PFLANZE UND PRODUKT
Die Ölpalme
Die Hauptfigur dieses Buches ist ein unauffälliger Zeitgenosse. Sie lebt fernab von uns, kaum jemand hat sie je persönlich zu Gesicht bekommen. Und doch hat praktisch jede*r von uns schon von ihr gehört. Wer sie sucht, findet ihre Spuren überall. Ihren Namen oder Abwandlungen davon können wir jeden Tag lesen; wir müssen nur die Verpackung der Produkte umdrehen, die in unseren Schränken stehen, egal ob Schokolade oder Duschgel. In unserer Welt lebt sie im Kleingedruckten, in den Zutatenlisten von Lebensmitteln oder in den Inhaltsangaben unserer Kosmetika. Und dort ist sie für viele Hersteller gut aufgehoben: Niemand geht mit ihr hausieren, sie wird nicht beworben – lieber totgeschwiegen. Wir reden von der Ölpalme, Elaeis guineensis, und dem aus ihren Früchten und Samen gewonnenen Palmöl. Nie würde sie eine Werbekampagne anführen. Dabei gibt es gute Gründe dafür, die Ölpalme von ihrem Schattendasein ins Rampenlicht zu heben, denn ihre Präsenz in unseren alltäglichen Produkten ist überraschend umfassend und ihr Einfluss auf Ökosysteme enorm.
Warum sie eine »Alleskönnerin« ist und dennoch eine Existenz abseits des Rampenlichts führt, das möchten wir in diesem Buch erklären. Dabei beleuchten wir nicht nur die Hintergründe und Grundlagen des Anbaus und Handels, sondern folgen auch der Wertschöpfungskette bis in unseren Alltag, um zu zeigen, wie weit sich Palmöl in unserer Gesellschaft ausgebreitet hat. Dadurch wollen wir jenen, die planen, ihren eigenen Palmölkonsum zu steuern und zu reduzieren, das dafür nötige Wissen und konkrete Tipps an die Hand geben.
DIE ENTDECKUNG DER ÖLPALME
Heutzutage gibt es drei Arten von Ölpalmen. Die Amerikanische Ölpalme, Elaeis oleifera, die nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung ist, die Afrikanische Ölpalme, Elaeis guineensis, die den allergrößten Teil der zur Ölgewinnung kultivierten Ölpalmen ausmacht, und Elaeis odora, die wild vorkommt, aber bis heute nicht kultiviert wird.
Die Herkunft der Ölpalme ist umstritten. Die erste Beschreibung eines Entdeckers, die möglicherweise mit der Ölpalme in Verbindung gebracht werden kann, stammt von Ca’ da Mosto (1432–1488) aus den Aufzeichnungen über seine Reisen in Westafrika. Sinngemäß schreibt er: »Man kann in diesem Land eine Baumart finden, die in großer Zahl rote Nüsse mit schwarzen Augen trägt.«1 Auch die Funde fossiler Pollen, die denen der heutigen Ölpalme ähnelten, belegen, dass die Ölpalme schon vor über 2,6 Millionen Jahren in Afrika heimisch war und sogar damals schon kultiviert wurde.2 Den Weg zu ihrer heutigen Verbreitung fand die Ölpalme wohl über nur vier Exemplare: Aufzeichnungen der Buitenzorg-Gärten (heute der botanische Garten von Bogor) bestätigen den Erhalt dieser vier Palmen im Jahre 1848. Zugesandt wurden zwei davon durch den botanischen Garten Hortus Botanicus in Amsterdam, deren Herkunft allerdings ungeklärt ist. Die anderen beiden Samen stammten wohl aus Afrika, was ein späterer Bericht des Empfängers nahelegt, der auf eine Senderoute über Mauritius oder Bourbon verweist.3 Diese vier im botanischen Garten auf Java, Indonesien, gepflanzten Exemplare legten wohl den Grundstein für die südostasiatische Palmölindustrie.
Die Ölpalme ist, wie der Name schon sagt, eine Palme. Die afrikanische Ölpalme wird in Wäldern, ihrem wohl ursprünglichen Lebensraum, bis zu 30 Meter hoch. Im Anbau in Monokulturen und vereinzelt stehend wird sie jedoch kaum höher als 15 bis 18 Meter.4 Vom obersten Ende ihres Stammes wachsen pro Jahr sternförmig etwa 30 lange und gefiederte Blätter aus, die in kurzen Abständen übereinanderliegen und somit die typische Blätterkrone einer Palme bilden. Soweit alles ganz normal für eine Palme. Das, was alle Welt an der Ölpalme interessiert, wächst in den Achseln der Blattstiele. Dort entwickelt sich entweder ein männlicher oder ein weiblicher Blütenstand, von denen die weiblichen nach der Bestäubung Früchte bilden. Diese Früchte begründen den weltweiten Siegeszug der Ölpalme. Um einen mittig liegenden Stab herum werden zwischen 500 und 4.000 einzelne Früchte ausgebildet. Jeder dieser Fruchtstände bringt ein Gewicht von 10 bis 25 Kilogramm auf die Waage.5 Diesen Früchten oder besser gesagt ihrem öligen Inhalt hat die Pflanze ihre heutige Bedeutung zu verdanken.
Die Ölpalme hat nicht nur durch die Beschaffenheit des aus ihren Früchten gewonnenen Rohstoffes einen weltweiten Siegeszug angetreten, sondern vor allem aufgrund der außergewöhnlich hohen Menge an pro Fläche produziertem Öl. Fakt ist: Ihr Anbau bringt mehr Ertrag als der jeder anderen Ölpflanze.
Für diese in der Pflanzenwelt relativ außergewöhnlich hohe Produktivität braucht die Ölpalme natürlich große Mengen an Nährstoffen, Mineralien und Wasser. Auch hier ist sie außergewöhnlich: Wie bei den meisten Pflanzen wird eine ausreichende Zufuhr dieser Stoffe über das Wurzelwerk sichergestellt. Die Ölpalme kann dabei ihr unterirdisches Wurzelwerk aber auf einen schier unglaublich großen Radius von bis zu 25 Metern ausbreiten.6 Dadurch, dass sich dieses »Nahrungsnetz« in drei weitere Unterklassen von immer feineren Wurzeln aufteilt, entsteht eine enorme Fläche, aus der die Ölpalme die von ihr benötigten Stoffe und Wasser aufnehmen kann. Die bis zu 50 Palmwedel, die in der Krone jeder Palme zu finden sind, sorgen für die nötige Umwandlung von Sonnenenergie in Pflanzenmasse durch Fotosynthese. Auch hier kann durch die große Fläche die einfallende Sonnenstrahlung bestmöglich genutzt werden. Vor allem diese beiden Eigenschaften – ihre Effektivität bei der Aufnahme von Nährstoffen aus dem Boden und die Fähigkeit, starke Sonneneinstrahlung hocheffizient in Energie umzuwandeln – verleihen der Ölpalme die Fähigkeiten, die sie in der industriellen Agrarwirtschaft zu einer konkurrenzlosen Hochleistungspflanze machen.
Und sie hat noch einen weiteren Vorteil für Produzenten und Farmer: Praktisch alle anderen Nutz- und Ölpflanzen wie Soja, Raps, Sonnenblume oder Mais, die zur Gewinnung von Pflanzenölen im industriellen Maßstab angebaut werden können, müssen vor jeder Ernte neu angepflanzt werden. Die Ölpalme dagegen bringt ab dem dritten bis vierten Jahr nach der Pflanzung jedes Jahr kontinuierliche Erträge ein.7 Die ersten vier Jahre erzielt eine Plantage somit zwar keine Gewinne, sondern erfordert Investitionen für Rodung der Fläche, Planierung, Ausheben von Bewässerungsgräben, Pflanzung, Instandhaltung und Düngung. Im Gegenzug verspricht diese Investition aber stetige, hohe Erträge über mehr als 20 Jahre hinweg.
Trotz des hohen Ertrags ist ihr Bedarf an Düngemitteln erstaunlich gering. Nur 2 % des weltweiten Verbrauchs der drei wichtigsten Düngemittelgrundstoffe wurden 2011 für den Ölpalmanbau eingesetzt.
Düngemittelbedarfin Kilogramm pro Hektar/Jahr
Fruchtertragpro Hektar und Jahr bei optimaler Düngung
Kalium
Stickstoff
Phosphat
Mais
168
286
49
12 Tonnen
Soja
207
275
48
3,5 Tonnen
Ölpalme
286
120
16
30 Tonnen (FFB)
Quelle: Tarmizi, Mohd Tayeb (2006)8; Bender et al. (2013)9; Bender et al. (2015)10
Anteil Düngemittelverbrauch weltweit(2010/11)
Weltweiter Ertragin Tonnen (2010)
Kalium
Stickstoff
Phosphat
Gesamt
Mais
14,9 %
16,8 %
15,2 %
16,1 %
851.348.928
Soja
9,0 %
0,9 %
7,9 %
3,9 %
264.942.943
Ölpalme
7,2 %
1,1 %
1,0 %
2,0 %
223.437.286
Quelle: Heffer (2013)11; FAOSTAT (2011)12
Dieser Anteil ist beträchtlich niedriger als der anderer Nutzpflanzen: Der Vergleich zeigt: Während die Sojabohne mit einem Gesamtanteil von etwa 3,9 % der weltweit eingesetzten Düngemittel etwa die doppelte Menge auf sich vereint, liegt der größte Verbraucher, der Mais, sogar bei einem Anteil von 16,1 % am gesamten Düngereinsatz. Auch in Relation zum Ertrag fällt dieser Unterschied ins Auge. Natürlich ist der Vergleich hier aber nicht ganz einfach, da viele Pflanzen nicht ausschließlich zur Ölproduktion angebaut werden, sondern auch als Futterpflanzen, beziehungsweise wegen ihres hohen Protein- oder Kohlenhydratanteils. Würden wir aber beispielsweise versuchen, die Produktion von Palmöl herunterzufahren, und stattdessen Öl aus Mais gewinnen, wäre der Aufwand an Düngemitteln weitaus höher.
Ölertrag pro Hektar Anbaufläche und Jahr bei verschiedenen Ölpflanzen.
Bedeutend ist zudem der Ertrag in Relation zur Anbaufläche: Bisher lag der Ertrag pro Hektar Anbaufläche bei etwa fünf Tonnen Öl. Damit ist die Ölpalme der mit Abstand effektivste Ölproduzent unserer Agrarindustrie (siehe Vergleich in der Abbildung oben). Heute gibt man sich damit allerdings nicht mehr zufrieden: Durch Klonierung, also die Erzeugung genetischer Kopien, können besonders ertragreiche Palmen vervielfältigt werden und so Erträge von 7,5 bis 10,8 Tonnen pro Hektar und Jahr erreicht werden.13 Klonierte Palmen werden bisher meist nur auf industriellen Großplantagen angebaut. Würde ihr Anbau in Zukunft auch auf Kleinflächen Einzug halten, stiege die durchschnittliche Palmölproduktion in Relation zur genutzten Fläche weltweit weiter an.
Der relativ geringe Verbrauch an Düngemitteln und der hohe Ertrag der Ölpalme erwecken den Eindruck, wir hätten es mit einer sehr genügsamen Pflanze zu tun. Ein anderes Bild entsteht, wenn man das Bedürfnis der Ölpalmen nach Wasser, Temperatur und Licht betrachtet.
Der Wasserverbrauch von Ölpalmen ist verhältnismäßig hoch, weshalb der jährliche Niederschlag in einer Anbauregion bei mindestens 2.000 Millimeter liegen sollte, wenn man auf die künstliche Bewässerung verzichten möchte.14 Zum Vergleich: In Deutschland wurden solche Niederschlagsmengen in den letzten 30 Jahren nur an zwei Orten im tiefsten Süden Bayerns und im südlichen Baden-Württemberg erreicht. Deutschlandweit fallen im Durchschnitt nur etwa 800 Millimeter Niederschlag im Jahr.15
Damit die Ölpalme ihr volles Potenzial für die Produktion ausschöpfen kann, braucht sie zudem hohe Temperaturen, idealerweise zwischen 24 und 28 °C im Jahresdurchschnitt. Die Jahresdurchschnittstemperatur in Deutschland betrug zwischen den Jahren 2000 und 2009 nur etwa 9,4 °C – und dies war das wärmste Jahrzehnt der zurückliegenden 130 Jahre.16 Die potenzielle Anbaufläche wird also bereits durch die durchschnittliche Temperatur und den Jahresniederschlag stark eingeschränkt.
Für die Produktion großer Mengen an pflanzlichen Ölen sind außerdem eine hohe Sonnenscheindauer und -intensität unerlässlich. Dabei sollte die Dauer pro Tag fünf bis sieben Stunden betragen und die Intensität der Sonneneinstrahlung nicht unter 4.100 Kilowattstunden je Quadratmeter pro Tag liegen. Die durchschnittliche Sonnenscheindauer in Deutschland betrug zwischen 1981 und 2010 lediglich 4,4 Stunden pro Tag, der maximale Wert der jährlichen Sonnenscheinintensität lag bei 1.261 Kilowattstunden je Quadratmeter.17
Durchschnittliche Sonnenscheindauer, Niederschlagsmenge und Temperatur in den Hauptanbauregionen der Ölpalme im Vergleich zu Deutschland.
Um es zusammenzufassen: Äpfel, Birnen, Kirschen, Weizen, Roggen oder Gerste wachsen bei uns hervorragend. Für die Ölpalme ist es bei uns aber zu dunkel, zu trocken und zu kalt. Ihr überaus großes Verlangen nach hohen Temperaturen und langer Sonnenscheindauer mit hoher Strahlungsintensität beschränkt den Anbau der Ölpalme auf die Regionen bis etwa zum 15. Breitengrad nördlich und zum 10. Breitengrad südlich des Äquators. Dies entspricht ziemlich genau der Zone, in der tropische Regenwälder vorkommen.
Die Herstellung von Palmöl
Betrachtet man die Gewinnung der gängigen Pflanzenöle, so sticht Palmöl durch mehrere Vorteile wirtschaftlich heraus. Sowohl die Pflanze an sich als auch ihre Früchte und ihr Öl unterscheiden sich maßgeblich von vielen anderen Ölpflanzen.
Nicht nur Ertrag, Düngemittelverbrauch und klimatische Bedingungen für den Anbau unterscheiden sich von anderen für die Ölproduktion eingesetzten Nutzpflanzen, auch ihre Mehrjährigkeit und der Aufbau der Früchte suchen in der Welt der Feldfrüchte ihresgleichen. So müssen Ölpalmplantagen nicht jedes Jahr erneuert werden, sondern liefern über Jahre kontinuierlich Erträge, was den Anbau erheblich kostengünstiger macht. Außerdem kann man sowohl aus dem Fruchtfleisch als auch aus dem Kern Öl gewinnen. Da diese beiden Öle auch noch unterschiedliche Zusammensetzungen und damit Eigenschaften haben, kann man aus den Früchten und Kernen ein und derselben Pflanze Öle für unterschiedliche Einsatzgebiete pressen.
Geeignete Anbauländer
Die klimatisch optimalen Regionen für den Anbau von Ölpalmen liegen zwischen 15° nördlich und 10° südlich des Äquators. Natürlich könnte die Ölpalme auch außerhalb und in relativer Nähe zu dieser Zone angebaut werden, allerdings würden dann auch geringere Erträge erzielt, was den Anbau mit zunehmender Entfernung zum Äquator immer weniger rentabel macht.
Zu den geeigneten Anbauregionen zählen damit nicht nur die Hauptanbauländer Malaysia und Indonesien und andere Teile Südostasiens wie Thailand und Neuguinea. Auch in Afrika und Lateinamerika können Ölpalmen ertragreich angebaut werden – natürlich mit Ausnahme der sehr trockenen Savannen- und Wüstengebiete. Die größten Anbaugebiete Afrikas liegen in den flachen Küstengebieten West- und Zentralafrikas.
Optimale Bedingungen für den Anbau von Ölpalmen nördlich und südlich des Äquators sowie tatsachliche Anbauländer.
Die Regionen, die neben den Hauptanbauländern in Südostasien im Fokus der Palmölindustrie stehen, liegen in Süd- und Mittelamerika. Hier besteht noch viel Raum für die Expansion der Industrie, sowohl in Hinsicht auf Anbauflächen als auch die technische Entwicklung der Produktionsmethoden. Der Verfall der Sojapreise der letzten Jahre und die zunehmende Nachfrage nach Biodiesel an den Weltmärkten begünstigen eine teilweise Umstellung der oft seit Langem auf den Anbau und Export von Sojabohnen eingestellten Landwirtschaft. Dabei werden aber nicht nur alte Sojaplantagen für die Produktion von Palmöl umgewidmet, sondern auch bewaldete Gebiete gerodet und erschlossen. Denn in Südamerika, allem voran in Brasilien, gibt es noch weite Waldflächen, deren Böden für den Anbau von Ölpalmen gut geeignet sind.18
Geeignete Waldfläche für den Anbau von Ölpalmen nach Land. Quelle: Stickler et al. (2007)19
Land
Geeignete Waldflächein 1.000km2
Brasilien
2.283
Demokratische Republik Kongo
778
Indonesien
617
Peru
458
Kolumbien
417
Venezuela
150
Malaysia
146
Papua Neuguinea
144
Suriname
101
Bolivien
90
Kamerun
83
Gabun
81
Guyana
81
Französisch-Guayana
70
Republik Kongo
66
Ecuador
55
Philippinen
31
Myanmar
25
Thailand
24
Laos
13
Vietnam
5
Sowohl in Afrika als auch Lateinamerika werden zwar in mehreren Ländern Ölpalmen angebaut, aber nur einige wenige Länder betreiben den Anbau im industriellen Maßstab und für den Export. Auf dem afrikanischen Kontinent zählen hierzu vor allem Nigeria und die Elfenbeinküste, gefolgt von Kamerun und der Demokratischen Republik Kongo.
Palmölproduktion außerhalb der Hauptanbauländer Indonesien und Malaysia in Tausend Tonnen im Jahr 2014 (Kreise proportional zur Menge der Produktion).
In Amerika liegen die größten Anbaugebiete in Mittel- und Südamerika, mit Kolumbien an erster Stelle. Danach folgen Honduras und Guatemala mit weniger als der Hälfte der Produktion Kolumbiens und dahinter Brasilien, Ecuador und Costa Rica. Diese Länder werden voraussichtlich eine große Rolle bei der zukünftigen Ausbreitung der Palmölindustrie spielen. In einigen Ländern wird der Anbau von Ölpalmen von den Regierungen sogar aktiv gefördert, zum Beispiel im Rahmen von Strategien zur Diversifizierung der Agrarwirtschaft oder als Teil nationaler Strategien zur Unabhängigkeit von Palmöl- oder Mineralölimporten.
Der Anbau
Ölpalmen werden – wie viele andere industriell angebaute Nutzpflanzen – in großen zusammenhängenden Monokulturen angebaut. Dabei wird das vorher bestehende Ökosystem nahezu komplett zerstört und die entstehende Brache mit jungen Ölpalmen bepflanzt. In modernen Plantagen werden normalerweise Pflanzabstände von neun bis zehn Metern zwischen den Palmen eingehalten. Das ermöglicht Pflanzungen von 120 bis 143 Palmen pro Hektar.20 Da Torfböden mehr Nährstoffe liefern, werden auf solchen bis zu 160 Palmen pro Hektar gepflanzt.21 Das macht Torfächen für die Pflanzung neuer Plantagen besonders interessant; ebenso wie der zu erwartende Ertrag sind bei der Rodung von Torfwäldern aber auch die negativen Folgen für das Klima und die biologische Vielfalt größer (hierzu mehr in Kapitel 2: »Palmöl wirkt«).
Zusammenhängende Plantagen sind meist von Gräben durchzogen, die der Bewässerung dienen oder überflüssiges Wasser ableiten sollen. Auch Zufahrtsstraßen und Wege teilen die Plantage in kleinere Einheiten und erleichtern damit den Zugang zu den einzelnen Palmen. In von der lokalen Bevölkerung privat geführten Plantagen sind solche Zugangswege oft nicht nötig oder es fehlt an Geldern, um diese anzulegen.
Ölpalmplantage. Im Vordergrund Neuanpflanzungen.
Vor allem in Indonesien gibt es zwar noch viele Plantagen, die im Besitz von Kleinbauern sind, die zur Finanzierung des eigenen Lebensunterhalts auf Flächen von unter einem bis zu wenigen Hektar Ölpalmen anbauen. Die vorherrschenden industriellen Plantagen können sich aber über tausende Hektar zusammenhängender Fläche erstrecken. Man kann sich also vorstellen, dass nicht Regenwald von einigen kleinen Plantagen unterbrochen wird, sondern die Realität in vielen Regionen heutzutage umgekehrt aussieht. Der Regenwald wird also in den seltensten Fällen von kleinen Plantagen unterbrochen, sondern meist auf gigantischen Flächen gerodet. Dies ist ganz im Interesse der Palmölkonzerne, denn zusammenhängende Flächen lassen sich leichter und kostengünstiger bewirtschaften als verstreut liegende kleine Plantagen. Das liegt einerseits an kürzeren Transportwegen bei Pflege und Aberntung der Palmen. Andererseits ist die gesamte Infrastruktur, welche sich auch auf Bewässerungs- oder Entwässerungsgräben, befestigte Straßen, Lager für Maschinen, Düngemittel und Pestizide, Wohnräume für Arbeiter und natürlich eine Palmölmühle erstreckt, als zusammenhängende Einheit viel effizienter zu errichten und zu betreiben. Daher bestehen moderne Ölpalmplantagen oft aus einem Kernkomplex, auf Indonesisch auch Inti genannt, mit Ölmühle, Wohn- und Lagerflächen, und dem umgebenden sogenannten Plasma. Vom Herzstück der industriellen Großplantage aus, zu dem meist auch einige Hektar Ölpalmen gehören, werden alle nötigen Operationen unternommen und die geernteten Früchte direkt zu Palmöl weiterverarbeitet. Drumherum liegt das Plasma mit großen zusammenhängenden Ölpalmplantagen. Diese werden entweder durch den Kernkomplex selbst bewirtschaftet oder von Arbeitern, die mit ihren Familien im oder am Rande des Plasmas leben. Sie pflegen einen festen Teil der Plantagen und erhalten für die Ernte einen festen Preis vom Besitzer der Großplantage. In diesem Fall rücken die Arbeiter des Kernkomplexes nur noch zur Ernte oder zur Schädlingsbekämpfung in das Plasma aus oder haben die Verantwortung für die Plantagen des Plasmas komplett an die Kleinbauern abgegeben.
Wir reden also von drei Modellen des Anbaus von Ölpalmen:
Monokultureller Anbau im kleinen Maßstab durch private Kleinbauern.
Großer monokultureller Anbau, betrieben durch einen privaten oder staatlichen Konzern.
Große Monokulturen, betrieben durch einen privaten oder staatlichen Konzern unter Beteiligung von Kleinbauern.
Daneben gibt es zwar noch andere Modelle, wie agroforstwirtschaftlichen Anbau, bei dem Nutzpflanzen verstreut in einem bestehenden Waldgebiet angebaut werden, oder den Anbau in Mischkulturen mit anderen Nutzpflanzen; diese spielen heutzutage allerdings keine wesentliche Rolle, wenn es um die schiere Masse an Palmöl geht, die in den Produkten unseres täglichen Gebrauchs Verwendung findet.
Die Gewinnung von Palmöl
Wie andere Ölfrüchte muss die Frucht der Ölpalme in einer Mühle gepresst werden, um an ihr kostbares Öl zu gelangen. Dabei bietet die Ölpalme gleich zwei verschiedene Öle: das der Frucht und das des Kerns.
Die Blüte einer Ölpalme benötigt von ihrer Entfaltung bis zum reifen Fruchtstand etwa fünf bis sechs Monate.22 Da Ölpalmen aber kontinuierlich über das ganze Jahr Blüten und Früchte tragen, wird auf den Plantagen etwa alle zwei bis vier Wochen geerntet, um die maximale Menge an Früchten zu erhalten. In einer industriellen Großplantage werden die einzelnen Teilbereiche nacheinander abgeerntet. Ist die Plantage also groß genug, kann jeden Tag im Monat ein anderer Teilbereich geerntet werden. Das ist für die Plantagenunternehmen durchaus wünschenswert, denn so kann die Ölmühle optimal ausgelastet werden.
Durch die Zersetzungsprozesse, die nach der Ernte in den Früchten zu wirken beginnen, ist es äußerst wichtig, die Früchte innerhalb von 24 Stunden nach der Ernte zu verarbeiten. Gelingt dies nicht, leidet die Qualität des gepressten Öls, was sich wiederum negativ auf den zu erlösenden Verkaufspreis auswirkt. Aus diesem Grund sind die Ölmühlen industrieller Großplantagen nahezu jeden Tag im Einsatz. Die Notwendigkeit, die Früchte innerhalb von 24 Stunden zu verarbeiten, setzt hier abhängig von der Länge der Transportwege und vor allem der Kapazität der Ölmühle eine Grenze für die mögliche Größe eines zusammenhängenden Plantagenkomplexes.
Die eigentliche Verarbeitung der Früchte spaltet sich in Vorbehandlung, Pressen und Nachbehandlung auf.
Bei der Vorbehandlung werden die Früchte zunächst unter hohem Dampfdruck sterilisiert. Die Hitze des Dampfes tötet Bakterien ab und stoppt Zersetzungsprozesse, durch die die Qualität des gepressten Öls verringert werden könnte. Durch die Behandlung mit Dampf lassen sich im nächsten Schritt die Früchte auch leichter von den nicht ölhaltigen Teilen des Fruchtstandes trennen. Bei den nun vereinzelten Früchten wird anschließend durch das Schlagen in einer Trommel das Fruchtfleisch vom Kern getrennt.
Ölpalmfrüchte im Vorder- und Fruchtstande im Hintergrund.
Im nächsten Schritt werden sowohl Kerne als auch Fruchtfleisch weiter in eine Schraubenpresse transportiert, die das Öl herauspresst. Dabei bleiben die harten Kerne jedoch unbeschädigt. Bei der ersten Pressung erhält man dadurch nur Öl aus dem Fruchtfleisch – Palmöl. Die Kerne werden nach dem ersten Pressen durch Maschinen aus den Presskuchen, der aus den übrig gebliebenen Fasern besteht, aussortiert und getrocknet. Sie werden zu Anlagen transportiert, die auf das Aufbrechen der Kernhülle und das Pressen des Kerns spezialisiert sind. Durch eine Zentrifuge oder Riffelmühle wird die Kernschale aufgebrochen und der Kern in einem sogenannten Hydrozyklon, einem Wasserbad, in dem ein starker Strudel erzeugt wird, von seiner Schale getrennt, denn während der ölhaltige Kern obenauf schwimmt, sinken die dichten Schalen im Wasser zu Boden.23 Nun kann auch der Kern gepresst werden. Dies geschieht allerdings oft nicht in der Mühle der Plantage. Meist werden die Kerne getrocknet und dann zu einer größeren Mühle transportiert oder direkt abgepackt und ins Ausland exportiert. Aus ihnen kann nun das in der chemischen Industrie oft eingesetzte Palmkernöl gepresst werden.
Querschnitt durch eine Ölpalmfrucht. Das orange-gelbe Fruchtfleisch und der leuchtende Kern liefern Öle unterschiedlicher Zusammensetzung.
Die Nachbereitung des zuvor gepressten Palmöls beschränkt sich nicht nur auf das Reinigen von Schwebstoffen und Wasser. Das Öl wird, teils vor Ort, teils in großen, weiter von der Plantage entfernt liegenden Anlagen raffiniert (englisch refined), gebleicht (bleached) und von seinem Eigengeruch befreit (deodorized). Nach diesem Prozess ist das Öl sozusagen marktreif. Es wird im Industriesprech nun als RBD palm oil beziehungsweise RBD palm kernel oil bezeichnet. Oft wird das gepresste Öl aber auch als Rohpalmöl (crude palm oil) weiterverkauft. Man spricht dann von CPO oder im Falle von rohem Palmkernöl von CPKO (crude palm kernel oil).
In manchen Ländern laufen die oben beschriebenen Prozesse auch in viel kleineren Maßstäben ab. In Afrika nutzen beispielsweise kleinere Kooperativen auch heute teilweise noch kleine Elektropressen oder gar handbetriebene Schraubenpressen. Das heißt aber auch, dass bestimmte Schritte der oben genannten Prozeduren nicht überall durchführbar sind und das gepresste Öl dann als CPO oder CPKO verkauft werden muss, weil schlicht die technischen Möglichkeiten zur Nachbehandlung fehlen. Das wirkt sich natürlich auch negativ auf den Preis aus, den die Produzenten damit erzielen können.
Was übrig bleibt
Bei der Herstellung von Palmöl fallen Rückstände an. Einige von ihnen sind harmlos oder haben sogar einen gewissen Nutzen. Andere können der Umwelt massiven Schaden zufügen und müssen daher mit Umsicht behandelt werden.
Die Reste, die übrig bleiben, nachdem die Früchte von den nicht ölhaltigen Teilen des Fruchtstandes getrennt wurden, können zwar nicht für die Ernährung von Menschen oder Tieren benutzt werden, sie sind aber kompostierbar und können als Dünger wieder in den Plantagen verteilt werden und somit die Menge an eingesetzten chemischen oder mineralischen Düngemitteln reduzieren. Aus Sorge um die Übertragung von Schädlingen und Pilzkrankheiten wird diese Möglichkeit aber nicht von allen Plantagenbetreibern wahrgenommen. Selbstverständlich gäbe es Mittel, dieses Risiko zu minimieren, wie das vorherige Erhitzen oder das starke Zerkleinern gegen Insekten, deren Larven sich in den Pflanzenteilen eingenistet haben. Allerdings entstehen durch diese Behandlung auch Kosten, was die Verwendung als Dünger weniger attraktiv macht. Ein weiter möglicher Verwendungszweck ist die Verstromung in Biomasseheizkraftwerken oder Biogasanlagen.
Fruchtstände der Ölpalme bestehen neben den Früchten aus einer Menge nicht ölhaltiger, aber dennoch verwertbarer Pflanzenfasern.
Ein problematischer Abfallstoff ist dagegen das sogenannte palm oil mill effluent oder POME, also Abwasser, das die Ölmühle verlässt – eine Mischung aus Wasser, Öl, Fett und Fruchtfasern.24 In diesem Gemisch laufen Prozesse ab, bei denen Bakterien die enthaltenen organischen Substanzen abbauen. Gelangt POME in Gewässer wie Bäche, Flüsse oder Seen, entziehen diese Abbauprozesse dem Wasser große Mengen an gelöstem Sauerstoff.25 Dieser gelöste Sauerstoff fehlt dann anderen Wasserorganismen. Massive negative Umweltauswirkungen bis hin zum Fischsterben in ganzen Flussläufen oder Seen sind die Folge. Aber nicht nur Fische sterben. Auch viele andere Organismen wie Krebse und Muscheln fallen dem Mangel an Sauerstoff zum Opfer. Gleichzeitig stellt das Abwasser auch für Menschen ein Problem dar, da Trinkwasser aus mit POME verschmutzten Gewässern nicht mehr zu gewinnen ist. Das liegt vor allem daran, dass POME auch Ammonium enthält, das bei hohen Temperaturen und einem hohen pH-Wert des Wassers zu Ammoniak umgewandelt wird – ein starkes Nervengift. Durch die in POME enthaltenen Nährstoffe wird gleichzeitig das Pflanzenwachstum gefördert. Verstärktes Wachstum von bestimmten Wasserpflanzen befördert aber einen Prozess, den man als »biogene Entkalkung« bezeichnet. Dadurch steigt der pH-Wert des Wassers, was die Umsetzung des Ammoniums zu Ammoniak begünstigt.
BIOGENE ENTKALKUNG
(Wasser)pflanzen verbrauchen Kohlenstoffdioxid (CO2), welches im Wasser entweder direkt als CO2 oder in Form von Calciumhydrogencarbonat Ca(HCO3)2 gelöst ist. Dieses zerfällt in Wasser teilweise zu Calciumcarbonat (CaCO3) und Hydrogencarbonat-Ionen (HCO3–). Sobald das CO2 verbraucht ist, stellen viele Algen- und Wasserpflanzenarten auf den Abbau von Hydrogencarbonat um. Bei dessen Umsetzung durch die Pflanzen entstehen CO2