Der Literat - Thomas Mann - E-Book

Der Literat E-Book

Thomas Mann

0,0
0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Einige zentrale Gedanken aus der »amorphen Notizenmasse«, wie Thomas Mann das umfangreiche Konvolut zu seinem unvollendet gebliebenen Essay ›Geist und Kunst‹ bezeichnet hat, wurden in der Folge zum Ausgangspunkt eigenständiger Essays. Manns Angaben zufolge diente ihm ein Abschnitt, in welchem er eine Charakterisierung des literarischen Menschen versucht, zur Vorbereitung dieses Essays; tatsächlich überschneiden sich die Inhalte allerdings kaum unmittelbar. Der genaue Entstehungszeitraum des Essays ist nicht zu rekonstruieren, ebensowenig mögliche Um- und Überarbeitungen. Laut Eingangsstempel traf das Manuskript aber am 27. Dezember 1912 in der Redaktion der Zeitschrift März ein, deren Herausgeber unter anderem Hermann Hesse war, und wurde dort im Januar 1913 in zwei Teilen abgedruckt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 17

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Thomas Mann

Der Literat

Essay/s

Fischer e-books

In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk

{354}Der Literat

Eine große Abhandlung über Geist und Kunst, Kritik und Plastik, Erkenntnis und Schönheit, Wissen und Schöpfertum, Zivilisation und Kultur, Vernunft und Dämonie wurde vor Jahren erträumt und entworfen. Der Gegenstand führte ins Ungemessene, und die essayistische Disziplin des Verfassers reichte nicht aus, ihn zu komponieren. So blieb der Plan als amorphe Notizenmasse liegen. Was folgt, sind ein paar zusammenhängende Seiten aus dem Kapitel, in welchem versucht werden sollte, den Typus des literarischen Menschen in seiner abstrakten Reinheit kritisch darzustellen.

 

»Die, welche mit mehr Klugheit und größerer Liebe zur Tugend geboren sind, als die andern«, heißt es im Vedam, »sollen Brahmanen werden.« Darf man unter »Klugheit« ein auf innere Anschauung und hingebende Erfahrung gegründetes Wissen um alles Menschliche begreifen, überwacht, befeuert, ja vielleicht nicht nur überwacht und befeuert durch eine leidenschaftliche Lust am bezeichnenden Ausdruck, eine verwöhnte, reizbedürftige, stets ungenügsame, stets nach neuen Eroberungen ausschauende Abenteuerlust und Meisterschaft auf dem Gebiete des Wortes; unter »Liebe zur Tugend« aber die Reinheit des Betrachtenden, den Willen zum Unbedingten, den Ekel vorm Zugeständnis und der Korruption, ein spottweise oder feierlich anklagendes und richtendes Bestehen auf dem Idealen, auf Freiheit, Gerechtigkeit, Vernunft, Güte und Menschenwürde: so ist in dieser Definition der Brahmanenbegabung die literarische Anlage auf ihre kürzeste Formel gebracht.

Das achtzehnte, das eigentlich literarische Jahrhundert liebte es, von dem »Gelehrten« – einem trockenen und zänkischen Wesen – den »Philosophen« zu unterscheiden, und es scheint, {355}daß mit diesem ungefähr das gemeint war, was wir heute unter einem Literaten verstehen. Die Zeitunterschiede sind gleichwohl bedeutend, und der heutige Begriff des Literaten deckt sich noch weniger, als der damalige des Philosophen mit dem des lettré