Der Raum dazwischen - Catherin Seib - E-Book

Der Raum dazwischen E-Book

Catherin Seib

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Beschreibung

Wie tiefgehend und verbindend die Beziehung zwischen Mensch und Pferd wird, wenn man Tierkommunikation zulässt, das zeigt das neue Buch von Spiegel-Bestseller-Autorin Catherin Seib auf. Denn über den hilfreichen Effekt des Informationsaustausches im Alltag hinaus, sind unsere Pferde die besten Lehrer in unserem menschlichen Entwicklungsprozess – durch Krankheit, Wandel und Zweifel hindurch. Lebenszusammenhänge und anstehende Entscheidungen werden klarer, die eigene Entwicklung und auch die der Pferde leichter, wenn man den Weg im engen Austausch gemeinsam geht.

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Seitenzahl: 319

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Cover for EPUB

Titel

Der Raum dazwischen

Tierkommunikation als Wegweiser

Catherin Seib

KOSMOS

Impressum

Alle Angaben in diesem Buch erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Sorgfalt bei der Umsetzung ist indes dennoch geboten. Verlag und Autoren übernehmen keinerlei Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden, die aus der Anwendung der vorgestellten Materialien und Methoden entstehen könnten. Dabei müssen geltende rechtliche Bestimmungen und Vorschriften berücksichtigt und eingehalten werden.

Distanzierungserklärung

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Umschlagsabbildung: © Tanja Mikolcic

© 2024, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-50956-2

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Hauptteil

Vorwort — Wahrheiten

Die Bärenhöhle

Die Kraft der Gedanken

Gedanken schaffen Realität

Manifestation

Der Raum dazwischen

Die Heilung

Das kranke Pferd

Der Umzug

Sterben können

Den Frieden machen

Ins jenseits gehen

Abschied von Milan

Milans Bruder

Schlussworte

VORWORT — WAHRHEITEN

Was ist real? Was nicht? Was bilde ich mir nur ein und was ist wahrhaftig? Diese Fragen stellen sich meine Schüler oft, wenn sie lernen, telepathisch mit Tieren zu sprechen. Bevor ich diese Arbeit begann, war ich lange sicher, dass so etwas wie Telepathie nur das Hirngespinst von Verwirrten sein kann. Ich hätte jede Erklärung zu Wahrhaftigkeit wegrationalisiert, hätte alles als psychische Einbildung oder Manipulationstechniken versucht zu erklären. Meine bestätigte Wahrheit war, dass es so etwas nicht gibt. Niemand hätte meine Meinung ändern können. Die Gesellschaft, die Wissenschaft, alle hätten mir zugestimmt.

Dann habe ich es selbst erlebt. Erst an meinem Hund, dann in eigenen Tiergesprächen. Nach sehr vielen Übungsgesprächen musste ich feststellen, dass Tiere wirklich mit uns sprechen können. Es war eine einfache Rechnung: Wenn über 90% der Fakten aus Tiergesprächen ohne Fragestellungen oder Hintergrundinformationen mit wildfremden Tieren, die ich nie getroffen habe und deren Menschen ich nie gesehen oder gesprochen habe, stimmen, dann kann das kein Zufall sein. Das musste ich mir eingestehen. Diese neue Wahrheit hat damals mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Ich musste meinen Job als Zootierpflegerin an den Nagel hängen und, aus demselben Grund, direkt danach noch zwei weitere Jobs. Einen als Gestütsleiterin und dann den als Filmtiertrainerin. Es war für mich nicht mehr vereinbar, mit Tieren zu sprechen, die aus wirtschaftlichen Zwecken gehalten werden. Also begann ich meine Selbstständigkeit. Das war 2009 und bis heute bin ich vollberufliche Tierkommunikatorin und Lehrerin der Tierkommunikation.

Jeder hat seine Wahrheiten. Man kann felsenfest davon überzeugt sein, dass Pferde nur gebisslos geritten werden dürfen, das Umfeld wird es einem bestätigen. Man sieht unzählige Negativbeispiele, in denen Pferde deutliche Schmerzen durch die Gebisseinwirkung zeigen. Das eigene Pferd mag keine Gebisse, man selbst findet die Vorstellung schrecklich und es gibt wichtige Studien, die die Wirkung von Gebissen horrorartig erklären. Jemand anderes meint, dass Gebisse helfen und dass gebissloses Reiten nie wirkliche Verbindung zum Pferd schaffen kann. Sein Umfeld wird ihn bestätigen: Gebisslos juckelt die Freizeitreiterin auf ungesunde Weise auf ihrem übergewichtigen Pferd durch die Gegend, welches beim Reiten schmerzhaft auseinanderfällt. Das eigene Pferd nimmt freudig sein Gebiss und brummelt, wenn es damit seine Lektionen perfektioniert. Man hat Studien gelesen, die die gymnastizierende Haltung des Pferdes beim Reiten durch Gebisseinwirkung mit weicher Hand bestätigen.

Beide Wahrheiten sind real und beide sind falsch. Selbst die Studien kommen durch ein einfaches Phänomen zu ihren Ergebnissen: Gedanken kreieren die Realität. Wenn ich etwas Bestimmtes unbedingt beweisen möchte, werde ich, bewusst oder unbewusst, die Umstände so erschaffen, dass sie zu meiner Wahrheit passen. Das, was ich visualisiere, ziehe ich automatisch an.

Durch die unzähligen Pferde- und Tiergespräche habe ich eins gelernt: Ich darf in dieser einen Stunde Gesprächszeit einen kurzen Einblick in ein Leben erhalten, welches ein eigenes Universum ausfüllt. In dieser einen Stunde darf ich durch dieses kleine Fenster schauen, die Perspektive des Pferdes einnehmen und seine Wahrheiten kennenlernen. Ich darf spüren, sehen und hören, wie es sein Leben und seine Umwelt wahrnimmt. Ich habe gelernt, dabei nichts zu kategorisieren, zu interpretieren oder zu bewerten. Denn damit versuche ich bloß, die Welt dieses Pferdes in meine eigenen Schubladen zu pressen. Würde ich das tun, fiele an den Seiten Wichtiges einfach ab, damit die Wahrheit zu meiner passt. Dann hätte ich aber kein professionelles Pferdegespräch geführt, sondern dem Pferd bloß halb zugehört. Dasselbe gilt natürlich für den dazugehörigen Menschen. Wenn ich meine Arbeit gut mache, wird nicht nur der Horizont der beiden Gesprächspartner erweitert, sondern meiner gleich mit. Meine Gedanken ändern sich durch diese neue Sichtweise. Mein Gehirn findet neue Wege, mein Geist dockt immer mehr bei anderen Gedankenfeldern an, die außerhalb meines Tellerrandes existieren.

Dieses Buch geht diesen Schritt über den Tellerrand hinaus. Es beinhaltet die tieferen Erkenntnisse, die feinstofflicheren Zusammenhänge und den Sinn dessen, was Pferde und auch andere Tiere uns mitteilen, wenn wir ihnen zuhören. Für unser gesamtes Leben. Es geht weniger darum, die Faszination des telepathischen Austausches, der Tierkommunikation, auf oberflächlicher Ebene abzugleichen mit dem, was wir aus unserer Gesellschaft kennen und uns erlauben. Es ist bereits erhellend, Antworten auf menschliche Fragen zu bekommen.

Es geht aber vielmehr darum, den spirituellen Sinn, die Vernetzung unserer Gedanken, unserer Lebensaufgaben und unserer Energien mit unseren Pferden besser zu verstehen.

Nach dem Lesen meines ersten Buches „Wahre Freundschaft mit Pferden – Erlebnisse einer Tierkommunikatorin“ hat man vielleicht gut feststellen können, dass Pferde wahrhaftig mit uns sprechen, und mit meinem zweiten Buch „Gespräche mit deinem Pferd – Erste Schritte zur Tierkommunikation“ konnte man sich selbst überzeugen, dass Tierkommunikation funktioniert. Dass ein Pferd einem ein echter Lehrer sein kann. Aber dass unsere Seelenschnittmengen viel mehr mitbringen als nur das Etikettieren unserer Rollen füreinander („Mein Pferd ist mein Spiegel“), das soll mit diesem Buch vermittelt werden. Es geht um die echte Verbundenheit, die passiert, wenn man sich auf die wahre Freundschaft eingelassen hat. Es geht um den Raum zwischen Pferdeleben in Menschenobhut und dem Sinn unseres Menschenlebens an der Seite unserer Pferde.

Es geht um den Raum dazwischen, den Raum unserer Liebe.

DIE BÄRENHÖHLE

2016:

Ich höre ihn schnaufen. Seinen vollen, kräftigen Atem, den er rhythmisch in die kristallklare, eiskalte Luft stößt, während er durch den knirschenden Schnee stapft. Ich liege bäuchlings auf seinem Rücken und verschwinde fast in seiner dunkelbraunen Wolle. Sein Fell ist so warm und weich, dass es ist, als würde mich ein großes Sofa durch diese weiße, wunderschöne, weite Landschaft tragen. Ich bin schlapp, liege einfach so da, meine Arme und Beine hängen von seinem mächtigen Körper und ich schaue auch nicht, wohin wir gehen. Er wird es mir schon zeigen, es ist mir egal. Nur hier, nur in diesem Moment, auf diesem wunderbaren Büffel, kann ich einfach ich sein. So müde und so verletzlich, wie ich eben bin. Nach all den Jahren, nach all den unglaublichen Dingen, die ich in meinem Leben schon gehört, gefühlt, gesehen und erschaffen habe, liege ich hier auf diesem Wisent, den es gar nicht mehr gibt. Er trägt mich, wie immer. Dafür ist er da. Er steht für die unendliche Fülle, für das immer Versorgtsein. Für das Vertrauen darin. Bis heute fällt es mir schwer, diese Botschaft anzunehmen, für die er steht. Es wird immer genug da sein, ich werde immer versorgt sein.

Und so liege ich da. Die Augen geschlossen, lasse mich von seinem Gang durch die Kälte schaukeln und genieße die Wärme und diesen würzig-weichen Duft seines Fells.

Doch irgendwann bleibt er stehen. Ich richte mich auf. Und schaue auf einen See, er ist gefroren. Auf ihm liegt Schnee. Er ist groß, weiß und weit. Ich erkenne in der Ferne ein anderes Ufer und stöhne innerlich: Oh nein, müssen wir hier nun rüber?

Ich nenne meinen Büffel bei seinem Namen, den nur wir beide wissen dürfen. Und bemerke im gleichen Moment, dass ich Fell auf meinen Armen trage. Es ist Bärenfell. Ich erschrecke. Trage ich etwa einen Bärenpelz? Nein, so ist es nicht. Das ist mein Fell. Ich bin ein Bär. Das wundert mich. Und mein Büffel sagt: „Schau dir diesen See an. Möchtest du da rüber?“ Ich muss nicht lange nachdenken: „Nicht wirklich. Wir könnten einbrechen. Das ist mir zu riskant. Müssen wir denn? Ich habe keine große Lust.“

„Wenn du ein Bär wärst, was würdest du nun tun?“, fragt mich mein Büffel.

„Ich würde mich in meine Bärenhöhle begeben. Ich bin müde und möchte mich dort einkuscheln, mich ausruhen und abwarten, schlafen.“

„Ganz genau“, sagt der Büffel. „Ganz genau das solltest du tun.“

„Ja. Und wenn der Frühling kommt, dann kann ich wieder herauskommen, ausgeschlafen. Ich kann mal schauen, wie ich dann weitergehe. Ob ich mich am Ufer des Sees bewege, die Früchte der Natur nasche und mich langsam zur anderen Seite begebe oder ob ich durch den See schwimmen möchte, um schneller dort zu sein.“

Mein Büffel nickt. Dreht um und trägt mich fort. Ich sinke zurück in sein Fell. Genauso ist es: Winterschlaf ist angesagt!

Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich meine Schüler am Boden liegen. Sie haben sich wie kleine Tetris-Figuren auf Isomatten und Tierkissen gebettet in meinem Wohnzimmer auf dem Boden liegend arrangiert und lauschen meiner Trommel. Ja, ich trommle. Und gebe ihnen somit den Raum und die Zeit, sich mit Pferden und allen Tieren zu unterhalten. In ihrem Kopf. Innerlich lache ich kurz auf. Sie sehen so entspannt aus, so vertrauensvoll, so motiviert. Und ich fühle mich kein bisschen verrückt oder komisch, dass ich auf meiner Trommel den Herzschlag der Welt imitiere. Nein, es fühlt sich einfach richtig an. Und schön. Einfach selbstverständlich. Es ist eben so: Ich spreche mit Tieren, telepathisch, und scheine sehr gut darin zu sein, es anderen Menschen beizubringen. Ohne Tricks, ohne Esoterik. Ohne Mystik. Es geht, einfach so. Und die Leute machen es selbst. Seit sieben Jahren schon. Es gab nicht einen einzigen Kurs, in dem es nicht geklappt hätte, in dem die Leute nicht berührt und verändert nach Hause gegangen wären, nachdem sie bemerkt haben, wie einfach und naheliegend es ist, sich so mit Tieren zu verbinden.

Und doch bin ich es. Einfach ich, die ich immer schon war. Schon mit elf Jahren, als ich, so wie heute, in Gedanken auf meinem Büffel, damals auf May, meinem Lieblingspony, einschlief. Ich, die keine Lust auf Verantwortung hatte, schreckliche Angst vor Fremdbestimmtheit und immer wiederkehrenden, vor Langeweile mich erdrückenden Zwängen hatte. Auch diejenige, die sich schon mit drei Jahren so fühlte, als wüsste sie einfach. Ich bin es. Tini, die kleine Schwester, die Schulschwänzerin. Die schwierige Tochter und die coole Freundin. Die Wilde, die Musik brauchte, um zu fühlen. Die, vor der manche Angst hatten. Die gern allein ist. Die dachte, sie sei zu anders, um zu gefallen. Die sich gern vor ihrem Licht versteckte. Diejenige, die sich nur dann wirklich lebendig fühlt, wenn ein Pferd sie so schnell über das Land trägt, dass ihre Augen davon tränen. Wenn das Meer sie so oft durch den Wellenwaschgang schickt, bis sie Demut kennt und dann getragen wird von derselben Welle. Wenn sie zusammen mit Tausenden von Menschen einstimmig mit ihrer Lieblingsband Pearl Jam singt.

Dieses Ich sitzt da und trommelt. Einfach so. Es hat alles schon erlebt. Alles gesehen, alles getan, alles gefühlt. Dieses Ich, es war an Orten, die ich meinen nie geboren werdenden Kindern nie zeigen möchte. Es hat mitgespürt, was niemand fühlen sollte. Es hat erkannt und verstanden, was nicht zu verstehen ist.

Am Morgen nach dem Kurs werde ich durch das sehr laute Klingeln meines Festnetztelefons geweckt. Wie altmodisch, denke ich. Kaum einer hat überhaupt noch eine Festnetznummer. Aber ich mag das. Festnetz. Ganz fest sitzt es hier bei mir zu Hause und bedeutet: Ich arbeite hier. Dies ist mein fester Arbeitsplatz. Irgendwie brauche ich das, um nicht ins Absurde abzurutschen. Telepathie funktioniert überall. Immer. Distanz gibt es nicht in der Telepathie. Ob das Tier direkt neben mir sitzt oder ob es in Australien lebt und ich hier am Festnetz hänge, es macht keinen Unterschied. Die Verbindung ist immer gleich gut.

Ich könnte also von überall arbeiten. Ist das nicht grandios? Aber manchmal, da macht es mir Angst. Wenn ich könnte – wieso tue ich es dann nicht? Immer? Überall?

Ich möchte in meiner Höhle bleiben, den Winterschlaf einläuten. Meine Bärenhöhle ist mein winziges Schlafzimmer. Es ist unglaublich kuschelig und der Eingang ist auch noch geheim. Man muss durch den Schrank gehen. Niemand vermutet ein Zimmer dahinter. Nur das Festnetz. Das weiß genau: Ich bin hier drinnen. Und ich soll gefälligst herauskommen.

Der Anrufbeantworter springt an. Eine Frau spricht mit weinerlicher Stimme auf mein Band. Ihr Pferd, ein Notfall, er würde fast nichts mehr fressen, schon seit ein paar Tagen. Niemand wüsste, warum. Die Tierärzte auch nicht. Sie müsste entscheiden, ob er leben oder sterben solle und zwar schon morgen. Ich sei ihre letzte Hoffnung. Sie schnieft und dramatisiert. Ich habe wenig Mitleid mit ihr, kann schon an ihrer Nachricht heraushören: Es geht ihr nicht wirklich um das Pferd. Es geht um sie.

„Fies!“, denke ich. „Jetzt verurteile doch die Frau nicht gleich!“, und stöhne. Ich stehe auf und überlege, ob ich heute die Kraft haben werde für eine Menschenkommunikation. Denn eigentlich arbeite ich nicht mit Pferden. Sie sind der kleinste Faktor meiner Arbeit. Sie sitzen nicht gespannt oder verkrampft mit großen Augen auf meinen Stühlen, wenn der Kurs beginnt. Sie sind nicht mal dabei. Sie sind auch nicht diejenigen, die sich schwertun, zu verstehen, was ich sage. Sie sind auch nicht die, die schwierig zu verstehen sind, wenn ich telepathiere.

Ich arbeite mit Menschen. Und gebe jedes Mal alles, wenn ich es tue. All meine Liebe, all meine Kraft, all mein Verständnis, all meine Souveränität. Ich bin Profi. Dafür lasse ich mich auch bezahlen.

Aber heute – die Höhle ruft laut. Sieben Jahre lang immer alles gegeben zu haben, das lastet auf meinen Schultern. Mein Kurs war anstrengend. Ich brauche eine Pause.

Später dann zwingt mich mein Gewissen, mich doch mit der Frau und dem Wallach auseinanderzusetzen. Ich hinterlasse ihr eine Nachricht in meinem ruhigsten, liebevollsten Tonfall. Versichere ihr, dass sie heute gar nichts entscheiden müsse. Dass ich gern mit ihrem Pferd sprechen kann, noch heute Nachmittag.

Als ich dann im Stall bei meinen Pferden bin, ruft sie wieder an. Wieder hinterlässt sie eine weinerliche Nachricht, diese klingt für mich noch bedenklicher als die zuvor. Irgendetwas stimmt hier nicht. Aber der Wallach wird es mir schon sagen, denke ich.

Doch dieses Mal kommt es nicht so weit. Der Wallach, nein, die Frau wird einer der „1% - Fälle“. So nenne ich die Fälle, in denen ich kein richtiges Pferdegespräch führen kann. Die Schüler meiner Pferdeflüsterer Ausbildung malen sich vor ihrem Abschluss, dem Profikurs, gern alle möglichen Problemfälle aus, was alles im Umgang mit Kunden passieren könnte. „Was ist, wenn mal jemand mich braucht, um über Leben und Tod zu entscheiden? Was, wenn ich falsch entscheide?“ oder „Was, wenn jemand mich testen will?“ oder „Was, wenn das Tier keine gute Antwort weiß?“. Die Menschen, die ich unterrichte, durchlaufen in meiner Ausbildung ca. 3 Stadien, bevor ich sie als Tierkommunikatoren in die Welt schicke: 1. Sie merken, dass es funktioniert und sie es sogar selbst können. Faszination, Rührung, pure Freude oder vielleicht ein leichter Schockzustand sind meist das Resultat davon. Wenn sie das verarbeitet haben und wiederkommen, dann kommt Schritt 2: „Ich mach’ das jetzt! Ich lerne, wie ich längere Gespräche führe, und erkenne das größere Bild darin, was es heißt, mit Pferden und allen Tieren sprechen zu können.“ Das ist meist sehr motivierend und sie möchten die Sache erleben, üben, weitertragen. Im 3. Schritt stoßen sie an die Grenzen ihrer Welten. Sie bekommen Angst vor sich selbst. Und stellen sich Probleme vor. Die bringen sie mit in den Profikurs, in dem ich ihnen dann versichern kann: Ja, die gibt es. Aber das sind höchstens 1% aller Fälle, die man haben wird. Der Rest wird einfach nur pure Dankbarkeit sein. Vonseiten der Tiere, vonseiten der Menschen und von einem selbst, dass man so eine großartige Arbeit hat.

Ich rufe besagte Frau also an. Und bitte sie, mir kurz zu schildern, worum es geht. Sie ist immer noch in dramatischer Stimmung. Zusammengefasst frisst das Pferd seit einer Woche sehr schlecht, es trinkt nur sehr wenig, hat abgenommen. Er kann noch laufen, möchte gekrault werden und wirkt ansonsten normal.

Sie würde am Montag den Tierarzt wiedersehen, dem nichts mehr einfällt, als das Tier in die Klinik zu schicken, wo Operationen und andere drastische Maßnahmen warten würden. Und falls sie nichts finden, würde man das Pferd gleich nicht mehr aufwachen lassen. Ich frage nach: „Warum?“, und sie sagt: „Ich kann einfach nicht mehr!“, eigentlich ruft sie es eher, wieder halb weinend.

Kurz atme ich durch und überlege, ob ich wie immer arbeite: Der Frau einfach zuhören, die wichtigen Fakten herausfiltern, die ich brauche, um mit dem Pferd darüber zu sprechen. Volles Verständnis für ihre Gefühlslage haben, nicht werten oder beurteilen, was sie tut oder sagt. Dann das Pferd fragen und genau dasselbe mit ihm tun. Dann vermitteln, bis beide getröstet, zufrieden, zuversichtlich und angehört sind. Bis beide wissen, wie es dann weitergehen kann. Bis beide vom anderen wissen, was sie wissen möchten.

Aber nicht heute. Ich weiß jetzt schon, dass der Wallach nicht viel sagen können wird. Er hat es mir schon gesagt. Er weiß weder, was in ihm los ist, noch kann er helfen. Sein Körpergefühl ist nicht gut, er kann mir keine Symptome nennen. Er ist selbst ganz verängstigt und verschreckt, weil er schon gehört hat, dass er umgebracht wird, wenn er es nicht schafft, Futter in den Bauch zu bekommen. Er versucht verzweifelt, durch seine Kraulangebote die Frau aufzuheitern, aber seine Zeit tickt. Er weiß, dass sie keine Geduld hat und es nicht mit ansehen will, dass er ernsthaft krank ist. Und ich weiß auch schon, dass der Wallach erst wieder fressen und verdauen kann, wenn diese Frau aufhört, das schreckliche Drama um sich zu inszenieren. Denn es geht hier nicht um ihn. Es geht um sie.

Heute ist also nach sieben Jahren der erste Tag, an dem ich einem Menschen am Telefon das Tiergespräch verweigere. Und ich sage ihr auch, warum. Dass ich ihr nicht helfen kann. Dass ihr Pferd nichts Bahnbrechendes dazu sagen wird. Dass sie es selbst in der Hand hat und nur sie dem Wallach helfen kann. Sie möchte es nicht hören, ist weiter weinerlich und sagt: „Aber ich kann es nicht mit ansehen, ich habe keine Kraft dafür. Er schaut auf sein Futter, aber kann es nicht fressen. Ich weiß ganz genau, wie das ist! Ich war 20 Jahre lang magersüchtig!“

Und da wird mir klar, was ich herausgehört hatte, als ich ihre Stimme auf meinem Anrufbeantworter hörte. Es geht tatsächlich um sie. Das Pferd zeigt ihr schmerzlich ihre Wunden auf. Und sie möchte das nicht sehen. Sie würde ihn lieber sterben lassen, vermeintlich sein Leid verhindern, als sich dem Leben zu stellen und zu verstehen, dass sie an ihrem Pferd nun das gutmachen kann, was ihre Eltern vielleicht an ihr nie geschafft haben. Was sie selbst an sich nie geschafft hat. Sich zu vergeben, sich lieb zu haben, stark zu sein und zu wissen: Ich schaffe das. Wir schaffen das!

Und dann sagt sie auch noch: „Wissen Sie, ich glaube ja gar nicht an Ihre Arbeit! Aber Sie sind meine letzte Hoffnung.“

Und da weiß ich es sicher: Ich werde für diese Frau kein Pferdegespräch führen. Nicht heute, nicht jetzt. Ich sage es ihr sogar: Dass es so nicht funktionieren wird, dass ich sie im Boot brauche, damit ihr Pferd wieder fressen kann. Dass sie es in der Hand hat, und wenn sie nur darauf wartet, dass ich das Problem für sie löse, sie sich das Geld für das Pferdegespräch sparen kann.

Ich bitte sie, ihrem Pferd nun eine gute Pferdemutter zu sein und als Erstes davon Abstand zu nehmen, ihm den Einschläferungstod in Aussicht zu stellen, wenn er nicht sofort zunimmt. Ich gehe sogar so weit, sie zu fragen, wie sie es wohl damals gefunden hätte, wenn man sie lieber eingeschläfert hätte, anstatt sich ihr Leid noch länger anzusehen? Ich bitte sie, für ihren Wallach nun das zu sein, was für sie damals niemand sein konnte. Ihm Zuversicht zu geben, für ihn stark zu sein und ihm Geborgenheit zu vermitteln. Damit er in der Lage ist, sich wieder zu ernähren. Damit er sich sicher fühlen und entspannen kann. Ich erkläre ihr, dass, auch wenn sie nicht an meine Arbeit glaubt, ihr Pferd mitbekommt, was sie denkt. Was der Tierarzt sagt, wie es aussieht. Er weiß, was auf ihn wartet und wie es ihr geht. Und er braucht sie. Ich rede auf sie ein, beruhigend, dennoch deutlich. Sie will es nicht so richtig hören. Ich mache also einen Deal mit ihr: Sie soll ihr Bestes geben für die nächsten zwei Tage. Für ihn da sein, ihm sagen, dass sie ihn liebt. Dass sie das Beste für ihn möchte. Sie soll versuchen, in Ruhe und Liebe bei ihm zu sein. Und aufhören, sich in der Dramatik der Situation aufzulösen.

Am Tag des nächsten Tierarzttermins, in drei Tagen, werde ich sie wieder anrufen. Falls der Wallach dann noch immer nicht fressen kann, verspreche ich, mit ihm zu sprechen.

Nachdem ich aufgelegt habe, schicke ich dem Pferd etwas Liebe. Und sage ihm, dass ich ihr mitgeteilt habe, dass er sie braucht. Er ist dankbar, erschöpft, wieder etwas hoffnungsvoller. Er sorgt sich um sie. Er weiß, dass er der Grund für ihre Verzweiflung ist und auch wieder nicht.

Dass ich nun doch ein Pferdegespräch geführt habe, verschweige ich ihr. Und stelle es ihr auch nicht in Rechnung.

Danach gehe ich zurück in meine Höhle. Vorher bestelle ich mir noch im Internet einen Schlafanzug aus Flanell in Bärenoptik. In Größe XL!

Zwei Tage später liege ich bis mittags im Bett. Das Bett hat eine magische Anziehungskraft, seitdem mir mein Büffel erzählt hat, dass es Zeit für Winterschlaf sei. Dieses alte Gefühl des Machenmüssens, dieses Getriebensein und der Erledigungsmodus, all das ist ausgeschaltet. Ich liege einfach da und verstehe, worum es geht: um den Moment. Wie oft habe ich das in den Jahren meiner Arbeit als Frau, die mit Tieren spricht, schon gehört? Tausende Male. Ich habe es weitergegeben, ich habe versucht, es selbst zu verstehen und zu leben. Aber bis heute weiß ich nicht genau, wie das geht. Ich musste erst vom Leben ein paarmal ordentlich in meinen schnellen, erledigungssüchtigen Allerwertesten getreten werden, um mir zeigen zu lassen: Alles ist vergänglich. Du, ich, Orte, Momente. Alles. Dass Materie nicht bleibt, das meinte ich bereits verstanden zu haben. Aber dass auch alles andere, woran Mensch so hängt, nur temporär ist und dass das auch noch gut so ist … damit tue ich mich schwer.

Also liege ich da und genieße. Denke kein „Wenn ich erst aufgestanden bin und dies und das erledigt habe, dann kann ich mich entspannen“. Das „Wenn-Dann-Prinzip“ nenne ich diesen Gedanken gerne. Das Wenn-Dann-Prinzip ist eine Illusion. Sich immer auf die Zukunft stürzend, den Moment nie als vollkommen betrachtend, so kann niemand glücklich sein. Und je länger man sich diesem Prinzip aufopfert, umso kraftloser wird man. Werde ich. Weil es keine oder kaum noch Momente gibt, in denen das Leben es schafft, einen zu überrumpeln und innehalten zu lassen, damit man staunt und Kraft tankt. Damit man sich öffnet und empfängt, was man verdient hat. In genau dem Moment. Immer wieder und immer neu.

Ich bin es bereits – kraftlos – und jetzt liege ich hier. Zufrieden damit. Mir ist mittlerweile alles egal. Ich bin immer wieder überrascht, wie schön das klingt: Es ist mir egal. Früher war das ein ungebetener Satz in meinem Kopf. Er klang negativ. Nun klingt er wie eine Befreiung: Ich muss da nichts beurteilen, muss nicht wissen, was gut und richtig ist. Ich muss nichts entscheiden und nichts wissen. Nichts lenken und nichts kontrollieren. Nichts organisieren. Denn das Leben, das ist schon klug genug. Es weiß, was es tut. Das haben mir die Tiere längst beigebracht. Also kann ich mich genauso gut dem einfach hingeben. Und den Ritt genießen.

Das Wenn-Dann-Prinzip hatte auch Vorteile. Es bedeutete, dass ich aktiv meine Welt gestaltet habe. Immer und immer wieder neu mit unermüdlichem Fleiß. Ich hatte die Illusion, dass alles in meinen Händen läge und je mehr ich mich um alles kümmerte, umso perfekter würde es werden. Ich kreierte und erschuf und manifestierte mit Lichtgeschwindigkeit. Was ich mir wünschte, kam im Handumdrehen in mein Leben geflattert.

Nur vergaß ich dabei, das Erschaffene zu wertschätzen, es zu lieben und darin zu leben. Es ging immer weiter. Wenn – Dann. Nie ankommen. Und auch meine erschaffenen Wünsche lösten sich wieder auf, wie Luftschlösser. Nichts blieb.

Nun liege ich hier. Ich habe nichts vor, keine Ziele, keine Visionen, keine zu erfüllenden Manifestationen. Die Schöpferin hat Pause.

Leere. Der Moment. Stille. Das Ticken der Uhr.

Da fällt es mir ein: Heute muss ich die Frau anrufen, deren Pferd nichts fraß. Es steht mir bevor. Ich habe keine Lust und überlege noch, wie ich mich davor drücken kann. Aber ich kann nicht.

Als ich sie anrufe, sagt sie mir unter Tränen, dass ihr Pferd gestern Nacht gestorben sei. Dass er vorher endlich fraß und auch endlich wieder eine Verdauung stattfand. Dass es eigentlich gut aussah, er glücklicher war und sie ganz für ihn da. Dass er aber nachts schwach wurde und irgendwann für immer einschlief. Sie ist völlig aufgelöst. Sie weiß nicht, woran er starb und was los war. Sie weint wieder und spricht wieder so theatralisch und egozentrisch von dem Vorfall, dass ich mich sehr schwertue, in meine Präsenz zu kommen.

Präsenz, so nenne ich die professionelle, innere Haltung, die ich brauche, um arbeiten zu können. In meiner Präsenz urteile ich nicht, ich übermittle. Ich verstehe, fühle, spreche. Aber nichts davon hat etwas mit mir zu tun. Ich bin wie ein hochenergetisches, weißes Blatt, welches Verständnis schafft. Auf welches beide Parteien schreiben dürfen und auf dem sich dann alles zu einer sinn- und verständnisvollen Geschichte zusammenfügt.

Doch mit etwas Aufwand finde ich auch jetzt in meine Liebe und lasse sie über all das strahlen. Höre die Frau an, tröste sie, sage ihr alles, was ich über das Sterben von Tieren gelernt habe. Auch, dass Sterben am Ende immer gut wird. Dass der Weg dahin schwierig sein kann, wie eine Geburt. Aber dass das Leben immer Recht hat und es ihrem Pferd nun sehr gut geht. Dass sie alles richtig gemacht hat und ihr Pferd dankbar ist, sich in ihrer Liebe und Fürsorge endlich entspannt haben zu können, als sie endlich für ihn da war. Dass er durch diese Geborgenheit und Liebe erst den Raum finden konnte, seinen Weg zu gehen. Dass sie ihm ein unglaubliches Geschenk gemacht hat, diese Kraft für ihn aufzubringen, und ihm so einen Tod durch Einschläfern erspart hat. Ich sage ihr, dass Sterben keine schlimme Sache ist. Nichts, was um jeden Preis verhindert oder abgekürzt werden muss. Dass dies auch gar nicht möglich ist. Dass jedes Lebewesen seinen eigenen Weg dahin hat und dass das Beste, was man seinem Tier dabei geben kann, eine passive Begleitung ist.

Passive Begleitung. Passiv klingt, als würde man das Tier seinem Leid überlassen. Aber so ist es nicht gemeint.

Wir lernen, aktiv für unsere Pferde und Haustiere da zu sein. Wir entscheiden für sie, jeden Tag. Was sie fressen, wohin sie gehen, was sie tun, mit wem sie leben, womit sie sich beschäftigen. Wir erwarten sogar, dass sie sich so verhalten, wie wir es für richtig verhalten. Wir müssen auch über ihre medizinischen Versorgungen entscheiden. So haben wir es gelernt.

Wenn ein Tier seinem Lebensende entgegengeht, ist es oft schwer, das zu akzeptieren. Wir fahren dann nochmal voll auf. Versuchen alles, um es zu erhalten.

Und in diesem Akt der Anstrengung, das Unvermeidliche abzuwenden, vergessen wir ganz, ihm das zu geben, was es am meisten braucht: Ruhe und Frieden.

Mit passiver Begleitung ist genau das gemeint. Ich akzeptiere und respektiere die Wünsche des Tieres. Ob es eine Behandlung überhaupt möchte. Ob es überhaupt fressen und trinken möchte. Ob es noch geistig anwesend sein muss oder eben nicht.

In den letzten Phasen des Lebens bereiten sich Tiere auf das Sterben vor. Das heißt, dass sie manchmal gar nicht mehr richtig anwesend sind. Sie sind dann schon mal kurz weg. Aus dem Körper raus. Das kann komisch aussehen, fremd, beängstigend. Es kann auch sein, dass das Tier aussieht, als würde es leiden. Aber tatsächlich, wenn man es anspricht, fühlt es gar nichts. Manche Tiere haben auch Schmerzen und bitten um Schmerzmittel. Manche möchten keine.

Es kann sein, dass ein Tier die Aufnahme von lebenserhaltenden Dingen einfach einstellt. Das fühlt sich dann auch nicht wie Verhungern oder Verdursten an. Sondern ist einfach eine Entscheidung des Körpers, sich nun zu reduzieren und nach und nach abzuschalten, damit die Seele ihren Weg dann final aus dem Körper schaffen kann. Das Sterben an sich ist etwas sehr Intimes. Vergleichbar mit einer Geburt. Manche Wesen möchten das für sich alleine machen und brauchen dazu viel Energie und einen sicheren Raum. Andere rutschen einfach ganz locker und leicht aus ihrem Körper heraus und genießen es, dabei noch alle Lieben um sich herum zu haben.

Für das Sterben gibt es keine Regeln. Kein Richtig oder Falsch. Es gibt nur: Hinsehen, Wahrnehmen. Passiv begleiten.

Für den Menschen bedeutet das passive Begleiten, dass er akzeptiert, was nicht mehr in seiner Hand liegt. Dass das Tier gehen wird. Dass er seinen Frieden damit macht. Damit auch das Tier es kann. Dass man jeden Tag neu fragen kann, was heute hilft, dabei aber in der Akzeptanz des Ist-Zustandes verweilt. Wenn ein besorgter Mensch aufgeregt um das sterbende Tier turnt, wird dieses vermutlich keinen Frieden finden und es im Sterben schwer haben.

Es bedeutet auch, zu verstehen, dass es gut so ist. Dass man nur lieben kann. Nur zu lieben braucht. Alles andere regelt sich von allein. Wir sind alle hier, um zu lieben. Nicht mehr und nicht weniger als das.

Die Frau hat es geschafft. Sie hat ihrem Pferd am letzten Wochenende ihre Liebe und Geborgenheit geschenkt. Sie war an seiner Seite, sogar nachts. Sie hat den Frieden mit ihm gemacht, sodass er schlussendlich seinen eigenen Weg gehen durfte.

Irgendwann lege ich auf und fühle mich etwas leer. Ich hätte ihr sehr viel lieber anders geholfen. Eine Erklärung gegeben für das, was ihr Pferd hatte. Ihr gesagt, was sie tun soll, damit er weiterleben kann. Er war nicht mal alt. Auch mir fällt das oft noch schwer, diese Akzeptanz, dass am Ende alles so läuft, wie es laufen soll. „Das große Bild ist immer perfekt“, sagt mein menschlicher Lehrer Torsten oft zu mir. Manchmal nervt mich dieser Satz. Aber er stimmt. Ich habe hier nichts zu tun, außer zu lieben, zu verstehen und zu vermitteln. Ich kann nicht hexen, kann nicht wunderheilen und keine Zukunft voraussagen. Ich kann immer nur sagen, was das Tier mir sagt. Am Ende wird das passieren, was passieren soll. Und das wird richtig sein, auch wenn ich es aus meiner Sichtweise nicht verstehen kann.

Eine Woche später erhalte ich eine E-Mail von dieser Frau. Sie schreibt, dass sie sich dank meiner Worte mit Sterbephasen befasst hätte und feststellen konnte, dass ihr Pferd sie alle durchlief. Dass sie nun auch weiß, dass ihr Wallach nicht grundlos gegangen sei, sondern um ihre Beziehung zu den Tieren zu vertiefen. „Ja, ich glaube, mein Pferd wollte mich auf diesen Weg bringen. Ich habe Sie ja in meiner tiefsten Verzweiflung angerufen und mit einer riesigen Angst, enttäuscht zu werden. Sie haben mir mit dem, was Sie mir sagten, sehr geholfen auch, wenn ich es erst gar nicht wahrhaben wollte, und auch, wenn Sie nicht das Pferdegespräch geführt haben, wie ich es mir eigentlich wünschte und vorstellte.“

DIE KRAFT DER GEDANKEN

Wenn man versteht, dass Telepathie funktioniert, wir also mit anderen Wesen unsere Gedanken über jegliche Distanz austauschen können, dann öffnet sich eine neue Sichtweise auf unser Leben.

Vordergründig ist es erstmal sehr hilfreich, seinem Pferd Fragen stellen zu können. Die Antworten vom Pferd selbst zu erhalten, anstatt in mühsamer Ausschlussarbeit mit einer Handvoll Pferde-Experten dem Problem näherzukommen, ist wegweisend. Dass Pferde auf manche Fragen dann unerwartete Antworten geben wie „eigentlich brauche ich gar keinen Sattel,“ oder „ja, mir tun die Knochen weh, aber ich möchte dich trotzdem ab und zu tragen“, das verändert dann langsam, aber sicher die Sicht auf unsere Pferde. Wenn dann noch tiefer gehende Antworten über das Leben seines Menschen vom Pferd kommen, welche man einem Tier eigentlich nicht zugestanden hatte, dann versteht man, dass die Verbindung zwischen uns und unseren Pferden noch tiefer geht, als wir uns vorstellen konnten. Man beginnt zu grübeln: Wenn Gedankenübertragung mit meinem Pferd funktioniert, was funktioniert dann noch? Allem Anschein nach ist das, was uns gemeinhin gesellschaftlich als möglich oder unmöglich beigebracht wird, nicht immer korrekt.

Die Gedankenübertragung, also der reine Austausch an Informationen, ist aber nicht der einzige Effekt der Telepathie zwischen Lebewesen. Es ist schon großartig, dass das so geht. Der Schlüssel zu lebensverändernden Pferdegesprächen aber ist es, in Lösungen zu denken und nicht in Problemen. Die richtige Frage hierfür ist: „Was brauchst du, um glücklicher / gelöster / angstfreier / gesünder zu sein?“ Alles, was das Pferd dann äußert, sollte in seinen Möglichkeiten mit seinem Menschen besprochen werden. Ebenso ist das, was der Mensch braucht, um mit seinem Pferd glücklicher zu sein, ein genauso wichtiger Faktor. Wenn dann ein gemeinsames Bild der möglichen Zukunft dabei entsteht, ist es wichtig, dieses Bild so detailgetreu wie möglich zu transportieren. Was ist der gewünschte Soll-Zustand? Kann ich mir vorstellen, wie ich ganz entspannt und freudig eine große Runde mit meinem Pferd ausreiten gehe und wir dabei schöne Galopps, aber auch lockere Schritteinheiten am langen Zügel miteinander erleben? Oder stelle ich mir bei dem Gedanken an einen Ausritt direkt vor, wie mein Pferd nervös wird, durchgeht oder umdreht und ich bekomme bei der Vorstellung womöglich direkt Herzrasen? Wenn ich es mir als Mensch nicht vorstellen kann, dann wird es für die absolute Mehrzahl aller Pferde so gut wie unmöglich sein, es anders zu machen als das, was der Mensch antizipiert. Ganz einfach, weil das Pferd direkt mitbekommt, was sein Mensch über den geplanten Ausritt denkt, und auch, wie er körperlich darauf reagiert. Das Pferd wird dann genau diese Vorstellung bedienen. Wie könnte es als sensibles Herden- und Fluchttier auch anders? Sein Leben hängt davon ab, in absoluter Verbindung zu seinen Herdenmitgliedern zu sein und gemeinsam zu agieren.

Was man sich nicht vorstellen kann, das kann nur schwer passieren. Den Gedanken zu öffnen für eine neue, gewünschte Version der problematischen Situation im Leben der Pferde und Menschen, die ich in meiner Zeit als Tierkommunikatorin schon gesprochen habe, ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Manchmal braucht man Hilfe von außen, um aus Altem auszusteigen und Perspektiven für neue Wege zu erschaffen. Da geht es unseren Pferden nicht anders als uns. Und das ist dann mein Job.

Nicht jedes Tier ist immer nur glücklich, nicht jedes Tier weiß immer um den schönen Moment. So wie Milan auch seinen Rucksack trug, so tragen viele traumatisierte Tiere herum, was vorher war. Manche brauchen einfach Zeit, Verständnis und Liebe. Doch viele von ihnen wissen, was zählt: nämlich genau das, was jetzt ist. Und dass dieses Wissen der Schlüssel zu ihrem Glück ist.

Ich habe mal mit einer Stute gesprochen, die aus einer schlimmen Zucht kam. Die ersten zwölf Jahre ihres Lebens verbrachte sie in einer winzigen Box in einer Scheune und bekam jedes Jahr ein Fohlen. Bis ihr Körper nicht mehr konnte. Sie wurde gerettet und lebt heute bei einer sehr liebevollen Familie. Als ich sie fragte, wie es ihr gehen würde, sagte sie: „Hervorragend. Ich bin so ein Glückspferd! Diese Menschen sind unglaublich liebevoll und es gibt nichts Schöneres, als jeden Tag in dieser Liebe zu baden.“ Auf meine Nachfrage, ob sie denn nicht von dem, was früher war, sehr belastet sei, sagte sie: „Es war schlimm, aber es ist vorbei. Ich lebe lieber im Hier und Jetzt, damit ich nichts verpasse von all dem Glück. Es geht nur darum, diese Liebe jetzt zu erleben. Wie könnte es mir da schlecht gehen?“

Ich liebe solche Pferdegespräche. Sie erinnern mich daran, wie einfach es ist, glücklich zu sein. Es ist oft die Entscheidung, alle belastenden Gedanken aus der Vergangenheit und über die Zukunft wegzulassen. Das eine lässt sich nicht mehr ändern und das andere liegt eh viel weniger in meiner Hand, als ich immer dachte. Warum also sollte ich mich damit plagen? Solche Tiere wie diese Stute sind meine Vorbilder. Sie sorgen sich weniger darum, ob sie morgen noch genug haben oder was sie noch erreichen müssen, um gut zu sein. Sie sind bereits perfekt und dankbar für das, was jetzt ist.