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Diplomarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Didaktik für das Fach Deutsch - Deutsch als Fremdsprache, DaF, Note: 16/20, , Veranstaltung: Master Métiers de l'Education, de l'Enseignement et de la Formation, Sprache: Deutsch, Abstract: Um einen guten Spracherwerb zu gewährleisten, sollten authentische Materialien im Fremdsprachenunterricht Verwendung finden. Dies scheint vor allem in einer ultraperipheren Region Europas, wie das Departement La Réunion, wichtig. Trotz des einfachen Zugangs zum Internet bleibt seitens der Schülerinnen und Schüler die Nutzung von fremdsprachlichen Internetseiten oder Radiosendungen eher begrenzt. Es ist notwendig, den Schülerinnen und Schülern möglichst viel und möglichst authentisches Material zum Lernen der fremden Sprache im Unterricht zur Verfügung zu stellen. Daher bietet es sich an, zum Beispiel mit Literatur zu arbeiten. Sicherlich sind Kenntnisse der Literatur aus verschiedenen Jahrhunderten wichtig, doch kann mit Romanen aus den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gegebenenfalls großes Interesse bei den Schülerinnen und Schülern erzeugt werden. Wolfgang Hilbig ist ein Autor der neunziger Jahre, der in der DDR gelebt hat und auch über sie schreibt. Da der heutige Fremdsprachenunterricht auch die Vermittlung von kulturellen Kenntnissen vorsieht, scheint es für den Deutschunterricht sinnvoll, die DDR zu behandeln. Hilbig bietet hierfür eine gute Möglichkeit, da er im Roman „Ich“ die Atmosphäre der DDR nachvollziehbar macht. Eine Behandlung des Romans kann möglicherweise zum besseren Verständnis der Teilung Deutschlands beitragen. Es stellt sich allerdings die Frage, wie ein sprachlich so gewandter Roman im Deutschunterricht in Frankreich seinen Platz finden kann.
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Inhalt
1. Einleitung
2. Über den Autor
3. Der Roman „Ich“
4. Deutsch lernen in Frankreich
4.1 Die Unter- und Mittelstufe: das Collège
4.2 Die Oberstufe: das Lycée
4.3 Abibac
5. Der nationale Lehrplan für den Erwerb von Fremdsprachen in Frankreich
6. Der Roman „Ich“ in einer Unterrichtseinheit
6.1 Die Übereinstimmung mit dem nationalen Lehrplan
6.2 Didaktische Überlegungen zu „Ich“
6.3 Die Auswahl der Grundlage zur Textarbeit im Unterricht
6.4 Die für die Unterrichtseinheit relevanten Informationen des Textes
6.4.1 Tabelle 1: Aspekte des Textausschnitts für die Arbeit im Plenum
6.4.2 Tabelle 2: Aspekte der Ausschnitte für die Gruppenarbeit
6.5 Tabellarische Darstellung der Lernziele
6.6 Erste und zweite Séance: Arbeit im Plenum mit dem ersten Textausschnitt
6.7 Dritte bis fünfte Séance: Bearbeitung der Ausschnitte in Gruppen
6.8 Die Abschluss-Stunde
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
8.1 Internet-Referenzen
Um einen guten Spracherwerb zu gewährleisten, sollten authentische Materialien im Fremdsprachenunterricht Verwendung finden. Dies scheint vor allem in einer ultraperipheren Region Europas, wie das Departement La Réunion, wichtig. Trotz des einfachen Zugangs zum Internet bleibt seitens der Schülerinnen und Schüler die Nutzung von fremdsprachlichen Internetseiten oder Radiosendungen eher begrenzt. Es ist notwendig, den Schülerinnen und Schülern möglichst viel und möglichst authentisches Material zum Lernen der fremden Sprache im Unterricht zur Verfügung zu stellen. Daher bietet es sich an, zum Beispiel mit Literatur zu arbeiten. Sicherlich sind Kenntnisse der Literatur aus verschiedenen Jahrhunderten wichtig, doch kann mit Romanen aus den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gegebenenfalls großes Interesse bei den Schülerinnen und Schülern erzeugt werden.
Wolfgang Hilbig ist ein Autor der neunziger Jahre, der in der DDR gelebt hat und auch über sie schreibt. Da der heutige Fremdsprachenunterricht auch die Vermittlung von kulturellen Kenntnissen vorsieht, scheint es für den Deutschunterricht sinnvoll, die DDR zu behandeln. Hilbig bietet hierfür eine gute Möglichkeit, da er im Roman „Ich“ die Atmosphäre der DDR nachvollziehbar macht. Eine Behandlung des Romans kann möglicherweise zum besseren Verständnis der Teilung Deutschlands beitragen. Es stellt sich allerdings die Frage, wie ein sprachlich so gewandter Roman im Deutschunterricht in Frankreich seinen Platz finden kann.
Wolfgang Hilbig wird am 31. August 1941 in Meuselwitz, im sächsischen Braunkohlerevier südlich von Leipzig, einem der damaligen Industriegebiete der DDR, geboren und wächst im „Schatten“ des Krieges auf. Sein Vater fällt 1942 in Stalingrad und hinterlässt die Mutter mit dem Kleinkind: Bombenangriffe, Hunger, Ängste und die Einsamkeit der Mutter prägen die ersten Kindheitsjahre. Ebenso das Motiv des Verschwindens von Menschen, wie sein Vater und wie so vieler anderer Menschen, deren Namen er in den Radio-Suchmeldungen hört. [1]
Er wächst im Haus der Grosseltern auf, wo die Mutter ein Zimmer bewohnt. Der Großvater arbeitet unter Tage. So kann die Familie bei Luftangriffen in die Kohleschächte fliehen, die sicherer sind als Luftschutzbunker. Auch hier wird Wolfgang Hilbig durch die langen dunklen Gänge geprägt[2], in welche sie mit Angst hineingehen und nie wussten, was sie erwartet, wenn sie diese wieder verlassen.
Diese Bedingungen der Kindheit, Krieg und Abwesenheit des Vaters, in denen Hilbig aufwächst, prägen den Autor. Zentrale Motive werden „Müll, Durst, Schlamm, Wasser, Grün. Statt geboren wird ausgespien und erbrochen“[3].
Hilbig fing bereits als Kind zu schreiben an[...]. Vor dem Schreiben steht das Lesen. Lesend wird das Kind jedoch zum Außenseiter in seiner Familie, es setzt sich dem dauernden Argwohn des Großvaters aus, der aus einem winzigen Dorf [...] stammte, Waise war und “nie eine Schule von innen gesehen hatte.[4]
Das missbilligende Verhalten des Großvaters, des einzigen männlichen Bezugspunkts in der Familie, lässt ein schlechtes Gewissen in dem Jungen entstehen, der die intellektuelle Tätigkeit nicht lassen kann und sich darum schuldig fühlt. Als Hilbig zu schreiben beginnt, wird dies beinahe als Verrat gesehen, denn für den Arbeiter-Großvater und Analphabeten gilt: alles Gedruckte ist „Lug und Trug [und w]er sich der Welt der Bücher aussetzt, gefährdet den eigenen Verstand“[5]. Dahlke schreibt weiter: „Noch der anerkannte Dichter meint, sich für den gewählten Lebensweg rechtfertigen zu müssen“[6].
Trotzdem schreibt Hilbig. Vorerst zwar als Nebentätigkeit und vor allem nachts[7], aber durchgehend. Von Beruf ist er nach seinem Militärdienst Heizer in Betrieben in Meuselwitz und Leipzig, bis er 1981 nach Ost-Berlin zieht und als selbständiger Schriftsteller arbeitet.[8] Schließlich verlässt er die DDR mit einem Reisevisum für mehrere Ein- und Ausreisen nach Westdeutschland und lässt sich in Hanau, dann in Nürnberg nieder[9]. Nach der Wiedervereinigung kehrt er nach Berlin zurück[10]. Vielleicht versuchte Wolfgang Hilbig anfänglich im Alkohol die Möglichkeit zu finden, den Zwiespalt zwischen Arbeiterherkunft und intellektueller Tätigkeit zu überwinden. Er wird abhängig und trinkt oft, teilweise auch beim Schreiben. Erst gegen Ende seines Lebens versucht er dem Alkohol zu entsagen. Er stirbt 2007 in Berlin. [11]
Hilbig hat viele Werke geschrieben: Gedichte, Geschichten und Romane. So gab der Fischer Verlag anlässlich des Todes des Autors eine Gesamtausgabe der Werke Hilbigs heraus, welche sieben Bände umfasst. Der Rahmen dieser Arbeit erlaubt nicht, auf alle Werke einzugehen. Daher muss hier auf das Internet verwiesen werden: Ein guter Überblick über Hilbigs Werke mit kurzen Beschreibungen wurde zum Beispiel auf der Literatur-Webseite Perlentaucher veröffentlicht[12]. Außerdem wird in der Hilbig-Biographie von Birgit Dahlke an vielen Stellen ausführlich auf die verschiedenen Werke verwiesen[13]. Obwohl die Verlage der DDR Hilbig nicht veröffentlichen wollen, kann der Autor dank eines West-Kontaktes ab den späten siebziger Jahren in Westdeutschland beim Fischer Verlag veröffentlichen und schließlich dann ab 1980 auch in der DDR, wenn auch als zensierte Ausgaben.[14]
Sein literarisches Schaffen trug vor allem im Westen und nach der Wende Früchte. Hilbig erhielt verschiedene Literaturpreise, darunter auch einen der wichtigsten deutschen Preise für Literatur: den Georg-Büchner-Preis. Auf der Webseite des Fischer Verlages ist eine Liste der Preise veröffentlicht, die Wolfgang Hilbig für seine literarische Tätigkeit erhielt[15]. Besonders erwähnenswert scheint, dass Hilbig der erste Autor proletarischer Herkunft ist, dem der Georg-Büchner-Preis verliehen wurde[16].
Was Hilbig auszeichnet, ist vor allem seine Sprache, die seinen Texten die gewünschte Stimmung gibt und eine nachvollziehbare Atmosphäre für die Handlung bereitet. „Er sieht geradezu eine Pflicht darin, die Atmosphäre in dem Land, das nur noch in der Erinnerung bestehe, vor dem Vergessen zu bewahren.“[17] Dahlke zitiert Wolfgang Hilbig wie folgt:
Schriftsteller müssen sich erinnern, vielleicht ist dies sogar ihre Hauptaufgabe. In meinem Fall funktioniert die Erinnerung fast ausschließlich über das Bild von einer bestimmten Atmosphäre, das in mir zurückgeblieben ist: ich brauche zuerst die Atmosphäre, in der sich dann ein Text bewegt, in der sich eine Handlung oder eine Nicht-Handlung abspielen kann.[18]
„Es liegt nahe, in dieser Überzeugung eine Lehre aus der Auseinandersetzung mit den verheerenden Folgen der Erinnerungslosigkeit in seiner eigenen Familie zu erkennen.“[19] Hilbig versucht, da er keine klaren Erinnerungen hat, sich mit seiner Literatur „lichte Erinnerungen“ zu schaffen[20]. Dahlke schreibt:
Die Übergänge zwischen autobiographischen Notizen und literarischer Verdichtung sind fließend, Hilbig begibt sich auch in seinen Romanen und Erzählungen vor allem auf die Suche nach sich selbst. Auf Fragen nach dem autobiographischen Gehalt seiner Texte antwortet er ausweichend und widersprüchlich: seine Figuren hätten immer einen autobiographischen Anlass, Figuren- und Autorenstimme fielen oft zusammen, seien aber nicht identisch[21]
Der Roman „Ich“ ist von einer düster-muffigen Atmosphäre geprägt, die durch verschiedene Bilder hervorgerufen wird, trägt autobiographische Züge und entzieht sich nicht dem Einfluss der frühkindlichen Erlebnisse, die Hilbigs ganzes Leben prägen.
Wolfgang Hilbig war kein Mitläufer des DDR-Regimes. Auch wenn er keine spektakulären Aktionen gegen den „real existierenden Sozialismus“ unternahm, so war er doch kritisch und ordnete sich nicht unbedingt dem Staatswillen unter. Dieses Verhalten musste als besonders provokativ gelten, da Hilbig durch seine proletarische Herkunft ideologischen Kriterien entsprach: er war ein Arbeiter-Autor. Und so wurde er selbst vom Ministerium für Staatssicherheit beobachtet:
Ein Brief des Wehrpflichtigen an die Mitglieder eines Sportvereins führt am 19.12.1962 [...] zu einem ersten „Ermittlungsauftrag“ des Ministeriums für Staatssicherheit, hier nimmt die jahrzehntelange Überwachung Hilbigs ihren Anfang. Einmal aufmerksam geworden, sammeln verschiedene Bezirksverwaltungen der Staatssicherheit ab da Material gegen den als politisch unzuverlässig Eingeschätzten.[22]
Und an anderer Stelle ist in Dahlkes Biographie – im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden des Autors im Westen – Folgendes zu lesen: „Die Zahl der inoffiziellen Mitarbeiter, die angeworben werden, um ihn zu bespitzeln, steigt. Unter ihnen sind Arbeitskollegen, Nachbarn und Angestellte der Kirchenverwaltung Altenburg.“[23] Wolfgang Hilbig kennt also die Situation, die er beschreibt, aus der Perspektive des Bespitzelten und projiziert im Roman die Perspektive des Spitzels.