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Aller guten Dinge sind drei – außer in der Liebe: Im humorvollen Liebesroman der britischen Autorin Laura Jane Williams machen gleich drei tolle Männer das Chaos perfekt. Nichts wünscht sich die 30-jährige Londonerin Penny Bridge mehr, als Mutter zu werden – vielleicht auch, weil sie ihre eigene Mutter schon früh verloren hat. Doch mit der Liebe hat Penny einfach kein Glück. Das ändert sich auch nicht, als ihr der Zufall gleich mehrmals den Traummann Francesco vor die Nase stellt. Denn kurz darauf muss Penny aus London nach Derbyshire ziehen, um sich um den Pub ihres erkrankten Onkels zu kümmern. Zu ihrer eigenen Überraschung genießt sie es, sich um das Team zu kümmern, zu kochen und den Pub-Besuchern leckere neue Gerichte zu servieren. Dass die Arbeit sie nur zu gut von ihren Gedanken an Francesco ablenkt, gibt sie nur heimlich zu. Als plötzlich zwei weitere wundervolle Männer in Pennys Leben treten, ist das Gefühlschaos perfekt. Doch auch Francesco kann Penny nicht vergessen und steht eines Tages bei ihr vor Tür – er hat seinen Job als Koch in London gekündigt und bietet ihr an, sie im Pub zu unterstützen. Was nun? Wie viele Herzen kann eine Frau verschenken? Und was, wenn keiner der drei der Richtige ist, um Pennys größten Wunsch zu erfüllen? Laura Jane Williams schreibt moderne, humorvolle Liebesromane mit genau der richtigen Mischung aus Romantik und Tiefgang. Auf Deutsch sind bereits ihre romantischen Komödien »Dein Lächeln um halb acht« und »Say yes – Perfekter wird's nicht« erschienen sowie der Kurzroman »The Mix-up – Tausche Koffer gegen Liebe«.
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Seitenzahl: 435
Laura Jane Williams
Roman
Aus dem Englischen von Nadine Lipp und Ingeborg Romoschan
Knaur eBooks
Besteht das Leben nicht aus viel mehr als daraus, einen verdammten Mann zu finden?
Nichts wünscht sich die Londonerin Penny mehr, als Mutter zu werden – vielleicht auch, weil sie ihre eigene Mutter schon früh verloren hat. Doch mit der Liebe hat Penny einfach kein Glück. Das ändert sich auch nicht, als ihr der Zufall gleich mehrfach den Traummann Francesco vor die Nase setzt. Denn kurz darauf muss Penny nach Derbyshire ziehen, um sich um den Pub ihres erkrankten Onkels zu kümmern. Zu ihrer Überraschung genießt sie die Arbeit im Pub – dass diese sie nur zu gut von ihren Gedanken an Francesco ablenkt, gibt sie nur heimlich zu. Als zwei weitere spannende Männer in ihr Leben treten ist das Gefühlschaos perfekt. Doch auch Francesco kann Penny nicht vergessen und steht eines Tages bei ihr vor Tür. Was nun? Wie viele Herzen kann eine Frau verschenken? Und was, wenn keiner der drei der Richtige ist, um Pennys größten Wunsch zu erfüllen?
Widmung
Prolog
Motto
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
Epilog
Dank
Interview mit Laura Jane Williams
Für J & A
Eure Liebe inspiriert mich
Das ist dann das letzte Teil«, sagte er traurig und schaute in den Kofferraum des kleinen Mietwagens, der vollgepackt war mit Kissen und Stühlen, Vasen und Lampen. »Alles, was dir am wichtigsten ist, verpackt und ready to go.«
Was er eigentlich sagen wollte: Nimm mich mit. Frag mich, ob ich nicht mitfahren will. Auch ich bin wichtig. Auch ich gehöre zu dir.
»Super«, antwortete sie, ohne ihm in die Augen zu schauen. Sie sagte es zu laut, zu fröhlich. Sie überkompensierte. »Vielen Dank. Das war heftig. Ich bin jetzt schon im Eimer.«
Was sie eigentlich sagen wollte: Ich weiß nicht, wie man sich verabschiedet. Ich wünschte, es wäre alles anders. Ich habe Angst.
Francesco Cipolla und Penny Bridge standen da und vermieden es peinlichst, sich anzusehen. Sie wünschten sich in die Wohnung zurück, zum gestrigen Brunch, als sich ihre Knie berührt und sie von der Gabel des jeweils anderen probiert hatten, oder zurück ins Bett, als sie sich während eines Lachanfalls ins Bettlaken verwickelt hatten.
Es waren nur drei Wochen gewesen. Wie konnte es schon nach nur drei Wochen vorbei sein? Es war, als ob man eine Theatervorstellung nach der Pause verlassen oder nur einen Schluck aus einem Glas Margarita mit Salzrand trinken würde. Sie gaben auf, sie verspielten die Chance dessen, was zwischen ihnen möglich gewesen wäre. Sie hätten betrunken aufeinanderliegen oder sich bis zum Schluss fallen lassen sollen, bis sie sich ineinander verliebt hätten. Sie waren ja fast schon so weit, und Penny hatte verdammt lang nach einem Mann gesucht, der solche Gefühle in ihr weckte. Aber wie hätte sie es anstellen sollen, ihn physisch zu verlassen und gedanklich bei ihm zu bleiben? Und sie musste wirklich wegfahren. Sie war es ihrem Onkel schuldig. Der Versuch, eine Beziehung mit Francesco fortzuführen, war zum Scheitern verurteilt.
Nein, redete sie sich selbst ein. Ich muss es kurz und schmerzlos machen. Fernbeziehungen funktionieren nicht, und er wird einen Teufel tun und London gegen das Landleben eintauschen. Nicht einmal ich will London verlassen und aufs Land ziehen. Sie dachte an seine Berührungen, an seine geschickten Finger, die ihren Körper erforschten, daran, wie er schmeckte. Er war so verdammt heiß. Und nett. Und rücksichtsvoll. Und er hörte ihr zu und brachte sie zum Lachen. Und er behandelte sie nicht wie ein zerbrechliches Püppchen, was ihn noch heißer machte.
Nein, wiederholte sie. Es geht nicht.
Francesco räusperte sich.
»Bist du sicher, dass du es schaffst?«, drängte er. »Sollen wir nicht noch einen Kaffee trinken oder einen Happen …?«
Nimm mich mit.
»Nee«, antwortete Penny, stupste seine Schulter an und konzentrierte sich auf die Ecke des Bürgersteigs. »Um ehrlich zu sein, würde es mich zu traurig machen, noch einmal reinzugehen. Und ich will keine Pinkelpause einlegen, bis ich nicht wenigstens Watford Gap erreicht habe.«
»Aber du wirst eine Pause machen«, sagte er.
»Ja, Francesco. Ich werde eine Pause machen.« Seine Fürsorge amüsierte sie, und so schaute sie ihn nun endlich an, und die Zeit stand still.
Francesco konnte nicht genau sagen, warum er bereit war, sein Leben aufzugeben und ihr zu folgen, aber er war es. Penny jedoch hatte keinen Grund zu glauben, dass er anders sein würde als die anderen Männer, die gegangen waren, als es schwierig wurde. Sie befanden sich in einer Sackgasse. Francesco konnte nur beweisen, dass er bei ihr bleiben würde, indem er sie unterstützte, doch Penny hielt ihn auf Distanz und nahm ihm somit die Chance.
»Na gut«, sagte sie schließlich. »Ich nehme an, wir sehen uns dann irgendwann.«
»Das ist so seltsam …«
»Nein«, betonte Penny, obwohl sie das Gegenteil fühlte. »Komm, nimm mich in den Arm, und dann muss ich los.«
Francesco tat ihr den Gefallen und umarmte sie. Ihr Geruch törnt mich an, dachte er. Freunde bleiben ist wahrscheinlich doch nicht möglich.
»Na dann, auf all das, was kommt«, sagte er über ihren Kopf hinweg und atmete ihren Duft ein.
Stuart erschien hinter ihnen und lungerte in der Cafétür. Er blickte ein wenig finster drein, es war seine Art, Francesco wortlos zu fragen, ob er sie unterbrechen oder warten sollte. Doch Penny spürte seine Anwesenheit. Sie drückte Francesco zweimal ganz fest, als kleiner Morsecode, dass es nun gut sei, und riss sich dann los.
»Ruiniere mein Café nicht, während ich weg bin«, neckte sie Stuart, der sie dann auch umarmte.
»Versprochen, Boss«, lächelte er und salutierte wie ein Kapitän. »Ich werde dir ständig Updates schicken, und du kannst jederzeit in die Buchhaltung schauen.«
»Du bist großartig, Stu. Tausend Dank.«
Sie setzte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Während sie die Tür zuknallte, bemerkte sie die Panik in Francescos Gesicht. Das war es nun, sie würde gleich weg sein. Sie lachte, während ihr die Tränen übers Gesicht liefen, dann kurbelte sie das Fenster runter.
»Mach nicht so ein Gesicht«, betonte sie. »Alles wird gut.« Sie wischte sich die Augen trocken. »Sag mir, dass alles gut wird.«
»Es wird alles gut«, sagte Francesco, seine Augen brannten, seine Sicht war verschwommen.
Geht Verlieben nicht oft genau so? Irgendein Fremder taucht aus dem Nichts auf und wird zum Fixstern in deinem Universum.
Kate Bolick
Einige Monate zuvor im März
Es war nicht so, dass Penny Bridge Pech in der Liebe hatte, sondern eher so, dass die Liebe nicht wusste, dass Penny existierte. Seit ihrer letzten richtigen Beziehung waren fünf Jahre vergangen – das waren fünf Jahre ohne Liebe und echte Leidenschaft! Kein Typ zeigte länger als eine Woche Interesse an ihr. Es fiel ihr immer schwerer, so zu tun, als ob sich das eines Tages richten würde. Positiv zu bleiben begann, eine Herkulesaufgabe zu werden, vor allem nach letzter Nacht.
»Ich kann es nicht fassen, dass ich schon wieder in einer solchen Situation stecke«, seufzte sie und erzählte ihrem Head Barista Stuart von der Nachricht, die sie gestern nach ihrem Date bekommen hatte. Sie lautete:
Hey, also, ich wusste nicht, wie ich das vorhin sagen sollte, aber meine Ex ist wiederaufgetaucht. Ich will dich nicht hinhalten oder so, also denke ich, dass wir uns nicht wiedersehen sollten. Alles Gute!!
»Autsch«, antwortete Stuart.
Cristian war ein rumänischer Mathematiker, der für Virgin Galactic arbeitete. Bei ihrem zweiten Date hatten sie sich im Hackney Picturehouse La La Land angesehen und waren anschließend nach nebenan ins Wetherspoons gegangen. Penny hatte bereits beschlossen, in jener Nacht mit ihm zu schlafen – sie hatte sich extra die Bikinizone rasiert und die Bettwäsche gewechselt –, doch als sie von der Toilette zurückkam, sah sie die gelbe Benutzeroberfläche der Dating-App auf seinem Handy leuchten und realisierte, dass er mit einer anderen chattete, während sie beim Pinkeln war. Warum hatte er im Nachhinein gelogen? Er hätte nicht behaupten müssen, dass seine Ex ihm wieder Avancen machte. Sie war ein großes Mädchen. Sie konnte die Wahrheit ertragen. Offensichtlich stand er nicht so auf sie. Aber warum? Warum stand einfach keiner auf sie? Und warum hatte sie ihn nicht sofort zur Rede gestellt, anstatt ihren Drink auszutrinken und vage anzudeuten, es werde spät?
Eigentlich kannte sie die Antwort. Es lag daran, dass sie glaubte, in einer Folge Sex and the City zu leben – und zwar in der Folge, in der Charlotte den Himmel anschreit, er solle es Männer regnen lassen: »Ich date, seit ich fünfzehn bin! Ich bin erschöpft! Wo ist er?!« Penny war zu müde, um Cristian einfache Benimmregeln beizubringen, deshalb schwieg sie, trank ihren selbst bezahlten Drink aus und ging. Sie hatte keine Lust, verarscht zu werden. Seine anschließende Nachricht streute unnötiges Salz in die Wunde.
Was stimmt denn nicht mit mir, dass kein Typ mit mir zusammen sein will?, fragte sie sich.
Im Monat davor hatte sie fünf Nächte hintereinander mit Trevor verbracht, einem stellvertretenden Mathelehrer, der, sobald die Schule wieder anfing, wie vom Erdboden verschluckt war, bis sie eines Nachts um eins eine Textnachricht erhielt, in der er sie fragte, ob er seinen Winkelmesser in ihrer Wohnung vergessen habe. Vor Weihnachten war da ein irakischer Immobilienmakler aus Camberwell gewesen, der sie wirklich zum Lachen brachte – und sie ihn. Aber dann schämte er sich im Nachhinein so sehr dafür, dass er sie im betrunkenen Zustand gebeten hatte, bestimmte Dinge mit seiner Prostata zu tun, dass er sowohl ihre Nummer als auch ihre Social-Media-Profile blockte. Davor hatte sie einige erste Dates, aus denen sich kein zweites ergab, der Sommer war komplett datingfrei gewesen. Sie hatte drei Abende im Skirt Club verbracht, um ihre leicht bisexuelle Neugier zu befriedigen, aber daraus ergab sich auch kein Date – Penny fand schnell heraus, dass sie doch dazu verdammt war, sich nur von Männern angezogen zu fühlen. (Sie ergatterte jedoch die Adresse einer tollen Schneiderin in Canonbury und freundete sich mit zwei Frauen an, die nun ein Paar waren und mit denen sie sich ab und an auf einen Drink traf.)
Penny hielt sich für unterhaltsam, sie war interessant und interessiert. Sie hatte Freunde und Familie, die sie liebte, ein Café, auf das sie stolz war, ein paar lustige Geschichten zu erzählen und – wie ihr immer wieder gesagt wurde – verschmitzte Augen. Aber vielleicht spuckte sie ja beim Lachen, und es hatte sie bisher noch niemand darauf hingewiesen? Oder sie sprach zu viel über sich selbst. Vielleicht lag es auch an ihrer BH- oder Kleidergröße oder an ihrer Haarfarbe. Dabei galten Rothaarige doch als interessant. Stellte sie zu viele Fragen?
Sie konnte sich nicht verstellen, konnte nur sie selbst, Penny Bridge, sein, und diese Penny Bridge schien Männer abzustoßen, denn keiner wollte wirklich mit ihr zusammen sein. Sie war kurz davor, Cristian zu antworten und ihn direkt zu fragen, was er meinte, warum nie etwas aus ihren Dates wurde. Falls Wahnsinn bedeutete, immer und immer wieder dieselben Dinge zu tun und dabei zu hoffen, dass sie ein anderes Ende nahmen, dann war Penny ganz offiziell komplett meschugge. Sie hoffte immer wieder, dass das nächste Date anders laufen würde, dass der nächste Mann anders wäre, aber ihre Hoffnung wurde immer wieder aufs Neue enttäuscht. Vielleicht konnte ihr Cristian sagen, was sie anders machen musste. Wäre es komisch, ihn danach zu fragen? Er war schließlich eine der geeignetsten Personen, um ihr Tipps zu geben. Was hatten die anderen Frauen auf der Dating-App, was Penny nicht hatte?
»Du musst überhaupt nichts anders machen«, mahnte Stuart sie liebevoll. »Du musst es nur einmal richtig hinkriegen. Dieser Raumfahrtingenieur ist bekloppt, wenn er dich versetzt. Ein totaler Idiot.«
Penny saß Stuart am Tresen gegenüber und sah zu, wie er die Grapefruit-Orangen-Crostatas und den Ziegenkäse-Streuselkuchen, den sie gerade aus der Küche hochgebracht hatte, arrangierte. Sie waren in Stoke Newington, einem der schickeren Stadtteile im Norden Londons, also benutzte er Formsteine als Stütze für die Schieferplatten, auf denen er das Essen anordnete. Das sah ziemlich hipsterig, aber gut aus, also ließ sie ihn machen. Das Bridges war ihr Café, sie kochte, doch sein Gefühl für Ästhetik bestimmte den Raum, in dem die Kunden aßen.
»Aber ich bin so müde, Stu. Ich bin dieses Gefühl so leid, den Atem anhalten zu müssen, bis ich eine verdammte Bestätigung von einem Typen bekomme, und wenn das nicht passiert, habe ich das Gefühl, mich mit einer Packung Eis aufs Sofa verdrücken und mir bei Wie ein einziger Tag weinend einen runterholen zu müssen. Das riecht doch nach absoluter Verzweiflung!«
»Nein, du riechst nach Crème brûlée und gekochtem Schinken, Pen, so wie jeden Tag.«
»Haha. Danke.« Sie sah ihn an und rollte theatralisch mit den Augen. Trotzdem, sie roch – so war nun mal das Leben einer Chefköchin in einem kleinen Café, in dem Frühstück und Mittagessen serviert wurden, man roch leicht nach Küche – von 7 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags, dienstags bis samstags.
»Ich glaube, ich sollte mich einfach darauf einstellen, für immer Single zu sein. Und allein ein Baby bekommen. Das denke ich immer wieder. Vielleicht sollte ich den Wink des Universums oder wessen auch immer annehmen. Ich will doch einfach nur mein Leben leben. Dieser Wartemodus fühlt sich so armselig an.« Sie seufzte theatralisch. Stuart musste nicht wissen, dass sie sich vor der Krebsbehandlung Eizellen hatte entnehmen und sie mit Spendersamen hatte befruchten lassen. Als krebskranke Singlefrau Embryos zu erzeugen war eine schwierige Entscheidung, eine, die nicht einmal alle in ihrer Familie verstanden. Sie würde sich an eine Leihmutter wenden müssen, wenn sie Kinder haben wollte, doch das war im Augenblick nicht das Thema. Das Entscheidende war, dass sie wirklich dachte, ihr Leben ohne einen Partner an ihrer Seite gestalten zu müssen. Also warum nicht gleich loslegen, statt noch zu warten? Ein Partner war nicht in Sichtweite.
»Ich könnte dich einigen Freunden vorstellen …«, sagte Stuart, während er ein paar Krümel um die Auslage herum wegwischte. Stuart war fünfundzwanzig, hatte die Kunstschule absolviert, und für ihn waren sowohl das Kaffeekochen wie auch seine Töpferkunst ein Handwerk. Er hatte einen schlanken Körperbau und schwarze Haut, er trug eine gerade geschnittene Jeans, die er zweifach umgekrempelt hatte, sodass man seine Socken und seine klobigen Sneakers sah, die nie schmuddelig wurden. Auch bei seinem T-Shirt hatte er die Ärmel hochgekrempelt; in den Ohren hatte er nur ein Piercing. »Ich meine, wenn du jemanden willst, der auf Ghosting, Lügen oder Ambivalenz geprüft ist.«
Penny stand auf und ging für eine dritte Tasse Kaffee hinter den Tresen. »Danke, das ist nett, aber ich glaube nicht, dass du deine Chefin verkuppeln solltest.«
Stuart trat zur Seite. »Du hast zu viele Regeln.«
»Wenn ich einen deiner Freunde daten würde – die, seien wir ehrlich, sowieso alle viel zu jung für mich sind –, dann würde ich ihm nach drei Dates nicht mehr begegnen wollen, aber er würde herkommen, um dich nach deiner Schicht abzuholen, und mir hätte er erzählt, dass er wegen des Jobs nach Kasachstan umziehen muss und wir deswegen nicht zusammen sein könnten. Wenn ich versetzt werde, dann will ich den Typen nie wiedersehen. Das ist ansonsten zu demütigend, darauf habe ich keinen Bock.«
»Versprich mir einfach nur, dass du nicht aufgeben wirst«, beruhigte sie Stuart. »Dating ist für alle schwierig, bis es dann plötzlich klappt. Mein Dad sagt immer, man muss es nur ein einziges Mal hinkriegen. Dein Seelenverwandter könnte an der nächsten Ecke stehen. Er könnte jeden Augenblick hier aufkreuzen, und es wäre eine Schande, wenn du ihn verpassen würdest, nur weil sich dein Verstand zu sehr in Selbstmitleid suhlt …«
Es klopfte dreimal an die Glasscheibe der Eingangstür, und Stuart und Penny sahen gleichzeitig hin. Da stand ein dunkelhaariger Mann mit olivem Teint, trug eine Beaniemütze und eine Puffweste und hielt Brottüten im Arm. Stuart grinste Penny schelmisch an. Sie sah es nicht.
»Ach ja, was ich sagen wollte«, begann sie in einem professionellen Tonfall und signalisierte dem Mann draußen, dass sie ihm gleich die Tür öffnete. »Die Brotlieferung ist heute später dran, weil Safiya ein Problem hatte mit jemandem, der einen Fahrradunfall hatte. Sie musste einen Freund bitten, einzuspringen.« Sie bückte sich, um den unteren Teil der Tür zu entsperren, öffnete sie und sagte: »Bist du Safiyas Mann-der-kann? Hereinspaziert.«
»Safiya hatte einen Fahrradunfall?«, fragte Stuart besorgt, während er den Typen mit der Beaniemütze begutachtete. »Ist alles in Ordnung?« Stuart war in die Brotlieferantin verknallt und konnte es nur schwer verbergen – sogar die Art, wie er Safiyas Namen aussprach, verriet ihn.
Der Typ legte die braunen Papiertüten mit dem Sauerteigbrot auf den Tisch neben der Eingangstür und mischte sich freudig ins Gespräch ein. »Nicht Safiya. Der Typ, den sie datet. Aber ich bin ja hier, um den Tag zu retten! Ich habe noch mehr Zeugs für euch im Wagen. Croissants, glaube ich. Nett, dich kennenzulernen. Ich bin Francesco.« Er reichte Stuart die Hand und nickte Penny zu, die bereits hinter den Tresen gegangen war.
Penny bemerkte, dass sich Stuarts Gesichtsausdruck verfinsterte. Der Typ, den sie datet. Das muss wehgetan haben. Die Kaffeemaschine spuckte heißen, sirupartigen Espresso in ihre Tasse, und Stuart lenkte sich damit ab, die Zuckerschalen auf den Tischen aufzufüllen. Penny beobachtete, wie der Brot-Typ Kisten in seinem Transporter ordnete. Nachdem er ein paar Worte gesprochen und sie seinen leichten Akzent gehört hatte, konnte sie seine Haut- und Haarfarbe besser einordnen. Er hatte eine gestreifte Schürze umgebunden und zog jetzt ein Handy aus der Vordertasche. Wer auch immer am anderen Ende der Leitung war, erfreute ihn so sehr, dass er seinen Kopf lachend nach hinten warf. So viel Enthusiasmus brachte Penny zum Lächeln. Ein gut aussehender Mann, der sein Leben genießt. Sie fragte sich, ob er mit seiner Freundin sprach, und wunderte sich sogleich, dass sie sich diese Frage stellte. Es muss wohl an seinem Akzent liegen, dachte sie. Und an dem Lächeln. Und an dem schweren Heben.
»Ich wünschte, du würdest mich das machen lassen«, sagte Stuart und unterbrach ihre Tagträumerei. »Du behandelst ihn nicht mit dem Respekt, den er verdient.«
»Es ist nur ein doppelter Espresso«, sagte Penny kichernd.
Stuart schaute ernst drein und hob den Zeigefinger. »Es ist niemals nur ein Espresso, Penny.«
»Mein Fehler …« Penny trat von der Kaffeemaschine zurück, ging um den Tresen herum und nahm ihre Hände hoch, während sie spöttisch die Augen rollte.
»Ist das dein Café? Bist du Penny?«, fragte Francesco, der erneut in der Tür auftauchte und zwei kleinere Papiertüten abstellte.
»Ja, das bin ich.«
Er wischte sich die Hände an der Schürze ab und ging mit ausgestreckter Hand auf sie zu.
»Ich habe über dich gelesen.«
Seine warme Hand berührte ihre.
Sie sahen sich in die Augen.
Sein Lächeln war breit, nein, mehr noch, es war allumfassend. Es war verwirrend, diesem Fremden in die Augen zu schauen, schon allein, weil sie so nah beieinanderstanden, doch Penny konnte einfach nicht wegsehen. Sie ließ ihn auf sich wirken – seine Bartstoppeln und den herben Duft von Kaffee in seinem Atem.
»Ich wünschte, ich könnte zum Frühstück bleiben«, sagte er.
Sie schüttelten sich noch immer die Hände.
»Ts, ts, vor dem Frühstück abhauen, und dabei hast du nicht einmal die Nacht hier verbracht«, provozierte ihn Penny, ohne nachzudenken, und war sogleich entsetzt, wie ihr nur so etwas Unangebrachtes herausrutschen konnte.
»Ich habe nur Gutes gehört.« Francesco grinste.
»Also … ich …«, stotterte Penny. Das war ihr jetzt total peinlich. Warum hatte sie das nur gesagt? Vielleicht war das die Erklärung, warum sie immer noch Single war – sie war sehr schlecht im Flirten, sie wusste einfach nicht, wie sie mit dem anderen Geschlecht kommunizieren sollte.
»Ich meinte das Frühstück«, sagte Francesco lachend.
»Ja. Natürlich! Richtig. Ich auch.«
»Hmm«, murmelte er und amüsierte sich darüber, wie sie sich wand.
Sie standen da, berührten sich, er grinste sie an, schaute sie an, prüfte ihr Gesicht, als ob er sie irgendwie kennen würde, und Penny realisierte, dass sie genauso breit zurückgrinste.
Irgendetwas geschah gerade.
Penny wusste nicht, was sie sagen sollte.
Seine Augen waren wie Pools aus schwarzem Marmor.
Tief.
Durchdringend.
Unendlich.
Sie konnte die paar Male, als sie dieses Gefühl empfunden hatte, an einer Hand abzählen. Jemand, der sie nicht anschaute, sondern fast schon in ihre Seele blickte. Der sie sah. Das letzte Mal, dass sie sich in Anwesenheit eines scharfen Typen so gefühlt hatte, war auf der Kochschule gewesen, als sie ihrem Ex begegnet war. Aber auch, als sie ihrem Onkel von ihrer Krankheit erzählen musste, da war sie fünfundzwanzig. Ihre Schwester Clementine konnte sie manchmal so ansehen. Es gab dann keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Wow, ich hoffe, das war nicht seine Freundin am Telefon, dachte Penny. Er ist so schön. Nicht, dass sie etwas unternehmen würde. Natürlich nicht. Sie würde ihn wahrscheinlich sowieso nie wiedersehen.
»Nun … ich komme wieder«, sagte Francesco. »Ich habe heute noch ein paar andere Lieferungen.«
Sie schüttelten sich noch immer die Hände und starrten sich immer noch an.
»Tu das. Ja. Wir werden … hier sein«, stammelte Penny grinsend, ohne sich ganz sicher zu sein, was das überhaupt zu bedeuten hatte. »Ich meine, natürlich werden wir hier sein. Gebäude neigen ja nicht dazu, zu verschwinden. Ha!« Ihr Mund fühlte sich trocken an. Wieso war sie in diesen Sachen so unglaublich inkompetent? »Du bist jederzeit willkommen.« Sie kam sich albern vor.
Noch einmal huschte ein Lächeln über Francescos Gesicht. »Cool«, sagte er und nickte, ließ ihre Hand los und wollte sich auf den Weg machen.
»Francesco?«, sagte Stuart, und Penny erkannte beschämt, dass er die ganze Zeit hinter dem Tresen gestanden und das Schauspiel beobachtet hatte.
»Ja?«, antwortete Francesco, ohne Stuart in die Augen zu schauen, als er sich umdrehte. Stattdessen sah er gleich wieder zu Penny. Er freute sich, ihr ein weiteres Lächeln zu entlocken. Ihre leuchtend roten Haare waren zu einem Dutt hochgesteckt, und sie trug kein bisschen Make-up. Sie sah müde aus, so, als ob sie schon seit Stunden in der Küche gestanden hätte, doch ihre erröteten Wangen glühten, und ihre Stimme erinnerte ihn an etwas. Er hatte das Gefühl, dass er ihr schon einmal irgendwo begegnet war. Er wollte ihre Zustimmung, sie weiterhin anstarren zu können.
»Bist du liiert?«
Die Bemerkung erregte seine Aufmerksamkeit. Francesco schaute Stuart an. »Oh, ich bin nicht schwul, Kumpel. Sorry.«
Stuart verdrehte die Augen und zeigte rüber zu Penny. »Ich frage nicht für mich, sondern für sie.« Penny schaute erschrocken. »Die, die dort mit offenem Mund steht und sabbert.«
»Ich?«, quietschte Penny.
»Bist du Single?«, fragte Francesco.
Penny schaute von Francesco zu Stuart, dann wieder zu Francesco rüber.
»Ähm, ja, aber …«
»Oh, cool. Also dann …«
Stuart unterbrach ihn und reichte ihm einen Bestellblock und einen Kuli.
»Schreib deine Nummer auf«, befahl Stuart.
Francesco lachte. »Meine Güte, hier geht’s ja direkt zur Sache, keine Zeit für Spielchen«, lachte er. Er schaute Penny an. »Ist es … okay, wenn ich das tue?«
»Klar«, kreischte Penny drei Oktaven zu hoch. »Super … ja … ich werde … anrufen.« Ohne es sich erklären zu können, hob sie gleichzeitig den Daumen hoch und streckte den Zeigefinger aus. Später würde ihr Stuart sagen: Du warst echt cool, Pen. So richtig, richtig cool.
Francesco kritzelte seine Nummer, und Stuart nickte ermutigend, als er Penny das Stück Papier überreichte.
Penny lächelte.
Francesco lächelte.
Sie standen nun da, und keiner von ihnen brachte ein Wort heraus.
So was passiert doch nicht einfach so!, dachte Penny. So was passiert mir doch nicht!
»Also dann«, sagte Stuart. »Das ist der Augenblick, in dem ihr euch verabschiedet. Wir müssen uns um das Café kümmern.«
»Bye!«, sagte Francesco und schüttelte fassungslos den Kopf.
»Bye!«, sagte Penny aufgeregt.
»Gern geschehen, ihr beiden«, sagte Stuart und komplimentierte Francesco hinaus. »Vor allem dir«, fügte er hinzu und zwinkerte Penny zu. Als Francesco außer Hörweite war, sagte er: »Ich habe dir gesagt, dass es der nächstbeste Typ sein kann, der durch die Tür kommt.«
»Jaja«, sagte Penny leise und beobachtete Francescos Hintern durchs Fenster. Seine Jeans saß tief, und seine Boxershorts lugten darüber hervor. »Aber ein Mann, der so aussieht, mit dem muss doch ganz sicher etwas nicht stimmen, oder? Nette Typen … laufen nicht einfach so herum.«
Francesco drehte sich ein letztes Mal um, bevor er in den Transporter stieg. Penny und Stuart winkten ihm zu.
»Oder?«, fragte sie Stuart erneut.
»Speichere diese Nummer in deinem Handy, jetzt, sofort«, sagte er. »Bevor du sie verlierst. Wenn etwas mit ihm nicht stimmen sollte, dann finde zumindest heraus, was es ist.«
»Haha, story of my life«, antwortete Penny skeptisch und winkte noch immer Francesco und seinem süßen Hintern.
Nach Feierabend saß Penny draußen in der ungewöhnlich warmen Märzsonne. (Ihr Onkel nannte es den »Fake-Frühling«. »Vor Mai kommen drei Arten von ›Fake-Frühling‹. Lass dich davon nicht täuschen: Eine Woche Sonnenschein ändert nicht die Jahreszeit.«) Den ganzen Tag lang dachte sie daran, was am Morgen passiert war, wie sie an Francescos Handynummer geraten war. Was hatte sie schon zu verlieren, wenn sie ihm eine Nachricht schickte? Doch was, wenn er ihr seine Nummer nur gegeben hatte, weil er von der Situation peinlich berührt gewesen war? Penny konnte nicht die Lässige vortäuschen, um sich an ihn ranzumachen. Aber er war umwerfend … wirklich … uff. Sie wollte das Wort »sexy« nicht benutzen, aber es war das treffendste, das ihr in den Sinn kam. Er könnte zu sexy sein, dachte Penny. Wenn ich auf einer Skala von eins bis zehn eine Sechs bin und er eine Neun, dann will er wahrscheinlich auch mit einer Neun ausgehen. Das ist einfach Hotte-Typen-Mathematik.
Penny drehte sich eine Zigarette aus der Tabakpackung in ihrem Schoß und benutzte dabei einen Mentholfilter. Sie wusste, dass Rauchen nicht gut für sie war, doch genau das machte es so attraktiv. Sie erlaubte sich eine Zigarette pro Tag, wie Obama angeblich auch. Ein braves Mädchen, das etwas Böses anstellt. Sie zündete sie an, fischte gleichzeitig ihr Handy aus der Schürzentasche und öffnete WhatsApp, um ihrer Schwester Clementine eine Sprachnachricht zu schicken. Sie drückte auf die Aufnahmetaste und wischte nach oben, so konnte sie so lange reden, wie sie wollte, ohne den Finger auf die Aufnahmetaste pressen zu müssen.
»Also, mir ist heute Morgen was passiert«, fing sie an, in einer Art Monolog, den sie und Clementine liebevoll »Persönliche Podcasts« nannten. Clementine arbeitete als Projektmanagerin für Stella McCartney, was bedeutete, dass sie selten länger als eine Woche am Stück in London war, bevor sie nach Tokio, Helsinki oder Mailand fliegen musste, um den Bau und die Innenausstattung eines neuen Ladens zu beaufsichtigen. In den letzten zwei Jahren unterhielten sie sich meistens über Sprachnachrichten, die sie zu jeder Tages- und Nachtzeit aufnahmen und abhörten. Manchmal war es leichter, in Abwesenheit der anderen ehrlich zu sein – wie bei zwei Geliebten, die sich die Wahrheit nach Einbruch der Dunkelheit zuflüstern, wenn es einfacher ist auszusprechen, was gesagt werden muss. Tatsächlich sind sie sich durch Clementines Job viel nähergekommen, auch wenn sie physisch weit entfernt waren.
»Dieser Typ … Ach, ich weiß nicht. Das ist alles so albern.« Penny zog an der gedrehten Zigarette und blies den Rauch laut aus. Sie erklärte alle Details, wie sie an Francescos Nummer gekommen war, und schlussfolgerte: »Ich werde ihm schreiben. Das wollte ich dir sagen. Ich werde ihm schreiben, weil ich eine erwachsene Frau bin, die sich um sich selbst kümmern kann, und weil es keine große Sache ist. Deswegen hat er sie mir ja gegeben. Damit ich sie benutzen kann. Was ich tun werde. Sie benutzen. Ich werde Mr Hot Stuff jetzt schreiben.«
Sie drückte ihre Zigarette mit ihrem Turnschuh aus und verstaute den Stummel behutsam neben dem Lorbeerbaum am Hintereingang, neben all den anderen Kippen, die sie »alle auf einmal einsammeln wollte«, um »Zeit zu sparen«, das redete sie sich zumindest seit sechs Monaten ein.
»Wie dem auch sei, erzähl mir, was es bei dir Neues gibt, wenn du Zeit hast. Ich weiß, ich habe jetzt nur über mich gesprochen. Aber, schwesterlicher Anspruch und so, nicht wahr? Ich musste mir Mut anreden. Hab dich lieb! Schick mir Fotos aus Miami! Ich werde jetzt dem gut aussehenden Typen schreiben!«
Doch sobald Penny die Sprachnachricht abgeschickt hatte, saß sie da, starrte auf ihr Handy, drehte es in ihrer Hand und schrieb Francesco nicht. Sie starrte in den Abendhimmel und seufzte. Cristian wollte sie nicht. Trevor wollte sie nicht. Der irakische Immobilienmakler wollte sie nicht. Warum sollte dieser Typ anders sein?
Traue ich mich …?, fragte sie sich. Sie dachte an Cristian und daran, wie er am Abend davor auf seiner Dating-App herumgespielt hatte, und sie spürte wieder die Scham und Erniedrigung.
»Verdammt«, sagte sie und gab die PIN in ihr Handy ein. Ihr schwirrte immer noch im Kopf herum, dass sie ein Feedback von einem Typen haben wollte. Sie dachte eine Minute darüber nach, dann tippte sie:
Hey, ich noch mal. Penny. Kann ich dich was fragen? Das klingt vielleicht seltsam oder so, aber du könntest mir bei einer Sache wirklich helfen.
Sie hatte Glück: Am oberen Rand des Bildschirms sah sie, dass Cristian online war und antwortete.
Okay …??, schrieb Cristian.
Penny atmete tief durch und entschloss sich, es einfach zu machen. Ich habe dich gestern Abend auf Bumble herumspielen sehen, als ich von der Toilette zurückgekommen bin, erklärte sie. Du stehst also nicht auf mich. Auch wenn deine Ex nicht wiederaufgetaucht wäre, hättest du entschieden, mich nicht scharf zu finden. Und das ist auch völlig okay! Aber ich hatte in letzter Zeit so viel Pech beim Daten, und ich frage mich, ob ich irgendetwas falsch gemacht habe. Sie hoffte, dass sie nicht so klang, als ob sie ihn anbetteln würde, seine Meinung zu ändern. Sie schickte eine weitere Nachricht: Ganz ehrlich, ich will keine Bitch sein. Ich hoffe nur, du kannst das Geheimnis meines ewigen Singledaseins lüften!
Cristian tippt, kündigte ihr Handy an, bevor seine Antwort aufploppte.
Lol. Sorry, dass du es gesehen hast. Nicht, dass wir verheiratet sind oder so. Lol.
Lol, antwortete sie.
Penny hasste ihre Lol-Antwort. Sie hasste es, dass sie überhaupt die Frage gestellt hatte. Doch wenn sie Francesco eine Nachricht senden sollte, dann wollte sie zunächst Informationen. Sie wollte wissen, wie sie sich selbst schützen konnte. Sie wollte wissen, ob es eine Sache gab, die diese Männer abtörnte, und entscheiden können, ob sie bereit war, sie zu ändern oder nicht.
Cristian fuhr fort: Du bist völlig okay, mach dir keine Sorgen.
Danke. Du auch!
Es kostete sie Kraft, kein Emoji hinzuzufügen, aber er verdiente keins. War Cristian schon immer so ein Idiot gewesen? Penny dachte darüber nach, dass sie vor ihrem Date nicht besonders viele Nachrichten ausgetauscht hatten – sie hatte ihn einfach direkt gefragt, denn das ständige Texten war mühselig, und sie hatte viel zu tun. Er war ein gewandter Gesprächspartner – zumindest hatte sie ihn so in Erinnerung. Obwohl … huh … Jetzt, da sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass er ihr nicht allzu viele Fragen gestellt und dazu geneigt hatte, Sachen zu erklären, die sie bereits wusste, auch nachdem sie ihn darauf hingewiesen hatte. Verdammte Scheiße, vielleicht war ich so verzweifelt, einen Partner zu finden, dass ich einfach total blind war, dachte sie und erinnerte sich an das, was ihre beste Freundin Sharon über Heterofrauen gesagt hatte, die die Mängel ihrer Partner vergaßen, sobald ihnen Sex in Aussicht gestellt wurde. »Und es muss nicht mal guter Sex sein!«, hatte Sharon betont. »Nur ein warmer Körper, neben dem man aufwachen kann!« Scheiße, dachte Penny. Scheiße, Scheiße, Scheiße.
Pennys Erkenntnis wurde von seiner Antwort unterbrochen.
Wenn es was gibt, dann ist dein Lachen vielleicht etwas zu laut.
Mein Lachen ist zu laut?
Es ist wie mit dem Selbstbewusstsein. Es stört dich nicht, wenn die Leute gucken. Ich mag meine Frauen etwas leiser.
Ich bin zu selbstbewusst?
Ja, etwas. Sorry, wenn das beleidigend klingt oder so, aber du hast gefragt!
Wie konnte Penny nur dafür »verurteilt« werden, »zu selbstbewusst« zu sein, wenn in Wahrheit ihr Mangel an Selbstvertrauen sie dazu bewog, diesen Typen überhaupt um sein Feedback zu bitten? Sie begann zu tippen. Zuerst versuchte sie, einen Witz darüber zu machen, doch dann drückte sie auf die Entfernen-Taste und formulierte alles um, entrüstet über die krasse Frauenfeindlichkeit. Auch diesen Text löschte sie. Penny saß da, starrte auf ihr Handy und überlegte, welchen Ratschlag sie jemandem in ihrer Situation geben würde. Was würde sie antworten, wenn ihr ein Freund oder eine Freundin nach einem misslungenen Date eine Nachricht schreiben und sich »Feedback« einholen wollen würde?
Sie atmete tief ein.
»Scheiß drauf«, verkündete sie und drückte links neben dem Nachrichtenthread auf »Entfernen«. Dann öffnete sie ihr Adressbuch und blockierte Cristian.
»Schon besser!«, gestand sie sich laut. Sie fühlte sich erleichtert, nachdem sie für einen Augenblick den Durchblick verloren hatte. Jetzt fing sie sich wieder. Sie würde Clementine ganz sicher nicht von dieser Fehlentscheidung erzählen. Mit ihr war alles in Ordnung. Wenn Cristian keinen Bock auf sie hatte, dann war das, wie Stuart schon gesagt hatte, Cristians Problem.
Zugegeben, es war übel, dass Cristian Penny in dem Glauben zurückgelassen hatte, sein Problem sei ihres.
Sie steckte das Handy zurück in die Hosentasche und wollte wieder hineingehen. Sie wollte keinerlei Gedanken mehr an Cristian verschwenden und sich ganz sicher nicht ins Hemd machen wegen des Lieferanten von heute Morgen, der, ohne Zweifel, ein weiterer Kandidat auf einer langen Liste von Enttäuschungen sein würde. Nein. Es war besser, alle Männer für eine Weile abzuschreiben. Sie konnte stattdessen in ein Wellnesscenter fahren oder sich einen neuen Vibrator kaufen. Vielleicht würde sie sich endlich dem Netballteam im Freizeitzentrum anschließen. Alles außer Männer. Für eine Weile. Vielleicht stimmte das ja, was sie Stuart gesagt hatte, dass sie allein mit ihrem Leben klarkommen und sich wirklich auf die Suche nach einer Leihmutter machen sollte. Zumindest bliebe sie auf diese Weise von den Enttäuschungen der Partnersuche verschont. Der Versuch, hoffnungsvoll zu bleiben, kostete sie viel zu viel emotionale Kraft. Bestand das Leben nicht aus viel mehr als daraus, einen verdammten Mann zu finden?
Hey, mein Girl«, sagte Pennys beste Freundin Sharon mit ihrem stark ausgeprägten irischen Akzent, als Penny in ihren Uber einstieg. »Wem willst du denn heute Abend den Kopf verdrehen?! Du siehst sensationell aus! Anders kann man es gar nicht ausdrücken.«
»Ach, dieser alte Fummel?«, fragte Penny in einem gekünstelt zurückhaltenden Ton, während sie den Sicherheitsgurt anlegte und sich nach vorn beugte, um Sharon auf die Wange zu küssen.
Penny freute sich über die Gelegenheit, sich in Schale zu werfen. Die meiste Zeit ihres Lebens roch sie ja nach Crème brulée und gekochtem Schinken, wie sie Stuart liebevoll geneckt hatte. Ausgiebig zu duschen und sich einzuölen, die Haare zu stylen und ein gebügeltes Kleid anzuziehen, fühlte sich an, als würde sie in einen anderen Teil ihrer Persönlichkeit schlüpfen. Sie war immer sie selbst, doch in einem roten Midirüschenkleid, das sie in einer Boutique in der Stoke Newington Church Street gekauft hatte, fühlte sie sich sehr feminin und hübsch. In ihren Crocs und der weißen Alltagsköchinnenkluft gelang das nicht so gut. Sie mochte es, sich selbst daran zu erinnern, dass sie beide Seiten in sich trug.
»Nein, im Ernst«, sagte Sharon und schaute sie genau an. »Ich dachte, du hättest die Männer abgeschrieben.«
»Wieso das?«
»Willst du etwa behaupten, dass du nicht auf der Suche bist? Dass du die falschen Wimpern für mich aufgeklebt hast?«
Leicht verunsichert griff sich Penny ins Gesicht. »Ist es zu viel?«
»Nein, nein«, antwortete Sharon. »Es ist genau richtig.«
»Ich wollte mich nur selbst daran erinnern, dass ich hübsch sein kann, wenn ich mich bemühe.«
»Du bist immer hübsch!«, beteuerte Sharon.
»Du weißt, was ich meine«, sagte Penny. »Es kommt nicht oft vor, dass ich unter der Woche abends so chic ausgehe.«
»Du siehst umwerfend aus – und ich hätte nichts dagegen, wenn du mir das gleiche Kompliment machen würdest.«
Penny lachte. Es tat gut, Zeit mit Sharon zu verbringen – sie war lustig und direkt und nahm nie etwas allzu ernst.
»Sharon«, sagte sie, als würde sie ihr zum ersten Mal begegnen, »du siehst einfach hammermäßig aus!«
»Oh, danke.« Sharon verschränkte die Arme unter ihrem Busen und betonte ihren tiefen Ausschnitt noch mehr.
»Ich hoffe, du hast deine Freundinnen in letzter Zeit abgetastet«, sagte Penny, während der Fahrer sie im Rückspiegel anstarrte.
Sharon nickte. »Einmal im Monat, unter der Dusche, so, wie du es mir gezeigt hast«, antwortete sie.
Penny zwinkerte ihr zu.
Sharon wohnte mit ihrem Partner und den beiden Kindern um die Ecke. Ein viktorianisches Reihenhaus, das ihre Eltern vor zwölf Jahren für 260000 Pfund gekauft hatten und das nun, der Londoner Inflation sei Dank, unglaubliche 1,2 Millionen Pfund wert war. Sharon hatte in der Finanztechnologie gearbeitet, nach der Geburt der Kinder aber alles hingeschmissen, um mit neununddreißig Jahren Floristin zu werden. Sie hatte Talent und stellte die Blumenarrangements fürs Bridges zusammen. So hatte sie Penny vor zwei Jahren kennengelernt.
»Ich bin so aufgeregt«, sagte Penny zu Sharon, als sie ankamen, sich in die Schlange vor der Garderobe stellten und in ihren Handtaschen nach Trinkgeld wühlten. Sie waren zur kleinen Eröffnungsfeier eines neuen Restaurants, Ecclesiast, in Notting Hill eingeladen. Dofi, eine Kollegin aus Pennys Zeiten im Grayshott Hall – es war für beide der erste »richtige« Job nach der Kochschule gewesen –, hatte sich endlich selbstständig gemacht. Penny war einst genauso ambitioniert wie Dofi gewesen, doch nach ihrer Krebsdiagnose hatten sich ihre Prioritäten geändert. Ein kleines Café im Norden Londons war eine Sache, aber ein ganzes Restaurant, das Mittag- und Abendessen anbot, bis zu hundertfünfzig Gäste pro Tag bediente, Dutzende Angestellte beschäftigte und wahrscheinlich um einen Michelin-Stern wetteiferte, war ein ganz anderes Kaliber. Penny konnte sich jedoch aufrichtig für Dofi freuen, denn abgesehen vom ewigen Singledasein, war Penny zufrieden mit ihrem Leben. Sowohl Penny als auch Dofi betrieben Lokale, die zu ihnen passten.
»Hm. Ich dachte, ich hätte ein paar Münzen dabei«, murmelte Penny und durchsuchte noch immer geistesabwesend ihre Clutch. »Hast du zwei Pfund?«
Eine Stimme dröhnte über ihrer Schulter, als sie ein letztes Mal ihre Tasche durchwühlte: »Nur diese beiden bitte, Darius.« Während ein Mann dem Garderobenmann zwei Mäntel überreichte, stieß einer von ihnen gegen Pennys Tasche, sie fiel ihr aus der Hand und auf den Boden.
Ohne nachzudenken, bückte sie sich, um die verstreuten Sachen aufzuheben, bevor sie zertrampelt wurden, während Sharon wütend sagte: »Hey, entschuldigen Sie sich gefälligst! Ich finde, Sie sollten sich bei meiner Freundin entschuldigen, Sir!« Sie betonte das »Sir« sarkastisch und stellte damit klar, dass der Mann, der Penny angerempelt hatte, alles andere als ein Gentleman war. Die gute alte Sharon.
Penny stand bereits wieder, als der Schuldige sich ihnen zuwandte.
»Es tut mir so leid, ich habe Sie nicht gesehen …«, begann er mit einem etwas ungewöhnlichen Klang in der Stimme, als ob Englisch nicht seine Muttersprache wäre.
»Oh!«, sagte Penny überrascht. »Wir kennen uns!«
Vor ihr stand der Brotlieferant, der vor einer Woche im Café gewesen war – noch immer attraktiv, aber mit erröteten Wangen. Penny sah buchstäblich, wie er sie erkannte, Sekunden nachdem sie ihn erkannt hatte.
»Hallo«, sagte er, offensichtlich erstaunt, sie zu sehen. »Tut mir leid wegen vorhin. Ich muss wohl an meiner Motorik arbeiten.«
»Nein«, fiel ihm Penny ins Wort und versuchte, nett und freundlich zu klingen. Sie wollte nicht, dass er sich bei ihrer Begegnung unwohl fühlte, da er doch der Mutige gewesen war, der ihr seine Telefonnummer gegeben hatte. »Es war meine Schuld, ich habe nicht aufgepasst. Ich habe nach Wechselgeld gesucht. Es tut mir leid.«
Dieses Gesicht! Francescos Gesicht! Und diese Stimme! Penny reagierte auch körperlich auf seine Stimme. Unter ihrem Kleid wurden ihre Brustwarzen hart. Ihr Atem veränderte sich. Warum hatte sie ihm nicht geschrieben?
Francesco nickte teilnahmslos. Penny wurde aus seiner Miene nicht schlau. Sein Freund, der neben ihm stand, sagte: »Braucht ihr Kleingeld? Ich habe welches.«
Sharon hielt zwei Münzen in ihrer Handfläche. »Wir haben’s jetzt«, sagte sie. »Ich habe welche in meiner Tasche gefunden.« Penny sah, dass sie neugierig war zu erfahren, wer wen woher kannte.
Eine kurze Pause entstand, in der sich Penny und Francesco ansahen. Sie lächelten nicht und runzelten auch nicht die Stirn, sie sahen sich an und wussten nicht, was sie sagen sollten.
»Ich habe mich nicht gemeldet«, setzte Penny an, genau in dem Moment, in dem Francesco sagte: »Na dann, habt einen schönen Abend. Es soll wirklich gut sein.«
»Oh«, sagte Penny. »Ja.«
»Mach dir keine Gedanken.«
»Tut mir leid«, flüsterte Penny.
»Was hast du angestellt?«, fragte Sharon und schaute verwirrt zwischen ihnen hin und her.
»Viel Spaß«, sagte Francescos Freund. Alles ging so schnell. Francesco war schon auf dem Weg zum Speisesaal, um von der Hostess begrüßt zu werden, bevor Penny einfiel, worüber sie noch mit ihm hätte sprechen können. Sie sah, wie er sich entfernte. Sein Freund lächelte ihnen leicht zu und ging ebenfalls.
»Ahhh«, stöhnte Penny und verzog das Gesicht.
»Was war denn das?«, fragte Sharon. »Oder besser, wer war denn das?«
»Oh Gott. Er war vor zwei Wochen im Café, und Stuart hat ihm gesagt, er solle mir seine Nummer geben, aber ich habe ihn nicht angerufen. Ich glaube, er war verlegen. Als ob ich ihn versetzt hätte oder so. Ich frage mich, warum er hier ist und woher er Dofi kennt.«
»Nun«, sagte Sharon und nahm Pennys Mantel entgegen. »Du wärst auch verlegen gewesen. Wenn du ihn angemacht hättest und er gesagt hätte, dass er dich anruft, und dann seine Meinung geändert hätte.« Sie schob das Trinkgeld über die Theke. »Ich meine, davon stirbt man nicht, aber … Sogar mein Ego wäre bei so einer Aktion angekratzt.«
»Ich weiß«, sagte Penny. Sie starrte noch immer auf die Stelle, an der Francesco stand. Er war sogar noch attraktiver, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte. Sie fühlte sich schrecklich, weil sie ihn in Verlegenheit gebracht hatte. War es ihm unangenehm? Für sie war es auf jeden Fall peinlich.
»Gibt es einen Grund, weshalb du ihm nicht geschrieben hast?«, fragte Sharon, ihrem starren Blick folgend. »Denn, wenn du mir die Bemerkung erlaubst, das scheint etwas kurzsichtig. Er ist …«
Penny atmete laut aus. »Ja, das ist er.« Dann fügte sie hinzu: »Es gab einen Grund, wie gesagt, und darf ich dich daran erinnern, dass du mich darin bestärkt hast, die Männer für eine Weile links liegen zu lassen?«
»Den hier würde ich schon nehmen«, kicherte Sharon und zog ihre Augenbrauen suggestiv hoch. Penny schubste sie spielerisch an.
»Meinst du, er sieht zu gut aus?«, fragte Penny, während sie den Kellner ihre Serviette entrollen und auf ihrem Schoß ausbreiten ließ. »Schau ihn dir an. So ein Mann kann sich sein ganzes Leben lang auf seine Schönheit verlassen, ohne jemals eine Persönlichkeit zu entwickeln.«
»Ich sag mal so, ich denke, so einer ist keine Rakete im Bett. Ich wette, er musste sich nie groß anstrengen, um eine Frau rumzukriegen«, überlegte Sharon.
Sie stocherte mit der Gabel in dem »Teller für zwei« herum, der zwischen ihnen stand.
»Die Besten sind wie mein Luke. Er war nicht heiß, bis er neunundzwanzig wurde, in seine schlaksige Gestalt hineinwuchs und anfing, zu einem anständigen Barbier zu gehen. Davor hatte er so viel Pech in der Liebe, dass er, bis er fünfundzwanzig war, keinen Sex hatte. Nicht einmal Fummeln war drin. Er war ein richtiger Chris-Martin-Typ. Aber erzähl ihm nicht, dass ich das gesagt habe.«
»Luke hat seine Jungfräulichkeit erst mit fünfundzwanzig verloren?«, fragte Penny erstaunt. »Wie alt war er denn, als du ihn kennengelernt hast?«
»Einunddreißig. Aber weil er nie als besonders hot galt, strengte er sich beim Sex so richtig an, und es ging dabei nur um mich. Du weißt, wie das mit manchen Männern ist, das Drehbuch sieht drei Minuten Küssen vor, eine Minute über deine Hose streicheln, zwei Minuten oral, dann steckt er ihn rein, bis er zum Höhepunkt kommt, weil das das Ziel ist. Er soll kommen.«
»Traurig, aber wahr. Die Antwort auf diese Frage lautet: Ja.«
»Mit Luke war es anders. Er würde den ganzen Nachmittag dort unten bleiben, wenn ich es von ihm verlangen würde. Er will einfach nur, dass ich eine gute Zeit habe. Nach dem zweiten oder dritten Mal mit ihm war mir klar, dass meine Orgasmen viel intensiver waren als jemals zuvor, weil er es nie eilig hatte. Er ignorierte nicht meine Lust, nur um seine zu spüren. Es war, als ob es ihm genügte, wenn ich nackt war. Ich vermute mal, weil er das fünfzehn Jahre lang nicht wirklich gehabt hatte.«
»Awww! Alles, was er wollte, war eine nackte Frau in seinem Bett, und dann bekam er dich! Ich kann nicht fassen, dass ich das alles erst jetzt erfahre!«
»Ach«, flüsterte Sharon. »Ich gebe nicht gerne an.«
»Doch, das tust du«, neckte Penny sie.
»Ja«, sagte Sharon lachend. »Okay, du hast recht.«
Während sie mit Sharon plauderte, warf Penny Francesco weiterhin verstohlene Blicke zu. Sie stellte ihren Stuhl sogar so hin, dass sie nicht mit dem Rücken zu ihm saß. Sie war sich sicher, dass auch er zu ihr sah.
Penny konnte nicht fassen, was an jenem Morgen im Café passiert war. Es war alles so widersprüchlich – theoretisch wusste sie, dass sie es wert war, geliebt oder zumindest gemocht zu werden, doch in Wirklichkeit hatte sie panische Angst davor. Sie fürchtete, wieder enttäuscht zu werden. Denn das »Wieder« wiederholte sich. Immer wieder und wieder. Doch als sie Francesco zum zweiten Mal begegnete, fühlte sie sich in seiner Gegenwart albern und nervös und elektrisiert – es war ziemlich überwältigend. Sie bildete sich die Anziehung sicher nicht ein, nun, da sie sie zum zweiten Mal verspürt hatte. Es war genau dieses Gefühl, das sie immer wieder denken ließ: Okay. Ich gebe der Hoffnung noch eine Chance. Warum nicht?
»Zwei Sachen«, sagte Sharon. »Erstens wirst du dir noch den Hals verdrehen, wenn du dich weiter so anstrengst, dem Typen hinterherzuschauen. Zweitens: Probier mal den Salat mit Wassermelone und Pecorino. Er ist unglaublich lecker.« Sie machte mit der Gabel Schlängelbewegungen in der Luft und pikste in den nächsten Teller.
»Ich habe dir doch gesagt, Dofi weiß, was sie tut«, erwiderte Penny und griff ebenfalls zu. »Es schmeckt alles so gut, nicht wahr? Einfach fantastisch. Das meiste, was ich über das Mischen von Aromen weiß, weiß ich von ihr.«
»Du musst so was Ähnliches im Café anbieten«, betonte Sharon und behauptete weiterhin: »Dafür würde ich jeden Tag kommen.«
Penny nahm eine Gabel voll und drehte sich erneut in Francescos Richtung, während sie kaute.
Sie konnte nicht anders.
»Okay«, sagte Penny. »Bestell zwei. Ich werde hingehen und mit ihm reden. Du hast mich überredet.«
»War gar nicht schwer«, antwortete Sharon. »Ich glaube, du hast dich selbst überredet.«
»Bring mich nicht dazu, dir zu sagen, dass du dich verpissen sollst«, knurrte Penny verspielt. »Nicht, wenn ich gerade dabei bin, mutig zu werden.«
»Richtig!«, sagte Sharon grinsend, während sie in den Loungebereich ging, um zwei Kaffee zu bestellen. »Auf in den Kampf«, trällerte sie über ihre Schulter. »Auf nach Waterloo.«
»Jetzt sag ich es: Verpiss dich.«
Penny hörte Sharon lachen. »Du weißt, dass ich dir den Rücken freihalte«, sagte sie und ging auf die beiden Stühle mit hoher Rückenlehne neben Francesco und seinem Freund zu.
»Sind diese Plätze noch frei?«, fragte Sharon mit einem strahlenden Lächeln. »Dürfen wir?«
Francesco war nicht überrascht, die beiden Frauen zu sehen. Sie setzten sich hin, bevor sie überhaupt eine Antwort erhielten. Penny blickte Sharon nervös an und bat um ihre Unterstützung, während Sharon in Francescos Richtung nickte, als ob sie sagen wollte: Rede mit ihm.
»Hey«, sagte Penny mit leiser, verlegener Stimme. »Wie geht’s?«
Francesco strich sich das Haar nach hinten. »Mein Stolz ist verletzt«, sagte er. Er hatte offensichtlich beschlossen, nun, da er gegessen hatte, die Dinge beim Namen zu nennen. Er hatte gespürt, dass er wieder mit Penny reden würde. Ihrer beider Energien waren wie zwei starke Magnete, die jeweils in die Richtung des anderen zogen. »Aber sonst gut«, fügte er lächelnd hinzu. Er hatte kein Problem damit, sich über sich selbst lustig zu machen, jetzt, da er einen Drink hatte und sich entspannte.
Bevor Penny etwas erwidern konnte, kam eine Frau herüber, bückte sich, um Francesco auf beide Wangen zu küssen, und sagte: »Chef Cipolla, es ist mir immer ein Vergnügen. Ich habe es ernst gemeint, als ich gesagt habe, dass wir einen neuen Konditor brauchen!«
Oh, er ist ebenfalls Koch und aus der Branche, dachte Penny. Wo denn?
»Ich denke darüber nach«, antwortete Francesco grinsend. »Schön, dich zu sehen, Brigitte.«
»Ebenfalls, Darling. Gute Nacht!«
Penny dachte rasch nach. Cipolla. Die Frau nannte ihn Chef Cipolla. Dann fiel es ihr ein. Chef Cipolla! Es war sein Kokosnuss- und Pfirsich-Milchbrötchen, das sie vor etwa zwei Jahren gegessen hatte, das so leicht und gut aufgegangen und gleichzeitig aromatisch und sättigend war – ein exquisites Beispiel der Koch- und Backkunst. Sie nahm seitdem jedes Mal Notiz von seinem Namen, wenn er in den Food-Magazinen erwähnt wurde, und es dämmerte ihr allmählich, dass sie eigentlich sein Gesicht aus den Promoaufnahmen und den gelegentlichen Features kannte. Wenn sie das Gefühl hatte, dass er ihr vertraut war, dann deshalb, weil er es war.
Chef Cipolla.
»Francesco Cipolla!«, sagte Penny, der ein Licht aufgegangen war. »Conosco il tuo cibo!« Sie ging zu ihrem rudimentären Italienisch über, das sie während ihrer Sizilien-Reisen mit Onkel David als Teenie gelernt hatte. Ich kenne deine Kreationen. Francesco hob seine Augenbrauen ein klein wenig an, so viel, dass sie verstand, dass ihm ihre Italienischkenntnisse imponierten, was genau die Wirkung war, die sie erzielen wollte. Francescos Backwaren waren ziemlich berühmt, und sie hatte keine Ahnung, dass er ihr Brot an jenem Morgen geliefert hatte. Safiya ließ sich von Chef Cipolla aushelfen. Er war berühmt! In der Food-Welt, aber berühmt.
Penny fuhr fort: »Ce l’avevo a Bristol, due anni fa – complimenti.« Ich habe sie vor zwei Jahren in Bristol probiert – Glückwunsch.
»Wie wär’s mit etwas Englisch für die auf den billigen Plätzen?«, fragte Sharon, schaute von Penny zu Francesco und verstand, dass der Funke übergesprungen war und dass sie sich gleich entschuldigen müsste. Sharon schaute zu Francescos Freund hinüber, der anscheinend nichts mitbekommen hatte. Er saß in seinem Sessel zurückgelehnt da, verschüttete beinahe seinen Brandy und hatte die Augen leicht geschlossen. Er war wahnsinnig betrunken.
»Sharon, das ist Francesco Cipolla. Er ist einer der berühmtesten Konditoren Londons. Vielleicht sogar Englands.«
»Ich nehme das Kompliment an«, sagte Francesco augenzwinkernd. In Pennys Unterleib rührte sich etwas. Er grinste breit – genau wie am ersten Morgen ihrer Begegnung.
»Meine Güte, bin ich betrunken«, sagte Francescos Freund und öffnete die Augen. »’tschuldigung. Toilette.«
Die drei schauten ihn schweigend an. Sharons Handy piepste.
»Ich gehe mich mal nach den Kids erkundigen, entschuldigt mich bitte«, sagte Sharon, griff nach ihrem Handy und nutzte die Gelegenheit, die beiden allein zu lassen. »Dauert nicht lang.« Sie ergriff Pennys Hand, während sie aufstand, drückte sie und ließ auch Penny ihre Hand drücken – ihr spezieller Code für »Ja. Es geht mir gut!«. Penny wandte sich Francesco zu und lächelte wieder. Er hielt einen Whisky in der Hand und wirbelte ihn in seinem Glas herum. Ohne zu wissen, was sie sonst noch tun oder sagen sollte, drückte Penny den Stempel der Kaffeekanne auf ihrem Tisch nach unten, der das Aroma von Kaffee freiließ.
»Dofi sagt, ihr beiden kennt euch schon lange«, sagte Francesco.
Pennys Herz schlug schneller. »Möchtest du?«, antwortete sie und zeigte auf die Kaffeetassen.
Francesco nickte. »Gern. Schwarz, bitte.«
Penny füllte die Tasse, die für Sharon gedacht war, und reichte sie ihm hinüber. Während er sie nahm, sagte sie: »Du hast Dofi nach mir gefragt.« Es war keine Frage.
Francesco zuckte leicht die Achseln. »Ja, ich habe mich nach dir erkundigt.«
»Sonst noch was?«
Francesco tat so, als würde er darüber nachdenken. »Ihr habt zusammen eure Ausbildung gemacht«, sagte er. »Du hast das Bridges vor zwei Jahren eröffnet, du postest nicht viel auf Facebook. Mal sehen. Was noch? Oh, ja. Du bist sehr knauserig beim Trinkgeld, du trittst Haustiere, isst Kinder zum Frühstück … hast eine furchtbare Mundhygiene … und in deinem Wohnzimmer hängt so ein lustiges herzförmiges Schild mit der Inschrift ›This home runs on love, laughter, and very cold gin‹«.
Penny kicherte. »Was für eine heiße Anschuldigung!«
»Nichts, was ein bisschen Mundwasser nicht ändern könnte.«