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Wir schlafen rund ein Drittel unseres Lebens! Ein guter Schlaf erfüllt viele entscheidende Funktionen für unser körperliches und geistiges Wohlbefinden. Leider nimmt die Häufigkeit von Schlafstörungen in der Bevölkerung zu. Wie wir die verschiedenen Formen von Schlafstörungen erkennen und trotz – oder eben mithilfe – moderner Techniken weiterhin gut schlafen, beschreibt Stefan Seidel von der Medizinischen Universität Wien im Ratgeber „Der Schlaf“.
Basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen erklärt er,
• wie sich unser Schlafverhalten im Laufe unserer Entwicklung verändert hat,
• was sich während unseres Schlafes in unserem Körper während einer Nacht ereignet und
• welche Schlafstörungen auf welche Art und Weise diagnostiziert und behandelt werden können.
Guter Schlaf braucht als Basis eine gute Schlafhygiene. Das bedeutet, im Einklang mit der inneren Uhr ein aktives und ausgewogenes Leben zu führen, das von einer positiven Grundhaltung uns und unseren Mitmenschen gegenüber geprägt ist.
Neben aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktisch relevanten Tipps illustrieren verschiedene Fallbeispiele das Wesen einzelner Krankheitsbilder. Ein spannendes, informatives und leicht verständliches Nachschlagewerk für einen guten (oder noch besseren!) Schlaf.
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Seitenzahl: 135
Der Schlaf
DER SCHLAF
Warum er so wichtig ist und wie er ungestört bleibt
von
Stefan Seidel
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Soweit im Folgenden personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise(generisches Maskulin).
Stand des Wissens: 2020
ISBN Print: 978-3-214-18548-0
ISBN E-Book: 978-3-214-18550-3
© 2020 MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH, Wien
Telefon: (01) 531 61-0
E-Mail: [email protected]
www.manz.at
Layout und Satz: www.petryundschwamb.com
Druck: FINIDR, s.r.o., Český Těšín
INHALT
Der Autor
Einleitung
WAS IST SCHLAF?
Was passiert während des Schlafs im Gehirn?
Funktionen des Non-REM-Schlafs
Funktionen des REM-Schlafs
Ist „künstlicher Tiefschlaf“ auch Schlaf?
Warum können wir wieder aufwachen?
Wie viel Schlaf braucht der Mensch?
Warum träumen wir?
Luzides Träumen
Träume und Gehirnaktivität
WARUM SCHLAFEN WIR?
Was bewirkt, dass wir abends müde werden?
Zwei-Prozess-Modell des Schlafes
Wo sitzt unsere innere Uhr?
Schlafen unsere inneren Organe auch?
Habe ich genug Tiefschlaf?
Verändert sich unser Schlaf, wenn wir älter werden?
Warum ist Licht am Tag wichtig?
Was unterscheidet „Eulen“ von „Lerchen“?
Ist Schlaf vor Mitternacht besonders gut?
Was versteht man unter Schlafhygiene?
Helfen Powernaps wirklich?
Welche Folgen kann Schlafmangel haben?
Folgen von akutem Schlafmangel
Folgen von chronischem Schlafmangel
SCHLAF VON DER STEINZEIT BIS ZUR GEGENWART
Warum heißt Schlaf eigentlich Schlaf?
Schlafen wir anders als unsere tierischen Vorfahren?
Seit wann gibt es Schlafzimmer?
Schlaf als kulturelles Phänomen – Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Schlafen am Tag
Warum Paarschlaf und nicht Gruppenschlaf?
Gibt es „die beste“ Schlafposition?
Kind(er) und Eltern in einem Bett
In einem Bett mit dem Haustier
Welche Rolle spielen die Hormone?
Stresshormone
Sexualhormone
Schlaf in der Schwangerschaft und Menopause
Schlaf in der Schwangerschaft
Schlaf in der Menopause
AB WANN SPRICHT MAN VON GESTÖRTEM SCHLAF?
Ab wann habe ich eine Schlafstörung?
Wie häufig sind Schlafstörungen in der Bevölkerung?
Warum bin ich nach dem Schlaf nicht erholt?
Wie kann man Schlafstörungen messen?
Praktischer Ablauf einer Schlaflabornacht
Polysomnographie – Goldstandard in der Schlafmedizin
First-Night Effect
Wie kann man Schlaf noch messen?
Muss ich ins Schlaflabor?
Zuweisung in das Schlaflabor
Warum muss ich im Schlaflabor Fragebögen ausfüllen?
INSOMNIE – SCHLAFLOS DURCH DIE NACHT
Wie wird die Diagnose gestellt?
Wie entsteht die Insomnie?
Gibt es das ideale Schlafmittel?
Werde ich von schlaffördernden Medikamenten abhängig?
Können Medikamente schlaflos machen?
Was kann ich selbst tun, um besser zu schlafen?
Soll ich CBD-Tropfen nehmen?
Hauptsache, natürliche Schlafmittel?
Was ist die kognitive Verhaltenstherapie?
ATEMPAUSEN IM SCHLAF – DIE SCHLAFAPNOE
Was ist die Schlafapnoe und was bewirkt sie im Körper?
Wie zeigt sich die Schlafapnoe im Alltag?
„The cat and the nap“ – Fallbericht über die Bedeutung des aufmerksamen Bettpartners
Schlafapnoesyndrom – mehr als nur „Aussetzer im Schlaf“
Die verschiedenen „Gesichter“ der Schlafapnoe
Ab welchem Ausmaß muss ich die Atemaussetzer in der Nacht behandeln lassen?
Gibt es Alternativen zur „Schlafmaske“?
Gibt es Medikamente gegen die Schlafapnoe?
SCHLAFSUCHT – EINSCHLAFEN BEI JEDER GELEGENHEIT
Warum ist müde nicht gleich schläfrig?
Tagesmüdigkeit (Fatigue)
Wie findet man heraus, ob man müde oder schläfrig ist?
Praktischer Ablauf MSLT/MWT
Narkolepsie – die Schlafkrankheit
Zwei Formen der Narkolepsie
Therapiemöglichkeiten bei Narkolepsie
Was darf ich bei Narkolepsie nicht machen?
Was passiert bei Kataplexien mit meinem Körper?
Welche Schlafstörungen können ebenfalls müde und/oder schläfrig machen?
SCHLAFWANDELN UND ANDERE PARASOMNIEN
Unruhiger Schlaf – ein Begriff, viele Ursachen
Non-REM-Parasomnien
Was bedeutet Aufwachstörung?
Non-REM-Parasomnien – was sagt uns die Anamnese?
Was findet man im Schlaflabor bei einer DOA heraus?
Non-REM-Parasomnien und Medikamente
Was kann man gegen Schlafwandeln tun?
REM-Schlafverhaltensstörung – mehr als Albträume
Nächtliches Essen – was kann dahinterstecken?
Schlafwandeln und andere „Kunststücke“
RESTLESS-LEGS-SYNDROM – UNRUHIGE BEINE, SCHLECHTER SCHLAF
Restless-Legs-Syndrom
Wie entsteht das RLS?
Primäres und sekundäres RLS
RLS – ein Risikofaktor für andere Erkrankungen
Wo sitzen die Beschwerden?
Womit kann das Restless-Legs-Syndrom verwechselt werden?
Kann man das RLS auch ohne Medikamente behandeln?
Mein Arzt rät mir zur medikamentösen Therapie des RLS
Ich leide unter einer Augmentation des RLS – wie gehe ich damit um?
Praktisches Vorgehen bei Augmentation
Meine Frau sagt, ich „strample“ im Schlaf
Periodische Beinbewegungen im Schlaf
SCHLAF AUS DEM TRITT – ZIRKADIANE SCHLAF-WACH-RHYTHMUS-STÖRUNGEN
Woher weiß ich, wie mein zirkadianer Schlaf-Wach-Rhythmus aussieht?
Die Körperkerntemperatur – ein wichtiger Faktor zur Bestimmung des zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus
Wie kann ich meinen zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflussen?
Licht und Melatonin – aber zum richtigen Zeitpunkt!
Was versteht man unter dem Begriff „zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen“?
Jetlag – wenn die Nacht zum Tag wird
„Social Jetlag“ – Jetlag, ohne zu fliegen
Schichtarbeit – immer wieder gegen die innere Uhr arbeiten
Freilaufender (nicht-24h) zirkadianer Schlaf-Wach-Rhythmus
Irregulärer zirkadianer Schlaf-Wach-Rhythmus
Was tun bei extrem frühen oder späten Schlafphasen?
Verzögerte-Schlafphasen-Syndrom (Delayed Sleep-Phase Syndrome, DSPS)
Vorverschobene-Schlafphasen-Syndrom (Advanced Sleep-Phase Syndrome, ASPS)
Welche medizinische Abklärung ist sinnvoll?
ANTWORTEN AUF HÄUFIGE FRAGEN
Schlaf und häufige Krankheiten
Schlafstörungen, Schläfrigkeit und Müdigkeit
Schlaf und Lifestyle
Ausgewählte Literatur
Selbsthilfegruppen
Fachgesellschaften
Schlafcoachingkurs der MedUni Wien
Bildnachweis
Stichwortverzeichnis
DER AUTOR
Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Stefan Seidel ist Facharzt für Neurologie, Leiter des Schlaflabors der Universitätsklinik für Neurologie und Europäisch zertifizierter Schlafmediziner an der MedUni Wien.
Stefan Seidel promovierte 2004 an der Medizinischen Universität Wien und absolvierte nach seinem Zivildienst bei der Multiple Sklerose Gesellschaft Wien von 2005 bis 2012 seine Facharztausbildung an der Universitätsklinik für Neurologie. 2014 erfolgte die Habilitation für das Fach Neurologie zum Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Kopfschmerzen. Seit 2012 leitet er das Schlaflabor und die Spezialambulanz für Schlafstörungen an der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien. Er ist Co-Vorsitzender des Scientific Panel for Sleep-Wake Disorders der European Academy of Neurology und seit 2018 EU-zertifizierter Schlafmediziner (Somnologe).
Seine Forschungsschwerpunkte sind Fatigue bei Multipler Sklerose, Störungen des zirkadianen Rhythmus bei neurodegenerativen Erkrankungen und die Anwendung kontaktloser Diagnoseverfahren bei Schlafstörungen. 2016 erhielt Seidel den „Young Investigator Award“ der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft für die Arbeit „Depressive Symptoms are the Main Predictor for Subjective Sleep Quality in Patients with Mild Cognitive Impairment – A Controlled Study“. Im Rahmen seiner klinischen Tätigkeit arbeitet Seidel als Oberarzt der neurologischen Bettenstation mit den Schwerpunkten Neurorehabilitation und Multiple Sklerose.
EINLEITUNG
Guten Abend, gut’ Nacht
Guten Abend, gut’ Nacht,
mit Rosen bedacht,
mit Näglein besteckt,
schlupf’ unter die Deck’:
Morgen früh, wenn Gott will,
wirst du wieder geweckt.
Morgen früh, wenn Gott will,
wirst du wieder geweckt.
Guten Abend, gut’ Nacht,
von Englein bewacht,
die zeigen im Traum
dir Christkindleins Baum.
Schlaf nun selig und süß,
schau im Traum’s Paradies.
(Melodie: Johannes Brahms; Text: Des Knaben Wunderhorn)
Traum eines fünfjährigen Jungen:
„Ich habe mit meiner Freundin aus dem Kindergarten gestritten und mich zu den Dinosauriern teleportiert. Dort bin ich auf einen Vulkan gestiegen und die Lava hat das Eis am Vulkan geschmolzen. Als die Lava wieder herauswollte, hab ich zur Lava gesagt: ‚Bleib da drinnen!‘ Dann ist der Asteroid auf die Dinosaurier zugerast und ich habe ihn wieder ins Weltall zurückgeschleudert, damit die Dinosaurier weiterleben können. Dann bin ich mit meiner Freundin in die Zukunft gereist und habe sie geheiratet.“
Traum eines achtjährigen Jungen:
„Ich war Ski fahren und nach 50 Metern sind plötzlich ganz viele Hügel auf der Piste aufgetaucht und ich habe einen halben Salto rückwärts gemacht. Danach habe ich mich gewundert, weil ich jetzt die Skier an den Händen trug und weiterfuhr. Ich bin über den Rand der Piste auf einen Baum gesprungen und wie schwerelos immer wieder weg vom Baum und auf einen Ast darunter gesprungen. Später saß ich dann auf dem Sessellift und konnte meinen Bügel nicht mehr öffnen, sodass ich den ganzen Tag im Kreis gefahren bin.“
Schlaf und Traum begleiten uns während unseres gesamten Lebens und verändern sich mit uns und den Umständen unseres Daseins. Man könnte auch sagen: Der Schlaf und seine Qualität sind ein Spiegelbild unseres wachen (Er-) Lebens. Gewohnheiten, wie Geschichten vorzulesen bzw. vorgelesen zu bekommen, Lieder zu singen und das Anlegen bequemer Kleidung nach der Körperpflege, stellen die häufigsten Gewohnheiten vor dem Schlafengehen dar. So können sich die meisten Menschen an Lieder wie „Guten Abend, gut’ Nacht“ oder ähnliche „Lullabies“, also Schlaflieder aus ihrer Kindheit, erinnern. Diese Schlafbereiter sorgen für wohlige Entspannung und erleichtern damit das Einschlafen unter der warmen Decke.
Am Morgen wiederum erwachen wir immer wieder aus einem Traum oder gar einer Abfolge von Träumen und können in den ersten Minuten nach dem Aufwachen ganze Geschichten nacherzählen. Diese Traumberichte nehmen nicht nur im Kindesalter fantastische Gestalt(en) an, sondern auch während unseres restlichen Lebens. Im Traum sind wir, neurobiologisch betrachtet, von gewissen Instanzen befreit, die unsere Handlungen im Wachzustand überwachen und somit möglichst gut in unsere sozialen und moralischen Regeln einbetten. Die Möglichkeit zu träumen bleibt unser gesamtes Leben mehr oder weniger erhalten und bietet uns einen „Ort“, an dem wir praktisch „offline“ und nur für uns Erlebtes, Erhofftes oder noch zu Erlebendes in Ruhe betrachten können.
Verschiedene Veränderungen der Schlafstruktur wie eine Minderung des Tiefschlafanteils, häufigeres nächtliches Erwachen oder mehr Atemaussetzer (Apnoen) im Schlaf sind unweigerlich mit dem Alterungsprozess verknüpft. Diese Punkte sind glücklicherweise nicht a priori als Ausdruck eines gestörten Schlafs oder einer zugrunde liegenden Erkrankung zu werten.
Im Zusammenhang mit dem Erkennen (Diagnose) und der Behandlung (Therapie) von Schlafstörungen ist auch und gerade in Zeiten einer globalen Gesundheitskrise (COVID-19) zu betonen: Wissen ist Macht! Dies gilt ganz besonders auch für den Schlaf als wiederkehrenden und essenziellen körperlichen Vorgang. Wer mehr über den Schlaf, seine Entstehung, Regulation und psychophysiologische Bedeutung weiß, kann den Stellenwert von Schlafproblemen besser einordnen und dementsprechend früher darauf reagieren.
Wissen über den Schlaf stellt die Grundlage für unser Handeln in Bezug auf Schlafstörungen dar. An dieser Stelle sei die Insomnie, d. h. die Störung des Ein- bzw. Durchschlafens mit negativen Folgen für die Befindlichkeit tagsüber, exemplarisch erwähnt, da gerade bei dieser Schlafstörung der langfristige Therapieerfolg von einer profunden und nachhaltigen Änderung gewisser Verhaltensweisen bestimmt wird. Natürlich verhält es sich bei vielen Schlafstörungen so wie im Leben ganz allgemein: Das beste Rezept für ein gesundes Leben und ein gesundes Älterwerden besteht vor allem aus zwei Ingredienzen – aus regelmäßiger körperlicher Aktivität und einer guten Portion Optimismus.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre – und schlafen Sie gut (oder wieder besser)!
Nachtruhe
Am Horizont versinkt der rote Ball
Die Gezeiten reichen sich die Hände
Die Nacht erhebt sich still aus der Flut
Im Traum sind wir das Jetzt
Ruhig blicken die Augen nach innen
Die Glieder betten sich neben den Körper
Im Gleitflug schlägt das Herz langsamer
Die Gedanken landen sicher im Dunkeln
Das Gebrüll des Tages flüstert uns zu
Im Tal staunen die Riesen als Zwerge
Der Wind hebt uns auf eine Baumkrone
Im Morgengrauen schlummert der Tag
(Text: Stefan Seidel)
WAS IST SCHLAF?
Schlaf ist ein Vorgang, der uns unser ganzes Leben lang begleitet und sich mit dem Alterungsprozess verändert. Etwa ein Drittel unseres Lebens verbringen wir nicht im Wachzustand, sondern im Schlaf. Zu Beginn unseres Lebens benötigen wir pro Tag zwischen 14 und 16 Stunden Schlaf, der sich in dieser Zeit auf mehrere Schlafphasen verteilt. Während wir etwa ab dem Schulalter nur mehr nachts eine lange Schlafphase haben, nimmt die Zahl der Schlafphasen tagsüber mit dem Erreichen eines höheren Alters wieder zu. Im Schlaf sind unsere Augen geschlossen, unsere hirnelektrische Aktivität wird langsamer und wir regenerieren, lernen und träumen. Im Gegensatz zum Koma („künstlicher Tiefschlaf“) ist im Schlaf stets ein Aufwachen möglich. Die Schwelle für die Wahrnehmung von Außenreizen ist im Schlaf allerdings erhöht.
WAS PASSIERT WÄHREND DES SCHLAFS IM GEHIRN?
Wenn wir die Augen schließen und einschlafen, verlangsamt sich die hirnelektrische Aktivität immer mehr, bis wir normalerweise in 15–30 Minuten über zwei Leichtschlafstadien das erste Mal das Tiefschlafstadium erreichen. Nach ca. 90 Minuten tritt der sogenannte REM-Schlaf auf und schließt den ersten Schlafzyklus ab. Während einer gesamten Nacht durchwandern wir vier bis fünf vollständige Schlafzyklen (siehe Abb. 1).
Schlaf wird grob in den Non-REM- und den REM-Schlaf unterteilt. Im Non-REM-Schlaf unterscheidet man wiederum Leicht- und Tiefschlaf. Der REM-Schlaf (Rapid-Eye-Movement-Schlaf) wird auch paradoxer Schlaf genannt, da sich hier die hirnelektrische Aktivität beschleunigt und der Sauerstoffverbrauch des Gehirns etwa jenem im Wachzustand entspricht, während die Spannung in der Muskulatur erlischt (Atonie).
Abb. 1: Hypnogramm eines jungen Erwachsenen. Darstellung der verschiedenen Schlafphasen während einer Nacht.
FUNKTIONEN DES NON-REM-SCHLAFS
Im Leichtschlafstadium N2 werden Gedächtnisinhalte, die wir tagsüber im Wachzustand im Kurzzeitgedächtnis gespeichert haben, in der Gehirnrinde verfestigt und in bereits vorhandene Erinnerungen und Gelerntes integriert. Dies betrifft vor allem Inhalte, die wir gehört, gelesen oder gesprochen haben.
Im Tiefschlafstadium N3 sid nicht nur der Herzschlag und die Atmung am langsamsten, sondern auch die hirnelektrische Aktivität. Dieser Zustand der größten Ruhe ist geprägt von der Ausschüttung von Wachstumshormon (Gonadotropin) und dem Abbau von neurotoxischen Eiweißkörpern wie z.B. Beta-Amyloid – ein Vorgang, der die Funktionsfähigkeit und die Lebensdauer von Nervenzellen im Gehirn steigert.
FUNKTIONEN DES REM-SCHLAFS
Im REM-Schlaf sinkt die Muskelspannung auf ein Minimum ab und lediglich die Augen bewegen sich rasch. In dieser Schlafphase träumen wir üblicherweise in verschiedenen Szenen und erinnern uns aufgrund der im Verlauf der Nacht zunehmenden REM-Schlafdichte häufig beim Aufwachen an einen oder mehrere Träume. Der REM-Schlaf dient auch der emotionalen Verarbeitung von Erlebnissen und hat wahrscheinlich einen regulierenden Einfluss auf unser Ernährungsverhalten, d. h., er ermöglicht das relativ lange „Fasten“ während unserer Nachtruhe. Zusätzlich spielt der REM-Schlaf eine Rolle beim Abspeichern von neu erlernten Bewegungsabläufen.
IST „KÜNSTLICHER TIEFSCHLAF“ AUCH SCHLAF?
Das Koma oder auch der „künstliche Tiefschlaf“ unterscheidet sich in drei wesentlichen Punkten vom natürlichen Schlaf, obwohl ein Patient im Koma einem Schlafenden äußerlich im Verhalten sehr ähnelt:
• Aus dem Koma ist kein spontanes Erwachen möglich, da entweder eine Erkrankung des Gehirns oder ein Medikament die Zentren für das sogenannte „Arousal“ (Weckreaktion) im Hirnstamm und Zwischenhirn (Thalamus) dauerhaft oder zumindest vorübergehend blockiert hat.
• Die hirnelektrische Aktivität im Koma ist überwiegend langsam und von niedriger Amplitude und zeigt nicht die Charakteristika von typischen Schlafstadien.
• Im Koma ist üblicherweise die Fähigkeit zum selbständigen Atmen durchgehend vermindert, sodass künstliche Beatmung und damit eine Intubation notwendig wird.
WARUM KÖNNEN WIR WIEDER AUFWACHEN?
In unserem Hirnstamm befindet sich ein weitläufiges Netzwerk von Nervenzellen (Formatio reticularis), die z. B. durch äußere Reize wie Geräusche, helles Licht und Berührungen aktiv werden (Aufsteigendes Retikuläres Aktivierungs-system [ARAS]) und über das Zwischenhirn (Thalamus) die Großhirnrinde in den Wachzustand zurückführen.
Die wesentliche Botenstoffe (Neurotransmitter) dafür sind:
• Serotonin
• Dopamin
• Histamin
• Acetylcholin
• Noradrenalin
Diese Weckreaktionen treten auch wiederholt auf, während wir schlafen und stellen ein ständiges Testprogramm dar, das uns aus evolutionsbiologischer Sicht in Bereitschaft hält, vor möglichen Bedrohungen flüchten zu können.
Neurotransmitter
Abb. 2: Motivation, Lust, Stimmung, Energie, Verlangen, aber auch der Schlaf werden von Neurotransmittern im Gehirn gesteuert.
WIE VIEL SCHLAF BRAUCHT DER MENSCH?
Das Schlafbedürfnis steht indirekt mit dem Lebensalter in Zusammenhang, da Säuglinge und Kleinkinder deutlich mehr (14–16 Stunden) Schlaf benötigen als alte Erwachsene (fünf bis sieben Stunden) (Abb. 3). Der durchschnittliche erwachsene Mensch benötigt zwischen sieben und acht Stunden Schlaf pro Tag.