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Lässt du dich gerne in romantische Welten entführen? Sehnst du dich nach der einen großen Liebe? Kannst du dir ein Leben ohne Leidenschaft auch nicht vorstellen? Dann ist dieser Leseproben-Mix genau das Richtige für dich! Dich verzaubern prickelnde Zufallsbegegnungen? Dann finde in »Dein Lächeln um halb acht« heraus, ob Daniel es schafft, mit einer Anzeige in der Zeitung das Mädchen mit den Kaffeeflecken auf dem Kleid wiederzufinden, dem er in der Londoner U-Bahn begegnet ist. Du magst Geschichten um die Royals? Dann fiebere mit dem Präsidentensohn Alex mit, der nach einem Staatsbesuch in England feststellen muss, dass er für den britischen Kronprinzen mehr als nur freundschaftliche Gefühle empfindet. Oder lass dich z.B. von den heißen Beats und frechen Dialogen zwischen dem Klavier-Wunderkind Summer und dem DJ Gabriel in den Bann ziehen, die im Roman »Beat it up« bei einem Festival aufeinandertreffen. Diese und weitere Liebesgeschichten von Autoren wie Marie Matisek, Lily Oliver und vielen mehr findest du in den Leseproben zu den verführerischen Liebesromanen des Knaur Verlages. Große Gefühle garantiert! Das kostenlose eBook enthält Leseproben zu: - Laura Jane Williams, »Dein Lächeln um halb acht« - Casey McQuiston, »Royal Blue« - Marie Matisek, »Der Schmetterlingsgarten« - Stella Tack, »Beat it up« - Melinda Metz, »Eine Samtpfote stiehlt Herzen« - Lily Oliver, »Du und ich ein letztes Mal« - Emily Henry, »Verliebt in deine schönsten Seiten« - Beth Morrey, »Sterne bei Tag« - Steffi von Wolff, »Das legt sich wieder« - Christine Ziegler, »Sauer macht listig« - Anna Herzbblum, »Die Liebe wohnt im zweiten Stock links« - Corinna Vossius, »Die Witwen meines Mannes«
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 392
Melinda Metz / Marie Matisek / Laura Jane Williams / Casey McQuiston / uvm.
Ausgewählte Leseproben von Melinda Metz, Marie Matisek, Laura Jane Williams, Casey McQuiston uvm.
Knaur eBooks
Lässt du dich gerne in romantische Welten entführen? Sehnst du dich nach der einen großen Liebe? Kannst du dir ein Leben ohne Leidenschaft auch nicht vorstellen? Dann ist dieser Leseproben-Mix genau das Richtige für dich!
Dich verzaubern prickelnde Zufallsbegegnungen? Dann finde in »Dein Lächeln um halb acht« heraus, ob Daniel es schafft, mit einer Anzeige in der Zeitung das Mädchen mit den Kaffeeflecken auf dem Kleid wiederzufinden, dem er in der Londoner U-Bahn begegnet ist. Du magst »Royal Blue«? Dann fiebere mit dem Präsidentensohn Alex mit, der nach einem Staatsbesuch in England feststellen muss, dass er für den britischen Kronprinzen mehr als nur freundschaftliche Gefühle empfindet. Oder lass dich z.B. von den heißen Beats und frechen Dialogen zwischen dem Klavier-Wunderkind Summer und dem DJ Gabriel in den Bann ziehen, die im Roman »Beat it up« bei einem Festival aufeinandertreffen.
Diese und weitere Liebesgeschichten von Autoren wie Marie Matisek, Lily Oliver und vielen mehr findest du in den Vorab-Leseproben zu den verführerischen Liebesromanen des Knaur Verlages, die im Frühjahr 2020 erscheinen.
Vorwort
Williams – DEIN LÄCHELN UM HALB ACHT
McQuiston – Royal Blue
Matisek – Der Schmetterlingsgarten
Tack – BEAT IT UP
Metz – Eine Samtpfote stiehlt Herzen
Oliver – Du und ich ein letztes Mal
Henry – Verliebt in deine besten Seiten
Morrey – Sterne bei Tag
Steffi von Wolff – Das legt sich wieder
Ziegler – Sauer macht listig
Anna Herzblum – Die Liebe wohnt im zweiten Stock links
Vossius – Die Witwen meines Mannes
Liebe Leserinnen … und Leser,
freuen Sie sich auch schon wieder so auf wärmere Zeiten? Auf Frühlingsgefühle, Sonne und darauf, mit einer Strandlektüre über Liebe und Leidenschaft zu schwärmen? Dann sind unsere neuen romantischen Aussichten genau das Richtige für Sie. Wir haben zwölf exklusive Vorab-Leseproben aus unserem kommenden Frühjahrsprogramm für Sie zusammengestellt – auch diesmal werden Sie wieder herzhaft mitlachen, verträumt schwärmen und die eine oder andere Träne vergießen.
Wir starten mit unserem besonderen Highlight: »Dein Lächeln um halb acht« von Laura Jane Williams, die perfekte Lektüre für Pendler, die im morgendlichen Alltagstrott gerne mal ein bisschen träumen. Nadia und Daniel sehen sich jeden Morgen in der 7:30-Bahn. Sie fällt ihm sofort auf, und er schreibt eine Anzeige in die Tageszeitung: An das süße Mädchen mit den Kaffeeflecken auf dem Kleid. Ich bin der Typ, der immer in der Nähe der Tür steht und darauf hofft, dich wiederzusehen … Lust auf 'nen Drink? Doch die Liebe folgt keinem Zugfahrplan, und sie verpassen sich immer wieder knapp.
Martin, der Protagonist im »Schmetterlingsgarten«, hat nur wenig mit Frauen am Hut, seine große Leidenschaft sind die Schmetterlinge. Doch als er nach Capri kommt und dort Lucia, die Hüterin eines geheimnisvollen Gartens, kennenlernt, entdeckt er die Liebe … Wer sich mit der Lektüre in die turbulente Geborgenheit einer italienischen Großfamilie flüchten will, ist bei Marie Matisek goldrichtig. Und für Garten- und Schmetterlingsfans ist dieser stimmungsvolle Roman fast schon ein Muss!
Auch unsere Tierfreundinnen kommen nicht zu kurz:
Der zweite Teil der Samtpfoten-Serie »Eine Samtpfote stiehlt Herzen« lässt die Herzen der Katzenliebhaber höherschlagen. Der Kater MacGyver, der im Storybook Court mitten in Hollywood wohnt, hat eine neue Liebesmission. Während sein Frauchen Jamie in den Flitterwochen ist, will er seine nach Sorgen und Einsamkeit riechende Katzensitterin Briony mit dem gestressten, aber attraktiven Seniorenheimleiter Nate verkuppeln.
Besonders unseren jungen Lesern möchten wir unseren Geheimtipp »Royal Blue«, einen etwas anderen Liebesroman, ans Herz legen: Als seine Mutter zur ersten Präsidentin der USA gewählt wird, wird Alex Claremont-Diaz über Nacht zum Liebling der Nation: attraktiv, charismatisch, clever – ein Marketingtraum für das weiße Haus. Nur auf diplomatischer Ebene hapert es bei Alex leider ein wenig. Bei einem Staatsbesuch in England eskaliert Alexʼ schwelender Streit mit dem britischen Thronfolger Prinz Henry. Als die Medien davon Wind bekommen, verschlechtern sich die Beziehungen zwischen den USA und England rapide. Zur Schadensbegrenzung sollen die beiden jungen Männer medienwirksam ihre Versöhnung vortäuschen. Doch was, wenn Alex und Henry dabei feststellen, dass zwischen ihnen eine Anziehung existiert, die über eine Freundschaft weit hinausgeht?
Die amerikanische Journalistin und Autorin Casey McQuiston hat mit »Royal Blue« die Bestsellerlisten in den USA im Sturm erobert. Ihre Liebesgeschichte um Alex, den Sohn der amerikanischen Präsidentin, und Prinz Henry ist zu Herzen gehend romantisch und sprüht nur so vor positiver Energie.
Mit dem Roman »Beat it up« von Stella Tack geht es auf die heiße Atmosphäre eines Musikfestivals, und in »Sterne bei Tag« begleiten wir die einsame Protagonistin Missy dabei, wie sie neue Hoffnung schöpft.
Diese und weitere Liebesgeschichten von Erfolgsautoren wie Emily Henry, Lily Oliver und vielen mehr finden Sie in den Vorab-Leseproben zu den Liebesromanen des Knaur-Verlages, die bei uns im Frühjahr 2020 erscheinen.
Lassen Sie sich verführen in die Welt der Romantik und fiebern Sie mit auf der Suche nach der großen Liebe.
Ihr Knaur-Team
DEIN LÄCHELN UM HALB ACHT
»Scheiße. Scheiße, scheiße, scheiße.«
Nadia Fielding stürmte die Rolltreppe der U-Bahn-Station hinunter. Ihre neuen Sandalen schlackerten wie wild unter ihren Füßen. Wenn die Leute ihr nicht wegen ihres Fluchens aus dem Weg gingen, dann würden sie es mit Sicherheit wegen des lauten Klatsch-Geräusches tun, das jedes Mal ertönte, wenn eine Sohle auf eine Stufe traf. Sie verfluchte sich dafür, den Instagram-Link angeklickt zu haben, und sie verfluchte die Bloggerin, die die schwarzen Lederscheusale so präsentiert hatte, als wären sie schick – und bequem – genug, um sie zu kaufen. Sie hatte schon jetzt Blasen. Fick dich, @whiskyandwhimsies, dachte Nadia. Ich hoffe, dein nächster gesponserter Trip an die Amalfiküste fällt flach.
Mit dem Kaffee, den sie unsicher in der Hand hielt, der Tasche, die von ihrer Schulter rutschte, und der Sonnenbrille, die von ihrem Kopf zu gleiten begann, war Nadia ein Bild des Chaos – aber sie würde einen Teufel tun und den Halb-acht-Zug nicht erwischen. Heute war der erste Tag in ihrem neuen Leben, und zum neuen Ich-ändere-mein-Leben-Plan gehörte es, den Zug pünktlich zu erreichen.
Sie hatte damit zu kämpfen. Ausgehabende mit Emma oder Gaby (Sie kurierte ihr angeknackstes Herz! Wein schmeckt so köstlich!) führten dazu, dass Nadia eben nicht um Mitternacht im Bett war, und auch ihre Neigung, eher eine Nachteule als eine Frühaufsteherin zu sein (Die Vorstellung, dass es Leute gab, die vor der Arbeit Superspinning machten, ließ sie erschaudern!), führte dazu, dass die Schlummertaste ihre beste Freundin war. Sie schaffte es nur ungefähr einmal die Woche, normalerweise montags, pünktlich zur Arbeit zu kommen. Sie dankte Gott dafür, dass sie allein in einer Wohnung lebte, die streng genommen ihrer Mutter gehörte, was aber bedeutete, dass sie nicht auf Mitbewohner angewiesen war. Egal, wann sie aufstand, es gab nie eine Schlange vor dem Badezimmer.
Jeder Montag war der wöchentliche Versuch eines Neustarts – aber bis Nadia am Montagabend eine Netflix-Serie einschaltete, hatte sich oft nur wenig verändert. Vom Aufstehen bis kurz vor der Mittagspause hielt sie sich immer sehr gewissenhaft an den Plan. Es waren die Montagnachmittage, die ihr den Rest gaben. Sie war machtlos dagegen. Die Arbeitswoche war einfach so quälend lang, und sie verbrachte ihr ganzes Leben damit, sich selbst hinterherzulaufen. Sie war es leid, erschöpft zu sein. Ein viraler BuzzFeed-Artikel hatte es den »Millenials-Burn-out« genannt. Aber das hieß nicht, dass Nadia nicht Großes erreichen konnte, wenn sie es sich in den Kopf setzte – erst kürzlich hatte sie sich alle sieben Staffeln von The Good Wife in weniger als drei Wochen reingezogen. Aber bedauerlicherweise gab es keine Möglichkeit, ihr Talent für Fernsehorgien, bei denen amerikanische Anwältinnen in unerhört engen Röcken freche Retourkutschen auf chauvinistische Sprüche gaben, erfolgreich für eine Festanstellung einzusetzen. Und so ging ihr Leben im Chaos weiter. Na ja, bis heute. Heute war der erste Tag vom Rest ihres Lebens.
Nadias neuer Ich-ändere-mein-Leben-Plan war nicht mit einem Neustart zu verwechseln, denn diesmal würde sie, anders als bei früheren Versuchen, nicht scheitern. Diesmal würde es anders sein. Sie würde anders sein. Sie würde die Frau werden, die sich selbst immer einen Schritt voraus war. Die Art Frau, die ihre Mahlzeiten für die Woche in zusammenpassenden Tupperdosen vorbereitete, die ihren Reisepass nicht eine Woche vor dem Urlaub zu horrenden Kosten verlängern musste, sondern die sich drei Monate im Voraus darum kümmerte und bei dem Ausfüllen des verwirrenden Formulars nicht die Nerven verlor. Sie würde die Art Frau werden, die eine umfassende Lebensversicherung und einen Schrank voller Kleider hatte, die bereits gebügelt waren, anstatt im Krisenmodus, fünf Minuten bevor sie zum Bus rennen musste, zerknitterte Kleider von & Other Stories zu bügeln. Wenn ihr neuer Plan ihre neue Wirklichkeit wurde, dann würde Nadia ein Vorbild perfekter Organisation und rundum Zen sein. Namaste statt schlaf weiter. Sie würde die Gwyneth Paltrow von Stamford Hill sein, nur mit etwas schieferen Zähnen.
»Verzeihung! Entschuldigen Sie!«, kreischte sie und meinte niemanden im Speziellen und zugleich alle, während sie auf den Bahnsteig stürzte. Normalerweise hasste sie die Leute, die sie in U-Bahn-Stationen und an Bushaltestellen aus dem Weg schubsten, als wären sie die Einzigen, die dringend irgendwohin mussten. Mehr als einmal hatte sie einem Ellbogenrempler ein betont entnervtes »Entschuldigen Sie sich gefälligst!« hinterhergeschrien. Aber heute, an diesem Morgen, war sie der egoistische Trampel, der sich durch das Pendlergewühl drängelte, und sie hatte keine Zeit, sich dafür zu schämen. Die neue Nadia war vielleicht ein bisschen ruppiger als ihr altes Selbst, aber gottverdammt, sie war auch pünktlicher. (Auf einmal hörte sie ein Echo, die schrille Stimme ihrer ehemaligen Englischlehrerin: »Früh dran zu sein heißt, pünktlich zu sein, pünktlich zu sein heißt, zu spät zu sein … und zu spät zu sein, ist absolut inakzeptabel!«)
»Halt, stopp! Warten Sie!«, schrie Nadia. Sie war zwar vier rasche Schritte von dem U-Bahn-Waggon entfernt, aber bei dem Tempo würde sie dennoch gleich gegen geschlossene Türen knallen, wenn sie nicht irgendjemand entgegen den Vorschriften der Londoner Verkehrsbetriebe mit Gewalt offenhielt. »HaltHaltHaltHalt!« Ihre Stimme erreichte eine nur von Delfinen identifizierbare Tonhöhe. Wie in Zeitlupe streckte sich eine Hand aus und drückte die Tür zurück, sodass Nadia in den Zug springen konnte. Ihre Fake-Ray-Ban-Sonnenbrille knallte ihr ins Gesicht, und sie war für einen Moment geblendet vom Dunkel. Die Türen schnappten hinter ihr zu. Sie hatte es geschafft. Knapp.
Mit ein bisschen Übung, dachte Nadia auf einmal selbstgefällig, kann ich diese neue Routine schon hinkriegen. Sie murmelte ein Dankeschön und steuerte den einzigen freien Platz an, um ihren Kaffee im Sitzen auszutrinken. Es hatte sie viel Überredungskunst und Anstrengung gekostet, aber in den eineinhalb Stunden, die sie bis jetzt auf den Beinen war, war sie durchaus beeindruckt davon, wie sie ihre selbst auferlegten Regeln eingehalten hatte. Neunzig Minuten genau nach Plan waren schließlich besser als neunzig Minuten ohne einen Plan.
Der neue Ich-ändere-mein-Leben-Plan umfasste, neben dem Punkt, morgens um halb acht auf dem Bahnsteig zu stehen, um den Zug von der Angel Station nach London Bridge zu nehmen, auch weitere Regeln, und zwar:
Mindestens sieben Stunden Schlaf jede Nacht. Das bedeutete, spätestens um elf Uhr im Bett zu sein, also um elf Licht aus und Augen zu, nicht erst dann ins Bett gehen und die nächsten drei Stunden verbissen die heilige Dreieinigkeit von Instagram, Twitter und E-Mail checken – und sich am Morgen wundern, warum sie nicht aufstehen kann, und gleichzeitig den Verdacht hegen, dass das Leben aller anderen weitaus leichter und schöner ist als ihr eigenes.
Um sechs aufstehen, um eine Viertelstunde zu meditieren, dann eine Sojawachs-Duftkerze entfachen, während sie sich in aller Ruhe und Gelassenheit für die Arbeit fertig machte, so wie Oprah Winfrey oder vielleicht die Herzogin von Sussex.
Anstatt sich an der U-Bahn-Station einen dreifachen, extra großen Cappuccino zu kaufen (Nadia war sich sicher, dass sie davon Pickel bekam – sie hatte den Trailer eines Dokumentarfilms über die Hormone in der Milch gesehen), von zu Hause einen selbst gemachten »Bulletproof Coffee« in einem wiederverwendbaren Becher mitnehmen. Von Bulletproof Coffees hatte sie durch einen Hollywoodstar erfahren – eine Frau, die ihr Leben und ihre Trainingseinheiten in Echtzeit auf Instagram dokumentierte und die ungesalzene Butter in ihren morgendlichen Espresso tat, um Energiepegel und Kackzeiten zu regulieren. (»Das ist ja, als würde man einen grünen Smoothie mit Vanilleeis machen«, hatte sich ihre Mutter in einer E-Mail empört, wofür Nadia zu ihrem Leidwesen keine wissenschaftliche Erwiderung hatte. »Wenigstens trinke ich ihn aus einem umweltfreundlichen Mehrwegbecher«, hatte sie schließlich entgegnet und sich gefragt, ob ihre Mutter vielleicht doch recht hatte.)
Das Vertrauen in die Romantik nicht verlieren: Nur weil ihr Ex, der Grässliche Ben, tatsächlich grässlich war, durfte sie nicht denken, dass alle Männer so sind, und es war wichtig, sich den Glauben an die Liebe zu bewahren.
Nadia hatte sich außerdem vorgenommen, jeden Morgen vor allen anderen im Büro zu sein. Sie arbeitete im Bereich künstliche Intelligenz an einer Technologie, die selbstständiges Denken und einfache menschliche Tätigkeiten wie das Auffüllen von Regalen und Beschriften von Kartons übernehmen könnte, mit dem Ziel, die Lagerhaltung in ihrem Unternehmen komplett auf KI umzustellen. Nadias Plan sah vor, bei der Überprüfung der Prototypenentwicklungen vom Vortag immer einen Vorsprung zu bekommen – bevor die unvermeidlichen Meetingschleifen begannen, die sie alle sechs bis neun Minuten unterbrachen und ihre Konzentration ruinierten, bis sie schreien oder weinen wollte, je nachdem, in welcher Phase ihres Menstruationszyklus sie sich befand.
Ihre Selbstzufriedenheit an diesem Morgen war jedoch von kurzer Dauer. Der Zug kam mit einem plötzlichen Ruck zum Stehen, und heiße braune Flüssigkeit schwappte aus der Öffnung ihres Mehrwegbechers und sickerte durch den Saum ihres hellblauen Kleids bis auf ihre Haut.
»Scheiße«, sagte sie noch einmal, als ob sie, eine Frau, die für ein sechsköpfiges Team verantwortlich war, 38 000 Pfund im Jahr verdiente und zwei Abschlüsse hatte, keine anderen Wörter wüsste.
Ihre beste Freundin Emma nannte Nadias Kaffeesucht eine Bewusstseinsfindung in einem Becher. Sie brauchte Koffein, um als Mensch zu funktionieren. Sie stöhnte laut auf und zog einen Schmollmund vor dem Schandfleck, mit dem sie nun den ganzen Tag herumlaufen musste. Sie schalt sich dafür, dass sie nicht geschickter war – eine Meghan bloody Markle hatte nie Flecken auf der Kleidung.
Nadia zückte ihr Handy und schrieb ihrer besten Freundin Emma, um ein bisschen Stimmung in den Montagmorgen zu bringen.
Morgen, meine Liebe! Wollen wir diese Woche in den neuen Film mit Bradley Cooper gehen? Ich brauche etwas in meinem Terminkalender, auf das ich mich freuen kann …
Sie saß da und wartete auf die Antwort ihrer Freundin. Es war heiß in der U-Bahn, selbst zu dieser frühen Stunde, und in ihrem Nacken hatte sich eine winzige Schweißperle gebildet. Sie nahm Körpergeruch wahr und war prompt besorgt, dass er von ihr stammen könnte.
Nadia versuchte, unauffällig den Kopf zur Seite zu drehen und so zu tun, als müsste sie husten, um ihre Schulter hochzuziehen und ihre Nasenlöcher näher an ihre Achseln zu bringen. Sie roch nach Deo. Sie hatte einmal etwas über den Zusammenhang zwischen Deos und Brustkrebs gelesen und vor ein paar Sommern drei Wochen lang versucht, einen Kristallstift als natürliche Alternative zu benutzen, aber Emma hatte sie beiseitegenommen und ihr unmissverständlich klargemacht, dass er unwirksam war. Heute war sie hundert Prozent aluminium- und schweißfrei – mit Gurken- und Grüntee-Dove.
Erleichtert sah sie sich nach dem Schuldigen um. Sie registrierte eine Gruppe Touristen, die sich über einem Stadtplan stritten, eine Nanny mit drei blonden Kindern und einen süßen Typen, der neben den Türen Zeitung las und ein bisschen wie das Model in der neuen John-Lewis-Werbung aussah. Schließlich landete ihr Blick auf den feuchten Flecken unter den Achseln des Typen, der genau vor ihr stand. Sein Schritt war fast auf ihrer Augenhöhe. Ekelhaft. Die morgendliche Fahrt zur Arbeit war wie eine Reise auf der Arche Noah – wilde Tiere, unnatürlich eng zusammengepfercht, in einer Körpergeruchs-Dunstwolke wie an einem Samstagnachmittag im Sportgeschäft.
Sie wartete auf ihre Station, während sie den Blick müßig durch den Waggon schweifen ließ, und versuchte, nicht einzuatmen. Sie sah beiläufig zurück zu dem Mann mit der Zeitung, der neben den Türen stand. Genau mein Typ, dachte sie unwillkürlich. Ihr Handy piepste. Sie wandte den Blick von ihm ab, um Emmas Nachricht zu lesen, und vergaß ihn.
Daniel Weissman konnte es nicht glauben. Als sie in die Angel Station einfuhren, war sie um die Ecke geschlittert, und er hatte den Atem angehalten, während er die Tür aufhielt, wie in einem Taylor-Swift-Song über einen harmlosen Beginn, ein Happy End und eine Liebe, die schon immer sein sollte. Nicht dass Daniel in dieser Hinsicht rührselig klingen wollte. Er fühlte sich nur jedes Mal seltsam und kribbelig und wurde sentimental, wenn er an sie dachte. Diese Wirkung hatte sie auf ihn. Daniel fiel es schwer, seine Fantasie im Zaum zu halten.
Er versuchte von seinem Stehplatz aus einen Blick auf sie zu erhaschen – sie hatte sich zur Mitte des Waggons durchgeschlängelt, und er konnte knapp ihren Kopf erkennen. Ihre Haare sahen immer zerzaust aus, aber nicht so, als ob sie nicht auf sich achtete. Sie waren zerzaust wie bei jemandem, der gerade von einem großen Abenteuer zurückkehrt – oder vom Strand. Vermutlich hatte diese Frisur einen bestimmten Namen, aber Daniel kannte ihn nicht. Er wusste nur, dass sie ziemlich genau sein Typ war. Es war zwar peinlich, aber in einer Reklame in der Werbepause für Die Lustvilla kam ein Mädchen vor, das genauso aussah wie sie, und wenn Daniel sie eine Weile nicht gesehen hatte, konnte ihn sogar das wehmütig und nachdenklich stimmen. Es war wirklich beschämend.
Die Lustvilla war Daniels sommerliche Reality-TV-Dröhnung: Romantik, Verführung, gute Laune. Daniel tat, als würde es ihn nerven, dass der Fernseher jeden Abend um 21 Uhr für die Serie eingeschaltet sein musste, aber er war immer wie zufällig um 20:58 Uhr im Wohnzimmer und machte es sich mit seiner Tasse Tee in dem großen Sessel, mit der besten Sicht auf den Breitbildfernseher, bequem. Sein Mitbewohner Lorenzo tat, als würde er den angeblichen Zufall nicht bemerken, und sie sahen sich die Sendung jeden Abend gemeinsam an. Sie sprachen nicht darüber – und niemand hätte es bei Lorenzos Verhalten vermutet –, aber sie waren beide auf der Suche nach einer festen Beziehung. Also war es durchaus informativ, im Rahmen einer täglichen Show, die echte Beziehungen zeigte, zu sehen, was Frauen mochten und was nicht. Daniel benutzte die Sendung, um sein Selbstvertrauen aufzubauen. Er machte sich Notizen und lernte Lektionen. Gestern Abend hatte der Typ, der dort offenbar als eine Art Underdog dabei war, endlich seine andere Hälfte gefunden, und hier war Daniel, in diesem Moment, heute. Er wollte nicht der Underdog in seinem eigenen Leben sein. Diese Show gab ihm das Gefühl, es sich selbst schuldig zu sein, es mit dieser Frau wenigstens zu versuchen. Nur um zu sehen, was passierte.
Daniel konnte nicht umhin, über die glückliche Fügung dieses Morgens zu staunen. Wie groß war die Chance, dass sie an dem Morgen, an dem die Anzeige erschienen war, genau an ihm vorbeistolpern würde? Sie waren nur ein paarmal, einschließlich heute, zur selben Zeit im selben Zug gewesen. Er zwang sich, tief einzuatmen. Er hatte es getan, er hatte eine Anzeige geschaltet in der Rubrik Missed Connections, damit sie vielleicht, hoffentlich, auf ihn aufmerksam würde. Nun bekam er aber kalte Füße. Was, wenn sie ihm ins Gesicht lachte und ihn einen Loser nannte? Einen Träumer? Was, wenn sie allen in der Arbeit – ihrer Arbeit, oder seiner Arbeit – erzählte, wie erbärmlich er war. Wie er überhaupt darauf kommen konnte, zu glauben, er sei gut genug für sie. Vielleicht würde sie es auf Twitter viral verbreiten oder sein Bild auf ihrer Instagram-Seite posten. Einerseits wusste er, dass sie zu nett war, um je so grässlich zu sein, aber andererseits flüsterte eine leise Stimme in seinem Hinterkopf, dass genau das passieren würde. Er schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu verscheuchen. Die Liebe trieb ihn in den Wahnsinn. Oder war er vielleicht wahnsinnig vor Liebe?
»Mann, das ist keine Liebe«, hatte Lorenzo gesagt. Er hatte den Blick nicht einmal vom Fernseher abgewandt, um sein vernichtendes Urteil zu fällen. »Du willst sie nur flachlegen.«
Daniel wollte sie nicht nur »flachlegen«. Darum ging es überhaupt nicht. Aber vermutlich sollte er sie nicht schweigend und aus der Ferne anstarren. Das war ein bisschen seltsam. Es war nur so … na ja … Die Regeln, nach denen man eine Frau scheinbar aus heiterem Himmel ansprechen konnte, waren so undurchschaubar. Er konnte sich ihr wohl kaum eiskalt nähern wie irgendein U-Bahn-Psychopath, den sie abschütteln müsste, indem sie ausstieg und so tat, als wäre sie bei ihrer Station angekommen, um dann schnell wieder in einen anderen Waggon zu schlüpfen. Aber er wusste auch, wenn irgendwelche Typen in seinem Leben ihm sagen würden, dass sie eine Frau, mit der sie nie ein Wort gewechselt hatten, zu verführen versuchten, indem sie eine Anzeige in die Zeitung setzten und sie dann irgendwo hinter Moorgate verstohlen anstarrten, würde er ihnen sanft nahelegen, dass es vermutlich nicht der moralisch einwandfreieste Plan war. Er versuchte, romantisch zu sein, aber gleichzeitig sein Gesicht zu wahren. Er hoffte, er hatte die richtige Balance gefunden.
In seinem Kopf lief die Fantasie so ab: Sie würde die Zeitung lesen und seine Nachricht sehen und prompt aufblicken, und er würde genau dort stehen, neben den Türen, wie er es geschrieben hatte. Sie würden Blickkontakt aufnehmen. Sie würde schüchtern lächeln, und er einfach »Hallo« sagen. Das wäre der Anfang vom Rest ihres Lebens. Wie im Film. Und in diesem Film stünden nicht fünf spanische Touristen über einen Stadtplan gebeugt zwischen ihnen, würden nicht unverständliches Zeug brabbeln, aus dem hin und wieder ein falsch ausgesprochenes »Leicester Square« schwappte. Scheiße. Wo war sie? Oh, es war schrecklich.
Der Zug fuhr in London Bridge ein, und als er sie endlich entdeckte und sah, wie sie sich zum Ausgang vordrängte, war ihm klar, dass der Moment, auf den er gehofft hatte, nicht stattfinden würde. Es gab keinen Blitzschlag. Die Welt würde sich nicht verlangsamen, während sich ihre Blicke trafen. Sie hatte ihn kaum wahrgenommen, als er die Türen aufhielt und ihr somit half, in den Zug zu steigen. Sie war in Eile und abgelenkt, ihr »Danke« war nur im Vorbeigehen dahingehaucht. Während er versuchte, mit ihr Schritt zu halten, wurde Daniel bewusst, dass er von sich selbst und von der Situation enttäuscht war. Er hatte sich diese Szene wochenlang ausgemalt, und jetzt … nichts.
Auf einmal blieb sie inmitten der aussteigenden Pendler stehen, um irgendetwas auf ihrem Handy nachzusehen, aber er konnte schlecht seine Schritte ebenfalls verlangsamen, geschweige denn neben ihr stehen bleiben, oder? Daher ging er weiter und wartete am Ausgang. Er war sich nicht sicher, worauf. Vermutlich einfach darauf, sie zu sehen. Sie noch einmal zu sehen, an dem Tag, an dem er den ersten Schritt gewagt hatte. Er wollte sich in Erinnerung rufen, dass es echt war, dass sie echt war, auch wenn sein Plan nicht aufgegangen war.
Wenn er Lorenzo berichten würde, wie der Morgen gelaufen war, würde er diesen Teil weglassen – den Teil, wo er auf sie wartete. Was tat er hier eigentlich? Er würde nicht wirklich auf sie zugehen und sie ansprechen. Sie hatte das Recht zu existieren, ohne dass er sie belästigte. Er schüttelte den Kopf. Komm schon, Mann, reiß dich zusammen, befahl er sich. Und machte sich auf den Weg zu seinem Büro. Sein Herz hämmerte laut und schnell und zerstörerisch in seiner Brust.
Er hatte es vermasselt.
Er war zutiefst enttäuscht.
Sie hatte seine Anzeige nicht gesehen.
Was für eine verschwendete Geste.
Du verdammter Idiot, murmelte er vor sich hin, ohne zu ahnen, dass es genau seine Anzeige war, die Nadia oben auf dem Bahnsteig aufhielt.
Nads, das ist grad kein Witz, schau mal, meinst du nicht, dass du gemeint bist?!
Nadia tippte auf das Foto, das Emma ihr geschickt hatte, während sie sich durch die ihr entgegenkommende Pendlerflut kämpfte.
Das Foto war eine Nahaufnahme aus der heutigen Zeitung, genauer gesagt aus der Missed-Connections-Rubrik. Hier schrieben Pendlerinnen und Pendler, die jemanden interessant fanden, den sie in der Bahn oder im Bus gesehen hatten. Sie gaben Hinweise auf ihre eigene Identität und machten sich Hoffnung auf ein Date. Nadia und Emma waren besessen von Missed Connections. Es war eine Mischung aus Entsetzen und Ehrfurcht, ähnlich ließ sich auch ihre Hassliebe zum Reality-TV erklären.
Die Paarungsrituale der Geschlechter waren eine stetige Quelle der Faszination. Bevor Emma die Restaurantkritik-Kolumne bekam – von der Nadia als ihre Begleitperson oft profitierte –, war sie Dating-Kolumnistin bei einem der wöchentlichen Frauenmagazine. Ihren Schreibstoff recherchierte sie hauptsächlich bei After-Work-Drinks mit Nadia, manchmal war Nadias beste Arbeitsfreundin Gaby auch dabei.
Romantik, Lust, Sex und Beziehungen waren ihre großen Themen. Seit sie sich kannten, lohnte sich sogar ein schlechtes Date, denn dann hatten sie eine haarsträubende Geschichte, die sie am nächsten Tag zum Besten geben konnten. Da gab es den Vier-Finger-im-Hintern-Kerl und den geschiedenen Typen, der beim ersten Date erklärte, seine Frau hätte ihn verlassen, weil er »sie nicht befriedigen konnte – du weißt schon, sexuell«. Es gab den »Um genau zu sein, lebe ich in einer offenen Ehe, meine Frau weiß nur nichts davon«-Mann, und den einen, der an dem Ekzem hinter seinem Ohr kratzte und dann Hautfetzen zum Bier kaute.
Emma hatte einmal zufällig drei Dates mit einem Mann, mit dem Gaby davor ausgegangen war – Gaby hatte ihn abserviert, weil er sich weigerte, ein Kondom zu benutzen, und das erfuhr Emma erst, nachdem sie ihn abserviert hatte, weil … er sich weigerte, ein Kondom zu benutzen. Aus irgendeinem Grund hatten alle drei mehr als eine Handvoll Männer namens James getroffen, sodass sie sie irgendwann durchnummerierten: James eins, James sechs, James neun. Der denkwürdigste Typ war Perioden-Pete, ein Freund eines Freundes, der gern menstruierende Frauen oral befriedigte, und die drei kamen kollektiv zu dem Schluss, dass er an einem nicht diagnostizierten Eisenmangel leiden musste.
Nadia, Gaby und Emma hatten sich über sie alle ausgetauscht und versucht, das Rätsel »Mann« zu verstehen. Na ja, bis auf den, der sagte, er würde »mindestens die nächsten fünf Jahre« zu beschäftigt sein, um eine Freundin zu haben. Nadia hatte ihm nicht mehr geantwortet. Er war ein Rätsel, das zu lösen sich nicht lohnte. Sie wollte keinen Mann, dem sie Freundlichkeit erst beibringen musste.
Nadia fragte sich, ob sich das alles ändern würde, wenn eine von ihnen je heiraten sollte – ob sie dann aufhören würden, sich alles über ihr Sex- und Liebesleben zu erzählen. Sie hoffte, dass dies nicht passieren würde. Sie hoffte, dass es selbst in einer Ehe oder nach fünfzig Jahren mit ihrem hypothetischen Typen immer noch Romantik und Rätsel und Spannung geben und sie mit ihren Freundinnen darüber plaudern wollen würde. Sie hatte in einem Esther-Perel-Psychologie-Podcast gehört, dass das wichtig war. Für eine Frau, die in der Vergangenheit nicht besonders erfolgreich in Sachen Liebe war, verbrachte Nadia auf jeden Fall viel Zeit damit, darüber zu recherchieren.
Das Foto, das Emma geschickt hatte, baute sich auf, und Nadia las:
An die hinreißende blonde Frau in der Northern Line mit der schwarzen Designer-Handtasche und den Kaffeeflecken auf dem Kleid: Du steigst an der Angel Station ein, in den Halb-acht-Zug, immer an dem Ende nahe der Rolltreppe und immer in Eile. Ich bin der Typ, der in der Nähe der Türen deines Waggons steht und hofft, dass heute ein Tag ist, an dem du nicht verschlafen hast. Hättest du Lust, mit mir was trinken zu gehen?
Nadia blieb stehen, sodass eine Frau hinter ihr ausweichen musste und »Oh, Herrgott noch mal« murmelte.
Sie las die Nachricht noch einmal.
Die hinreißende blonde Frau in der Northern Line mit der schwarzen Designer-Handtasche und den Kaffeeflecken auf dem Kleid. Sie schnellte herum und sah zurück zu dem Zug, aus dem sie eben ausgestiegen war. Er war bereits abgefahren. Sie ließ die Hand sinken und glitt mit einem Finger über den braunen Fleck auf ihrem Kleid. Sie sah auf ihre Handtasche. Sie schrieb Emma eine WhatsApp zurück.
!!!!!!!!!, tippte sie einhändig. Und dann: Ähm … lol, vielleicht?!
Gleich darauf besann sie sich eines Besseren: Aber die Chancen sind minimal, oder?
Sie grübelte noch ein bisschen. Sie und Emma waren sich nicht einmal sicher, ob Missed Connections überhaupt echt war. Aus dem Grund erschien ihr ihre erste Reaktion immer unangebrachter. Nadia und Emma war es im Grunde egal, ob die Rubrik ein Fake war oder nicht – allein die Vorstellung, dass ein Fremder jemanden suchte, zu dem er eine flüchtige Verbindung verspürte, war so witzig. Es war wie in dem Song von Savage Garden: »I knew I loved you before I met you«.
Es war romantisch auf die Art: »Du bist eine leere Leinwand, auf die ich meine Hoffnungen und Träume projizieren kann.«
Romantisch wie: »Fantasien haben keine Probleme, daher ist das hier besser als das richtige Leben.«
Und: »Unsere Liebe wird anders sein.«
Missed Connections fühlte sich einfach viel mehr nach Romantik an, als sich mit der Dating-App Bumble zu beschäftigen. Sie bezweifelten zwar, dass man die Liebe über eine App finden konnte, auch wenn Tim, Emmas Bruder, es geschafft hatte. Er war für ein paar Wochen beruflich nach Chicago geflogen und hatte eine Dating-App benutzt, um eine Einheimische zu treffen, die ihm die Stadt zeigen könnte und vielleicht sogar einer kleinen Liebelei nicht abgeneigt wäre. Über diese App hatte Tim Deena kennengelernt, und der Legende nach hatte Tim, als Deena aufs Klo ging, sein Handy gezückt und die App gelöscht und sich binnen drei Monaten dorthin versetzen lassen, um bei ihr zu leben. Sie hatten in diesem Frühjahr geheiratet. Wunder geschehen, hatte Tim in seiner Ansprache gesagt. Ich habe die ganze Welt nach dir abgesucht, und da warst du und hast in Downtown Chicago, am Fensterplatz eines Restaurants, auf mich gewartet.
Emma schrieb: Hast du heute Morgen einen Kaffeefleck auf deinem Kleid, und hast du den Halb-acht-Zug genommen? Es ist Montag, daher nehme ich es mal an …
Nadia antwortete mit einem Schnappschuss, auf dem der Fleck von buttergeladenem Kaffee deutlich zu sehen war und man sah auch, dass sie sich ganz offensichtlich auf dem Weg zur Arbeit befand.
Aber, dachte Nadia … Es gab doch sicher eine Million Frauen in der Northern Line, die ihren Kaffee verschütteten und schicke Handtaschen trugen, die Familienangehörige in Designer Outlets aufgetrieben hatten. Und niemand war je bei irgendetwas pünktlich – nicht in London. Jede Menge Blondinen – hinreißende Blondinen – verpassten vermutlich ständig ihren planmäßigen Zug. Und ja, sie hatte nie wirklich darüber nachgedacht, wie sie am Fuß der Rolltreppe der Angel Station instinktiv jedes Mal nach links abbog und zum Ende des Gleises ging, aber das war etwas, was sie tat. Wer tat es sonst noch? Hunderte, bestimmt. Tausende? Schließlich war es die längste U-Bahn-Rolltreppe in London. Da hatten viele Leute Platz.
Also dann, schrieb Emma mit vielen Liebesherz-Emojis zurück, ich denke, wir sollten ein bisschen recherchieren …
Uaahh, antwortete Nadia. Das bin absolut nicht ich. Aber ich bin all den Frauen da draußen dankbar, die auch ihren Kaffee im Zug verschütten. Da fühle ich mich gleich besser, lol.
Aber du könntest es sein …, schrieb Emma.
Nadia dachte darüber nach. Zweiprozentige Chance, würd ich sagen, tippte sie. Und dann: Wenn überhaupt.
Dann schoss es ihr durch den Kopf: der Mann neben den Zugtüren, der die Zeitung gelesen hatte! Da war ein Typ! War er das? Männer mussten ständig neben der Tür stehen und die Zeitung lesen – die Anzahl männlicher Pendler, die unterwegs eine Zeitung mitnahmen, war statistisch gesehen ziemlich hoch. Nadia sah sich in der U-Bahn-Station um, ob sie den Typen irgendwo erkannte. Aber sie konnte sich nicht einmal erinnern, wie er ausgesehen hatte. Blond? Nein. Brünett? Auf jeden Fall gutaussehend. Oh, Gott.
Ein seltsames Gefühl von Hoffnung, dass sie gemeint war, überkam Nadia, aber gleichzeitig begriff sie, dass das nicht feministisch war. Sie musste nicht darauf warten, von einem geheimnisvollen Mann ausgewählt zu werden, um zu daten und glücklich zu werden. Oder?
Aber ihr neuer Ich-ändere-mein-Leben-Plan sah vor, dass Nadia daran glaubte, dass das Glück auf ihrer Seite war. Und wenn das Glück wirklich auf ihrer Seite war, dann war diese Anzeige vielleicht für sie bestimmt, und dieser Typ würde vielleicht kein unsicherer Loser sein. Der Grässliche Ben, ihr letzter Freund, hatte eine seltsam fragile Männlichkeit – er war emotional manipulativ und redete ihr so lange ein, sie sei im Unrecht, bis er ihr Selbstbewusstsein erschütterte. Das hatte er tatsächlich getan – er hatte ihr Selbstbewusstsein erschüttert. In den sechs Monaten, die sie zusammen waren, war sie fast zu der Überzeugung gelangt, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte. Sie verstand noch immer nicht, warum jemand so etwas tun würde: sagen, dass er sich in dich verliebt hatte, und dann beschließen, alles zu hassen, was ihn ursprünglich dazu gebracht hatte, es zu sagen. Sie fing gerade erst an, wieder zu sich selbst zu finden.
Nadia schauderte bei den unschönen Erinnerungen. Sie dachte noch immer jeden Tag an den Grässlichen Ben, aber wenn sie es tat, dankte sie jedes Mal dem Himmel, dass diese elende Phase zu Ende war. Sie konnte im Nachhinein nicht glauben, was sie sich alles hatte gefallen lassen. Von Zeit zu Zeit klickte sie sein Instagram-Profil an, um zu sehen, ob er noch immer derselbe schwierige, arrogante Arsch war wie eh und je. Er war es noch.
Aber jetzt, Monate nach ihrer Trennung, war Nadia immer noch verletzt und gleichzeitig auf der Suche nach einem neuen romantischen Seelentröster. Ein Typ, der ein bisschen nett zu ihr war, wäre schon mal ein Anfang, dachte sie, als ob die Messlatte dann nicht viel zu tief hängen würde. Vielleicht würde ihre eigene Zeitungsanzeige lauten: Mann gesucht, sollte den Anschein machen, mich zu mögen.
Ach, wem machte sie hier eigentlich was vor? Ihre Anzeige würde lauten: Gesucht: Mann mit gutem Selbstwertgefühl, einer ordentlichen Portion Humor und gesunder Mutterbeziehung. Muss Romantik und Reality-TV mögen und bereit sein, ein engagierter und aufmunternder Partner fürs Leben zu sein, im Tausch für genau das Gleiche. Muss außerdem verstehen, wie wichtig Cunnilingus und Pizza sind, natürlich nicht beides gleichzeitig. Zuerst komme ich, dann die Pizza.
Erwartete sie etwa zu viel? Sie dachte an Tim und Deena. Das könnte sie doch sicher auch haben.
Zwei Prozent sind mehr als null, schrieb Emma. Also los.
Nadia lachte, als sie die Rolltreppe endlich erreichte und dann in die frühmorgendliche Sommersonne trat. Wenn du das sagst, tippte sie zurück. Und bei sich dachte sie: Aber ich hänge meine Hoffnungen lieber nicht zu hoch.
Royal Blue
Auf dem Dach des Weißen Hauses, in einer Ecke der Terrasse, gibt es dort, wo der Wintergarten beginnt, ein loses Stück Vertäfelung. Wenn man richtig darauf klopft, kann man es so weit ablösen, dass man einen Schriftzug sieht, den jemand darunter eingeritzt hat, mit einem Schlüssel oder vielleicht auch einem geklauten Brieföffner, aus dem Westflügel.
In der geheimen Geschichte der Präsidentenfamilien – einer isolierten Gerüchteküche, deren Mitglieder in den meisten Punkten absolute Verschwiegenheit bei Todesstrafe geschworen haben – gibt es keine eindeutige Antwort, wer die Worte geschrieben hat. Sicher scheinen sich die Leute nur zu sein, dass allein der Sohn oder die Tochter eines Präsidenten es gewagt hätte, das Weiße Haus zu beschmieren. Manche schwören, dass es Jack Ford war, mit seinen Hendrix-Platten und zweistöckigen Zimmer, das einen Zugang zum Dach hatte, damit er spät nachts Raucherpausen machen konnte. Manche meinen, eine junge Luci Johnson mit einer großen Schleife im Haar. Wie auch immer.
Der Schriftzug steht noch da, ein geheimes Mantra für diejenigen, die findig genug sind, ihn zu entdecken.
Alex fand ihn innerhalb der ersten Woche, in der er dort wohnte. Er hat niemandem erzählt, wie.
Die Worte lauten:
REGEL #1: LASS DICH NICHT ERWISCHEN
Das östliche und westliche Schlafzimmer im zweiten Stock sind üblicherweise für die Präsidentenfamilie reserviert. Ursprünglich waren sie ein einziges riesiges Prunkschlafzimmer und während der Monroe-Regierung für Besuche des Marquis de Lafayette vorgesehen, doch irgendwann wurde das Zimmer geteilt. Alex hat das östliche, gegenüber vom Treaty Room, und June bewohnt das westliche, neben dem Aufzug.
Während ihrer Teenagerzeit in Texas waren ihre Zimmer genauso auf beiden Seiten des Flurs angeordnet. Damals konnte man erkennen, was June gerade werden wollte, wenn man ihre Wände betrachtete. Als sie zwölf war, hingen dort Aquarelle. Mit fünfzehn hatte sie Mondkalender und Edelsteintabellen. Mit sechzehn Artikel aus The Atlantic, ein Fähnchen von der University of Texas in Austin, Fotos von Gloria Steinem und Zora Neale Hurston sowie Auszüge aus den Schriften von Dolores Huerta.
Sein eigenes Zimmer sah stets gleich aus, füllte sich nur immer mehr mit Lacrosse-Pokalen und Hausarbeiten für die College-Kurse, die er schon früh besuchen durfte. Jetzt verstaubt das alles in seinem Elternhaus, das sie behalten haben. Seit sie nach Washington D. C. aufgebrochen sind, trägt er den Hausschlüssel immer an einer Halskette unter seinem Hemd.
Junes aktuelles Zimmer auf der anderen Seite des Flurs ist strahlend weiß, zartrosa und minzgrün, bekanntermaßen von alten Raumgestaltungszeitschriften aus den 1960ern inspiriert, die sie in einem der Wohnzimmer des Weißen Hauses gefunden hatte. Die Vogue hat hier ein Shooting veranstaltet. Sein eigenes Zimmer war einmal das Kinderzimmer von Caroline Kennedy und später das Büro von Nancy Reagan, weshalb June dort etwas Salbei räuchern musste. Er hat die Landschaftsillustrationen in einem ordentlichen symmetrischen Muster über dem Sofa hängen lassen, aber Sasha Obamas rosa Wände wurden in einem tiefen Blau überstrichen.
Zumindest die letzten paar Jahrzehnte haben die meisten Präsidentenkinder nur im Weißen Haus gewohnt, bis sie achtzehn waren, doch Alex hatte in dem Januar, als seine Mutter den Amtseid ablegte, gerade sein Studium an der Georgetown University begonnen, und logistisch betrachtet war es sinnvoll, sich die Leibwächter und die Kosten für die Einzimmerwohnung, die er in derselben Stadt bezogen hätte, zu sparen. Im Herbst jenes Jahres ist dann auch June im Weißen Haus eingezogen, den Abschluss von der University of Texas in der Tasche. Sie hat es nie gesagt, aber Alex ist sich darüber im Klaren, dass sie da ist, um ihn im Auge zu behalten. Sie weiß besser als jeder andere, wie sehr es ihm gefällt, dass er hier so viel Bedeutsames aus nächster Nähe miterleben kann, und hat ihn mehr als einmal aus dem Westflügel geschleift.
Hinter seiner Zimmertür kann er herumsitzen und auf dem Plattenspieler in der Ecke Hall & Oates abspielen, ohne dass jemand hört, wie er bei »Rich Girl« mitsummt, so wie sein Dad es immer getan hat. Er kann die Lesebrille tragen, von der er behauptet, dass er sie nicht braucht. Er kann sich so viele detaillierte Arbeitshilfen anlegen, wie er will – die Klebezettel darin sind nach Farben sortiert. Er wird nicht der jüngste gewählte Abgeordnete der Neuzeit werden, ohne es sich verdient zu haben, aber niemand braucht zu wissen, wie sehr er sich heimlich ins Zeug legt. Sein Kurs als Sexsymbol würde ins Bodenlose stürzen.
»Hey«, sagt eine Stimme an der Tür, und als er von seinem Laptop aufschaut, sieht er June, die sich in sein Zimmer schiebt, zwei Handys und einen Stapel Zeitschriften unter den Arm geklemmt und einen Teller in der Hand. Mit dem Fuß macht sie die Tür hinter sich zu.
»Was hast du heute mitgehen lassen?«, fragt Alex und räumt für sie einen Papierstapel beiseite.
»Ein paar Donuts«, sagt June, während sie aufs Bett steigt. Sie trägt einen Bleistiftrock und spitze rosa Ballerinas, und vor seinem inneren Auge sieht er schon die Modemagazine der nächsten Woche, mit ihrem heutigen Outfit als Aufhänger für einen gesponserten Text über Schuhe für berufstätige junge Frauen, die viel zu Fuß gehen. Er fragt sich, was sie den ganzen Tag getrieben hat. Sie hat eine Kolumne für die Washington Post erwähnt, oder war es ein Shooting für ihren Blog? Oder beides? Er kann sich das nie merken.
Sie hat ihren Zeitschriftenstapel auf der Tagesdecke abgeladen und sich bereits hineinvertieft.
»Du trägst deinen Teil dazu bei, dass die amerikanische Klatschbranche am Leben bleibt.«
»Dafür habe ich Journalistik studiert«, gibt June zurück.
»Irgendwas Gutes diese Woche?«, fragt Alex und greift nach einem Donut.
»Mal schauen«, meint June. »InTouch schreibt, ich date … ein französisches Model?«
»Stimmt das?«
»Schön wär’s.« Sie blättert ein paar Seiten weiter. »Oh, und angeblich hast du dir den After aufhellen lassen.«
»Das stimmt«, sagt Alex, den Mund voll Schokoteig.
»Dachte ich mir«, sagt June, ohne aufzusehen. Nachdem sie die Zeitschrift größtenteils durchgeblättert hat, schiebt sie sie ganz unten in den Stapel und macht mit People weiter. Gedankenverloren schaut sie sie durch – People bringt immer nur, was ihre Pressesprecher sagen. So öde. »Diese Woche gibt es nicht viel über uns … oh, ich komme in einem Kreuzworträtsel vor.«
Zu verfolgen, wie sie in der Klatschpresse dargestellt werden, ist gewissermaßen ein Hobby von ihr, wenn ihr langweilig ist, was ihre Mutter abwechselnd belustigt und nervt, und er ist narzisstisch genug, um sich von June die besten Stellen vorlesen zu lassen. In der Regel sind es entweder Lügengeschichten oder Aussagen, die der Zeitschrift von ihren PR-Leuten eingegeben wurden, aber manchmal ist es einfach witzig. Wenn er die Wahl hätte, würde er allerdings lieber eine der Hunderten leidenschaftlichen Fanfictions hören, die über ihn im Internet stehen, und eine überlebensgroße Version seiner selbst darstellen, mit umwerfendem Charme und unglaublichem Stehvermögen, doch June weigert sich strikt, sie ihm vorzulesen, egal, wie sehr er sie zu bestechen versucht.
»Mach Us Weekly«, sagt Alex.
»Hmm …« June durchsucht den Stapel. „Oh, schau, diese Woche haben wir es aufs Titelblatt geschafft.«
Sie zeigt ihm das glänzende Titelblatt, mit einem Foto von ihnen beiden in einer Ecke. June trägt eine Hochsteckfrisur, und er sieht aus, als hätte er etwas zu tief ins Glas geschaut, aber dennoch attraktiv, mit seinem kräftigen Kinn und den dunklen Locken. Darunter steht in fetter gelber Schrift die Schlagzeile: WILDE NACHT IN NEW YORK.
»Ja, das war echt eine wilde Nacht«, sagt Alex, lehnt sich gegen das Kopfteil aus Leder und schiebt seine Brille hoch. »Ganze zwei Hauptredner. Nichts ist so sexy, wie Krabbencocktails und anderthalb Stunden lang Reden über CO2-Ausstoß zu hören.«
»Hier steht, du hattest was mit einer mysteriösen Brünetten«, liest June vor. »Auch wenn die Präsidentinnentochter kurz nach der Gala von einer Limousine abgeholt und zu einer Promiparty gebracht wurde, hat man den einundzwanzigjährigen Adonis Alex dabei geknipst, wie er sich ins W Hotel schlich, um sich in der Präsidentensuite mit einer mysteriösen Brünetten zu treffen und sie gegen vier Uhr morgens wieder zu verlassen. Hotelinterne Quellen berichten, die ganze Nacht Liebesgeräusche aus dem Zimmer gehört zu haben, und es gibt Gerüchte, dass es sich bei der Brünetten um niemand anderen gehandelt habe als um … Nora Holleran, die zweiundzwanzigjährige Enkelin des Vizepräsidenten Mike Holleran und das dritte Mitglied des WH-Trios. Lassen die beiden ihre Romanze wiederaufleben?«
»Ja«, freut sich Alex hämisch, und June stöhnt auf. »Das ist kürzer als ein Monat. Du schuldest mir fünfzig Flocken, Süße.«
»Moment mal. War es wirklich Nora?«
Alex denkt an letzte Woche zurück, als er mit einer Flasche Champagner vor Noras Zimmertür aufgetaucht ist. Ihre Affäre auf der Wahlkampftour vor Ewigkeiten war kurz und geschah vor allem, weil sie das Unvermeidbare hinter sich bringen wollten. Sie waren damals siebzehn und achtzehn und als Paar von Anfang zum Scheitern verurteilt, weil sie beide überzeugt waren, immer der schlaueste Mensch im Raum zu sein. Alex hat mittlerweile zugegeben, dass Nora doppelt so schlau ist wie er und auf jeden Fall zu schlau, um sich jemals auf eine Beziehung mit ihm einzulassen.
Es ist nicht seine Schuld, dass die Presse sich dennoch weigert, das Thema fallen zu lassen, dass sie die Vorstellung von ihnen als Paar großartig finden, als wären sie moderne Kennedys. Wenn er und Nora sich also manchmal zusammen in einem Hotelzimmer betrinken, während sie The West Wing schauen, und in der Nähe der Wand laut für aufdringliche Klatschreporter stöhnen, kann man es ihm wirklich nicht vorwerfen. Sie machen sich lediglich aus einer nervigen Situation ihren persönlichen Spaß.
Seine Schwester anschwindeln zu können ist ein netter Nebeneffekt.
»Kann sein«, sagt er gedehnt.
June schlägt mit der Zeitschrift nach ihm, als wäre er eine besonders widerliche Küchenschabe. »Das ist geschummelt, du Arsch!«
»Eine Wette ist eine Wette«, erklärt Alex. »Wir haben ausgemacht, dass du mir fünfzig Dollar schuldest, wenn es innerhalb eines Monats ein neues Gerücht gibt. Ich akzeptiere PayPal.«
»Ich zahle nicht«, schnaubt June. »Wenn ich sie morgen sehe, bringe ich sie um. Übrigens, was ziehst du an?«
»Wozu?«
»Zur Hochzeit.«
»Wessen Hochzeit?«
»Ähm, zur königlichen Hochzeit«, sagt June. »Von Großbritannien. Sie ist quasi auf jedem Titelblatt, das ich dir gerade gezeigt habe.«
Sie hält wieder Us Weekly hoch, und dieses Mal bemerkt Alex das Titelthema in riesiger Schrift: PRINCE PHILIP TRAUT SICH! Dazu ein Foto eines enorm unscheinbaren britischen Thronerben und seiner ebenso unscheinbaren blonden Verlobten, die nichtssagend lächeln.
Mit gespieltem Entsetzen lässt er den Donut fallen. »Das war dieses Wochenende?«
»Alex, wir brechen morgen früh auf«, erinnert June ihn. »Wir haben zwei Auftritte noch vor der Trauung. Ich kann nicht glauben, dass Zahra dir deshalb noch nicht die Hölle heißgemacht hat.«
»Scheiße«, stöhnt er. »Ich wusste, dass ich mir das aufgeschrieben hatte. Ich war abgelenkt.«
»Etwa weil du und meine beste Freundin euch für fünfzig Dollar in der Klatschpresse gegen mich verschworen habt?«
»Nein, wegen meiner Hausarbeit für die Uni, du Besserwisserin«, sagt Alex und deutet mit einer dramatischen Geste auf seine Haufen von Notizen. »Ich hab die ganze Woche daran gearbeitet, für ›Politische Ideen im Alten Rom‹. Und ich dachte, wir wären uns einig, dass Nora unser beider beste Freundin ist.«
»Das ist unmöglich ein echtes Seminar, das du besuchst«, meint June. »Kann es sein, dass du das größte internationale Ereignis des Jahres einfach absichtlich vergessen hast, weil du deinen Erzfeind nicht sehen willst?«
»June, ich bin der Sohn der US-Präsidentin. Prinz Henry ist eine Repräsentationsfigur des britischen Staates. Du kannst ihn nicht einfach als meinen Erzfeind bezeichnen«, sagt Alex. Er beißt wieder von seinem Donut ab, kaut nachdenklich und ergänzt dann: »›Erzfeind‹ impliziert, dass er mir in irgendeiner Hinsicht das Wasser reichen könnte und nicht, du weißt schon, ein hochnäsiges Produkt von Inzucht ist, das sich wahrscheinlich zu Fotos von sich selbst einen runterholt.«
»Autsch.«
»Ich meine ja nur.«
»Du brauchst ihn nicht zu mögen, du musst nur gute Miene machen und auf der Hochzeit seines Bruders keinen internationalen Zwischenfall verursachen.«
»Hey Spatz, wann mache ich denn mal keine gute Miene?«, fragt Alex. Er verzieht den Mund zu einem schmerzhaft unechten Grinsen, und June sieht zufriedenstellend abgestoßen aus.
»Igitt. Wie auch immer, du weißt, was du anziehst, oder?«
»Ja, ich habe mein Outfit schon letzten Monat rausgesucht und von Zahra absegnen lassen. Ich bin kein Tier.«
»Ich bin mir wegen meines Kleides immer noch nicht sicher«, sagt June. Sie beugt sich zu ihm und klaut seinen Laptop, wobei sie sein Protestgeräusch ignoriert. »Das bordeauxrote oder das mit Spitze, was meinst du?«
»Spitze natürlich, es ist England, und warum willst du, dass ich mein Seminar nicht schaffe?«, sagt er und greift nach seinem Laptop, woraufhin seine Hand weggeschlagen wird. »Geh dich um deinen Instagram-Account kümmern oder so. Du bist schlimm.«
»Ruhe, ich suche was zum Gucken. Uäh, du hast Garden State auf deiner Filmliste? Wow, wie läuft das Filmstudium im Jahr 2005?«
»Ich hasse dich.«
»Hmm, ich weiß.«