9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €
Wenn seine erste Nacht in London deine letzte ist: In der romantischen Komödie aus England geht es um eine perfekte Nacht, zwei Umzüge und jede Menge mieses Timing für die Liebe. Ruby ist froh, dass heute ihre letzte Nacht in London ist. Sie läuft nicht direkt vor ihrem Ex davon, aber der tolle Job in einer neuen Stadt kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Nic ist froh, dass heute seine erste Nacht in London ist. Nach einer schmerzhaften Trennung kann er es kaum erwarten, sich ins quirlige Großstadtleben zu stürzen. Als ein Sofa, das Ruby loswerden will und das Nic gut gebrauchen kann, die beiden zusammenführt, spüren sie, dass zwischen ihnen etwas ganz Besonderes entstehen könnte. Da gibt es nur ein Problem: Ihre Lebenswege führen in verschiedene Richtungen. Nach dieser Nacht werden sie einander also nie wiedersehen – oder? Laura Jane Williams verbindet in ihren humorvollen Liebesromanen Romantik zum Seufzen und britischen Humor mit genau den Themen, die moderne selbstbestimmte Frauen beschäftigen. Entdecke auch die anderen humorvollen Liebesromane der britischen Autorin Laura Jane Williams: - Dein Lächeln um halb acht - Say yes – perfekter wird's nicht - Der schönste Zufall meines Lebens - The Mix-up – Tausche Koffer gegen Liebe (Kurzroman)
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 572
Laura Jane Williams
Roman
Aus dem Englischen von Nadine Lipp
Knaur eBooks
Wenn seine erste Nacht in London deine letzte ist: In der romantischen Komödie aus England geht es um eine perfekte Nacht, zwei Umzüge und jede Menge mieses Timing für die Liebe.
Ruby ist froh, dass heute ihre letzte Nacht in London ist. Sie läuft nicht direkt vor ihrem Ex davon, aber der tolle Job in einer neuen Stadt kommt genau zum richtigen Zeitpunkt.
Nic ist froh, dass heute seine erste Nacht in London ist. Nach einer schmerzhaften Trennung kann er es kaum erwarten, sich ins quirlige Großstadtleben zu stürzen.
Als ein Sofa, das Ruby loswerden will und das Nic gut gebrauchen kann, die beiden zusammenführt, spüren sie, dass zwischen ihnen etwas ganz Besonderes entstehen könnte. Da gibt es nur ein Problem: Ihre Lebenswege führen in verschiedene Richtungen. Nach dieser Nacht werden sie einander also nie wiedersehen – oder?
Laura Jane Williams verbindet in ihren humorvollen Liebesromanen Romantik zum Seufzen und britischen Humor mit genau den Themen, die moderne selbstbestimmte Frauen beschäftigen. Entdecke auch die anderen humorvollen Liebesromane der britischen Autorin Laura Jane Williams:
~ Dein Lächeln um halb acht
~ Say yes – perfekter wird’s nicht
~ Der schönste Zufall meines Lebens
~ The Mix-up – Tausche Koffer gegen Liebe (Kurzroman)
Widmung
Teil 1
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
Teil 2
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
Teil 3
43. Kapitel
44. Kapitel
Dank
Leseprobe »Fang jetzt bloß nicht an zu lieben«
Für die Liebe meines Lebens,jene, die mich Mummy nennt
Nic
Hey, Bro«, obwohl es schon kurz nach 3 Uhr nachmittags ist, klingt Ollie total verschlafen. »Es tut mir leid. Ich hab verpennt, ich hab noch gar nichts an. Bin gerade erst aufgewacht und habe deine Nachrichten gesehen. Die letzte Nacht war ein bisschen feuchtfröhlich, und …«
»Nee, lass mal«, sage ich und verdrehe die Augen so stark, dass es wehtut. Feuchtfröhlich? Ich will nichts Näheres hören. Ich hebe die Hand und mache ein Stoppzeichen, als stünde er vor mir. Dabei ziehen gerade Menschenmassen auf dem Ealing Broadway an mir vorbei und freuen sich darauf, das Wochenende bei sich zu Hause mit einem Tee einzuläuten. »Ich hab mir schon gedacht, dass du durch Abwesenheit glänzen würdest«, murmele ich frustriert. »Ehrlich, ich bitte dich um einen winzigen Gefallen, und du lässt dich von einem One-Night-Stand davon abhalten, mir, deinem Bruder, den du seit einunddreißig Jahren kennst, zu helfen.«
»Einem Two-Night-Stand«, korrigiert er mich.
»Du lässt dich von einem Two-Night-Stand davon abhalten, mir zu helfen«, korrigiere ich mich, wobei ich noch stärker mit den Augen rolle. »Mit einer sehr netten Frau, deren Namen du dir, wie du weißt, schon beim ersten Mal hättest richtig merken sollen. Ich werde nie verstehen, wieso du eine zweite Chance bekommen hast. Echt jetzt. Und ich stehe hier und weiß nicht, wo die Maple Avenue ist. Dafür hätte ich dich gebraucht, Ollie. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin! Google Maps führt mich im Kreis herum.« Ollie protestiert mürrisch gegen meine Schimpftirade, aber das stoppt mich nicht. Ich bin auf Sendung. »Ich bin so enttäuscht von dir! Ich bitte dich sonst nie um Hilfe, aus genau diesem Grund!«
Eine Frau in Regenmantel und Gummistiefeln wirft mir einen erschrockenen Blick zu. Weil ich schreie. Zwei Tage nach Beginn des angeblich größten Abenteuers meines Lebens bin ich tropfnass, habe mich verlaufen und bin fünfzehn Minuten zu spät. Ich hasse es, zu spät zu kommen. Ganz zu schweigen davon, dass ich keine Ahnung habe, wie ich das Sofa, das ich gleich abholen werde, in meine Wohnung transportieren soll. Ich werde wohl auf einen besonders zuvorkommenden Uber-Fahrer hoffen müssen. Obwohl, na ja, ich bin in London. Die Fahrer haben sicher schon Schlimmeres erlebt. Gestern Abend, nachdem ich Ollie im Pub abgesetzt hatte, habe ich eine Ratte von der Größe eines Perlhuhns gesehen, die sich auf die Hinterbeine gestellt und eine Dose Cola getrunken hat. Und vorhin habe ich gesehen, wie sechs Leute in voller Clownmontur aus einem Prius geklettert sind, der von einem Mann in einem Turnanzug gefahren wurde. Jedes Mal, wenn ich dachte, der letzte Clown sei ausgestiegen, kam ein weiterer heraus. Es war wirklich erstaunlich.
»Das Gebrüll«, wimmert Ollie dramatisch. »Zu viel Gebrüll. Und nicht genug Glückwünsche für die Nacht número dos mit der sexy spanischen Señorita.«
Ich schüttle den Kopf und lächle ungewollt. Ollie ist albern und weiß genau, wie er mich austricksen kann – er glaubt, dass ich ein absoluter Loser bin, was Frauen angeht, und dass ich angesichts seiner »Errungenschaften« weicher werde … was ich niemals zugeben würde, aber ich tue es doch. Ich habe keine Ahnung, wie man dieses Feld bespielt – nicht wirklich. Irgendetwas sagt mir, dass ich mich nicht an Ollie orientieren sollte, trotz seiner offensichtlichen Erfolge, aber er ist der einzige andere Junggeselle, den ich kenne. Zu Hause in Liverpool ist jeder mit jemandem zusammen, und das schon seit Ewigkeiten. Das ist diese Art von Ort.
»Du bist ein Honk«, sage ich und schüttle den Kopf. »Das weißt du, oder?«
»Ja«, sagt er klar und deutlich. »Das weiß ich. Aber ich bin ein Honk, der letzte Nacht sehr, sehr glücklich war.«
Man kann ihm nicht lange böse sein. Er ist ein typischer jüngerer Bruder: Seine Noten waren nicht so gut wie meine, er wurde nie so oft ausgeschimpft wie ich, und seine stete Weigerung, Verantwortung zu übernehmen, wirkt irgendwie schelmisch und charmant. Er könnte mit deiner Frau knutschen und dein Auto zu Schrott fahren, und du würdest ihm trotzdem ein Bier ausgeben. Dass er mit so vielen Dingen davonkommt, widerspricht allen Gesetzen der Physik und der Logik.
»Ich kann jetzt zu dir kommen«, bietet er an. »Sie ist gerade gegangen. Aber ich muss erst duschen. Ich sag dir, jeder Zentimeter des Bettlakens ist …«
»Ich lege jetzt auf!«, erkläre ich, fest davon überzeugt, dass ich kein einziges weiteres Detail wissen möchte. »Ich komme schon irgendwie klar, halt bitte deinen Sabbel! Bye!«
Ich schüttle den Gedanken an sein schmutziges Bettzeug ab und konzentriere mich wieder auf meine Aufgabe. Es ist nicht leicht, ein neues Leben zu beginnen. Aber ich tue es. Ich musste noch nie zuvor so viel Mut aufbringen wie bei der Entscheidung, neu anzufangen, und obwohl ich heute schon zehnmal aus Frust gegen irgendetwas treten wollte, bin ich verdammt stolz darauf, dass ich es tatsächlich tue. Denn eins ist klar – dieses neue Leben aufzubauen ist nicht halb so beängstigend wie die Entscheidung, mein altes aufzugeben. Es hat Monate gedauert, sogar Jahre. Daran versuche ich mich jedes Mal zu erinnern, wenn ich mich frage, was ich hier tue. Sicher heißt nicht besser. Sicher kann einfach nur sicher bedeuten. Am Leben, aber nicht lebendig. Scheinbar bequem, aber eigentlich miserabel. Für mich ist das nun zum Glück Geschichte.
Ich schaue mich um.
Auf dem Straßenschild steht zu meiner Überraschung Maple Avenue.
Ausgezeichnet! Ich habe die Straße zwar nur zufällig gefunden, aber ich habe sie gefunden! Gott sei Dank.
Ruby
Ich weiß nicht, ob du die Definition von ›helfen‹ falsch verstanden hast«, sage ich zu Jackson, der auf dem Boden an den Heizkörper gelehnt sitzt und mit dem Klebebandabroller spielt, den Candice für mich von der Arbeit gestohlen hat. »Das Klebeband kaputt zu machen, das ich für diese Kartons brauche, ist eindeutig kontraproduktiv.«
»Nicht, wenn mein heimtückischer Plan darin besteht, dich davon abzuhalten, wegzugehen.« Er schmollt und kratzt sich an den kurzen Afrostoppeln. »Ehrlich. Wenn du wolltest, dass wir unsere unendliche Bewunderung und Liebe für dich zum Ausdruck bringen, dann ist das ein ganz schön dramatischer Move, um das Gefühl von Wertschätzung zu bekommen.«
Seine Unterlippe schiebt sich vor, der rosafarbene innere Teil wird sichtbar, und ich frage mich, wie gerade er mich der Theatralik bezichtigen kann. Er steht Liza Minnelli in nichts nach.
Ich weiß, es kommt daher, dass er mich so mag. Er ist schon die ganze Woche so. Ich glaube, weder er noch Candice haben gedacht, dass ich wirklich gehen würde. Als ich ihnen zunächst gesagt habe, dass ich meinen Master machen will, haben sie mich nicht ernst genommen, aber dann wurde ich zum zweiten Vorstellungsgespräch eingeladen. Ich hätte mich auch in Brighton oder sogar irgendwo in London bewerben können, aber dieser Studiengang ist in Manchester am besten, und als ich angenommen wurde – und noch dazu mit einem Teilstipendium, ich meine, come on! –, da konnte ich nicht ablehnen. Seitdem hoffen die beiden wohl insgeheim, dass ich meine Meinung doch noch ändere und bleibe.
»Achtung, Getränke im Anmarsch«, verkündet Candice und stößt die Zimmertür mit der Hüfte auf, in den Händen balanciert sie drei Aperol Spritz. Ihr brünettes Haar steht ihr strähnig vom Kopf ab, was darauf zurückzuführen ist, dass sie den größten Teil des Tages auf dem Sofa verbracht hat, um Disney-Filme zu schauen und so die Packorgien in meinem Zimmer zu ignorieren.
»Candice, ich kann jetzt noch nicht trinken – sieh nur, was ich noch alles zu tun habe!«, rufe ich aus und deute auf all die Stapel, die überall im Zimmer verstreut sind, während Jackson gierig nach den Gläsern greift und eins für sich und eins für mich entgegennimmt. Er hält mir meins hin, und ich stelle es sofort auf dem Kaminsims ab. Wir wohnen in einer großen, alten viktorianischen Doppelhaushälfte, und weil wir die Miete lieber durch vier als durch drei teilen, nutzen wir den winzigen Raum, der das Esszimmer neben der Küche sein sollte, als Wohnzimmer und das vordere Zimmer – mit funktionstüchtigem Kamin – als WG-Zimmer, zusätzlich zu den beiden Zimmern im Obergeschoss und einem kleinen im hinteren Bereich. In den letzten beiden Jahren haben wir das kleine Zimmer meist zur Kurzzeitmiete an ausländische Studierende vergeben, die Englisch lernen wollen und bereit sind, viel zu viel zu zahlen, um in der Nähe der Central Line zu wohnen. So hatten Jackson, Candice und ich eine relativ niedrige Miete. Das ist frech, aber es ist halt London. Wenn es um bezahlbaren Wohnraum geht, lautet die Devise: Fressen oder gefressen werden. Der Vermieterin ist es egal, dass wir untervermieten, solange das Geld pünktlich auf ihrem Konto landet.
»Hoch die Tassen, Leute«, jubelt Jackson und schwenkt sein Glas in der Luft. Die beiden sehen mich so erwartungsvoll an, dass ich mich ihnen anschließe. Wir nehmen das »erste Blut« zu uns, so bezeichnen wir die ersten Schlucke des ersten Getränks der Nacht (oder des Nachmittags, wie es scheint), die Lust auf mehr machen. Ich fühle mich schlecht, weil ich sie verlasse. Wir sind schon so lange die drei Musketiere. Aber wenn ich mich nicht zusammenreiße, werde ich ohne Unterlass schluchzen, und damit ist auch niemandem geholfen.
»Auf die Verräterin«, sagt Candice und lächelt verschmitzt, um ihre harschen Worte auszugleichen.
»Auf die Verräterin«, wiederholt Jackson, und ich schüttle den Kopf und nehme auch einen Schluck. Ich habe es ihnen nicht gesagt, aber eigentlich freue ich mich darauf, London hinter mir zu lassen. Diese Stadt hat mich ausgelaugt. Sie ist zu schmutzig, zu teuer und einfach zu hart. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass dies nicht der richtige Ort für mich ist. Ich weiß nicht, ob Manchester der richtige Ort sein wird, aber zumindest bin ich dann näher bei meinen Eltern und meiner Schwester im Peak District. Candice und Jackson würden lieber sterben, als in die Gegend zurückzukehren, in der sie geboren wurden.
Plötzlich leuchtet das Display meines Handys auf. Natürlich, war ja klar. Hinter jeder Frau, die versucht weiterzukommen, steht ein Ex, der spürt, dass sie beinahe über ihn hinweg ist. Eine Nachricht von Abe.
Du gehst doch nicht, ohne dich zu verabschieden?
Ich wische nach links, und die Nachricht wird gelöscht, ohne dass ich sie öffne.
»Wie spät ist es?«, frage ich, verdränge Abe entschlossen aus meinen Gedanken und staple weitere Bücher in einen Umzugskarton, damit Jackson ihn zukleben kann. »Der Typ mit dem Sofa ist spät dran. Er hätte schon längst hier sein müssen.«
»Ich wette, er hat nach meiner Nachricht noch ein paar wichtige Dinge besorgt«, trällert Candice und setzt sich zu Jackson auf den Boden. Es gibt keinen anderen Platz, um sich hinzusetzen: Von den Möbeln sind nur noch mein Bettgestell und die Matratze übrig, die mit einer Mischung aus halb gepackten Kartons und Tüten, die ich spenden möchte, vollgestellt ist, und das Zweiersofa, das zwar leer ist, aber bereits für die Abholung gereinigt wurde – falls der Typ jemals auftaucht.
»Deo, Pfefferminzbonbons, Kondome …«, fährt Candice fort und zieht mich immer noch wegen des Typen auf, der mein Sofa kaufen will.
Ich runzle die Stirn. Jackson merkt es und lacht.
»Liegt die Wette, dass sie ihn vögelt, bei zwanzig oder bei fünfundzwanzig Pfund?«, stichelt er.
Ich werfe ihm einen bösen Blick zu. »Warum fällt es euch so schwer zu glauben, dass ich es ein ganzes Jahr ohne einen Mann zwischen meinen Schenkeln aushalte?«, seufze ich. »Solltet ihr als meine besten Freunde nicht unterstützender sein? Es fühlt sich an, als wolltet ihr, dass ich scheitere.« Ich versuche, ihnen ein schlechtes Gewissen zu machen, also betone ich noch: »Und das nach allem, was ich durchgemacht habe …«
Jackson fischt die Orangenscheibe aus seinem Getränk und presst sie aus. »Au contraire«, sagt er, leckt sich die Finger und zeigt kein bisschen Reue. »Wir wollen, dass du erfolgreich bist, Darling.«
»Eine neue Stadt«, sagt Candice. »Neue Perspektiven, ein neues Leben. Ein wunderbarer Plan …«
»Aber …«, fügt Jackson hinzu. »Wir wollen dich nur daran erinnern, dass du London nicht verlassen kannst, wenn Abraham Lawson der letzte Mann war, der in dir war. Wir wären schlechte Freunde, wenn wir nicht dafür sorgen würden, dass du dich mit besseren Erinnerungen verabschieden kannst.«
»Ich habe Jackson gefragt, ob er sich nicht opfert, aber er hat abgelehnt.« Candice kichert.
»Ich könnte mir nichts Schlimmeres vorstellen.« Jackson zuckt mit den Schultern.
»Sehr charmant!«, entgegne ich. »Ich liebe dich auch.«
»Das wäre, wie mit meiner Schwester zu knutschen«, erklärt er. »Total unpassend. Meine Dienste können nur darin bestehen, dich zum Einlenken zu bewegen. Es ist nur zu deinem Besten. Du wirst keine gute Kunst erschaffen, wenn du die kleine Ruby nicht befriedigst.« Er spricht Kunst aus, als stünde es in Anführungszeichen, aber noch mehr stört mich, dass er meine Genitalien kleine Ruby nennt.
»Na ja«, sage ich und winke ihn mit einem Fingerzeig heran, um zu signalisieren, welche Kartons jetzt zugeklebt werden können. »Du hast die Nachricht nicht wirklich geschickt, und heute Abend feiern nur wir drei. Wenn du mich also nicht vom Abe-Fluch befreist, dann wird es schwierig, oder?«
Jackson lacht. Der »Scherz« rund um den Typen, der das Sofa abholt, hat letzte Woche begonnen, als Candice gesehen hat, wie ich beim Frühstück auf dem Facebook Marketplace herumgetippt und mich mit ihm zur Sofaübergabe verabredet habe. Nebenbei habe ich fallen lassen, dass er auf dem Profilfoto heiß aussieht.
Ehe ich michs versah, hatte sie alle seine Social-Media-Profile auf ihrem Handy aufgerufen, allein mithilfe des Namens und der Tatsache, dass er überall dasselbe Foto verwendet. Als Jackson auch noch seine Inspektor-Clouseau-Fähigkeiten einbrachte, fanden sie heraus, dass dieser Nic neu in London ist, ursprünglich aus Liverpool stammt und eine Trennung hinter sich hat. Er wurde von seiner Universität – University of Liverpool, Abschluss in Wirtschaft und Politik – mit einem Preis für herausragende Leistungen geehrt und war für eine Art Graduiertenprogramm bei einer Finanzberatungsfirma angeworben worden. Er spielt ein bisschen Football und macht etwas namens LARP, was wir googeln mussten. Es ist ein Live-Action-Rollenspiel, bei dem sich die Leute verkleiden und ihre Spielfigur selbst darstellen.
Es gab ein äußerst irritierendes Foto von ihm in einem Kettenhemd mit einem Schwertgürtel um die Hüften, das in Schottland aufgenommen wurde. Daran, wie die Sachen an ihm saßen, war leicht zu erkennen, dass er einen Waschbrettbauch hat und ohne Brille noch besser aussieht. Als wir aus den Tiefen unserer Beschäftigung mit der Frage, wer der Fremde war, der mein Sofa kaufen wollte, wieder auftauchten, hatten wir zwei Flaschen Champagner geleert, die Candice bei der Arbeit »geschenkt bekommen« hatte (die sie also gestohlen hatte oder die sie als »Bezahlung in Naturalien« ansah, wie sie es manchmal ausdrückte), und waren beide scharf auf ihn. Mir gefielen seine Bauchmuskeln, Candice mochte seine Schultern, und Jackson verwies auf die Größe seiner Hände.
»Ich habe ihn wirklich wissen lassen, dass es seine gesellschaftliche Pflicht ist, dir zu helfen«, stichelt Candice weiter.
»Das würdest du nicht wagen«, knurre ich mit spielerisch zusammengekniffenen Augen.
Doch als es an der Tür klingelt, macht mein Magen einen Salto. Bei Candice weiß man nie.
»Ich mache auf!«, ruft sie und springt begeistert auf. Sie freut sich, dass sie mich ärgern kann.
»Armer Kerl«, sagt Jackson lachend, während ich einen Bücherkarton fertig etikettiere. »Ich würde sie nicht zu lange mit ihm allein lassen.«
Ich halte inne, verdaue, was er sagt, und lege dann meine Arbeit nieder. Von hier aus kann ich gerade noch hören, wie Candice »Hallo« sagt und dass eine tiefe, männliche Stimme leise antwortet.
»Du weißt, wie sie ist«, drängt Jackson.
Ich ziehe die Augenbrauen hoch und murmele: »Ihr zweiter Vorname könnte ›Bedrohung‹ lauten.«
Jackson kichert.
»Nicht, dass du besser wärst«, sage ich, und er gestikuliert, dass das gar nicht sein könnte.
Nic
Rubes!«, trällert die statuenhafte Brünette, die die Tür geöffnet hat, den Flur hinunter. »Dein Sofatyp ist da!«
»Ich komme!«, zirpt eine Stimme von irgendwo aus dem Inneren des Hauses. Die Brünette mustert mich von oben bis unten und lächelt dann. Das macht mich nervös.
»Wie geht’s?«, fragt sie.
»Gut, danke«, antworte ich und weiß nicht so recht, was ich sonst sagen soll. Als sie nichts weiter sagt, füge ich hinzu: »Bin ziemlich nass.«
»Hmmmm«, antwortet sie nachdenklich, als ob sie mein regennasses Outfit oder mein Gesicht – oder vielleicht sogar meine Person – auf einer Skala von eins bis zehn bewerten würde. Ich habe keine Ahnung, ob ihr belustigter Gesichtsausdruck darauf hindeutet, dass ich auf ihrer imaginären Skala gut abschneide oder schlecht. Wenn sie bewertet, was ich bisher gesagt habe, bin ich sicher bei null gelandet. Plaudereien über das Wetter? Ollie würde das nicht gutheißen. Aber um ehrlich zu sein, bin ich nicht hier, um mich zu unterhalten. Ich bin hier, um ein Möbelstück abzuholen, und anschließend hole ich mir was Leckeres zu essen, das ich in meiner neuen Wohnung, auf meinem neuen Sofa essen werde. Zugegeben, ich werde dabei allein sein, aber trotzdem. Ich hake diese Besorgung ab und mache dann weiter.
»Ich komme, ich komme«, trällert die Stimme im Haus wieder, und ein Schatten tritt aus der Dunkelheit des Flurs. Bevor sie mich ansieht, blickt sie in den Himmel und macht sich ein Bild von dem regnerischen Augusttag. Es ist ein durch irgendeinen Feiertag verlängertes Wochenende. Im ganzen Land hat es den ganzen Sommer über immer wieder geregnet, und heute ist es so schlimm wie schon lange nicht mehr. Wenn wir vor dem Wintereinbruch nicht noch etwas Sonne abbekommen, werden alle durchdrehen – es war wirklich schlimm. »Argh«, sagt sie zu sich selbst, während es weiter wie aus Kübeln schüttet.
Ich schaue sie an. Sie hält ein Glas in der Hand mit dem letzten Rest von etwas, das wie ein Aperol Spritz aussieht. Sie trägt winzige Shorts und ein übergroßes T-Shirt, das ihr über die Schulter fällt, kein bisschen Make-up, und ihr blondes Haar ist hoch aufgetürmt. Auf ihrer Nase und ihren Wangen tanzen blasse Sommersprossen, und ihre dichten, dunklen Wimpern betonen ihr schönes Gesicht. Ich kann nicht anders, als festzustellen, dass sie keinen BH trägt, da ihre Brustwarzen sehr deutlich auf die kalte Luft reagieren. Die Dinger sind wie dicke Kugeln, die genau auf mich zielen.
»Hi«, sagt sie und reißt ihren Blick von den Wolken los, um mich anzuschauen. »Ich bin Ruby.«
Und es ist so seltsam, so unheimlich. Aber als wir uns ansehen, habe ich dieses … Gefühl.
Sie ist ein Engel. Ein echter überirdischer Engel. Ihr Gesicht, ihr langer, eleganter Hals, ihre weiche Haut und die Art, wie sich ihr Schlüsselbein wie ein Gedicht wölbt und die Geschichte ihres Körpers erzählt. Das Heben und Senken ihres Brustkorbs beim Atmen. Ihr Geruch – nach Kokosnuss und exotischen Blumen. Sicherlich muss sie das auch spüren. Blitze durchfahren meinen Körper. Ich stehe in Flammen.
»Nic«, versuche ich zu sagen, aber im Rausch der ineinanderstürzenden Gedanken bleibt meine Zunge hängen, und es hört sich an wie ein Husten. Verdammt. Wenn man nur eine Chance hat, einen ersten Eindruck zu hinterlassen, dann vermassle ich sie gerade ganz gewaltig. Ich wende den Blick ab und nehme mir einen Moment Zeit, um zu Atem zu kommen. Bleib cool, sage ich mir. Sei einfach du selbst.
Aber noch während ich das denke, zucke ich über meinen eigenen Rat an mich selbst zusammen. Ich weiß nicht, warum man so oft sagt: Sei einfach du selbst. »Ich selbst« ist ein totaler Streber, der in seinem Leben bisher nur eine einzige Freundin hatte. Ich habe sogar erst vier Menschen geküsst, und einen davon mit geschlossenem Mund, weil ich elf war. Sich zu sagen, sei einfach du selbst, passt, wenn man Justin Bieber oder einer der Hollywood’s Chrises ist. Nic Sheridan zu sein bedeutet, introvertiert, schüchtern und chronisch lächerlich zu sein. Wenn man »Definition von uncool« googelt, ploppt ein Foto von mir auf. Bittet man ein unparteiisches Gremium, alle Männer der Welt in eine Reihenfolge zu bringen, die von den coolsten bis zu den tragischsten reicht, dann kommt mein Name in dieser langen Liste ganz am Ende. Das war schon immer so. Ich bin klug und gut organisiert und weiß, wie man günstige Zinssätze für meine Wertpapierdepots berechnet, aber ich weiß einfach nicht, wie man mit Frauen redet. Bis vor Kurzem war ich in einer Beziehung, die ich schon seit der Schulzeit hatte. Ich habe nie gelernt, wie das mit den Frauen geht, weil ich es nie gebraucht habe.
Und jetzt … diese Frau. Es ist, als ob die Engel singen und die Geister mich rufen, und mir tut alles weh bei ihrem unglaublich perfekten Anblick. Meine Seele kennt sie bereits. Wir haben schon viele Leben miteinander verbracht. Sie hat den tollsten Körper, aber das ist noch das Unspektakulärste an ihr.
Es kann nicht sein, dass ich mich täusche.
Ich glaube, ich starre sie an.
Ich kann nicht anders.
Ich habe geklingelt, und die Liebe hat aufgemacht.
(Na ja, die Freundin der Liebe. Aber dann tauchte die Liebe in Hotpants auf.)
Ich würde gern jede andere Person sein, nur nicht ich selbst.
Ruby
Der Typ sieht mich an, als wolle er mich kaltblütig ermorden, zerstückeln und in Entenfett frittieren, um die Beweise verschwinden zu lassen.
»Uhm«, sagt er, nachdem er seinen Mund wie eine Forelle geöffnet und wieder geschlossen hat. Das erinnert mich an eine alte Folge von Emergency Room, in der sich eine Frau quasi abschaltete, während sie mit Dr. Carter sprach. Es war, als hätte man ihr den Stecker gezogen, als würde sie herunterfahren. Die Situation gerade erinnert mich erschreckend an diese Szene. Ich hoffe, er braucht keinen Krankenwagen oder medizinische Hilfe. Ich habe keine Zeit für so was! Ich habe Candice und Jackson versprochen, bis 6 Uhr fertig zu sein, damit wir uns dann unserem letzten »Familienessen« widmen können. Es ist mir wichtig, dass wir an unserem letzten Abend eine gute Zeit haben. Wenn dieser Typ an unserer Haustür stirbt, wäre das für alle Beteiligten eine große Unannehmlichkeit – nichts für ungut!
»Nic.« Nach einem kleinen Hustenanfall gelingt es ihm, wieder zum Leben zu erwachen, und er streckt eine Hand aus, die er vernünftigerweise vorher an seiner Jacke abwischt. Er bricht den Augenkontakt nicht ab. Er ist wirklich intensiv. »Ich bin hier, um das Sofa abzuholen.«
Wirklich sehr intensiv.
Ich kann mich nicht erinnern, dass die Frau im Fernsehen so gestarrt hat, als sie ihren Schlaganfall hatte. Ich glaube, sein Gesicht ist einfach so. Es ist ein hübsches Gesicht, so grüblerisch, wie es ist. Er ist in echt noch attraktiver als auf seinem Profilbild.
Aber wir waren ja nur albern, weil wir betrunken und schräg drauf waren. Auf keinen Fall werde ich versuchen, mit dem Typen zu schlafen, dem ich mein Sofa verkaufe. In weniger als neun Stunden beginnt »mein Jahr für mich«. Und in diesem Jahr werde ich Männer nicht einmal mit dem Arsch ansehen. Keine Zerstreuungen, keine Ablenkungen. Ich lasse mich nicht durcheinanderbringen, sosehr sich Candice und Jackson auch dafür einsetzen, dass ich noch ein letztes Mal Spaß haben soll.
Aber diese Augen. Können Männer Augen haben, die einen ins Bett locken? Wenn ich es mir recht überlege, ist es kein Axtmörderblick. Er sieht mich an, als wäre er wochenlang durch die Wüste geirrt und nun auf ein großes Glas Eiswasser gestoßen. Seine Pupillen sind geweitet, und er grinst dämlich. Und seine Grübchen … man könnte sich einen ganzen Nachmittag lang in seinem Lächeln verlieren. Wow! Ich kann nicht anders, als albern zurückzugrinsen, jetzt, wo sich der Schock über seine Anwesenheit gelegt hat. Er ist umwerfend.
Verflucht seien Candice und Jackson, dass sie mir solch dumme sexuelle Gedanken in den Kopf gesetzt haben! Ich habe größere Fische zu braten. Ich kann nicht bis zur letzten Stunde meines Zölibats in Gedanken schneidige Männer in feuchten Jacken ausziehen. Jedenfalls hat er jetzt die Farbe einer Weihnachtskugel angenommen, ganz rot und glänzend. Ich glaube, meine Trödelei verunsichert ihn, und das ist auch gut so. Ich starre ihn an.
»Bitte den armen Kerl doch herein«, flüstert Jackson aus der Tür meines Zimmers und bricht den Bann. »Er steht im Regen, und es regnet in Strömen!«
Ich erwache aus meinem Tagtraum und richte meine Gesichtszüge so aus, dass sie hoffentlich freundlich, aber distanziert wirken. Back to business.
»Also gut«, sage ich und erinnere mich daran, zu lächeln. »Komm rein.« Er tritt über die Schwelle und will sich die Schuhe abstreifen. Es fühlt sich pervers an, festzustellen, dass er riesige Füße hat, aber meine Güte! Er könnte damit Wasserski fahren. Und über Männer mit großen Füßen sagt man …
»Keine Sorge wegen der Schuhe«, füge ich hinzu. »Du kannst sie ruhig anlassen, wir tragen Schuhe im Haus.«
Der Sofatyp – Nic – stößt einen lustigen Kicherlaut aus, bevor er antwortet: »Wenn es dir nichts ausmacht, ziehe ich sie aus. Meine Mutter würde ausrasten, wenn sie wüsste, dass ich in Schuhen durch ein fremdes Haus getrampelt bin. Schon beim Gedanken daran kriege ich Kopfschmerzen!«
Über seine Schulter sehe ich, wie Candice mit ihren großen, braunen Augen auf seinen Hintern starrt und dann zu mir schaut, als wolle sie sagen: Süß, nicht wahr? Ich schüttle leicht den Kopf, um sie zu warnen, dass sie aufhören soll, bevor sie mich zum Lachen bringt, aber er sieht es und schaut sie verwirrt an.
»Hier entlang«, sage ich und lenke ihn ab. »Entschuldige die Unordnung. Ich bin gerade beim Packen.«
»Kein Problem«, sagt er, folgt meinem Fingerzeig und geht vor mir in mein Zimmer. Als ich hinter ihm stehe, kann ich nicht umhin, festzustellen, dass Candice recht hat, was seinen Hintern betrifft. »Ich habe gerade die Hälfte meiner Sachen ausgepackt, also verstehe ich das sehr gut.«
Dann sieht Nic Jackson, der die ganze Zeit in meinem Zimmer war und zugehört hat.
»Hey«, sagt er mit einem kleinen Winken. »Ich bin Nic, wegen dem Sofa.«
»Ist wunderschön, oder?«, schwärmt Jackson.
Ich spüre, wie Nic wieder rot wird, als er steif antwortet: »Ähm, was?«
»Das Sofa?«, sagt Jackson, aber er weiß ganz genau, was er tut. Es fühlt sich sofort unfreundlich an. Wir lachen nicht über dich, will ich ihm sagen, die beiden machen sich über mich lustig. Ich will Nic die Hand reichen, damit er sich irgendwie beschützt fühlt, damit er weiß, dass ich auf seiner Seite bin und wir keine Monster sind, die sich nicht zusammenreißen können. Außerdem wäre es eine gute Ausrede, um diese zwischenmenschliche Berührung zu haben, diese Verbindung, denke ich und schaue auf seinen dicken Bizeps, der sich zu männlichen, festen Handgelenken verjüngt. Ich stelle mir vor, wie er das Schwert hält, das wir auf dem Foto gesehen haben. Ich denke daran, wie schmal sich meine Taille in diesen kräftigen Händen anfühlen würde.
Verdammte Scheiße. Konzentriere dich. Was tue ich da, wieso starre ich ihn so an?
»Jackson«, sage ich und winke ihm mit meinem leeren Glas zu. »Es macht dir doch nichts aus, zusammen mit Candice noch eine Runde nachzuschenken, oder? In der Küche?«
Kannst du dich einfach mal verpissen?, ist die Aufforderung hinter meinen Worten. Das wird hier total peinlich.
Jackson grinst. »Ich lasse euch beide mal allein«, sagt er und streift im Vorbeigehen absichtlich meine Schulter, um mich in Richtung meines Sofakäufers zu stupsen.
»Danke.« Ich lächle. Als ich mich wieder Nic zuwende, senkt er den Kopf und vermeidet den Blickkontakt. Es war richtig, die anderen loszuwerden. Im Dreierpack sind wir wirklich etwas einschüchternd. Das hat man uns schon oft gesagt. Aber es ist süß, wie leicht er errötet. Was auch immer das Gegenteil von einem Pokerface ist, er hat es. Man kann ihm jede Gefühlsregung vom Gesicht ablesen. Es ist entwaffnend … sehr charmant.
»Ich habe es gereinigt«, erkläre ich und versuche, wieder zur Sache zu kommen. »Gesaugt und gebürstet.« Ich zeige auf das Zweiersofa. »Schau es dir gerne genauer an. Der Zustand sollte so sein, wie ich ihn in der Anzeige beschrieben habe – da ist bloß diese Delle an der Seite, wie du sehen kannst. Um ehrlich zu sein, fällt es mir schwer, mich von ihm zu trennen. Es passt leider nicht in den Leihwagen, und wenn es nicht ins Auto passt, muss ich es zurücklassen. Also … gib ihm ein gutes Zuhause.«
Nic geht in die Hocke und fährt mit der breiten, flachen Hand über die Samtpolsterung, betrachtet die Unebenheiten, untersucht die Delle, nickt aber ansonsten zustimmend. Er ist ganz konzentriert, seine Augen haben sich verengt, und ich erwarte fast, dass ihm gleich die Zunge aus dem Mund hängt wie bei einem kleinen Kind, das konzentriert an seiner Klassenarbeit sitzt. Ich wette, er war schon als Achtjähriger hinreißend.
»Wir haben sechzig gesagt, oder?«, fragt er schließlich. Jetzt, wo wir allein sind, ist seine Stimme etwas leiser geworden. Nachdenklich, könnte man sagen. Ich hätte nichts dagegen, wenn mir eine solche Stimme eine Gutenachtgeschichte vorlesen würde, Zölibatjahr hin oder her.
»Das haben wir.«
»Super.« Er nickt. »Einverstanden. Ich überweise dir das Geld sofort und stehe dir dann nicht mehr im Weg rum.« Er holt sein Handy aus der Jackentasche, und ich merke, dass ich seltsamerweise den Geruch dieses Fremden stark wahrnehme: moschusartig und männlich. Wenn wir in einer Bar wären, würde ich mir einen Drink von ihm spendieren lassen. Ist das crazy, wenn ich behaupte, dass die Chemie stimmt? Es sind auf jeden Fall Vibes da. Erst habe ich ihm auf den Hintern gestarrt, jetzt reibe ich mir den Nacken in einer subtilen Flirtgeste. Wann ist das passiert? Wann hat mein Körper angefangen zu flirten, bevor mein Verstand wusste, was los war? Ich hatte es gar nicht vor, aber Mist – ich mache ihm Zeichen. Völlig unerwartet! Ich glaube, es liegt daran, wie er mich an der Tür angegrinst hat. Wie kann eine Frau einem so breiten, jungenhaften Grinsen widerstehen?
»Nein, nein, mach dir keine Gedanken. Du rettest mich vor all dem hier.« Ich deute halbherzig auf die Umzugskisten und schaue ihm tief in die Augen. »Ich bin dankbar für eine Pause. Nimm dir Zeit.« Noch mehr Blickkontakt. Ich halte inne und schaue dann weg. Ich kann nicht anders. Ich mache diesem Mann wirklich Avancen. Kann es sein, dass Candice und Jackson recht haben? Werde ich es wirklich übertreiben und ein bisschen Spaß haben, bevor ich gehe? Vielleicht sollte ich ihn überreden, noch auf ein Gläschen zu bleiben …
»Wie lautet deine Bankverbindung?«, fragt er. »Ich werde das Geld sofort überweisen.«
Ich gebe ihm meine Daten, und während er mir die einzelnen Schritte der Überweisung erklärt, schaue ich ihn mir noch genauer an. Seine Gesichtszüge sind weicher, als sie auf den Fotos wirkten, die wir auf Social Media gesehen haben. Kurze dunkle Haare, ein kräftiger Hals, der aus dem oberen Rand seiner Jacke lugt. Seine Lippen sind voll, und die kurzen Bartstoppeln verleihen ihm einen leicht rauen Look. Wir haben auf Instagram gesehen, dass er sehr, sehr jung aussieht, wenn er glatt rasiert ist. Fast möchte ich ihm sagen, dass mir sein Bartschatten gefällt, aber ich halte mich zurück, als mir klar wird, dass ich ja offiziell nicht weiß, wie er ohne ihn aussieht. Ich frage mich, wie seine Ex wohl war und wer mit wem Schluss gemacht hat. Und schon rasen meine Gedanken weiter, und ich frage mich, was er im Bett mag, ob er zärtlich oder grob ist, wie viel Zeit er sich fürs Vorspiel nimmt. Entspann dich,Ruby, sage ich mir dann.
Ein Piepton lässt uns wissen, dass das Geld angekommen ist. Ich hebe mein Handy auf und winke ihm zu.
»Erledigt!«, sage ich.
»So einfach ist das«, erwidert er und lächelt in Richtung Fußboden.
»Ja …«, stimme ich zu.
Keiner von uns weiß, was er als Nächstes sagen soll. Er trommelt mit den Fingerspitzen gegen seine Jeans, als würde er darauf warten, losgelassen zu werden. Ich beobachte die sauberen, kantigen Spitzen seiner Nägel, die in einem Stakkato-Rhythmus klopfen. Ich nehme meinen Mut zusammen, denn ich werde es tun: Ich will herausfinden, ob er bleiben will. Scheiß drauf – warum denn nicht? Dann spüre ich seinen Blick auf mir, also schaue ich auf, und bevor meine Augen seine treffen, schaut er weg, über meinen Kopf hinweg, auf die Stelle, wo früher mein Spiegel hing.
»Ich sollte jetzt wohl besser gehen«, sagt er.
Oh. Ich verstehe das alles falsch. Die Vibes gehen nur in eine Richtung. Uuuups. Ich sollte ihn einfach mit seinem Tag weitermachen lassen. Er will nicht bleiben. Macht nichts.
»Soll ich Jackson bitten, dir zu helfen?«, biete ich an und befreie ihn aus dem Gefängnis meiner Aufmerksamkeit. »Er hilft dir bestimmt gern.«
Er springt nahezu auf und rennt zur Tür, was mir nicht gerade ein gutes Gefühl gibt. Ich beherzige den Wink mit dem Zaunpfahl. Wenigstens ist mit dem Sofa eine weitere Aufgabe von der To-do-Liste gestrichen, und wir kommen dem Familienessen einen großen Schritt näher.
»Jackson«, rufe ich, als ich nach der Türklinke greife, um Nic hinauszulassen. Ich hätte mir nicht die Mühe machen müssen. Jackson und Candice stehen vor der Tür und versuchen nicht einmal zu verbergen, dass sie ganz still und leise die ganze Sofakaufaktion mit angehört haben.
»Kannst du ihm bitte helfen?«, frage ich, während meine Blicke giftige Pfeile abschießen.
»Klar doch«, antwortet er gelassen. »Es ist mir ein Vergnügen, zu helfen.«
Und das Funkeln in seinen Augen bringt meinen Magen wieder einmal zum Flattern. Ich versuche den Kopf zu schütteln, um heimlich mitzuteilen, dass Nic nicht interessiert ist, aber Jackson hat es nicht bemerkt.
»Okay, Kumpel – jeder eine Seite? Vergiss nicht, in die Knie zu gehen«, höre ich ihn sagen, und es ist mir peinlich, wie enttäuscht ich bin, dass dieser gut aussehende Mann nicht einmal einen kleinen Flirt erwidern will.
Nic
Ich bestelle ein extragroßes Taxi über die App. Zum Glück hat es aufgehört zu regnen.
»Ist sie deine Freundin?«, frage ich Jackson, denn ich muss es wissen. Ich kann nicht glauben, dass ich sie nie wiedersehen werde. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hab mich so blöd angestellt, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, und ich hab gehustet und bin rot geworden und hab mich so verhalten, als hätte ich den IQ eines Zweijährigen. So was von bescheuert! Sie konnte mich gar nicht schnell genug loswerden.
»Wer, Ruby?«, fragt Jackson. »Nee, man scheißt nicht dort, wo man isst, das ist mein Motto. Wir wohnen nur zusammen, das ist alles. Na ja … Wir haben zusammengewohnt. Sie zieht morgen aus. Daher der Sofaverkauf.«
»Oh«, antworte ich. Nicht, dass es einen Unterschied macht, wie ihr Beziehungsstatus ist.
Ich habe gerade wieder einmal bewiesen, wie inkompetent ich bin. Diese Frau zieht sowieso um. Ich wette, sie hat mich nicht einmal auf ihrem Radar registriert. Nicht so eine Frau und ein Typ wie ich.
»Sie sieht ziemlich gut aus, oder?«, fragt Jackson. »Ruby.«
Ich zucke mit den Schultern.
»Ach komm, erzähl mir nicht, es wäre dir nicht aufgefallen!«
Ich grinse, nur ein bisschen, weil ich nicht anders kann. Jackson hat genauso eine lockere Art wie Ollie. Ich fühle mich in seiner Nähe wohl und entspannt.
»Ahh!«, sagt er und lacht dabei. »Sieh dir dein Gesicht an! Natürlich ist es dir aufgefallen, du alter Perversling. Nun, es wird dich freuen zu hören, dass sie Single ist.«
Ich schaue auf die Taxi-App. Noch fünf Minuten. Ich bete, dass der Taxifahrer mir beim Ausladen hilft, wenn ich ihm genug Trinkgeld gebe.
»Du hast vielleicht gemerkt, dass ich das mit den Frauen nicht so gut draufhabe«, sage ich, richte meinen Blick dabei zum Ende der Straße und beobachte die vorbeirasenden Autos. »Dass sie Single ist, bringt mir also nicht viel.«
»Ja«, sagt Jackson. »Das kann ich nicht leugnen. Ich habe gemerkt, dass du ein bisschen …«
»Ja«, stimme ich zu, ohne dass er spezifischer werden muss.
Wir warten.
»Wenn du unaufgeforderte Ratschläge annimmst«, sagt Jackson schließlich, »will ich dir sagen, dass der Trick darin besteht, sich dort aufzuhalten, wo sie sind. So sehe ich das jedenfalls.«
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit durchnässten Klamotten und einem Sofa, das ich in weniger als vier Minuten hochheben muss, am Straßenrand Nachhilfe in Liebesdingen brauche, aber … Irgendjemand muss mir ja helfen. Ich habe mich nicht bis hierher durchgekämpft, um so sanftmütig, mild und nutzlos zu bleiben, wie ich es mein Leben lang war. Ich zucke vielleicht zusammen, wenn Ollie mir helfen will, aber nicht, weil ich seine Hilfe nicht bräuchte. Es ist die Art, wie er sie anbietet. Jackson spricht wie ein Mensch, nicht wie eine Karikatur. Er macht es einem leicht, ihm zuzuhören. Ich hasse es, wenn andere Männer einen Weitpisswettbewerb veranstalten, an dem ich nicht teilhaben will. Jackson scheint wirklich in Ordnung zu sein.
»Was meinst du?«, frage ich vorsichtig. »Red weiter.«
»Okay«, antwortet Jackson und dreht sich zu mir. »Stell dir vor, da ist eine wunderschöne Frau …«
»Okay.«
»Und sie ist wirklich heiß. Sie hat diese Augen, diese Lippen, diesen Körper, was auch immer. Du schaust sie an und denkst: Boah!«
»Mhmm …«
»Erstens weiß sie es wahrscheinlich schon. Heiße Frauen wissen entweder, dass sie heiß sind, und haben es satt, dass Männer wie wir sie anstarren, als wären sie ein Stück Fleisch. Oder sie wissen nicht, wie heiß sie sind, und werden deshalb unsicher. Sie glauben, dass wir uns über sie lustig machen oder dass wir etwas an ihnen entdeckt haben, was sie eh schon verunsichert. Du kannst denken: Gott, was für ein toller Hintern, und sie wird annehmen, dass du denkst: Oh, mit diesem Hintern sieht sie aus wie ein fettes, ekelhaftes Schweinchen!«
»Frauen reden nicht so mit sich selbst«, sage ich und schüttle den Kopf. »Das ist ja furchtbar.« Ich habe Millie nie schreckliche Dinge über sich selbst sagen hören. Aber Millie war damals sehr selbstbewusst, sie war in solchen Dingen sehr pragmatisch. Sobald Ruby die Tür geöffnet hatte, war da eine Energie in der Luft, etwas Rohes, Wildes. Millie war eher missionarisch … Sie duschte gern, bevor wir Sex hatten, und war immer die Erste, die aufstand, um sich zu waschen, wenn wir fertig waren. Sie war sehr kopfbetont, auf eine Art, die ihren Körper als nebensächlich erscheinen ließ, als ob sie wirklich ohne ihn auskommen könnte. Ruby ist Körper und Geist. Das konnte ich ihr schon nach fünf Minuten ansehen. Ich weiß, das klingt lächerlich, aber ganz ehrlich – ich habe mich noch nie von einem anderen Menschen so angezogen gefühlt.
»Doch, das tun sie«, beharrt Jackson. »Ich habe vier Jahre lang mit den beiden zusammengelebt. Ich habe alles mitbekommen. Ich weiß nicht … sie nennen es Diätkultur. Die Art, wie sie über ihren Körper denken, ist im Grunde nicht dieselbe wie die, wie wir über ihre Körper denken.«
»Wirklich?«, frage ich. »Wenn ich eine Frau wäre …«
»Würdest du die ganze Zeit nackt vorm Spiegel stehen, jeden Tag?«
»Ja.«
»Genauso geht es mir auch.«
Wir nehmen uns beide einen Moment Zeit, um zu verdauen, wie es sein könnte, wenn man solch geheimnisvolle Kräfte hätte.
»Wie auch immer«, drängt Jackson. »Wir sehen eine Frau, die uns gefällt, und schon sind wir zehn Schritte weiter: Wie komme ich mit ihr ins Gespräch? Wie stelle ich es an, mit ihr allein zu sein? Wie kann ich sie küssen, vögeln und in Zukunft immer wieder vögeln?«
»Es geht nicht immer um Sex«, versuche ich zu argumentieren, aber Jackson winkt ab.
»Es geht immer um Sex. Es geht immer um Sex, bis es nicht mehr darum geht. Es geht immer um Sex, bis kurz nachdem wir Sex hatten, und dann geht es um …« Er hält inne und denkt über seine Schlussfolgerung nach. »Um etwas anderes. Ich glaube, das ist der Moment, in dem wir es wissen, nicht wahr? Nach dem Sex gibt es diesen Moment: Will ich, dass du die ganze Nacht bleibst, oder will ich, dass du gehst? Verstehst du, was ich meine? Sobald der Sex vorbei ist, siehst du die Person neben dir quasi zum ersten Mal. Und dann weißt du, ob du sie um dich haben willst oder nicht.«
»Das weiß man erst, nachdem man mit ihr im Bett war?«
»Ja, findest du nicht?«, antwortet Jackson, aber bevor ich so tun kann, als wüsste ich genau, wovon er spricht, fährt er fort: »Schau. Bei Frauen ist es so, dass sie meistens erst mit dir schlafen, wenn sie bereits entschieden haben, was sie fühlen und was sie wollen. Deswegen entstehen die Probleme. Bei Männern ist das nicht so. Mit Männern zu schlafen ist viel unkomplizierter.«
»Und das sagst du, weil du ja so viel Erfahrung mit Männern hast«, witzle ich, und es soll wirklich nur ein Scherz sein, aber es klingt erbärmlich homophob. Ich bereue es sofort.
»Ein bisschen, ja«, sagt Jackson.
Autsch.
»Ich bin pan«, fährt er fort. »Pansexuell. Ich stehe auf Menschen, nicht auf Geschlechter. Auf Männer, Frauen, nicht binäre Personen …«
»Oh«, erwidere ich, und mir wird schmerzlich bewusst, dass ich gar nicht erst hätte versuchen sollen, einen Witz darüber zu machen, dass Männer Männer mögen oder wen auch immer. Wir leben nicht mehr in den Fünfzigern, um Himmels willen. »Das ist wirklich cool. Schön für dich.« Plötzlich beneide ich ihn ein bisschen. Man stelle sich nur vor, dass man sich selbst so gern mag, dass man den Leuten einfach sagen kann, wer man ist, und nicht darauf warten muss, dass sie auf einen zukommen.
Er fährt fort, und durch seine Freundlichkeit fühle ich mich noch schlechter, weil ich mich vorhin so blöd ausgedrückt habe. »Was ich sagen will, ist Folgendes: Wenn dich Gespräche mit Frauen nervös machen, versuche, nicht zu viel zu erwarten. Wenn ich sage, bleib da, wo du bist, dann meine ich damit, dass du nicht daran denken sollst, wie sie nackt aussieht oder wie du sie ausziehst. Konzentriere dich auf das Jetzt. Sprich über das, was direkt vor dir ist.«
»Was genau? Das Sofa?«
»Versuch’s mal mit mir«, sagt Jackson. Ich sehe ihn an und blinzle. »Probier’s an mir aus«, wiederholt er und lässt sich auf das Sofa fallen, schlägt die Beine übereinander und klimpert mit den Wimpern. »Hallo«, sagt er mit einer albernen hohen Stimme. »Ich bin … Bathsheba. Ich habe ein Sofa zu verkaufen. Bist du hier, um das Sofa zu kaufen?«
Ich schüttle den Kopf. »Das ist … Ich bin nicht …«
Er bleibt in seiner Rolle. »Mensch, ich wünschte, ich hätte daran gedacht, heute einen BH anzuziehen. Ich hoffe, du kannst meine Brüste nicht sehen.« Er streckt seine Brust raus, merkt, dass ich nicht anbeiße, und verzieht dann den Mund zu einer geraden Linie.
»Wie lange noch, bis das Taxi kommt?«, fragt er und schlüpft aus seiner Rolle.
Ich schaue auf mein Handy. »Oh«, sage ich. »Es ist von drei Minuten wieder auf fünf gesprungen. Das ist ärgerlich.«
»Fünf Minuten«, sagt er. »Du kannst doch die nächsten fünf Minuten mein kleines Spiel spielen, oder?«
Ich schaue zurück zum Haus, nur für den Fall, dass uns jemand beobachtet. Ich merke, dass ich diesem Typen wirklich vertraue. Er hat keinen Grund, nett zu mir zu sein, aber er ist es. London-Nic muss einfach vertrauen. London-Nic muss mit dem Strom schwimmen und offen sein für alles. Das habe ich mir versprochen. Selbst wenn das bedeutet, dass ich, am Ende einer Sackgasse im Westen Londons, so tue, als würde ich einem Typen, den ich gerade kennengelernt habe, ein Sofa abkaufen, und dabei vorgebe, für ihn zu schwärmen.
»Okay, gut«, sage ich und setze mich neben ihn.
»Hallo!«, beginne ich, und meine Stimme hellt sich auf. »Schön, dich kennenzulernen … Bathsheba. Ich bin Nic. Ja, ich bin hier, um dein Sofa zu kaufen …«
Ruby
Was machen die da draußen?«, fragt Candice, während sie das Rollo mit einem eleganten, gebräunten Finger aufhält und hindurchspäht. Jackson wartet mit dem Sofatypen auf das Taxi, um ihm zu helfen, es einzuladen, und ich schaue über Candices Schulter und sehe die beiden hinter der Hecke sitzen und sich angeregt unterhalten, als wäre der Bürgersteig ihr Wohnzimmer und der Rest der Straße ihr Zuhause.
»Vielleicht versucht Jackson ihn rumzukriegen«, stelle ich fest. »Nic mag vielleicht nicht auf mich stehen, aber einer von euch beiden sollte sich seine Nummer besorgen – du hattest recht, was seinen Hintern angeht.«
»Und hast du gesehen, wie groß seine Füße sind?!«, ruft Candice aus, und ich lächle. Wir beobachten die Männer weiter.
»Nee«, entscheidet sie. »Jackson ist doch immer noch scharf auf die neue Praktikantin. Es scheint ihm wirklich ernst zu sein. Außerdem macht er das immer, sich mit Heimatlosen und Streunern anzufreunden. Dem jungen Nic steht in baldiger Zukunf ein Dodgeballturnier bevor, das kann ich riechen …«
Sie bezieht sich auf Jacksons zweiwöchentliches Sportevent, aber ich habe bereits das Interesse verloren und konzentriere mich wieder aufs Packen. Es gibt noch viel zu tun.
»Hmmm«, murmele ich.
Jetzt, wo das Sofa weg ist, sieht das Zimmer riesig aus. Ich hatte nie wirklich Platz für das schmale Sofa, aber da das Wohn-Esszimmer so klein ist und in der Küche buchstäblich ständig jemand ist, hatte ich die Wahl, entweder den Platz zu opfern oder mich in meinem Zimmer immer aufs Bett setzen zu müssen – und dabei hätte ich mich zu sehr wie ein Teenager gefühlt. Ich hatte das Sofa im Schaufenster eines Secondhandladens in unserer Nähe gesehen, und wir hatten es zu dritt nach Hause getragen, wobei Jackson die ganze Zeit geflucht hat, dass es nicht durch die Tür passen würde. Aber es hat durchgepasst, und es stand in der Ecke am Erkerfenster, mit einem Teppich davor, den ich in Thailand gekauft habe, und einem kleinen Beistelltisch, den einer der Nachbarn mit der Aufschrift »Zu verschenken« versehen hatte. Es war mein Lieblingsplatz im ganzen Haus.
»Was wollen wir zu Abend essen?«, frage ich und schiebe einen Stapel Kisten und einen Anflug von Traurigkeit beiseite, während ich mich in dem nun sehr hallenden Raum umschaue. Jackson und Candice haben nicht wahrhaben wollen, dass ich wirklich weggehe, also haben sie sich nicht darum bemüht, jemand Neues für das Zimmer zu finden, deshalb wird es erst mal leer stehen. Sie meinten, das wäre kein Problem. Auf dem Haushaltskonto sei genug Geld, um den Fehlbetrag auszugleichen, und so ein tolles Zimmer gehe bestimmt innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach Erscheinen der Anzeige weg, es werde also höchstens ein paar Tage dauern, jemand dafür zu finden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie bis zur allerletzten Sekunde sicherstellen wollen, dass dies immer noch mein Zuhause ist.
Wir hören, wie die Haustür aufgeht, dann lugt Jacksons Kopf hindurch. Candice und ich sehen genau zur gleichen Zeit auf.
»Hey«, sagt er. »Ich helfe diesem Typen, das Sofa in seine Wohnung zu tragen. Soll ich auf dem Heimweg Pizza besorgen? Bei Sloppy Giuseppe’s?«
»Ich will nicht unhöflich klingen, aber warum hilfst du ihm, das Sofa nach Hause zu tragen?«, fragt Candice.
»Er braucht Hilfe.« Jackson winkt ab. »Und ich bin ein hilfsbereiter Mensch.«
»Aha.« Ich lache und greife nach meiner Handtasche, um ihm meine Bankkarte zu geben. »Natürlich bist du das.«
»Das bin ich!«, betont er, schaut auf meine Karte und winkt ab. »Pizza, ja? Das Übliche? Ich lade euch ein. Als Abschiedsgeschenk.«
Ich werfe ihm einen Kuss zu. »Danke«, sage ich. »Wie lange braucht ihr noch? Eine halbe Stunde? Eine Stunde?«
»So ungefähr«, sagt Jackson. »Es ist nur um die Ecke, und ich gehe von dort aus zu Fuß. Macht es dir was aus, anzurufen und schon mal die Bestellung aufzugeben? Dann geht’s schneller. Ich bin am Verhungern.«
»Mach ich«, sagt Candice und geht wieder zum Fenster. Jackson sieht, wie sie Nic mustert.
»Er hat noch keine Freunde hier«, bemerkt Jackson. »Ich leiste nur Nachbarschaftshilfe.«
Jetzt gibt Candice Laute von sich, die zum Ausdruck bringen, dass sie ihm das nicht abnimmt.
»Wow«, sagt Jackson. »Das bestärkt einen Mann darin, sich zu kümmern. Ich glaube, es sagt mehr über dich aus als über mich, dass du …«
»Ich werde dir die Lektüre dieses Psychologiemagazins verbieten, wenn du weiterhin solche Sachen sagst«, ruft sie lachend aus und weiß, dass er recht hat. »Geh einfach. Du lenkst uns sowieso nur ab!«
»Bis gleich!«, trällert er, und die Haustür fällt zu. Ich höre Gelächter, als er zu Nic zurück auf die Straße geht, und schließe mich Candice an, die die beiden erneut beobachtet, um herauszufinden, was so lustig ist. Ich meine, das ist doch nett, wenn Jackson einen neuen Freund findet. Ich spüre, wie mein Herz bei diesem Gedanken zusammenzuckt. Natürlich dürfen sie neue Freunde finden – es schmerzt nur, dass ich nicht mehr da sein werde. Ich habe die vage Befürchtung, ersetzt zu werden, fühle mich aber nicht berechtigt, diese Ängste zu haben, da ich ja aus eigenem Antrieb gehe.
»Er stand total auf dich, weißt du«, sagt Candice, die ihre Augen nicht von den Männern und dem Sofa abwendet.
»Du hast also an der Tür gelauscht!«, antworte ich. »Unglaublich!«
Sie zuckt mit den Schultern, als wolle sie sagen: Na klar.
»Ruby«, sagt sie und sieht mich jetzt an. »Ich kann gar nicht genug betonen, wie sehr du einen sexuellen Exorzismus von diesem Scheißkerl, dessen Name nicht genannt werden soll, brauchst. Du hattest ihn gerade zum Greifen nahe; du hättest ihn nur bitten müssen, auf ein Getränk zu bleiben. Er wäre dir wirklich gerne entgegengekommen. Da bin ich mir sicher.«
»Dein Radar ist ausgeschaltet«, winke ich ab. »Er konnte gar nicht schnell genug gehen.«
»Mein Radar ist nie aus«, schiebt sie nach.
»Na ja, egal. Ich bin jetzt eine männerfreie Zone. Ich bin darüber hinweg.«
»Ich könnte ihn fragen, ob er mit uns Pizza isst …«
»Candice«, warne ich sie. »Bitte.«
»Ich meine ja nur!«, versucht sie es noch einmal, obwohl man ihrem Gesichtsausdruck ansieht, dass sie bereits weiß, dass es nichts bringt.
Ich will keine schlechte Laune kriegen. Ich werde meinen letzten Abend nicht damit verbringen, über Männer zu reden. Alles, was passiert ist, war furchtbar, aber wenigstens hat es auch etwas Gutes. Jackson und Candice verstehen das vielleicht nicht, aber es ist an der Zeit, mein Leben in die Hand zu nehmen und etwas zu ändern. Ich will einen Neuanfang und ein Jahr für mich: zwölf Monate, die morgen beginnen, in denen ich völlig enthaltsam lebe und mich voll und ganz auf meine Selbstfindung und Kreativität konzentriere – wenn das nicht zu größenwahnsinnig klingt. Ich habe einfach das Gefühl, dass sich mein Leben grundlegend ändern könnte, wenn ich mich in diesen zwölf Monaten vollkommen auf mich selbst fokussiere. Ich bin noch nicht da, wo ich sein sollte, auch wenn die Menschen, die ich liebe, hier sind, wo ich gerade bin. Das ist es, was den heutigen Tag so bittersüß macht. Ich möchte mich ein bisschen betrinken, mit Candice und Jackson ein bisschen Party machen und dann auf dem Wohnzimmerboden liegen, bis wir die Augen nicht mehr offen halten können. Ich möchte in Erinnerungen schwelgen und das Versprechen hören, dass wir für immer beste Freunde bleiben. »Tu es bitte nicht. Ich habe gerade keinen Kopf dafür. Ich versuche wirklich ganz tapfer zu sein, falls du es nicht bemerkt hast.«
Sie atmet aus und lässt die Jalousie los. »Ich auch«, sagt sie traurig. Sie umarmt mich, aber wir ziehen uns beide ziemlich schnell aus der Umarmung zurück, bevor die Gefahr zu groß wird, dass ich anfange zu weinen. Das kann ich später tun. »Ich wollte nur helfen.«
»Das verstehe ich«, sage ich, und ihr Blick bringt mein stoisches Herz zum Schmelzen. Sie kommuniziert jetzt wortlos mit mir, so wie nur sie es kann. Ich verstehe, was sie meint, und sie hat noch nicht einmal eine Silbe gesagt.
»Ernsthaft?«, sage ich und erkenne schon an ihrem Blinzeln, worauf sie hinauswill. Sie hat noch nicht aufgegeben. »Wir wollen diesen Typ ernsthaft fragen, ob er mit uns abhängt?«
Sie grinst schelmisch und lässt mich aussprechen, was als Nächstes passieren wird. Das ist ihre Superkraft: die Klappe halten und andere Leute so lange quatschen lassen, bis sie bekommt, was sie will. Während es passiert, weiß ich, dass ich mich genau so verhalte wie in ihrem heimtückischen Plan vorgesehen, aber ich bin eben nur eine einfache Sterbliche. Ich kann mich ihr nicht widersetzen.
»Gut«, sage ich und blinzle die Tränen weg, die zu kullern drohen, als mir wieder bewusst wird, wie sehr ich sie vermissen werde. »Schick Jackson eine Nachricht. Wenn der Sofatyp auf eine Pizza zurückkommen will – was er sicher nicht tun wird –, ist er willkommen. Vielleicht wird eine zusätzliche Person uns davon abhalten, allzu miesepetrig zu werden, sie wird uns vielleicht ablenken, sodass der Abend feierlich und lustig wird.«
Candice reckt ihre Faust in die Luft, eine dramatische Geste, die mich zum Lachen bringen soll. »Ja«, quietscht sie, als ob sie gewonnen hätte.
»Du bist doof«, sage ich und grinse gegen meinen Willen.
»Und du solltest dich mal um deine Bikinizone kümmern«, erwidert sie. »Ich sag’s dir: Mein Radar funktioniert perfekt. Du bist gerade dabei, Glück zu haben.«
Nic
Nun ist es offiziell. Ich bin wieder in ihrem Haus, und jedes Mal, wenn Ruby mit mir spricht, werde ich rot. Wenn sie auch nur ein einziges Wort sagt, bleibt mir etwas im Hals stecken, und über meine Wangen, Ohren und Augen breiten sich rote Flecken aus wie verschütteter Wein auf einer Tischdecke. Das Erröten macht mich dann noch nervöser, weil ich mich wie ein Trottel fühle, und weil ich mich wie ein Trottel fühle, werde ich noch röter. Es ist demütigend.
»Alter, was habe ich gesagt?«, flüstert Jackson mir zu, als Ruby und Candice Servietten holen gehen. »Atme einfach ganz ruhig. Und bleib, wo du bist – du erinnerst dich?«
Ich nicke. »Bleib, wo du bist«, wiederhole ich. Hinter der Küchentür höre ich das dumpfe Hintergrundgeräusch von Geplapper.
»Sie reden über dich«, sagt Jackson.
Er hat also bemerkt, dass ich versucht habe mitzuhören.
»Stört es sie, dass ich hier bin?«, frage ich, aber Jackson schüttelt den Kopf. Er hatte darauf bestanden, dass ich mitkomme, nachdem wir mein Sofa in meine Wohnung getragen haben. Im Taxi hatte er mir von seinem Job als Assistant Talent Manager erzählt und von den seltsamen Dingen, die einige der Mitarbeitenden so treiben, und dann, nachdem wir die schwere Arbeit erledigt haben und ich ihm ein Bier eingeschenkt habe, hat er ein bisschen davon gesprochen, wie es war, als er hergezogen ist. Es war wirklich rührend, als er mich gefragt hat, ob ich an diesem Abend nicht noch mit ihm abhängen will, und um ehrlich zu sein, war ich ihm sehr dankbar dafür. Essen zum Mitnehmen und Fernsehen an einem Samstagabend klang für mich perfekt. Man hört ja immer wieder Geschichten über Leute, die umziehen und dann für immer allein in ihrer Wohnung hocken, weil sie niemanden haben, um ein Bier trinken zu gehen. Mein Bruder lebt hier, aber man kann sich nicht auf ihn verlassen – gestern Abend um 9 Uhr hat er mich gefragt, ob wir ausgehen, da war ich schon dabei, ins Bett zu gehen. Und natürlich bedeutet eine Pizza mit Jackson die Chance auf eine Pizza mit Ruby, auch wenn sie gerade wegzieht. Und Jackson wusste es.
»In der Nachricht steht, ich soll dich einladen! Außerdem kannst du dann gleich üben, was ich dir beigebracht habe«, hat er mir angeboten und mich damit voll erwischt. Er hat mich sogar gefragt, ob ich nicht Lust habe, mal zum Dodgeballspielen mitzukommen. Auch wenn er mich mit der Aussicht auf Rubys Gesellschaft verführt hat, hat mir der Vorschlag, dass er und ich Freunde sein könnten, gut gefallen.
Trotzdem fühle ich mich jetzt unwohl. Ich wünschte, ich wüsste besser, was ich sagen und was ich tun soll. Ich kann ziemlich okay sein, wenn ich mit Leuten warm geworden bin, aber shit!, es dauert, bis es so weit ist.
Ruby und Candice kommen zurück, und Ruby überreicht jedem von uns eine Stoffserviette. Ich zwinge mich, ihr in die Augen zu sehen, nur ganz flüchtig. »Die sind … hübsch«, sage ich und zittere so sehr, dass ich meine Hand schnell wegziehen muss, bevor sie es sieht. Ich kann nicht glauben, dass ich dämliche Servietten zum Gesprächsthema mache, aber Jackson hat mir versprochen, dass es funktionieren würde. Bleib, wo du bist.
»Danke«, sagt sie strahlend, lässt sich auf dem Boden nieder und schiebt ihre nackten Beine unter den Couchtisch. Sie nimmt das Leben so leichtfüßig. Sie ist eindeutig ein glücklicher Mensch, der sich in seiner Haut wohlfühlt. »Ich habe sie Candice letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt. Wir waren an einem Tiefpunkt angelangt, als wir uns beim Essen die Hände mit Klopapier abgewischt haben, nachdem uns das Küchenpapier ausgegangen war. Und da dachte ich: Die Zeit ist reif für Stoffservietten!«
»Clever«, sage ich bewundernd, wobei mir nur dieses eine Wort auf der Zunge liegt. Ich überlege krampfhaft, was ich noch hinzufügen könnte. Bleib, wo du bist! »Ihr braucht noch Serviettenringe, auf denen eure Namen stehen, damit ihr wisst, welche wem gehört.«
»Daran habe ich nicht gedacht.« Sie nickt anerkennend und denkt darüber nach. »Jeder von uns macht einfach eine andere Art von Knoten rein, so wissen wir, welche wem gehört. Aber personalisierte Serviettenringe wären natürlich viel raffinierter.«
»Personalisierte Knoten?«, frage ich. »So ein Pfadfinderinnen-Ding?«
Sie lacht. Ich habe sie gerade zum Lachen gebracht! Sie hat zwei perfekte Reihen perlweißer Zähne. Sie wirft den Kopf zurück und stößt ein lautes Kichern aus, bevor sie verlegen mit ihrem Haar herumspielt. Ich kann nicht umhin, mich zu fragen, wie es wohl wäre, meine Lippen auf diesen Hals zu pressen.
»So weit bin ich nie gekommen«, gibt sie zu, aber es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren: Ich will einfach nur wieder dieses Kichern hören.
Bleib.
Wo.
Du.
Bist.
»Ich hab ziemlich früh bei den Pfadfinderinnen wieder aufgehört und habe Jungs und Nagellack entdeckt und Dinge, für die man keine Abzeichen bekommen kann – und sollte«, fährt sie fort. »Quattro Formaggi oder Diavolo?«
Sie deutet auf die Pizzakartons.
»Je ein Stück von beiden, bitte«, sage ich. Sie spielt die mütterliche Rolle, und Jackson sieht mich an und nickt zustimmend. Ich ertappe mich dabei, dass ich sie am liebsten weiter unterhalten würde, nur um ihre Stimme zu hören, aber ein winziger Teil von mir will auch Jacksons Zustimmung, dass ich es kann. Dass er nicht falsch damit lag, Vertrauen in mich zu haben. Er scheint sich so sicher, dass ich es schaffe. »Ich kann mich nicht entscheiden, weißt du, weil ich Waage bin. Ausgewogenheit ist alles.«