Der Retter - Duane Swierczynski - E-Book

Der Retter E-Book

Duane Swierczynski

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Beschreibung

Mission Impossible

Charles Hardie ist es zum wiederholten Mal gelungen, die Pläne einer mächtigen Geheimorganisation zu durchkreuzen. Zur Strafe wird er in eine Rakete gesetzt und mit einer Geschwindigkeit von 28.000 Stundenkilometern ins All geschossen. Nahrung und Sauerstoff reichen für ein Jahr. Hardie muss eine Mission erfüllen, sonst werden seine Frau und seine Tochter umgebracht. Erneut heißt es: Einer gegen alle.

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Seitenzahl: 327

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Das Buch

Bei seinen Bemühungen, die Pläne einer mächtigen Verbrecherorganisation zu durchkreuzen, hat Charlie Hardie bereits einiges einstecken müssen: Er wurde angeschossen und beinahe ertränkt, anschließend entführt, betäubt, in einen Kofferraum verfrachtet und in ein Geheimgefängnis am Arsch der Welt gebracht. Nachdem es ihm gelang zu fliehen, haben seine Gegner diesmal beschlossen, auf Nummer sicher zu gehen, und ihn mit einer Rakete ins All geschossen. Flucht von dort? Unmöglich! Aber wer sich mit Charles D. Hardie anlegt, muss mit dem Unmöglichen rechnen. Und schon bald stürzt der Satellit mit ihm an Bord wieder Richtung Erde …

Das große Finale der actionreichen Charlie-Hardie-Serie!

Der Autor

Duane Swierczynski wurde 1972 in einem Vorort von Philadelphia geboren. Er war Redakteur des Philadelphia City Paper. Neben einer Reihe von Kriminalromanen, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde, schrieb er Sachbücher und Comics. Duane Swierczynski lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Philadelphia.

Besuchen Sie den Blog des Autors unter

http://secretdead.blogspot.com

Lieferbare Titel

Die Charlie-Hardie-Reihe: Der Bewacher – Der Wärter

Als Duane Louis: Blondes Gift –Alte Feinde

DUANE SWIERCZYNSKI

DERRETTER

Thriller

Aus dem Amerikanischen von Frank Dabrock

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die Originalausgabe POINT & SHOOT erschien 2013 bei Mulholland Books, an imprint of Little, Brown and Company.

Copyright © 2013 by Duane Swierczynski

Copyright © 2013 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Florian Oppermann

Covergestaltung: yellowfarm gmbh, S.Freischem

Covermotive: © plainpicture/donkeysoho und © iStockphoto/xril

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-08635-0V002

www.heyne.de

Für David J. Schow,

die ehrliche Haut

Tu proverai sì come sa di sale

lo pane altrui, e come è duro calle

lo scendere e ’l salir per l’altrui scale

Dante, Paradiso,17. Gesang, Zeilen 58-60

And if you still can’t see the light

God’s gonna buy you a satellite

The Hooters

Los.

Schnapp dir deine Pistole.

Wo ist …

Mein Gott, wo ist deine Pistole?

ZWEI

Das Weltall ist groß. Man kann sich nicht vorstellen, wie unermesslich, ungeheuer, irrsinnig groß es ist.

Douglas Adams

Niedrige Erdumlaufbahn – vor drei Tagen

Die Übertragung sollte um 12.30 Uhr Weltzeit beginnen, doch um 12.55 Uhr war klar, dass das nicht passieren würde.

Hardie sagte sich, dass es nur ein paar Probleme mit dem Signal gebe. Dass dort unten jemand eifrig daran arbeitete und dass er bald seine Familie auf dem Monitor sehen würde. In wenigen Minuten. Sie würden ihn nicht mehr lange warten lassen, oder? Das war das Einzige, was ihn bei der Stange hielt, und das wussten sie. Sie würden keine Spielchen mit ihm spielen. Das wäre einfach nur grausam.

Nach vier Stunden, in denen er steif gefroren war, schnallte Hardie seine Beine los, um sie zu strecken. Um 13.00 Uhr Weltzeit musste er eine Checkliste mit Aufgaben abarbeiten. Sie sollten lieber bald mit der Übertragung beginnen, andernfalls …

Und dann fing die Übertragung an.

Zweihundertsiebenundsechzig Kilometer unter ihm ging das Leben seinen gewohnten Gang.

Unten auf der Erdoberfläche, kurz vor 10.00 Uhr Eastern Time, die drei Stunden hinter der Weltzeit zurück war, bereitete Kendra eine Hühnersuppe zu. Sie und Seej hatten mit einer Erkältung zu kämpfen. Kendra hatte das Huhn bereits auseinandergenommen und schnitt gerade eine Karotte in dicke Scheiben. Ihre heftigen Bewegungen machten Hardie nervös – ihre Finger bewegten sich unglaublich schnell, zack zack zack zack zack zack zack. Sie hatte zwar die Finger gekrümmt, wie man es tun sollte. Trotzdem, sie konnten abrutschen. Und wenn etwas passierte …

Seej war im Wohnzimmer, er hielt ein imaginäres Gewehr-Schwert-Ding in der Hand und ballerte und stach auf die digitalen Gegner auf dem Flachbildschirm ein. Hardie hatte keine Ahnung, was der Junge da spielte. Das letzte Videospiel, das sein Sohn vor über einem Jahrzehnt gespielt hatte und an das Hardie sich erinnern konnte, drehte sich um italienische Klempner und gigantische Magic Mushrooms. Scheiße, Mann, für welches Spiel benötigt man ein Gewehr und ein Schwert? Wenn das Gewehr nicht ausreichte, brauchte man dann wirklich ein Schwert, um den Bösen zu erledigen? Und warum sollte man mit einem Schwert auf ihn einstechen, wenn man ein Gewehr zur Hand hatte?

Doch der Junge war begeistert. Das einzig Echte war die Wut in seinem Gesicht. Man sah es ihm an, wenn er einen besonders blutigen Treffer gelandet hatte; seine Augen funkelten dann auf eine ganz spezielle Weise. Halb erschrocken, halb belustigt. Auch wenn Hardie es sich nicht eingestehen wollte, er wirkte wie jemand, der eines Tages an der Schule Amok laufen könnte.

Das hier war Charlie Hardies Familie. Da, direkt vor ihm. Aus Fleisch und Blut. Sie lebten ihr Leben und schlugen sich mit ihren Problemen herum.

Absolut unerreichbar.

In den letzten neun Monaten war Charlie Hardies Leben auf stumpfsinnige Routine zusammengeschrumpft. Augen öffnen. Aus den Gurten kriechen, die ihn fixierten, während er vergeblich versuchte zu schlafen. Angeschnallt an ein anderes Gurtsystem – das man in siebzehn Schritten anlegen musste – die Blase leeren. Zu den Kontrolltafeln hinüberklettern. Die Anzeigen überprüfen, indem er die Werte mit denen im Handbuch verglich, obwohl er sie inzwischen auswendig kannte. Sich mit Erfrischungstüchern waschen. Sit-ups machen und auf dem Ergometer strampeln, um Muskeln aufzubauen. Abermals die gleiche Abfolge von Knöpfen drücken. Und wieder. Und wieder. Ein Affe könnte das. Aber sie wollten nicht irgendeinen blöden Affen haben.

Sie wollten einen Affen namens Charlie Hardie.

Es war ein Jahr her, dass Charlie Hardie dieser hübschen Frau beinahe ins Gesicht geschossen hätte. Jeden Tag in der Raumstation malte er sich aus, wie sein Leben wohl gewesen wäre, wenn er der Frau tatsächlich ins Gesicht geschossen hätte und dieser kalten, langen, harten Form von Vertragsknechtschaft entgangen wäre. Wahrscheinlich kurz. Kurz im Sinne von »ein paar Sekunden lang« – denn wenn er die Frau getötet hätte, hätten ihre bewaffneten Lakaien Hardie mit einem ausgefallenen Arsenal schwerer Artillerie das Fleisch von den Knochen geballert. Ein paar Sekunden wären da schon viel gewesen.

Stattdessen war Hardie einverstanden gewesen, der Frau nicht ins Gesicht zu schießen, sich der Clique zu ergeben und schön nach ihrer Pfeife zu tanzen.

Die Clique … es gab für sie so viele Namen. Als Hardie zum ersten Mal mit ihnen zu tun hatte, kannte er sie als die »Unfallleute«, die für »Industry« arbeiteten. Damals hätten sie ihn beinahe getötet … aber er hatte ihnen ebenfalls schweren Schaden zugefügt, er hatte einen milliardenschweren Deal zunichtegemacht, und sie waren echt sauer auf ihn. So sehr, dass sie a) Hardie sechs Jahre seines Lebens raubten und b) ihn in ein Geheimgefängnis sperrten und zwangen, den Direktor zu spielen. Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass Hardie deswegen echt sauer war. Als er schließlich entkommen konnte, machte er sich daran, die drei ihm bekannten Mitglieder von »Secret America« zu töten – so nannten die Insassen in diesem Gefängnis »Industry«.

Doch als Hardie die hübsche Frau, der er beinahe ins Gesicht geschossen hätte, fragte, wie sie sich nennen, hatte sie nur geschmunzelt und gesagt:

»Nenn uns die Clique.«

Hardie wollte einen Witz darüber machen, doch das war gar nicht so leicht, bei den vielen Waffen, die auf ihn gerichtet waren und die sein Leben jederzeit mit einer Ladung Blei beenden konnten.

Oh, Hardie hatte sich wirklich Mühe gegeben. Kurz bevor er sich in dieser ausweglosen Situation wiederfand, hatte er sich auf einen blutigen Rachefeldzug begeben. Mit gemischten Resultaten, um ehrlich zu sein. Der erste Anführer der Clique? Ihn zu töten war ein Kinderspiel. Man könnte die Aktion als überwältigenden Erfolg bezeichnen. Der zweite Anführer? Hardie war sicher gewesen, er hätte diesen Scheißkerl getötet, aber wie sich herausstellte, hatte er überlebt. Vielleicht. Die Lage war ziemlich unklar. Und der dritte Anführer?

Tja, das war die hübsche Dame, der er beinahe ins Gesicht geschossen hätte, aber eben nur beinahe.

Was zu ihrer momentanen Vereinbarung geführt hatte. Für ein Jahr Vertragsknechtschaft versprach die Clique Hardie, dass sie einen Schlussstrich unter die Sache ziehen würde. Sie würden weder aktiv versuchen, ihn zu töten, noch würden sie die Unfallleute zu seiner Noch-Ehefrau und seinem Sohn schicken. Das war alles, was Hardie wollte. Dass Kendra und Charlie junior endlich nicht mehr mit dem Tode bedroht wurden. Also hatte er die Pistole sinken lassen und sich einverstanden erklärt, für die Clique zu arbeiten.

Wir wollen nur, dass du etwas bewachst, hatten sie gesagt.

Das ist doch dein Job, oder? Du bewachst doch Sachen?

Ja, hatte Hardie gesagt, ich bewache Sachen.

Allerdings sagten sie ihm nicht, dass er etwas im verdammten Weltall bewachen sollte.

Okay: »Niedrige Erdumlaufbahn.« Was soll’s, dachte Hardie.

Allein der Gedanke klang verrückt. Doch die Clique bestand darauf, dass es nicht nur möglich war, sondern durchaus sinnvoll. Gewisse Dinge waren einfach zu wertvoll, um sie auf der Erde zu belassen, wo es unendlich viele Möglichkeiten gab, sie zu zerstören, zu hacken, sich Zugang zu verschaffen oder sie in seinen Besitz zu bringen. Seit Menschen den Planeten bevölkerten, hatten sie zahllose Möglichkeiten ersonnen, das Eigentum anderer zu stehlen. Um absolut sicher zu sein, musste man die Erde aus der Gleichung nehmen.

Dazu war eine teure Technologie erforderlich – aber auf lange Sicht war es nicht so teuer, wie eine Hochsicherheitseinrichtung auf der Erde zu unterhalten. Sobald man das Ding in eine niedrige Erdumlaufbahn geschossen hatte, konnte man sicher sein, das nur Organisationen mit den Mitteln der Clique es dort hinauf schafften. Und niemand verfügte über die Mittel der Clique.

Allerdings benötigte man dafür einen Menschen vor Ort, denn Maschinen, egal wie gut sie konstruiert waren, konnten ausfallen. Deshalb brauchte man einen Aufpasser.

Deshalb brauchte man Charlie Hardie.

Hardie verlagerte in dem beengten Bereich vor dem Monitor sein Gewicht und versuchte, seinen geschundenen Körper zu strecken, damit der Kreislauf in Schwung kam. Doch beim Anblick seiner Familie vergaß er seine Schmerzen.

Auf dem Bildschirm schlug Kendra Eier in eine Glasschüssel, um einen Teig für French Toast anzurühren. Augenblicklich wurde Hardie in die Vergangenheit katapultiert, ein Jahrzehnt zurück, als er ihr an einem Sonntagmorgen beim Zubereiten des Teigs zugesehen hatte und sie noch seine Frau war. Es war dieselbe Glasschüssel. Derselbe Schneebesen aus rostfreiem Stahl. Dieselbe Fritteuse auf der Arbeitsfläche; Kendras Mutter hatte sie ihnen vermacht. Beim vertrauten Anblick der Küchengeräte hatte er das Gefühl, sie wären immer noch verheiratet, immer noch zusammen.

Er wusste, dass sie von Rechts wegen nicht mehr verheiratet waren. Zu viel Zeit war vergangen. Wenn Kendra klug war – und sie war die klügste Frau, die er kannte – , hatte sie ihn offiziell für tot erklären lassen und seine Lebensversicherung kassiert.

Wenn Hardie in der Lage wäre, sich auf wundersame Weise zur Erde, in diese Küche, zu beamen, was würde sie schon sagen? Ihre letzte gemeinsame Zeit, die Jahre vor dem ganzen Irrsinn in L. A., waren unangenehm, quälend und voller Anspannung gewesen. Damals war Hardie überzeugt gewesen, dass man, wenn man es schaffte, Kendras wütende Blicke in Flaschen abzufüllen, das wirkungsvollste Unkrautvernichtungsmittel auf dem Markt hätte. Wenn er sie fragte, was denn los sei, sagte Kendras Mund: Nichts, mir geht’s gut. Doch ihre Augen sagten: Ich hasse dich mit jeder Faser meines Körpers.

Kendra ging aus der Küche. Eigentlich hätte der Monitor auf das Wohnzimmer umschalten müssen, aber das tat er nicht. Das war merkwürdig.

Wer auch immer dafür verantwortlich war, Hardie seine tägliche Dosis Familie zu verabreichen, achtete in der Regel darauf, dass sich die paar Minuten auch lohnten. Unwillkürlich fragte sich Hardie, wie oft diese Person – Mann oder Frau – Kendra und den Jungen den restlichen Tag über beobachtete. Wurden sie rund um die Uhr überwacht, oder schaute jemand ab und zu nach ihnen, um sich zu vergewissern, dass sie noch lebten und somit nützlich für die Clique waren? War besagte Person pervers? Beobachtete er oder sie die beiden auch in seiner/ihrer Freizeit?

Eigentlich wollte Hardie darüber lieber gar nicht nachdenken – nicht solange er in der Erdumlaufbahn gefangen und außerstande war, etwas an der Situation zu ändern.

Doch manchmal sprach er mit diesem geheimnisvollen Beobachter, für den unwahrscheinlichen Fall, dass er oder sie ihn hören konnte.

Er wusste, dass das lächerlich war, denn es handelte sich um eine Einweg-Übertragung – darauf hatten sie ihn während seines Trainings hingewiesen. Wir sind in der Lage, dich mittels verschiedener Geräte zu beobachten, aber mach dir nicht die Mühe, mit uns zu reden. So viel dazu, Arschloch!

Trotzdem konnte Hardie nicht widerstehen.

»Komm schon.«

Er sagte es laut, nur um sich zu vergewissern, dass seine Stimme noch da war. Fast hätte er sich gewünscht, er könnte ein Jahr in der Zeit zurückreisen, um sich selbst in diesem beschissenen Geheimgefängnis zu besuchen und zu sich zu sagen:

Tja, Kumpel, immerhin hast du Leute, mit denen du dich unterhalten kannst. Auch wenn sie verrückt sind. Also genieß es, solange du kannst.

Hardie sagte alles Mögliche zu sich selbst.

Du weißt schon, wie sehr du im Arsch bist, Chuck, oder?

Chuck. Immer nur Chuck. Im echten Leben nannten ihn alle immer bloß »Hardie«, selbst Kendra tat das die meiste Zeit. Als er jedoch vor neun Jahren fast erschossen worden wäre, hatten ihm die Medien den Namen »Chuck, der Unverwundbare« verpasst. Und jetzt hockte er hier oben, in dieser Blechbüchse, und er lebte immer noch. Also musste er Chuck sein.

Stimmt’s, Chuck?

Wie geht’s uns denn, Chuck?

Morgen, Chuck, du Riesenarschloch.

Wie bist du eigentlich in diesem Satelliten gelandet, Chuck?

Es gab nur eine Möglichkeit, zum Satelliten hinaufzugelangen. Man benötigte eine Rakete sowie die Technologie, um an den Satelliten anzudocken, und dann musste man sich in den kreisenden Flugkörper zwängen, der nicht viel größer als ein Honda Odyssey war. Aber falls … und es war ein GROSSES Falls … falls man es schaffte, all diese Hindernisse zu überwinden, dann gab es immer noch einen letzten Sicherungsmechanismus:

Charlie Hardie erwartete dich, bereit, die Waffe auf dich zu richten und abzudrücken.

Der einzige Zugang wurde von Maschinengewehren gesäumt. Wenn man das Innere betrat und Hardie den Doppelabzug drückte, wurde man zerfetzt und zusammen mit dem angedockten Gefährt dorthin zurückkatapultiert, wo man hergekommen war. In unzähligen unförmigen, gefrorenen Teilchen.

Hardie wünschte sich fast, dass jemand versuchte, in die Kapsel einzudringen, damit er was zu tun hatte. Stattdessen gammelte er in einem Satelliten zweihundertsiebenundsechzig Kilometer über der Erdoberfläche vor sich hin – laut einem der Monitore überquerte er gerade die Vereinigten Staaten.

Warum war dieser Satellit so wichtig? Hardie hatte keine Ahnung. Aber sein Leben war auf drei Aufgaben reduziert: a) ein paar Knöpfe drücken, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, b) am Leben bleiben und c) jeden erschießen, der hier auftauchte.

Hardie verstand immer noch nicht ganz, warum man ihn für diese spezielle Mission ausgewählt hatte.

Ich bin kein Astronaut, hatte er erklärt.

Kein Problem, hatte man ihm gesagt. Wir wollen keinen Astronauten. Wir wollen dich.

Warum?

Du bist ein Überlebenskünstler. Das ist uns klar geworden, nachdem du die Ereignisse vor sechs Jahren in L. A. überlebt hast. Und das hat sich bestätigt, als es dir gelungen ist, aus einem ausbruchssicheren Gefängnis zu fliehen. Wir wollen dich. Doch zunächst müssen wir ein paar Änderungen vornehmen.

Ja, genau. Änderungen.

Also, normalerweise verbringen Astronauten bis zu sechs Monate in der Umlaufbahn. Bleiben sie noch länger, bilden sich durch die Schwerelosigkeit und die kosmische Strahlung die Knochen zurück (ganz zu schweigen von dem psychischen Stress, wenn man für so lange Zeit von seinen Mitmenschen getrennt ist). Aber die Clique behauptete, sie sei in der Lage, das Risiko zu reduzieren. Hardie wollte wissen, was sie mit ihm vorhatten, doch sie lehnten es kategorisch ab, ihm irgendwelche Einzelheiten zu nennen. Firmengeheimnis, sagten sie. Leckt mich, es ist mein Körper, sagte Hardie. Ach ja?, sagten sie. Und damit hatten sie nicht ganz unrecht.

Das war vor neun Monaten gewesen; drei weitere lagen laut seinem »Vertrag« vor ihm. Allerdings war nicht alles übel. Die Sache hatte auch ihre Vorteile. Nicht nur, dass Hardies Familie am Leben blieb, er durfte sie auch jeden Tag ein paar Minuten sehen, mittels der versteckten Kameras, die in Kendras Haus installiert waren.

Jede Übertragung von der Erde war Qual und Erleichterung zugleich. So musste sich wohl ein Geist fühlen, dachte Hardie. Wenn man seinen Familienangehörigen dabei zusah, wie sie ihr Leben lebten, während man selbst völlig ohnmächtig war, ohne jede Möglichkeit einzugreifen. Hardie beschlich das Gefühl, dass die täglichen kurzen Übertragungen von seiner Familie ihn in den Wahnsinn getrieben hatten. Aber was sollte er machen? Sie nicht mehr anschauen?

Wenn er seinen Vertrag erfüllt hatte, durfte er (angeblich) wieder zu seiner Familie zurück. Hardie hatte nicht einen Moment daran geglaubt. Die Stimme des Echsen-Cops in seinem Kopf sagte ihm, dass es dazu niemals kommen würde. Wenn dieser Job vorbei ist, werden sie dich töten. Und deine Familie ebenfalls … Hardie wusste also, dass er nur noch drei Monate hatte, um sich einen Fluchtplan zu überlegen, zu seiner Familie zurückzukehren und irgendwo mit ihr unterzutauchen. Vorausgesetzt, dass seine Frau und sein Sohn noch etwas mit ihm zu tun haben wollten.

Immer noch der treue Ehemann, hatte seine Erzfeindin mal zu ihm gesagt. Wirklich beeindruckend, wenn man bedenkt, wie lange es her ist, dass du sie zuletzt gesehen hast.

Momentan bestand Hardies Leben lediglich aus stumpfsinniger Routine in einem extrem engen Raum. Und dem gelegentlichen Vergnügen, seiner Frau dabei zuzusehen, wie sie das Frühstück zubereitete.

Doch jetzt starrte er auf das Bild einer Überwachungskamera von einer leeren Küche. Hardie versuchte, seine Gedanken durch die Atmosphäre direkt in den Kopf seiner Frau in Philadelphia zu schicken. Komm schon, Kendra. Geh wieder in die Küche zurück. Du hast doch bestimmt irgendwas vergessen, oder? Vielleicht hast du die Fritteuse nicht ausgeschaltet. Mach was. Irgendwas.

Aber nichts passierte.

Seej, wo steckst du? Willst du dir nach dem Frühstück nicht noch einen Snack aus dem Kühlschrank holen? Der Junge, der inzwischen fast ein richtiger Mann war (auch wenn Hardie sich das nicht eingestehen wollte), war schlank und kräftig und futterte wie ein Scheunendrescher. Kendra hingegen aß wie ein Spatz. Seej konnte die Tagesration eines ganzen Trupps Feldarbeiter verputzen und hatte am Vormittag trotzdem schon wieder Hunger.

Jetzt komm schon. Du hast doch bestimmt schon wieder Hunger, Seej. Lass dich blicken. Oder bist du gegangen? Um dich mit einem Freund zu treffen? Oder mit deiner Freundin?

Aber nichts passierte.

Nach ein paar Minuten, ohne dass etwas passiert war, wurde die Übertragung beendet. Und Hardie fing an, die Gurte zu lösen, als …

Hey.

Er spürte, wie der Satellit ruckelte.

DREI

Der letzte Mensch auf Erden saß allein in seinem Zimmer. Da klopfte es an der Tür.

Frederic Brown

Hardie ging die äußerst kurze Liste von Dingen durch, die in der Lage waren, einen 3,7 Milliarden Dollar teuren Satelliten durchzurütteln.

Im besten Fall handelte es sich um eine außerplanmäßige Drohne mit Lebensmitteln. Doch das konnte nicht sein. Die letzte war erst vor zwei Wochen da gewesen, und die nächste war in frühestens sechs Wochen vorgesehen. Ausgeschlossen, dass seine Arbeitgeber eine Sonderlieferung zu ihm hinaufschickten, denn a) sie achteten extrem auf die Kosten, und b) alles hier oben war bis ins kleinste Detail durchgeplant. Blieb also nur … ein Asteroid? Eine Kollision mit Weltraummüll?

Allerdings hörte es sich genau so an, als würde die Lebensmittel-Drohne andocken. Ein Lärmen und Rumpeln wie von einem Geländewagen, der mit Karacho gegen dein Haus fährt, gefolgt vom Geräusch der magnetischen Verriegelung, mit der die Drohne fixiert wurde.

Dung-Dung-Dung-Dung

Hardie zog sich an den Handgriffen zur Einstiegsluke hinüber. Er warf einen Blick auf die Sensoren, die ihm normalerweise signalisierten, wenn eine Lebensmittel-Drohne bereit war, ihre Fracht abzuladen. Er wartete. Doch auf der Anzeige war nichts zu sehen. Das war keine Lebensmittel-Drohne. Sondern irgendetwas anderes. Man hatte ihm versichert, dass genau dies nie, niemals, passieren würde … weil man alle nur erdenklichen Vorkehrungen getroffen hatte, damit so etwas nicht passierte … Tja, trotzdem passierte es offensichtlich gerade.

Scheiße.

Hardie hatte Lust auf ein Bier. Ja, jetzt sofort. In Philadelphia war es zwar noch Morgen, doch hier im All war es schon Nachmittag. Er hätte darauf bestehen sollen, dass man in diesem verdammten Ding eine Kühlvorrichtung installiert, und vielleicht hätte er vereinbaren sollen, dass man monatlich ein Fässchen heraufschickt oder ein paar Sixpacks. Bier ist doch voller Nährstoffe, oder? Wenn man einen Mann schon in so eine Blechbüchse steckte, dann sollte man ihm wenigstens ein paar Dosen zukommen lassen, damit er sich hin und wieder eine genehmigen konnte.

Aber nein. Der Satellit war zu klein für so etwas Extravagantes wie Bier.

Seine Welt hatte die Form einer Patrone, und sie sauste unzählige Male am Tag um die Erde.

Es gab hier zwei Hauptbereiche: jenen, in dem Hardie wohnte und seine sinnlosen täglichen Aufgaben erledigte, und die Einstiegsröhre, durch die die Drohne frische Lebensmittel- und Wasservorräte brachte und den Müll entgegennahm. Junge, das war vielleicht ein Spaß.

Die meiste Zeit dachte Hardie, er wäre besser dran, wenn er immer noch in diesem Geheimgefängnis vor sich hin vegetierte.