Möbelstück, das nicht angeknabbert oder anderswie beschädigt war: die Sitzgelegenheiten, alle Stuhl- und Tischbeine, die Vorhänge, die Bettdecken bis hin zu den Tischdecken. Aber Hans P. war deshalb nicht böse auf Karlchen. Er war eher besorgt um seinen kleinen Prinzen. Was hatte er bloß, der Kleine?
Für die Anamnese hatte ich zweieinhalb Stunden eingeplant. Sie verliefen jedoch völlig anders als erwartet. Karlchen kratzte an der Terrassentür. Sofort bewegte sich Hans P. dorthin und ließ Karlchen hinaus in den Garten. Nur wenige Minuten später flitzte Karlchen zurück in die Küche und schnappte sich seinen Blechfutternapf. Hans P. marschierte hinterher und füllte den Napf mit Fleischwurst.
Kaum war das Fressen erledigt, begab sich Karlchen zum angeknabberten Sofa und bellte auffordernd. Worauf sich Hans P. aus dem Sessel erhob, zum Sofa hinüberging und dort den Kleinen aufs Sofakissen hob. Dort thronte Karlchen dann – für die nächsten 15 Minuten. Dann sprang er wieder herunter, holte seinen Stoffhasen und versuchte, ihn Hans P. auf den Schoß zu legen. Dieser machte bereitwillig mit.
Als Karlchen kurz darauf keine Lust mehr zum Spielen hatte, schnappte er mal kurz nach Hans P. – und trug dann seinen Stoffhasen zurück ins Körbchen. Was würde Karlchen wohl als Nächstes einfallen? Nun begann er wieder an der Terrassentür zu kratzen, und das Spiel ging von vorne los. Hans P. öffnete ihm die Tür, ging dann in Richtung Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen. Doch Karlchen fand den Garten nun nicht mehr so interessant. Lieber lief er seinem Herrchen unentwegt vor den Füßen hin und her, sodass dieser dauernd ausweichen musste.
Inzwischen war etwa eine Stunde vergangen. Um Punkt 13 Uhr lief Karlchen zur Wohnungstür. Hans P. stand auf und zog seine Jacke an: »Entschuldigung, dass wir unterbrechen müssen, aber jetzt ist Karlchens Zeit. Genau um 13 Uhr muss er kurz raus. Wir sind aber in zehn Minuten wieder da.«
Da saß ich nun allein in dieser Wohnung und musste unwillkürlich schmunzeln. Karlchen, ein Bonsai-Terminator! Trennungsangst hatte dieses kleine Schätzchen nun wirklich nicht, aber dafür einen massiven Kontroll-Komplex-Zwang. Bei so etwas würde ich auch stressbedingten Dickdarmdurchfall bekommen!
Hans P. kam schwitzend zurück, entschuldigte sich nochmals für die Unterbrechung und setzte den Kleinen wieder aufs Sofakissen. »Was kann ich denn nur mit meinem Karlchen machen? Ich bin etwas ratlos, wie …« Er unterbrach sich, als das Telefon zu klingeln begann.
»Oh, jetzt wird es schwierig!«, meinte er und bewegte sich eher zögerlich auf das Telefon zu, das auf seinem Schreibtisch stand. Hastig zog er dort seine Pantoffeln aus und schlüpfte schnell in Holzpantinen, die dort schon bereit standen. Zeitgleich sprang Karlchen vom Sofakissen hinunter und versuchte wütend, von vorn in die Holzschuhe zu beißen. Er tobte regelrecht. Ich war beeindruckt.
Hans P. begrüßte seine Schwester am anderen Apparat. Als er nach einem kurzen Gespräch den Hörer wieder auflegte, war Karlchens Wutausbruch augenblicklich vorbei. Der Hund schüttelte sich und »begleitete« Hans P., der nun wieder seine Pantoffeln trug, zum Tisch zurück.
Dieser Hausbesuch hatte so viel Unterhaltungswert, dass ich richtig Spaß bekam, ihn voll auszukosten. Ich schickte Hans P. nach draußen, ohne Karlchen.
»Nun tun Sie mal kurz so, als ob Sie einkaufen gehen wollten. Bleiben Sie draußen in Sichtweite. Und ich sehe mir hier drinnen an, was der Hund in Ihrer Abwesenheit so alles anstellt.«
Hans P. war wenig begeistert von meinem Plan. Es fiel ihm schwer, Karlchen allein zu lassen.
Ich versuchte, die angespannte Situation ein wenig zu entschärfen: »Wenn Sie jetzt nicht gehen, habe ich ja gar keine Gelegenheit, Ihre Kreditkarten und Ähnliches zu klauen!«
Damit hatte ich ihn; er lachte und zog nun doch davon.
Mit einem lauten ›Klack‹ fiel die Wohnungstür ins Schloss. Hans P. befand sich nicht mehr in Karlchens Kontrollbereich und es trat ein, was ich geahnt hatte: Karlchen tobte. Er knurrte, sprang an die Wohnungstür, biss in die Fußleisten, rannte knurrend zum Fenster, sprang auf die Sofalehne, biss ins Kissen, sprang wieder hinunter. Er rannte in die Küche, schleppte den Futternapf durch den Flur, knurrte den Napf an, riss die Tagesdecke vom Bett, knurrte den Kleiderschrank an und biss zu guter Letzt in die holländischen Pantinen.
Ich ging zum Fenster und rief Hans P. zu, doch wieder in die Wohnung zu kommen. Ich suchte nach Worten und begann zu erklären, was mir aufgefallen war. Es würde schwierig werden für Hans P., das war mir klar. Ich begann damit, dass ich ihm genau beschrieb, wie ich seinen Hund erlebt hatte.
»Also, ganz eindeutig: Karlchen hatte keine Angst, alleine zu bleiben. Ein Hund, der große Angst hat, würde hecheln, hätte vergrößerte Pupillen, würde stark zittern und seine Rute einklemmen. Winseln oder Weinen wäre auch typisch für solch eine Angstsymptomatik. Aber ich habe nichts dergleichen bei Karlchen feststellen können. Was ich gesehen habe, war: Wut! Wut! Wut! »Wütend sein« ist auch ein Symptom, aber für ein ganz anderes Problem!«
Hans P. hörte erstaunt zu.
Ich versuchte ihm den Unterschied zwischen einer behandlungsbedürftigen Separationsphobie, also einer krankhaften Trennungsangst, und einem Kontroll-Komplex-Verhalten zu erklären.
Bei Trennungsangst gibt es unterschiedliche Typen. Es gibt Hunde, die bellen und heulen, andere zerstören; wieder andere setzen unkontrolliert Harn und Kot in der Wohnung ab. Und immer ist Angst bis hin zur Todesangst die Ursache für ein solches Verhalten. Die betroffenen Hunde wollen die Nähe zu ihren Bezugspersonen wieder herstellen, indem sie deren Schuhe annagen, ihre Brillenetuis zerstören, Fernbedienungen oder Handys anknabbern. Alles Dinge, die ihre Besitzer oft in die Hand nehmen.
Und wo liegen die Ursachen für diese Ängste? Der Hund als hochsoziales Rudeltier ist nicht dafür gemacht, alleine gelassen zu werden. So wie wir ihn halten, muss er das aber lernen. Das muss ihm vom Welpenalter an behutsam beigebracht werden.
Anders liegt der Fall bei einem Hund mit Kontroll-Komplex-Zwang. Er zerstört auch, aber einfach nur, weil er wütend darüber ist, dass sich sein Besitzer aus seinem Kontrollbereich entfernt. Solch ein Hund zeigt keinerlei Angstsymptomatik.
Er ist einfach bloß außer sich und tobt – so wie Karlchen. Und das sind nur die Symptome!
Die eigentliche Ursache ist, dass Karlchen den ganzen Tag ›agiert‹ und Hans P. auf sein Hündchen ›reagiert‹. Immer muss Karlchen sagen, was als Nächstes zu tun ist. Und dann gehorcht Hans P. Er orientiert sich an Karlchen, nicht umgekehrt. Durch dieses Verhalten werden dem kleinen Kerl eine ganze Menge Jobs aufgetragen. Er muss das Leben eines gestandenen Mannes organisieren – und ist damit natürlich völlig überfordert. Das führt dann auch zu dem chronischen stressbedingten Dickdarmdurchfall.
Und wie war das mit den Beißangriffen auf die Füße seines Besitzers? Beim Telefonieren war alles anders. Wenn Hans P. etwa mit seiner Schwester telefonierte, schenkte er Karlchen nicht mehr 100 Prozent seiner Aufmerksamkeit, und das, obwohl er sich noch in seinem Kontrollbereich befand! Das konnte Karlchen nun überhaupt nicht ertragen.
Hans P. wusste sich mit den Holzschuhen zu helfen. Wie er mir gestand, telefonierte er schon seit vier Jahren nur noch in Holzschuhen.
Ja, mein Wilmersdorfer Kollege hatte recht: Dies war ein Fall für den Veterinär-Seelenklempner. Hans P. und ich besprachen Maßnahmen, die das Weltbild von Bonsai-Terminator Karlchen natürlich gehörig verändern würden. Aber ich hatte leise Zweifel, ob Hans P. wirklich ernsthaft Veränderungen wollte.
Konnte er Regeln aufstellen, klare Grenzen setzen, künftig in jeder Lebenslage als Erster agieren? Damit Karlchen sich entspannen und auf ihn reagieren konnte? Meine Zweifel verstärkten sich noch, als er mir, schon beim Gehen, an der Tür eingestand: »Ach, Frau Doktor, wenn Sie wüssten, wie viele Jahre ich unter meiner verstorbenen Frau zu leiden hatte … Die war ja so dominant!«
Viel mehr konnte ich hier momentan nicht ausrichten. Aber wie so oft dachte ich an die Gründung einer Doppelpraxis: Gleich am Eingang sollten zwei Schilder stehen. Auf dem einen stünde gedruckt: »Die Zweibeiner bitte rechts den Gang hinunter, erste Tür links zum Kollegen auf die Couch«; auf dem anderen Schild: »Die Vierbeiner bitte links den Gang hinunter, dritte Tür rechts zum Ausgang und mit Frau Dr. Werner in den Wald.«
Als mich der Vorsitzende eines lokalen Schäferhundvereins anrief, war ich wirklich überrascht. Traditionelle Hundesportler haben eigentlich nie Fragen, weder zur Haltung noch zum Verhalten der Tiere. Sie wissen immer alles besser, und es gilt der Satz: »Das haben wir schon immer so gemacht!« Aber in diesem Fall war der Leidensdruck wohl so groß, dass die Vereinsmitglieder über ihren Schatten gesprungen waren. Sie hatten sich an die Tierärztekammer des Landes Brandenburg gewandt, und diese hatte mich empfohlen. Das erfuhr ich, als mich der Vorsitzende des Vereins anrief.
»Guten Tag, Frau Dr. Werner. Wir sind eine kleine Ortsgruppe hier im Süden Brandenburgs, fast schon in Sachsen. Tja, wir haben ein Problem mit unseren Deutschen Schäferhunden. Die führen wir schon seit Jahren erfolgreich auf Ausstellungen und Prüfungen, und wir haben auch Erfolg versprechende Nachzuchten.«
Der Stolz in seiner Stimme war nicht zu überhören: »Na ja, wir sind zwar ein kleiner Verein, aber man kennt unsere Hunde! Elf Hundeführer und zwölf gemeldete Hunde sind bei uns im Verein. Wir sind eine kleine Truppe. Wir haben aber nun den Verdacht, dass unsere Hunde immer in den Wintermonaten ein gefährliches Virus bekommen, das die Tiere stark schwächt, sodass sie einen deutlichen Leistungsabfall zeigen. Nur zwei von ihnen lassen keinen Leistungsabfall erkennen. Die gehören unserem Kassenwart; er führt zwei Rüden. Wir wundern uns alle, dass seine Hunde bei Prüfungen weiter sehr gut abschneiden – aber der Rest schwächelt irgendwie …«
Und nun erklärte er mir, wie man auf mich gekommen war: »Unsere Tierärzte meinen, dass eigentlich alles in Ordnung wäre, und dass sich das mal ein Verhaltensmediziner anschauen müsste; am besten einer, der sich im Hundesport auskennt. Wir haben lange im Verein beraten, und wir sind der Meinung, dass wir eigentlich alles richtig machen. So, wie wir es eben seit 30 Jahren machen. Aber ausgerechnet unser Kassenwart hat darauf gedrängt, Sie anzurufen. Ein paar unserer Hunde jagen oft ihren Schwanz, und das wäre nicht normal, sagt er. Könnten Sie sich das mal ansehen? Die Vereinsmitglieder legen auch zusammen!«
Was sollte das denn sein? Ein angebliches Virus, das im Winter kleine Ortsgruppen überfällt? Ein gefährliches Wintervirus sozusagen? Was war denn da los? Ich hatte in den letzten Jahren schon deutschlandweit über 600 Hundezüchter geschult – in den Wochenendseminaren ging es um rasse- und artgerechte Hundehaltung sowie artgerechtes Hundeverhalten – aber eine kleine Ortsgruppe war in dieser ganzen Zeit noch nie an mich herangetreten. Wenn überhaupt, dann hatten das immer die großen Dachverbände übernommen. Dieses Problem im Süden Brandenburgs klang irgendwie spannend, andererseits war der kleine Ort aber auch verdammt weit weg … Ich zögerte.
Mein Anrufer betonte, er wisse ja, wie weit der Anfahrtsweg sei, aber sie hätten genügend Geld in der Vereinskasse, um meine Gebühren und das Kilometergeld zu bezahlen. Daran solle es nicht liegen! Nun gut, das bedeutete einen Tagesausflug Richtung Sachsen. Ich vereinbarte einen Mittwochsbesuch, denn das war außer sonnabends und sonntags derjenige Tag, an dem es dort Übungszeiten gab, sodass ich mir die Hunde bei der Arbeit ansehen konnte.
Vor Ort stellte ich schnell fest, dass es zwei Fraktionen unter den Hundesportlern gab: Da war zum einen die Gruppe der Neugierigen und Offenen – und daneben die der alteingesessenen Klugscheißer und Skeptiker. Letztere waren zahlenmäßig überlegen.
Der Vorsitzende zeigte mir einige Aufnahmen von Prüfungen innerhalb der Landesgruppe, die in diesem und im letzten Sommer stattgefunden hatten. Alle Hunde zeigten hervorragende Leistungen, schienen gesund und gut gepflegt. Nun sollte ich mir dieselben Hunde auf dem Platz ansehen. Bis auf zwei wirkten sie nervös, fahrig und unkonzentriert. Vier der Hunde, die noch in ihren Boxen warten mussten, kreiselten stereotyp um die eigene Achse und bellten dabei unablässig.
Okay! Hier gab es schon die ersten Probleme. Ich sah mir die Hunde bei der Unterordnung und im Schutzdienst an. Die perfekte Dressur! Wahrscheinlich kannten sie die vorgeschriebene Schrittfolge in- und auswendig.
Nach meiner Erfahrung sehen viele Leistungssportler in ihren Hunden bloße Sportgeräte. So hatte ich es zu meiner Hundesportlerzeit leider oft erlebt. Erreichte mein Deutscher Schäferhund nur 94 von 100 Punkten in einer der Abteilungen, wurde mir hinter vorgehaltener Hand sogleich zugeflüstert, dass man da einen Käufer in Westdeutschland kennen würde … Meine Vereinskollegen von damals fanden es sowieso völlig unpassend, dass ich mit meinem Hund den Weg von der U-Bahn zum Trainingsplatz auf Rollerskates zurücklegte. Aber das machte ihm nun mal ungemein viel Spaß – und mir auch!
In dieser Szene ist es üblich, den Hund vom Zwinger zum Auto zu bringen und ihn dann im Auto oder in einer Vereinsbox warten zu lassen, bis man mit ihm dran ist. Später fahren alle wieder nach Hause und der Hund kommt vom Auto direkt in den Zwinger. Das war es dann für ihn.
Was ich an diesem Mittwoch im Januar zu sehen bekam, war eindeutig: Die Leistung dieser Hunde war deutlich schlechter als im Sommer. Sie wirkten nicht so energetisch und präsentierten sich auch deutlich schlechter. Ich besprach mit den Vereinsleuten, dass ich mir gerne die Haltung eines jeden Hundes zu Hause sowie das Futter ansehen wolle, um mir ein Bild vom Leben ihrer Tiere zu machen. Alle waren einverstanden, und da sie auf zwei kleine Gemeinden verteilt waren, sollte das organisatorisch und zeitlich kein Problem werden.
Es war Anfang Januar, draußen herrschten bitterkalte zehn Grad minus bei schneidendem Ostwind. Wir wärmten uns zunächst in den Autos auf und fuhren dann zur ersten Zwingeranlage. Brosco, der Rüde des zweiten Vereinsvorsitzenden, lebte in einem zehn Quadratmeter großen Zwinger, der aus Bauzäunen zusammengesetzt war. Sämtliche Seitenwände waren offen und nicht witterungsgeschützt.
Im Zwinger selbst lag Schnee, das Wasser im Wassernapf war gefroren, und die Hundehütte, die im Zwinger stand, war an den Seiten nur minimal mit etwas Styropor isoliert. In der Hütte selbst – mit einer Öffnung zur Wetterseite hin – kroch feuchte Kälte an Ecken und Wänden hoch. Einen weichen Liegeplatz gab es nicht, ebenso wenig ein paar Lagen Stroh oder die sonst übliche isolierende Gummimatte. Auf eine Wärmelampe meinte der Hundehalter ebenfalls verzichten zu können. Der Hund sollte ja schließlich nicht verweichlichen!
Ich wollte wissen, wie viele Stunden Brosco täglich im Zwinger sei und wie viele Stunden er im Haus verbrachte. Die Antwort machte mich traurig: Er war noch nie im Haus gewesen! Die einzige Abwechslung bestand für Brosco darin, sich tagsüber einige Stunden frei auf dem eingezäunten Grundstück zu bewegen. Es gab in dieser Zeit aber niemanden, der sich mit ihm beschäftigte. Kontakt zu Artgenossen hatte er auch nicht. Niemand ging mit ihm spazieren; dafür war keine Zeit. Brosco war einer der Hunde, der in der Vereinsbox stark kreiselte.
Als Nächstes wollte ich hören, welches Hundefutter er bekam. Dazu muss man wissen, dass Deutsche Schäferhunde im Hundesport sehr schlank sind. Das sieht man gern auf Ausstellungen. Ich mochte schlanke Hunde auch sehr. Aber Brosco war viel zu dünn! Er bekam kein Futter, mit dem er sich im Winter ein Polster anfuttern konnte. Das war aber bei einer derart schlechten Haltung, insbesondere ohne Wärmelampe, zwingend notwendig. Der Rohfettgehalt seines Futters war viel zu niedrig. Seine Energie ging fürs Kreiseln und für die Thermoregulation drauf. Jedes Kind weiß, dass sich ein Wildtier Winterspeck anfrisst, weil es diese Energiereserven in der kalten Jahreszeit braucht.
Brosco hatte keinen warmen Platz und kaum Sozialkontakt zu »seinem« Menschen. Seine Stressoren waren: Langeweile, Einsamkeit und Kälte. Dafür ging ein Großteil seiner Energie drauf. Wie sollte er da noch herausragende Leistungen im Hundesport bringen? Eine der typischen Verhaltensstörungen, wie sie durch chronischen Stress aufgrund von Haltungsfehlern entstehen, zeigte er bereits: Er war ein Kreisler. Er litt an einer Stereotypie.
Ich notierte mir alles, was es später zu besprechen geben würde, und wir fuhren weiter zum nächsten Hund. Offensichtlich hatte jemand aus dem Verein gute Kontakte zum Bauzaunhandel. Auch hier war der Zwinger aus Bauzaunelementen zusammengesetzt und nicht witterungsgeschützt. Der Rohfettgehalt in der Ration war zu gering und es gab keinen Kontakt zu den menschlichen Sozialpartnern, die sich allesamt im warmen Haus aufhielten. Bewegung fand nur auf dem kleinen Grundstück sowie dreimal die Woche für wenige Minuten auf dem Hundesportplatz statt, denn es war kalt, und die Vereinsmitglieder tranken lieber warme Getränke im Vereinshaus und ließen ihre Hunde in den Boxen. Als ob ein Hund Kilometergeld auf einem Grundstück sammeln würde!
Auch dieser Hund war für die Jahreszeit viel zu dünn. Sein Gewicht wäre völlig in Ordnung gewesen, wenn die Hundehütte mit vielen Lagen Stroh und einer Wärmelampe ausgestattet gewesen wäre, sodass der Hund nicht unnötig Energiereserven verbraucht hätte. Was mich am meisten ärgerte, war, dass es einen Zweithund gab, einen Parson Russel Terrier. Das war der Familienhund. Das niedliche Kerlchen lebte im Haus, mit ihm ging man im Wald spazieren.
Wir fuhren weiter. Diesmal zum Kassenwart, der zwei Rüden hielt. Seine Hunde hatten schon auf dem Platz deutlich ausgeglichener gewirkt, nicht nervös, keine Anzeichen von Konzentrationsproblemen. Ich war gespannt. Der Kassenwart galt im Verein ein wenig als ›moderner Querulant‹. Er arbeitete seine Hunde nicht über Strafe, vermied Leinenruck, Stachelhalsbänder und Sonstiges, belohnte sie aber – unter anderem – mit Leckerlis für erwünschtes Verhalten bei guter sportlicher Leistung. Seine Hunde kreiselten nicht.
Er hatte für die beiden Rüden einen großen Zwinger von knapp zwanzig Quadratmetern eingerichtet. Darin waren zwei voll isolierte Hundehütten, die mit Stroh und Gummimatten ausgepolstert waren. Sie waren komplett trocken. Das Thermometer zeigte 14 Grad an. Bestens, er benutzte Wärmelampen! Ein großer beheizbarer Wassernapf ließ gefrorenes Trinkwasser bei diesen Temperaturen nicht zu. Im Zwinger gab es zwei weitere trockene Liegeplätze sowie Spielzeug zur Beschäftigung. Trockenfutter mussten sich die beiden aus Futterbällen selbst erarbeiten. Und nun das Highlight: Kam der Kassenwart am frühen Nachmittag von der Arbeit nach Hause, ging er mit beiden Hunden auf den Feldern spazieren.
Die Hunde verstanden sich gut und tobten viel. Und das Allerbeste: Zum Abend und über Nacht wurden sie ins Haus geholt – sie durften in der Nähe ihres Menschen sein. Auf meine Frage zum Futter erklärte er mir: »Wir füttern ja hier im Verein alle das gleiche Trockenfutter, weil es als Sammelbestellung sehr viel billiger ist. Ich gebe meinen Rüden in der kälteren Jahreszeit allerdings immer noch hochwertiges und fettreiches Frischfleisch in einer zweiten Portion am Nachmittag dazu. Und zwar Rinderstichfleisch sowie Rinderherz mit Fett. Beides ist ja sehr fetthaltig. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie das brauchen. Mache ich aber nur im Winter. Da ich in der kalten Jahreszeit sowieso nicht auf Ausstellungen gehe, ist es auch egal, wenn sie dann etwas moppeliger sind.«
Ich hätte diesen Mann knutschen können! Optimale Haltung zweier Hunde, die im Sport geführt werden: Sie sind zu zweit, erarbeiten sich ihr Trockenfutter, spielen miteinander, haben Bewegung mit ihrem Menschen außerhalb des Grundstücks. Optimale Zwingergestaltung mit drei Wänden, die vor Zugluft, Kälte, Regen und Schnee schützen. Hundehütten, die voll isoliert und mit Stroh ausgelegt sind. Ein Thermometer zur Kontrolle und Wärmelampen. Täglich zwei Fütterungen, eine davon mit Frischfleisch, das einen erhöhten Rohfettgehalt aufwies.
Diese Hunde hatten keinen Stress mit Einsamkeit, Langeweile, Isolation, fehlenden Artgenossen oder Kälte. Klar, dass diese beiden Jungs auch im Winter beste Leistungen im Hundesport erbrachten.
Die Haltung der weiteren acht Hunde war miserabel. Sie verbrauchten ihre Energien für Thermoregulation, hatten massiven Stress durch Einsamkeit, fehlende Sozialpartner und ungeeignetes Futter. Einer der Hunde hatte noch nicht einmal eine Schutzhütte in seinem Zwinger! Die Erklärung der Halterin: »So hat meine Großmutter ihre Hunde auch immer gehalten. Das macht man so, und die sind auch alle mindestens zehn Jahre alt geworden. Schließlich will ich ja kein Weichei.«
Ich erinnerte daran, dass es früher in den Wohnungen auch keine Zentralheizung gegeben hätte und dass es eine Tierschutz-Hundeverordnung gab, und dass …, aber mir wurde sogleich das Wort abgeschnitten. Diese Hundesportlerin gehörte definitiv nicht zur Fraktion derer, die für Neues aufgeschlossen waren. Gern hätte ich ihr für die folgenden Nächte den Hausschlüssel abgenommen.
Nach etwa zwei Stunden fuhren wir zum Vereinshaus zurück. Ich hatte alles gesammelt und notiert, denn ich wollte nicht bei jedem Einzelnen in der Kälte stehen – und mich dauernd wiederholen! Der Kassenwart brachte mir einen heißen Tee und flüsterte mir im Vorbeigehen ins Ohr: »Gut, dass Sie gekommen sind! Ich stoße hier nur auf Granit. Einer Frau Doktor hören meine Vereinskollegen vielleicht eher zu …«
Und schon ging das Durcheinandergebrabbel los: »Was könnte das für ein Virus sein?« »Haben Sie so was schon mal gesehen?« »Sollen wir mal eine Blutprobe unserer Hunde in die Tierarztpraxis schicken?« »Gibt es leistungssteigernde Medikamente?« »Haben Sie eine Idee?« »Sollen wir unsere Hunde härter rannehmen?«
Ich bat um Ruhe und war erstaunt, wie gut das schon mal klappte. Alle waren tatsächlich bereit, mir zuzuhören. Ich begann: »Nein, Sie werden Ihre Hunde nicht härter rannehmen! ICH werde SIE jetzt mal härter rannehmen!«
Erstaunte Gesichter. Nun wurde es wirklich still. Und weil ich überhaupt keine Lust auf Sätze hatte wie: »… aber das haben wir schon immer so gemacht!«, fuhr ich fort: »Ich werde Ihnen jetzt ganz genau sagen, wie Sie Ihre Probleme lösen können. Und zwar wirklich ganz genau! Was Sie davon umsetzen, ist Ihre Angelegenheit. Ich werde Sie allerdings auch darüber in Kenntnis setzen, was tierschutzrelevant ist und was insbesondere gegen die geltende Tierschutz-Hundeverordnung verstößt.
Das, weswegen Sie mich kontaktiert haben – der Leistungsabfall im Sport – ist lediglich ein Symptom. Und wie bei jeder richtigen Erkrankung liegt auch hier einem Symptom immer eine Ursache zugrunde. Es gibt kein Wintervirus, das einzelne Ortsgruppen befällt! Sie selber sind das gefährliche Virus für Ihre Hunde!«
Irgendwie hatte ich mir jetzt Respekt verschafft. Selbst die Fraktion der alteingesessenen Skeptiker zückte Notizblätter und Kugelschreiber.
Ich erklärte zunächst das Wort ›Stressor‹ und dass Stress nicht nur bedeutet, viel Arbeit zu haben oder gleichzeitig an zwei Orten sein zu wollen. Dass die größten Stressoren beim Hund als hochsozialem Rudeltier Haltungsfehler sind. Dass dazu eine isolierte Haltung zählt, mangelnde Bewegung, ein suboptimales Fütterungsmanagement, Schmerzen und vor allem Kälte. Ich betonte auch, dass das Kreiseln beim Hund eine behandlungsbedürftige Verhaltensstörung ist. Ich beschrieb, was dabei im Hirnstoffwechsel passiert und wie hoch der Leidensdruck für die Tiere bei diesem Zwangsverhalten ist. Zwischenfragen ließ ich nicht zu. Für eine Diskussion hatte ich zum Schluss Zeit eingeplant.
Und dann sprach ich ohne Punkt und Komma. Niemand wagte eine Zwischenfrage. Eine geschlagene Stunde lang hörten alle zu. Viele Blicke senkten sich. Ich sah betroffene Gesichter und dachte: »Ja, was trifft, betrifft!«
Mein Schlusswort lautete: »Es liegt in Ihrer Hand, etwas zu ändern! Die ersten Veränderungen beginnen im Kopf!« Der Kassenwart lächelte und nickte mir zu. Ob sie ihn bei der nächsten Mitgliedervollversammlung wohl abwählen würden?
Nun sollte die Fragerunde beginnen. Ich wappnete mich für eine ungemütliche Diskussion mit erhitzten Gemütern. Doch es kamen keine Fragen. Einen Moment lang war es ruhig, dann begann jemand zu klatschen und spontan fielen alle mit ein. Die ganze Runde applaudierte. Man bedankte sich bei mir fürs Augenöffnen. Damit hatte ich nun gar nicht gerechnet!
Es folgte der gemütliche Teil des Tages: Leckere Erbsensuppe wurde aufgetischt und wir berieten dabei die notwendigen Veränderungen. Vereinsmitglieder, die nahe beieinander wohnten, wollten sich künftig an drei Tagen in der Woche mit den Hunden, die sich gut vertrugen, zum Spaziergang treffen. Ich holte diverse Spielzeuge aus dem Auto, mit denen sich die Hunde Trockenfutter erarbeiten konnten, und stellte sie vor. Nun wurde die Runde immer lockerer: Einer der Hunde wurde aus der Box geholt und ich demonstrierte, wie man ihm das Erarbeiten von Futter mit diesen Hilfsmitteln beibringen konnte. Der Hund wirkte sehr vergnügt dabei, und die Vereinsmitglieder freuten sich über seine Erfolge und feuerten ihn regelrecht an.
An diesem Abend entstand ein gemeinsames Vereinsprojekt. Es gab im Verein einen Tischler und Drechsler, den Kassenwart. Er war sofort dabei, als es darum ging, Skizzen für geeignete Hundehütten zu erstellen, die gemeinsam gebaut werden sollten. Voll isoliert. Die Tochter eines anderen Vereinsmitglieds hatte ein eigenes Pferd in einem Offenstall, sie war künftig die Bezugsquelle für wärmendes Stroh. Drei Mitglieder interessierten sich für Wärmelampen und wie die Schutzhütten gestaltet sein mussten, damit diese gut zum Einsatz kamen.
Ich empfahl ein Trockenfutter mit einem hohen Rohfettgehalt für die Wintermonate, denn einige fanden das Verfüttern von Frischfleisch ekelig. Woraufhin ich mir den Hinweis nicht verkneifen konnte, dass auch Trockenfutter nicht auf Bäumen wuchs. Diese Sticheleien konnte ich mir inzwischen mit einem Lächeln erlauben. Zwei Halter wollten darüber nachdenken, ihre Hunde über Nacht im Vorraum ihres Hauses schlafen zu lassen. Wenigstens das.
Insgesamt war ich erstaunt, wie viel Bewegung in diese kleine Gruppe von Menschen gekommen war. Viele Ideen wurden diskutiert. Konkrete Maßnahmen wurden besprochen und geplant. Es war ein gelungener Arbeitstag gewesen, und ich hatte eine köstlich-deftige Erbsensuppe genossen. Zufrieden fuhr ich am frühen Abend nach Hause.