Der Schrei des Phönix - Sabine Gräfin von Rothenfels - E-Book

Der Schrei des Phönix E-Book

Sabine Gräfin von Rothenfels

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Beschreibung

Noch könnte ich umkehren. Doch wo sollte ich hin? Zum wem sollte ich zurückgehen? Die Menschen die mich lieben kommen auch ohne mich zurecht. Die Menschen die mich nicht lieben werden mich nicht vermissen. Tiefer geht es hinab. In den Schlund der Erde. Noch einmal nehme ich etwas aus der Tasche. Mein Testament. Ich vermache all meinen Besitz meinen Eltern. Bestimme meine Grabinschrift. Eine Gedenktafel. Mein Körper wird zu Asche verbrennen und auf ewig im Bauch des Vulkans ruhen. "Hier gedenken wir Rebecca. Gezeugt in einer kalten Winternacht. Geboren im Herbststurm. Gelebt in der Hitze des Sommers. Gestorben an Frühlingssehnsucht. Ihr gebrochenes Herz hört auf zu schlagen und vergibt euch." Ich bin am Ziel. Hier pocht das Herz des Feuers. Flüssige Erde. Ich nehme die Atemmaske ab. ****************** Ich bin Phönix, der Feuervogel! Die Sonne um die sich die Erde dreht. Die brennende Flamme die zum Himmel aufsteigt um mit neuem prächtigem Gefieder zurückzukehren. Du hast versucht mich zu zerschmettern, mich zu einem elenden Häufchen Asche verbrannt. Doch aus dem Staub bin ich wieder geboren, schöner und stärker als je zuvor. Ich bin Phönix und mein Schrei bleibt nicht ungehört auch in der dunkelsten Nacht! Aus dem Feuer wurde ich geboren, ins Feuer kehre ich zurück. Lebe wohl du schnöde Welt, lebe wohl, du meine Liebe! Gräme dich nicht um Phönix, ich werde zurückkehren - wieder geboren aus den Flammen. So wie die Sonne jeden Morgen aus der Dunkelheit wieder geboren wird. Es ist leicht. Einfach fallen. Fallen und am Ende die flirrende Hitze, Feuer und glühende Lava. Lava die mich umschließt und völlig in sich aufnimmt. Ich werde flüssiges Feuer, tanzende Glut. Alles verbrennt. Die Erinnerung, der Schmerz und selbst dieser Gedanke. ENDE und ANFANG zugleich...

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Sabine Gräfin von Rothenfels

Der Schrei des Phönix

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Der Schrei des Phönix

Prolog

Kapitel 1 – Ex

Kapitel 2 – Himmlische Qualen

Kapitel 3 – Auf der Suche

Kapitel 4 – zum Heulen

Kapitel 5 – Verhängnisvolle Affären

Kapitel 6 – Lebensgeister erheben sich

Kapitel 7 – Alte Sünden

Kapitel 8 – Sehnsüchte

Kapitel 9 - Einmal Himmel und zurück

Kapitel 10 - Wunden lecken

Kapitel 11 – Die Operation „Verführung Paul“

Kapitel 12 – der Fluch

Kapitel 13 – Der Drei-Männer-Plan

Kapitel 14 – Eier und Nüsse

Kapitel 15 - Havanna sehen und leben!

Kapitel 16 - Krisen und Herausforderungen

Kapitel 17 – Zeit

Kapitel 18 – Babyblues

Kapitel 19 – Stumme Schreie

Kapitel 20 – Abgrund

Kapitel 21 – Phönix in Neapel

Impressum neobooks

Der Schrei des Phönix

Verehrte Leserinnen und Leser!

Dies ist ein rein fiktiver Roman. Ähnlichkeiten mit tatsächlich existierenden Personen oder realen Ereignissen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Ihre

Sabine Gräfin von Rothenfels

Prolog

Es ist heiß. Feuer umbrandet mich. Lava fließt durch meine Adern. Mein Federkleid geht in Flammen auf. Ich verbrenne zu Asche. Zerfalle zu Staub. Doch ich strahle heller als die Sonne. Ein Stern der verglüht.

Mit meinen letzten Gedanken will ich Euch ein Lied singen über dieses eine Leben, diese eine Liebe, diesen einen Tod.

Rebecca -

gezeugt in einer kalten Winternacht,

geboren an einem stürmischen Herbsttag,

gelebt mit der Sehnsucht nach Frühling im Herzen,

gestorben im sanften Sommerwind…

Ich bin Phönix – der Feuervogel! Unsterblich.

Kapitel 1 – Ex

Dieser verfluchte Mistkerl hat mir sieben Jahre gestohlen. Die besten Jahre. Als ich ihn kennenlernte war ich gerade süße 21 Jahre alt geworden. So jung. So naiv. Ich fiel auf diesen Blender rein. Er hat mir vorgemacht dass er der Beste und Zielstrebigste ist. Dass wir eine glitzernde Zukunft haben würden. Diese Mistmade!

Er hat mich betrogen mit dieser polnischen Hure! Und dann hat er auch noch beschlossen diese geldgierige Schlampe zu heiraten! Mann - muss die gut blasen. Ich hoffe sie nimmt ihn aus wie eine Weihnachtsgans!

Ich habe meinen Ex-Freund geliebt oder es wenigstens für Liebe gehalten. Immerhin habe ich Pläne gemacht für eine gemeinsame Zukunft. Er allerdings hat mich zum Schluss wie einen Gegenstand behandelt. Mich als selbstverständlich betrachtet aber nicht wichtig.

Er hat sich gern mit mir der hübschen, klugen, selbständigen Frau geschmückt wenn ihm danach war. Ansonsten hatte ich ruhig und bescheiden zu Hause zu sitzen während er seine Freiheit genoss.

Der sexuelle Teil hatte eigentlich immer zwischen uns gestimmt. Unsere körperliche Nähe war durchaus von Leidenschaft geprägt. Ich erinnere mich an eine Nacht in der wir tatsächlich sieben Mal (!) Sex hatten.

Freilich hatte ich nicht viele Erfahrungen in diesem Bereich, er war erst der zweite Mann für mich. Doch im Vergleich zu meinem ersten richtigen Freund schien mir unser Liebesleben sehr in Ordnung. Ich fühlte mich befriedigt und begehrt.

Ansonsten hat er mich nie wirklich ernst genommen. Er hat mir nie gesagt dass er mich liebt. Er hat auch nie vorgehabt mich zu heiraten, ein Haus zu bauen oder dergleichen - was man so als Zukunftspläne für ein Paar bezeichnet. Meine Wünsche und Gefühle waren ihm herzlich gleichgültig. Allein sein Wohlbefinden war in der Beziehung wichtig gewesen. Dann hatte er mich betrogen. Ich wusste es zuerst nicht, ich fühlte es nur. Ich konnte die andere förmlich an ihm riechen. Und das war absolut unverzeihlich. Etwas was ich nicht vergeben konnte und wollte.

Den Schlussstrich zog ich, zumindest geistig nur für mich, bei einer Sommerparty. Bei der Feier fungierte mein damaliger Freund als DJ und ignorierte mich den ganzen Abend total. Ich war wirklich total sauer über sein Verhalten. Ich hatte genug davon wie er sich aufführte. Genug von seiner Missachtung. Dazu kam dieses Gefühl nicht mehr die Einzige für ihn zu sein. Noch hatte ich keinen Beweis für seine Untreue doch konnte ich ihm nicht mehr vertrauen.

Da bin ich tatsächlich am Lagerfeuer mit ein paar netten Jungs ins Gespräch gekommen. Und diese jungen Männer nahmen mich gar nicht für selbstverständlich sondern durchaus für bemerkenswert. Besonders einer schien nicht nur nett und intelligent sondern auch sehr an mir interessiert zu sein.

Das war der entscheidende Punkt gewesen. Ich hatte erkannt dass es durchaus auch noch andere Männer gab. Männer die mich mit Respekt behandelten. Dass die Art und Weise wie mein Freund mit mir umging schlicht unakzeptabel war. Das war mir plötzlich ganz klar.

Bis ich dann tatsächlich den endgültigen Schlusspunkt setzte und meinen Wohnungsschlüssel von ihm zurück verlangte dauerte es noch fast zwei Wochen. In diesen Tagen kühlte die Beziehung, auch von seiner Seite aus, merklich ab. Er hatte so gut wie keine Zeit mehr für mich und das war mir mehr als recht.

Ich war noch nie sehr konfliktfreudig. Mir hatte vor der Auseinandersetzung gegraut. Schließlich wischt man mehr als sieben Jahre Beziehung nicht so einfach weg. Da schlug einfach mein stoisches norddeutsches Erbe durch.

Ich bin die Tochter einer Spanierin und eines echten Hamburgers.

Groß, blond und jene tiefgründigen dunkelblauen Augen. Blau wie die See. Meistens ruhig, manchmal aufbrausend. Unendliche Weite und Tiefe. So ist mein Vater. Er ist mein ideal für einen Mann.

Rein äußerlich würde uns niemand für Vater und Tochter halten doch unsere Seelen schwingen im gleichen Takt. Wir können nicht ohne Wasser. Ohne die salzige Seeluft und stets eine Handbreit Wasser unterm Kiel fühlen wir beide uns wie Fische auf dem Trockenen.

Meine Mutter Maria dagegen obwohl auf einer Insel aufgewachsen verabscheut das Meer zutiefst. Montanias, die Berge und trockenes südliches Klima, das ist nach dem Geschmack von Mama.

Hamburg war daher auch immer nur eine Übergangslösung für sie. Auch als sie dort ihre große Liebe fand war es nie eine Option für sie dauerhaft im kühlen, flachen Norden der Republik zu leben.

Wie es unsere kleine Familie dann schließlich in die Kleinstadt in der Nähe von München verschlagen hat konnten weder mein Vater noch ich wirklich beantworten. Meine Mutter war immer gut darin gewesen das Leben unserer Familie zu lenken und zu organisieren. Maria versteht es ihren Willen durchzusetzen. Als Bauingenieur kann Papa schließlich überall arbeiten. Irgendwie hatte sie eine Stelle für ihn nahe den bayrischen Alpen gefunden und uns dahin verfrachtet bevor wir dagegen protestieren konnten.

Mein Vater und ich machten das Beste aus der Situation. Der bayerische Süden hatte ja auch seine Reize. Jede freie Minute gingen wir schwimmen, segeln oder Motorbootfahren. Chiemsee, Ammersee oder Starnberger See boten zum Glück genügend Möglichkeiten für uns zwei Wasserratten. Nur der Ozean mit Wind und Wellen fehlte uns.

Meine Mutter schüttelte über diese Aktivitäten nur den Kopf. Sie genoss währenddessen die Museen, den spanischen Kulturclub oder die schicken Münchner Boutiquen. Mit den Jahren haben wir uns alle drei mit dem Leben in Bayern arrangiert, wir fühlen uns heimisch. Ich habe mein Abitur gemacht, die Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin abgeschlossen und dann habe ich meinen Ex-Freund kennengelernt.

Ich war in der kleinen Stadt inzwischen so verwurzelt dass es mir gar nicht in den Sinn kam wieder nach Hamburg zu gehen. Auch die Großstadt reizte mich nicht mehr. So nahm ich mir eine kleine Wohnung in der Nähe des Hauses meiner Eltern und lebte dort mehr oder weniger alleine. Mein damaliger Freund war gewöhnlich nur an den Wochenenden da.

Dann war auch das vorbei. Sein Rückzug kam mir sehr entgegen und ich traf mich immer häufiger mit meinen neuen Freunden von der Openair-Party.

*****************

Ich hoffe Du hast die Hölle auf Erden!

Diese Frechheit! Mir vorzulügen du müsstest sie heiraten damit sie in Deutschland bleiben kann. Das arme Mädchen. Was geht dich diese Polin an? Du wolltest sie vögeln, so einfach ist das.

Du wolltest eine Sexsklavin für die du nicht zahlen musst. Eine die alles mitmacht. Fürs Puff bist du nämlich zu geizig.

Fick dich! Ich brauche dich nicht du Wurm! Für mich beginnt jetzt ein neues Leben!

****************

Mein neuer Freundeskreis hat sich noch um weitere Kumpels erweitert. Alle sind junge nette Männer. Sie werden von mir allgemein nur die „Band“ genannt. Sie waren ja auch einmal eine Schülerband. In den goldenen achtziger Jahren.

Alles liebe, hübsche Burschen in verschiedener Couleur. Bestimmt waren sie sehr angesagt gewesen. Damals. Doch seit dem Schulabschluss waren sie nicht mehr auf der Bühne gestanden. Sie kamen auch nur noch selten zusammen. Alle kamen nie mehr zusammen. Beim Abiball hatten die sechs Jungs zuletzt gespielt. Gefeierte Helden waren sie gewesen.

Damals kannte ich sie noch nicht, die Bandjungs waren zwei bis drei Jahre jünger als ich. Das spielt aber jetzt keine Rolle mehr. Damals natürlich schon, mit 15 beziehungsweise 18 sind drei Jahre Altersunterschied eine Ewigkeit. Mit 18 haben jüngere Jungs für mich nicht existiert und ich war für sie wohl kaum interessant. Die Band gab es bei meinem Abschluss auch noch nicht. Das kam dann erst später als ich schon nicht mehr zur Schule ging.

Der Bandleader und Sänger war Ali. Ein gutaussehender Junge mit dunklem Haar und schwarzen Augen. Er hatte am meisten gefeiert. Seinen Sieg über seinen Vater der wollte dass sein Sohn den Gemüseladen übernahm. Ali hatte mit einem Notendurchschnitt von 1,5 abgeschlossen, hatte seinen Studienplatz in Molekularbiologie sicher. Er hat die Bewunderung der Mädchen genossen. Er hatte getrunken. Viel. Zu viel.

Niemand hatte bemerkt wie er auf das Flachdach der Sporthalle geklettert war. Niemand hatte gemerkt als er in die Tiefe stürzte. Elf Meter. Seit dem war keiner der zurückgeblieben Bandmitglieder mehr auf eine Bühne gegangen. Es war vorbei.

Michi hat mir das erzählt. Allein, im Dunkeln. Ich konnte die Tränen in seinen Augen nicht sehen aber ich konnte sie spüren.

Nach Alis Tod hat sich alles verändert. Zwar waren sie noch Freunde doch jeder hatte sich in eine andere Richtung entwickelt. Sieben Jahre waren vergangen. Die Jungs waren zu Männern geworden, hatten studiert, gearbeitet, Freundinnen gehabt. Jedenfalls fast alle.

***************

Als ich sie kennenlernte war Stillstand eingetreten. Aus verschiedenen Gründen waren wir alle mehr oder weniger ungewollt Singles. Die Band und ich bildeten eine kleine Gemeinschaft von "Zwangsjunggesellen".

Eigentlich war ich ja froh meinen Ex los zu sein. Bevor er mir noch mehr Schmerz zufügen konnte. Bevor er mir noch mehr Lebenszeit stehlen konnte. Er war nicht das gewesen was er vorgegeben hatte.

Es ist Zeit ein neues, besseres Leben aufzunehmen. Ich will leben, ich will lieben, ich will geliebt werden!

Da ist Paul - der Stille. Der Schüchterne der es nie gewagt hätte eine Frau anzusprechen aber mich kennt er ja jetzt schon. Er hält sich für unattraktiv. Dabei kann man (ich auf jeden Fall) über seine Aknenarben durchaus hinwegsehen und seine blauen Augen sind einfach nur hübsch und er hat die schönsten Wimpern die ich je an einem Mann gesehen habe. Sie sind dicht und dunkel wie sein Haar. Ich finde den ehemaligen Keybordspieler super süß. Er strahlt etwas Sinnliches aus, ich möchte ihn einfach ständig berühren.

Unglücklicherweise hat er ziemlich große Ansprüche an seine Traumfrau die wie gewünscht wohl kaum existieren dürfte. Selbst wenn, dann müsste sie ihm schon von selbst auf den Schoß springen. Soweit ich das aus den Gesprächen herausgehört habe hatte er noch nie eine richtige Freundin.

Mein Seelenverwandter ist Andy. Zum Glück kein Mann in den ich mich verlieben könnte. Vom Verlieben habe ich vorerst die Nase voll.

Er ist etwas kleiner als ich und hat rotbraune Locken. Ich finde nur Männer attraktiv die größer als ich sind. Ich möchte zu meinem Partner aufschauen. Aber sonst verstehen wir uns echt prima. Er ist mir recht ähnlich im Wesen. Und er ist gern mit Frauen befreundet wie es aussieht. Wir mögen die gleiche Musik, die gleichen Leute und lachen viel zusammen.

Flori ist das Genie der Gruppe. Der Komponist und Bass-Spieler. Blond und schlaksig. Ein Tollpatsch. Immerzu muss man aufpassen dass er nicht fällt oder sich stößt. Er ist mit den Gedanken immerzu in den Wolken. Flori ist so eine Art verwirrter Professor.

Seine ein bisschen hilflose aber dabei immer hilfsbereite Art macht ihn so sympathisch. Seine rehbraunen Augen lachen jeden an. Immer hat er für andere ein offenes Ohr und einen guten Ratschlag.

Er weiß alles, kann vieles und jeder Mensch mag ihn einfach gerne. Das trifft allerdings auch auf die Frauen zu. Sie mögen ihn einfach aber sie verlieben sich nicht ihn. Das ist Floris Tragödie und das Einzige was ihn runter ziehen kann.

Schließlich ist da noch der kleine Michi, derjenige der mir seit dem ersten Treffen den Hof macht (sagt man das heute noch?) und so aufmerksam zu mir war.

Ich nenne ihn nicht klein weil Michi tatsächlich so klein ist, er hat durchaus Normalgröße. Er ist sogar irgendwie der Typ auf den ich so fliege. Mittelgroß, blond, babyblaue Augen und nett. Ich bezeichne ihn als klein weil er ungefähr so viel Lebenserfahrung hat wie ein Fünfjähriger. Er ist so naiv und hat einfach keinen Stil und keine Ausstrahlung. Unglücklicherweise ist er in mich verliebt. Und so sehr ich ihn auch mag als Mann kann ich ihn einfach nicht ernst nehmen.

Das also ist die kleine Gruppe mit der ich jetzt den größten Teil meiner Freizeit verbrachte.

Der beste Freund von Flori und Paul ist Richard. Auch ein ehemaliges Mitglied der „Wild Tigers“ wie die Schülerband sich genannt hatte. Allerdings ist er seltener mit seinen ehemaligen Schulkameraden unterwegs. Mit den Jahren hat er sich ziemlich „abgenabelt“.

Als wir uns kennenlernten waren wir uns auf Anhieb sympathisch. Richard ist so wie ich mir einen Mann vorstelle. Er ist so lustig und unterhaltsam. Der Schlagzeuger. Wild. Vom Aussehen her der Surfertyp, ein wenig wie mein Vater. Aber die Badboy-Version.

Sein Haar ist etwas zu lang, die Haut zu gebräunt, seine Augen schon fast violett statt blau. Seine Klamotten zu lässig. Er fährt Motorrad, flucht, raucht. Männlich eben.

Es dauerte gar nicht lang und wir waren die besten Freunde. Unternahmen viel zusammen. Freuten uns unserer Gesellschaft. Doch wie es so ist ich fühlte mehr als bloße Freundschaft. Es funkte ganz gewaltig. Knisternde Erotik wie man so schön sagt. Richard und ich waren wie zwei Kometen die durch das All aufeinander zurasen und explodieren. Ein gewaltiger Knall und dann Stille.

***************

Ein Schlag ins Gesicht hätte nicht schmerzvoller sein können als die Worte die er zu mir sprach als ich sein Haus, sein Bett, seine Arme verlassen hatte.

All die Glückseligkeit die in diesem Moment in mir war wurde mit einem Satz vernichtet: "Es war ein Fehler."

Ich fühlte mich beschmutzt, benutzt. Wir waren Freunde gewesen und jetzt? Was waren wir jetzt? Gab es ein Wort für diesen Zustand? Wir waren mal Freunde, ich hatte gedacht wir könnten auch Liebende sein. Was waren wir jetzt?

Ich dachte nicht dass ich diesen Zustand ertragen könnte. Aber ich konnte es.

Wir bewegen uns aufeinander zu und wieder voneinander weg.

Wir benehmen uns als sei nie etwas gewesen.

Wie gute Freunde sitzen wir am Tisch und reden und lachen. Aber die Spannung ist fast nicht auszuhalten.

Ich bin ständig versucht ihn anzufassen. Meine Hände strecken sich ihm flehentlich entgegen und haben gleichzeitig Angst vor der Zurückweisung.

Meine Augen hängen an seinen Lippen die so sanft und doch so stürmisch meinen Körper liebkosen könnten.

Wir sind uns so oft so nah, küssen und umarmen uns gar. Ich kann die Leidenschaft fühlen die auch in ihm brennt doch er stößt mich immer wieder zurück. Läuft vor mir weg. Er hat scheinbar Angst vor mir.

Was könnte ich ihm schon tun? Ich bin doch ganz und gar in seiner Hand. So ziemlich alles würde ich für ihn tun. Bin so glücklich wenn ich nur in seiner Nähe sein darf und gleichzeitig quält es mich so.

******************

Mein Leben zieht einfach so vorüber. Es ist als würde ich es gar nicht selbst führen. So als ob ich nur ein unbeteiligter Zuschauer am Rande bin. Die Zeit verstreicht einfach so von Wochenende zu Wochenende. Von Treffen zu Treffen. Wenn er es nicht zulässt dass wir uns sehen ist mein Leben langweilig und einsam.

Manchmal ertrage ich es nicht mehr und gehe unter Leute. Aber ich fühle mich dann wie von einem anderen Stern. Ich stehe zwischen 120 Menschen und bin absolut allein! Ich höre und sehe was um mich herum geschieht aber ich nehme es nicht wahr. Es perlt an mir ab wie Regen von einer Plastikplane. Nichts dringt zu mir durch.

Allein seine Augen bringen Leben in mich. Ein Zustand von dem ich vermute dass ich ihn nicht mehr lang durchhalten werde. Ich bin wie besessen.

Er ist mein letzter Gedanke bevor ich einschlafe und der erste wenn ich aufstehe. Sein Name ist sogar das Passwort zu meinem PC. Gottlob habe ich wenigstens etwas Ablenkung durch die Arbeit in der Kanzlei. Es ist so viel los dass ich höchstens dreimal am Tag Zeit habe an ihn zu denken.

Der Gedanke an Urlaub ist mir verhasst. Ich würde ihn gern mit ihm, mit Richard, verbringen. Dabei weiß ich genau dass er das nie zulassen wird. Trotzdem ich sehne mich nach dieser gemeinsamen Zeit in der wir allein sind, weg vom Alltag.

********************

Vielleicht war ich nicht immer der beste Mensch auf der Welt. Es kann schon sein, dass ich auch noch einiges an den Männern gutzumachen hatte. Als Teenager habe ich manches Herz gebrochen aber nicht böswillig sondern im Gegenteil weil ich keinen der Jungen verletzten wollte. So war ich manchmal mit Zwei oder Dreien gleichzeitig zusammen.

Aber ich finde jetzt habe ich doch mal wieder etwas Glück in der Liebe verdient. Man geht doch viel sicherer durchs Leben wenn man einen Partner hat.

Er ist der erste Mann für den ich sogar ein Kind bekommen würde, wenn es ihn nur glücklich macht.

Ja tatsächlich, auf einmal ist der Gedanke zu heiraten und eine Familie zu gründen gar nicht mehr so abwegig. Immerhin bin ich kein junges Mädchen mehr. Und er ist eben genau das was ich mir immer gewünscht habe.

Gut aussehend, klug, zärtlich, leidenschaftlich, humorvoll und nicht mal ein armer Schlucker, sogar mit eigenem Haus. Meine Eltern wären sicher begeistert.

Dabei darf ich es niemand sagen, erst muss Klarheit herrschen. Kein Mensch darf erfahren wie verzweifelt ich Richard liebe.

Ich kann mir nicht erklären was seine Faszination auf mich ausmacht. Mein Unvermögen seine gefühlmäßige Ablehnung zu akzeptieren. Bisher war ich über jeden Verflossenen gut hinweggekommen, allerdings war normalerweise auch ich diejenige die die Beziehung beendete. Ich fühle mich so unendlich wohl in seiner Nähe. Am liebsten würde ich in ihn hinein kriechen, so eng will ich bei Richard sein.

Nie verspürte ich vorher ein derart intensives Gefühl der Sicherheit. Auch das größte Abenteuer wäre ich bereit zu wagen, an seiner Seite kenne ich keine Angst. Er ist wie die Sonne nach einer dunklen Nacht.

Alles was er sagt ist so amüsant. Ich selbst habe mich immer nur als nichtssagend empfunden.

Ist er bei mir, blühe ich auf, lebe intensiver und werde selbst interessanter.

Es ist schwer zu erklären. Ohne ihn fühle ich mich irgendwie nicht ganz komplett.

Heißt das Sprichwort nicht „jeder Topf findet seinen Deckel“? Er ist wohl mein Gegenstück.

Gespräche mit anderen langweilen mich. Ohne ihn sehe ich mich immer nur suchend um als müsste er gleich zur Tür hereinkommen.

In mir ist Ratlosigkeit. Wie könnte ich mich nur an den Gedanken gewöhnen ohne ihn zurechtzukommen? Was soll ich tun? Ich kann mich ja schlecht in die Grube legen und warten dass jemand zuschüttet.

Ich war schon öfter verliebt, meistens nur Strohfeuer und wenn ernsthaft dann immer in die falschen Männer. Es ist wohl mein Schicksal dass ich nur auf schwierige Typen fliege. Eine einfache nette Beziehung reizt mich nicht. Wenn ich daran denke was die Beziehung vor Richard mich Nerven gekostet hat. Viel Schmerz und Enttäuschung war darin und doch hatte ich lange daran festgehalten als gäbe es nichts anderes.

Die Welt ist voll von Männern, wieso kann ich eigentlich niemals den richtigen treffen? Wieso kann der den ich für den richtigen halte nicht dasselbe für mich empfinden?

Mein Leben war schon immer kompliziert, ein wenig außerhalb der Bahn, abnormal. Aber so schlimm wie jetzt war es nie. Ich litt immer an Selbstmitleid, hielt mich für den Dreh- und Angelpunkt der Welt. Vielleicht das Einzelkindsyndrom.

Wahrscheinlich habe ich jetzt einfach den Punkt in meinem Leben erreicht wo ich doch ganz gern ein "normales" Leben führen würde. Ich bin es leid immer gegen den Strom zu schwimmen. Immer schon hatte ich andere Ziele als andere Menschen. Ich war noch nie ein Herdentier. Ich hatte immer meinen eigenen Stil.

Am wohlsten fühle ich mich immer allein oder zu zweit. Auf Partys beispielsweise komme ich mir vor wie ein Fremdkörper. Es sei denn es sind lauter Männer dort dann fühle ich mich wohl wie die Made im Speck.

Überhaupt kann ich mit den meisten Frauen nichts anfangen. Schon als Kind habe ich immer mit Jungs gespielt.

Ich hatte immer den Ehrgeiz schneller, mutiger und klüger als alle zusammen zu sein. Damit die Jungs mich bewunderten, als zugehörig betrachten. Mit Männern kann ich reden, mit Frauen nur Small talk machen.

Ich genieße es wenn ich allein dadurch eine Frau zu sein im Mittelpunkt stehe. Es ist so eine Wohltat wenn gleich mehrere Augenpaare mir sagen dass ich gut aussehe. Das ist purer Balsam für die Seele.

Ich flirte für mein Leben gern. Typisch für im Sternzeichen Waage geborene.

Wahre Freundschaft, so denke ich, kann mich nur mit einem Mann verbinden. Obwohl das furchtbar schwierig ist. Entweder will der Kerl was von mir oder umgekehrt, so läuft es meistens früher oder später.

So ist es doch auch mit Richard. Wir hätten ganz gut nur Freunde sein können wenn es nicht so gefunkt hätte. Aber nach dem ersten Kuss gab es kein Zurück mehr, ich hatte Blut geleckt.

Damals war ich auch schon eine Weile auf Zärtlichkeitsentzug. Schließlich habe ich auch Bedürfnisse, gelegentlich kommt eben doch so was wie das spanische Temperament meiner Mutter in mir hoch.

Ich habe in meinem Leben schon viele Männer geküsst, aber dieser Mann ist wie ein Magnet. Ich komme nicht mehr von ihm los.

Es blieb auch nicht bei dieser einen näheren Begegnung. Wir haben immer wieder geknutscht und gekuschelt und immer wieder hat er mir gesagt dass er mich nicht liebt (also so nicht direkt gesagt).

Ich will trotzdem mit ihm zusammen sein. Ich würde es auch akzeptieren ausschließlich auf freundschaftlicher Basis Zeit mit ihm zu verbringen doch er kann seine Hände nicht von mir lassen und ich habe nicht die Stärke es nicht zu genießen.

Es ist eine Tragödie ersten Ranges!

********************

So viele Male habe ich vergeblich auf seinen Anruf gewartet und genauso oft habe ich mir geschworen nicht wieder schwach zu werden.

Es ist schwer aber schließlich versuche ich es durchzuhalten. Ich weiß ihm nachzulaufen ist das verkehrteste was ich tun kann. Ich habe es satt mich noch mehr zum Narren zu machen. Wenn es denn sein soll werde ich die Zähne zusammenbeißen und ihn vergessen.

Ich vergehe fast vor Sehnsucht. Ich gehe mit der Band aus und denke dabei immer nur an Richard.

Zu allem Übel versucht der kleine Michi wieder anzubändeln aber ich habe ganz andere Probleme. Ich mag ihn ja gerne aber erotisch gesehen spielt sich da Null ab. Für mich gibt es nur Richard. Mein Herz, meine Sehnsucht ist immer bei Richard.

Obwohl mir ganz klar ist dass er nicht kommen wird quäle ich mich selbst mit der Hoffnung dass er doch plötzlich vor meiner Türe steht oder seine Stimme auf dem Anrufbeantworter ist. Einmal war ich ganz nah dran ihn anzurufen.

Es war so traumhaftes Wetter und ich hatte so gar nichts zu tun. Was hätte schöner sein können als mit ihm eine Motorradtour zu machen? Ich hätte IHM ganz nah sein können, mein Leben in seiner Hand.

Oh Gott! Es ist so schwer, ich drehe fast durch. Ich will nicht an ihn denken, nicht kapitulieren. Es heißt, was uns nicht umbringt macht uns härter. Der Ablösungsprozess ist schmerzhaft. Ich fluche, ich schimpfe.

Er tut mir so viel an mit seiner Nichtbeachtung. Wie kann er mich einfach ignorieren? So als wäre nie ein Gefühl zwischen uns gewesen. Habe ich mich so getäuscht? So viel Leidenschaft, diese Zärtlichkeit kann man sich doch nicht einbilden.

Wieso ruft er mich nicht an? Ein einziger kleiner Anruf wenigstens um mir zu sagen weshalb denn nichts aus uns werden kann.

Vielleicht wäre ich dann leichter damit fertig geworden. Immerzu quälten mich Fragen um Ihn:

"Wo bist du gerade? zu Hause? Unterwegs?

Lieber Gott, mach dass er mich anruft. Ein Abend, mehr verlange ich gar nicht. Ein Gespräch, ein Kuss, eine Nacht. Eine Nacht könnte alles ändern. Oh bitte mach dass er mich anruft, bitte!"

So dachte ich damals.

Wenn Richard nur einsehen würde dass ich die richtige Frau für ihn bin würde das zwei Menschen auf dieser Welt glücklich machen.

Er könnte alles erreichen, mit mir an seiner Seite. Ich wäre alles was er sich immer gewünscht hätte. Ich weiß ich würde ihn sehr glücklich machen.

An diesem Nachmittag ist dann natürlich gar nichts mehr passiert.

Es ist ein Samstag und ich habe keine Lust mit den anderen loszuziehen.

Im Fernseher läuft gerade ein alberner Schlager. Der Text passt auf mich. So ziemlich jeder Lovesong passt zu meiner Situation. Ich fühle mich allein gelassen - voll Sehnsucht nach meinem Liebsten.

Gott wie kitschig. Ich muss aufhören solchen Käse zu denken.

Eine Sonntagnacht zwei Wochen später.

Noch immer habe ich nichts von Richard gehört. Der einzige der mich dauernd anruft ist der kleine Michi. Ich nehme mir fest vor etwas dagegen zu tun, der arme Junge hat sich völlig in die Idee verrannt mit mir was anzufangen. Aber ich finde irgendwie nicht die richtigen Worte, so beschränke ich mich darauf ihm auszuweichen.

Ich fühle mich allein, absolut beschissen. So viel Mühe ich mir auch gebe, Richard geistert weiter durch meine Gedanken. Was soll ich nur tun? Ratlosigkeit, Leere, Angst.

Ich brauche dich!

Jedes Mal wenn ich ein Motorrad sehe oder höre macht mein Herz einen Sprung. Wieso quäle ich mich so? Ich weiß doch genau dass er es nicht ist der dort vorüber fährt.

Im Namen der Liebe, ruf mich an, ich vermisse dich so! Deine Augen, unsere Gespräche, das Lachen. Ich möchte wieder lächeln können wenn ich an dich denke.

Dicke Tränen kullern über meine Wangen. Mach dass ich wieder lachen kann.

***************************

Die Zeit verrinnt. Mein Leben bleibt leer und einsam. Ich habe das Gefühl das nichts wichtiges mehr geschieht.

So gut wie nichts berührt mich mehr. Ich dachte es würde leichter je mehr Zeit vergeht. Aber es wird immer schwerer.

Ich fühle mich schwerelos. Als würde ich ohne Anker und ohne Antrieb durchs All treiben. Wie lange soll das noch so weitergehen? Ich wünsche mir endlich einen neuen Sinn in meinem Leben entdecken zu können.

Es gab mal eine Zeit da habe ich Spaß gehabt, war fröhlich und ausgelassen. Das ist 1000 Jahre her.

Ich laufe nur noch rum wie ein Trauerkloß. Sogar in Gesellschaft sitze ich meist nur stumm da und bedauere mich. Es scheint als hätte ich es verlernt mich zu unterhalten, locker zu sein. So kann es nicht weitergehen.

Einmal will ich noch einen Versuch starten, ein wenig fröhlicher sein, keinesfalls vor drei Uhr früh nach Hause gehen. Wenn es nicht anders geht werde ich auch allein los ziehen.

Eventuell lerne ich ja endlich neue Leute kennen. Schließlich soll man die Hoffnung nicht aufgeben. Auch ein blindes Huhn... und so weiter.

Mein eigentlicher Antrieb dabei ist natürlich Richard zu begegnen. Ich würde es nie zugeben aber ich kann mich nicht selbst belügen.

Ich hoffe einfach auf den großen Zufall ihm zu begegnen und eine Chance zu haben.

Kapitel 2 – Himmlische Qualen

Es ist Hochsommer und überall ein Haufen Partys und Veranstaltungen. Wie soll ich da wissen wo er zu finden ist? Und selbst wenn werden in der Öffentlichkeit zu viele Leute zwischen uns stehen.

Und dann passierte es doch - ich traf ihn!

Die Begrüßung war seinerseits ein freundliches Lächeln und ein Winken, das war es dann, ich konnte sonst nichts tun schließlich waren wir nicht allein. So ließ ich nur meine Augen sprechen.

Er tat cool, aber ich wusste genau er war es nicht. Gegen Ende der kleinen Feier am Lagerfeuer war er ein wenig betrunken. Er wollte nach Hause und bat mich ihn mitzunehmen. Bei ihm angelangt schlug er vor ich solle noch mit reinkommen. Ein wenig Kuscheln.

Das taten wir dann auch und mehr.

Es war nicht gerade das tollste sexuelle Erlebnis in meinem Leben aber ich genoss die Zärtlichkeit wechselnd mit wilder Leidenschaft in vollen Zügen.

Seine Zunge die meinem heißen Körper erkundete; die Wogen der Glückseligkeit die mich fortrissen in ein weit entferntes Land in dem es nur uns beide gab.

Seine gierigen Lippen. Zähne, die mir in den Hals bissen, sein 3-Tage-Bart der mich wund scheuerte und die köstlichen Minuten in denen wir nur still und fest aneinander gepresst da lagen. Wie immer fühlte ich mich rundherum wohl und sicher bei ihm.

Dann aber, ich konnte es kaum glauben, kam der große Knall. Er hat mich doch tatsächlich um fünf Uhr früh raus geworfen! Keine zehn Minuten nachdem wir noch zusammen waren konnte er mich nicht schnell genug loswerden.

So hatte ich mir diese Nacht auf die ich so lange gewartet hatte nicht vorgestellt! Dieser Typ ist der gefühlloseste und egoistische Mann den ich je getroffen habe. Ich bin geschockt, wütend. Eigentlich sollte ich nach dieser Frechheit nie wieder mit ihm sprechen.

Doch noch immer geistert er in meinen Gedanken herum. Er ist kein so toller Liebhaber wie ich es mir gewünscht hätte aber ich kann ihn nicht loslassen. Will mit ihm zusammen sein. Ich fühle mich so wohl und gelassen wenn er bei mir ist. Ich wünsche mir so dass es nicht nur diese eine Nacht gewesen ist.

Ich will dass wir Freunde sind. Freunde, die sich nahe stehen, die auch mal eine Nacht miteinander verbringen können ohne dass die Freundschaft einen Riss bekommt. Es fühlt sich so RICHTIG an.

Es ist klar dass ich ihn danach nicht anrufen kann. Er schuldet mir schließlich was, nicht umgekehrt. Wenn es mir auch noch so dreckig geht, noch bin ich stark genug mich nicht aufzudrängen. Niemanden! Wenn nötig werde ich auch allein klarkommen, das nehme ich mir fest vor.

********************

Der nächste Sonntag, 19.00 Uhr.

Ich bin an einem toten Punkt angekommen. Fühle mich wie jemand am Ende des Regenbogens der feststellt dass es dort auch nicht anderes gibt als am Anfang.

Draußen ist herrliches Wetter, ich aber klebe vor dem Fernseher als ob dort das richtige Leben stattfindet. Mein eigenes Leben ist leer und fade.

Es gäbe so viel zu tun aber ich stehe mir selbst im Weg. Ein "Souvenir" an diese Nacht der Leidenschaft sind die gigantischen Knutschflecke die meinen Hals beidseitig zieren.

Ich fühle mich ziemlich verrückt, nahe am Durchdrehen. Versuche es sogar mit Voodoo-Zauber. Den ganzen Tag starre ich sein Bild an und versuche ihn auf telepathischem Wege dazu zu bringen mich anzurufen. Klappt nicht.

Ich schlafe schlecht in diesen Nächten, weiß nicht was ich tun soll um meinen inneren Frieden wieder zu finden. In meinem Kopf sind lauter verrückte Ideen. Eine musikalische Botschaft für ihn auf den Anrufbeantworter spielen? Eine Kassette zuschicken?

Doch der kleine Rest Stolz in mir lässt nicht zu irgendwas zu tun außer abzuwarten.

Ich kann nicht aufhören an ihn zu denken. Ich weiß dass ich mich beherrschen muss, nicht dauernd sein Bild mit mir herumtragen darf sonst werde ich am Ende völlig durchdrehen.

Auf dem Foto lächelt er so freundlich und gleichzeitig scheint es mir als würde er mich verhöhnen: "Du dumme Kuh bist auf mich reingefallen".

Ich habe mich von seinem jungenhaften Charme blenden lassen. Er ist knallhart. Keine Ahnung was er eigentlich will. Mich will er offenbar nicht. Ich bin nur gut genug fürs Bett.

Es ist seltsam, ich sage mir das immer wieder selbst trotzdem macht es mir gar nichts aus. Ich versuche auf Biegen und Brechen einen Mann umzukrempeln. Verschließe die Augen vor der Wahrheit obwohl sie mir voll bewusst ist.

Vermutlich bin ich ein besonderes Exemplar von Mensch. Bin nicht glücklich wenn ich nicht leide. Dabei zerbreche ich fast daran.

Verzweiflung. Wut! Ich ärgere mich weil ich ihn scheinbar überhaupt nicht interessiere. Am meisten aber bin ich wütend auf mich selbst weil es mich so berührt, mich so fertig macht, in so tiefe Depressionen stürzt.

Er dagegen kann einfach vergessen dass es mich überhaupt gibt. Mein einziger Gedanke ist Richard. Er dagegen schiebt mich zur Seite wie einen Essensrest.

Ich kann nicht aufhören mich nach ihm zu sehnen. Meine Gefühle sind einfach stärker als mein Verstand.

In seiner Nähe fühle ich mich wie eine Katze hinterm Ofen. Ich will immer so nah wie möglich bei ihm sein.

Vielleicht spürt er das und lässt mich gerade deshalb nicht an sich heran. Er ist nicht bereit sich zu binden, ich bin überreif dafür. Keine sehr gute Konstellation.

Ich hasse ihn, nein, ich hasse mich selbst weil ich es zulasse dass er mich so beherrscht.

Hatte ich mir nicht mal geschworen nie wieder einen Mann an mich heran zulassen der mich nicht aufrichtig liebt? Das ist eine Million Jahre her.

Mein dunkelbraunes, fast schwarzes Haar liegt wie ein Schatten über meinem Gesicht. Ich sitze herum und höre melancholische Musik die mich noch einsamer und verzweifelter fühlen lässt. Meine dunkelblauen Augen sind tränenumwölkt.

Ich glaube dass eine ehrliche Aussprache vielleicht alles ändern würde. Wenn ich ihm sage wie ich fühle. Aber ich kriege nie einen vernünftigen Satz raus wenn er in der Nähe ist. Ich will ihn immer nur auffressen vor lauter Liebe.

Immer wieder rufe ich ihn an, versuche herauszukriegen warum er mich beständig ignoriert. Aber er ist nie da oder er nimmt nicht ab.

Nur dieser dämliche Anrufbeantworter geht ran und mit einer Maschine kann ich nicht reden. Manchmal hinterlasse ich doch Nachrichten aber die interessieren ihn gar nicht.

Das macht mich so wütend! Ich habe meinen Stolz für gar nichts überwunden.

**************

Irgendwann ist die Wut auch wieder verraucht, es bleibt die Leere. Ich bin völlig ausgelaugt. Würde alles dafür geben seine Lippen auf meinen zu spüren. Das würde mich aufgemöbeln. Ich wünsche mir so sehr den ganzen Frust einfach von mir abfallen zu lassen wie Lehm der in der Sonne abbröckelt.

In meinen Gedanken ist unsere Liebe perfekt, in der Realität besteht sie gar nicht. Meine Sehnsucht ist größer als mein Stolz der ohnehin nur noch sehr klein ist.

Meine Mutter hätte mir rechts und links Ohrfeigen gegeben. Eine Frau mit spanischem Blut in den Adern die einem Mann nachläuft!

Ich versuche immer wieder zu ihm vorzudringen, vergeblich. So bleiben mir nur die Träume. Tag und Nacht. Ich schäme mich vor mir selbst dass ich nicht mehr Rückgrat habe. Ich möchte doch nur einmal gern aus seinem Mund hören dass er mich liebt.

Er ist wie der Vollmond für mich. Er macht mich nervös, unruhig, gereizt. Doch bin ich süchtig nach ihm. Und wie der Mond ist er genau so kühl und weit weg, nur manchmal kommt er mir nah genug um ihn zu berühren.

Du spürst meinen Körper gelegentlich, aber meine Tränen spürst Du nicht.

Du willst Dein Leben nicht mit mir teilen, willst nur kurze Zeit bei mir verweilen.

***************

Er ignoriert mich weiterhin. Jetzt habe ich wirklich Grund sauer zu sein. Er will mich weder sehen noch mit mir zusammen sein.

Ich bin völlig verzweifelt, versuche mich anderweitig zu beschäftigen, mit den Band-Jungs ausgehen und nicht dauernd an ihn zu denken. Versuche meine Wut auf ihn für mich zu nutzen.

Alle Männer sind Schweine - nur auf ihren Vorteil bedacht, nur keine Gefühle entwickeln. Mein Gefühlsleben dagegen ist die reinste Achterbahn. Rauf und runter bis mir schlecht ist.

Diese nicht existierende Beziehung macht mich krank. Es muss aufhören. Ich muss mir einen Liebhaber suchen den ich nicht liebe. Nur so kann ich diesem Teufelskreis entfliehen. Das ist der Vorsatz.

Wochenlang hält mich dieser Vorsatz jetzt schon über Wasser. Zwischen drin habe ich ziemliche Durchhänger. Dann sitze ich einfach rum und stopfte mich mit Süßigkeiten voll. Trinke Baileys mit Kakao. Köstlich! Und es lässt mich vergessen dass ich allein bin, wenigstens für eine Nacht.

Ich kann schon verstehen wieso so viele Menschen in den Alkoholsee abgleiten. Es ist so einfach die Flasche auf und das Hirn zuzumachen.

Besser wird dadurch auch nichts. Ich fühle mich trotzdem schrecklich allein, am Rande stehend.

Am meisten nervt mich die Stille. Diese Stille. Es ist ganz nett mal seine Ruhe zu haben, aber das ist keine Ruhe, das ist einfach Stille.

Kein Mensch auf dieser gottverdammten Welt interessiert sich für mich. Niemand ruft mich an, niemand fragt ob es mir gut geht oder was ich so mache. Es ist fast so als ob ich aufgehört habe zu existieren. Ich bin wie unsichtbar.

Genau das ist es, ich bin unsichtbar. Vergessen.

Lange Abende und Nächte denke ich darüber nach wie ich mein Leben besser gestalten soll. Schon eine ganze Zeit lang flirte ich mit einem Typen aus meiner Kanzlei.

Der scharfe Marco ist ein Draufgänger, ein Ehebrecher, ein durch und durch verkehrter Mann. Ich weiß nicht ob ich mich tatsächlich auf ihn einlassen soll.

Er ist süß und ich würde wirklich gern mit ihm schlafen, so grundsätzlich. Aber ich betrachte ihn als Freund. Wir haben in den letzten drei Jahren beinahe jede Frühstücks- und Mittagspause miteinander verbracht und kennen uns inzwischen ziemlich gut.

Wenn er jetzt bekommt was er will interessiere ich ihn künftig vielleicht nicht mehr.

Viel schlimmer, was wenn ich nun beginne mehr für ihn zu fühlen? Das wäre schlecht für uns beide. Besonders für mich, mein Leben verträgt wirklich nicht noch mehr Verwicklungen.

Kapitel 3 – Auf der Suche

Schon bevor ich das Lokal betrat wusste ich er würde da sein. Ich wusste es einfach, konnte seine Gegenwart selbst durch dicke Mauern spüren.

Mein Verhältnis oder besser meine Einstellung dazu hat sich irgendwie geändert. Inzwischen waren seit unserer ersten Nacht sechs Monate vergangen.

Meine Liebe ist tiefer aber die Leidenschaft kleiner geworden. Ich will nur sein Wohlbefinden. Jede Minute mit ihm ist so wertvoll. In seinem Arm einzuschlafen bedeutet mir so viel.

Ich bin glücklich wenn wir etwas Zeit miteinander verbringen. Ich bin nicht mehr so verzweifelt wenn wir uns nicht sehen. Irgendwie versuche ich das Beste daraus zu machen. Ich habe eingesehen dass es nichts bringt mich selbst zu quälen.

Ich habe Lust zu laufen. Zu laufen soweit mich meine Füße tragen. Ich möchte weg rennen. Mein bisheriges Leben einfach hinter mir lassen. Alles was mich einzwängt und klein macht vergessen. Nur noch ich selbst sein.

Aufhören ewig ein Teil von jemand sein zu wollen und endlich anfangen ich zu sein.

Nur ich, mich hinstellen und zu schreien: "Ich bin am Leben! Ich bin jemand! Ich habe das Recht zu lieben und verdammt nochmal glücklich zu sein!"

**************

Es macht mir Spaß Paul ein wenig anzumachen. Weil er so schüchtern ist reizt es mich natürlich besonders.

Ich berühre sein Knie, seine Fingerspitzen, fühle wie es ihn schüttelt, wie seine Haare sich unter meiner Berührung aufrichten.

Das klingt jetzt ziemlich nuttig nach all den Gefühlen die ich doch für Richard empfinde. Aber es ist nur ein Spiel für mich. Ich werde damit niemand verletzen. Auf diese Weise baue ich nur mein Selbstvertrauen etwas auf.

Männer muss ich fühlen, riechen, schmecken. Es spielt keine Rolle für mich wie sie aussehen, die erotischen Wellen müssen stimmen.

Während ich einer kleinen Liaison mit Paul also gar nicht abgeneigt bin empfinde ich alle anderen Männer, abgesehen von Richard natürlich, als Zumutung. Der kleine Michi nervt mich und das bekommt er auch zu spüren. Sein Pech dass ich brummig bin. Wenn ich an Richard denke sollte er mir eben nicht zu nahe kommen.

Ich habe keine Lust mit kleinen Jungs zu spielen. Nur ein Mann hat Chancen bei mir!

So wie Paul, der gefällt mir immer besser. Allerdings verliebt bin ich immer noch einzig und allein in Richard.

Zwischen drin treffen Richard und ich immer wieder zusammen, aber meistens ignoriert Richard mich einfach und das tut mir so weh, immer noch unendlich weh. Ich kann einfach nicht von ihm lassen.

Ich bin eine Sklavin der Liebe. Die Gedanken an ihn schmerzen mich wie Peitschenhiebe. Mein Stolz ist inzwischen völlig dahin. Jetzt bin ich nicht nur mutlos sondern auch entwürdigt. So als hätte er mir alles Leben ausgesaugt und mich dann weggeworfen.

Für einen Moment denke ich darüber nach ihn zu vergessen. Mit dem zufrieden zu sein was ich kriegen kann. Meine Zukunft mit dem kleinen Michi verbringen.

Doch ich zweifle ob ich das fertig bringen würde. Lieber ein langweiliges Leben als ein einsames Leben?

Keine von beiden Alternativen gefällt mir. Und so hoffe und bete ich weiter. Träume von einem Leben mit Richard. Da ich nicht aufgeben kann verdoppele ich meine Anstrengungen. Ich dringe aber absolut nicht zu ihm vor - er hat eine Mauer um sich gebaut die ich nicht überklettern kann.

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Die Zeit vergeht und nichts wird besser, eher schlechter da sich auch die Freunde jetzt öfter von mir zurückziehen. Männer können vielleicht nerven!

Ich liebe Männer, bin gern in ihrer Nähe. Aber jetzt gerade habe ich die Nase von den Kerlen gestrichen voll!

Am liebsten würde ich auswandern und alles hinter mir lassen. Ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Ich will gern mit meinen Freunden zusammen sein doch weil ich eine Frau bin betrachten sie mich nicht wirklich als Freund. Ich bin nur ein Anhängsel, eine Klette. Ich bin so scheiß wütend. Was kann ich dafür so zu sein? Durch und durch Frau und doch ganz anders.

Ich liebe Männer, will sie immer um mich haben. Warum muss alles immer schwarz oder weiß sein? Eine Frau allein muss sich unter Frauen bewegen. Männer alleine bewegen sich unter Männern, Paare unter Paaren.

Noch nie ist das so deutlich für mich wie zu diesem Zeitpunkt. Noch nie hat es mich so geschmerzt anders zu sein. Ich will Gefühle zeigen, ich kann nicht allein sein. Ich will mich nicht unerwünscht fühlen. Es gibt keinen Ausweg, eine Sackgasse. Aus. Ende. Mein Leben ist ein Kartenhaus aus Lügen und jetzt ist es zusammengebrochen.

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Ich bin wie von Sinnen. Es reicht mir nicht gelegentlich eine Nacht mit Richard zu verbringen, ich will mehr. Wenn er nicht in meiner Nähe ist fühle ich mich so verloren, so als wäre ich der einzige Mensch auf Erden. Wie nach einer großen Flut die alles weg gespült hat.

Ich hasse es allein zu sein. Es ist so still, so verdammt still. Nicht einmal ein Windhauch, das muss einen ja in den Wahnsinn treiben!

Es ist so schwer für mich Richard in solchen Momenten nicht anzurufen. Es sind höllische Qualen. Ich sehne mich so sehr nach ihm. Manchmal setze ich mich auf den Balkon und eine rauche eine Zigarette obwohl ich eigentlich gar nicht rauche und höre den Zikaden zu. Beruhigt hat mich das auch nicht.

Wenn man keinen Ausweg mehr sieht, versucht man die unsinnigsten Dinge. Ich versuche mir Rat zu holen und lese das Buch "Warum Männer sich nicht binden wollen". Nach dem ersten Kapitel weiß ich dass "mein" Mann zu den völlig Unbrauchbaren gehört. Rat: machen Sie dass Sie wegkommen!

Es ist mir als ob die Sonne plötzlich durch die Wolken bricht, ich sehe viel klarer als zuvor.

Ich weiß plötzlich dass es nicht an mir liegt. Er ist nur ein elender Feigling. Einen Mann der Angst vor mir hat kann ich doch nicht lieben, oder?

Es ist schwer einen Traum aufzugeben.

Meine Hoffnung ist noch nicht tot, will einfach nicht sterben. Noch bin ich bereit zu einem Neuanfang. Zu ideal erscheint mir dieser Mann, er hat beinahe alles was ich mir wünsche, er ist mein Traumprinz (mal abgesehen von seiner Bindungsangst).

Ich muss mich an den Gedanken gewöhnen ohne ihn zu sein. Ich darf nicht zulassen dass er mein Leben zerstört nur weil er unfähig ist eine Bindung einzugehen. Ich muss es beenden und damit aufhören das Opfer - die Unterlegene zu sein.

Es ist ein langer Prozess. In meinem Herzen ist nur noch Wut und Trauer. Ich habe nur das Bedürfnis zu weinen oder laut zu fluchen. Ich bin so erfüllt davon, kann nichts anders denken oder fühlen.

Ich weine drei Tage und Nächte, liege buchstäblich am Boden. Doch das ist auch das Gute daran - wenn man am Boden liegt kann man nicht tiefer fallen. Man hat die Wahl: kriechen oder wieder ausstehen. Ich stehe auf.

Kein Mann auf dieser gottverdammten Welt hat das Recht mich zu demütigen. Niemand - sei es nun ein Freund, Bekannter oder Liebhaber.

Ich brauche niemanden um mich wie ein Mensch zu fühlen. Ich bin ein Mensch. Niemand auf der Welt kann etwas dafür oder dagegen tun. Ich bin ein eigenständiger, denkender, fühlender Mensch. Wenn ich es nicht zulasse dass jemand auf mir herum trampelt dann geschieht es auch nicht. Es ist wichtig was ich denke, nicht die anderen. Ich werde wie Phönix aus der Asche steigen.

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Ich war im Grunde meines Herzens immer spießig. Früher noch mehr als heute. Ich gehörte immer zu den guten Kindern. Habe nie etwas wirklich Schlimmes getan. Habe bis auf ein paar Ausnahmen weder geraucht noch getrunken und Gott bewahre, nie Rauschgift genommen. Wahrscheinlich fühle ich mich gerade deshalb so von diesen Typen angezogen.

Verrucht muss er sein, ein wenig gefährlich oder wenigstens depressiv. Anders als die Norm. Es muss kribbeln wenn man ihn berührt. Gute Jungs haben mich nie interessiert, tun sie auch jetzt nicht. Je schlechter ihr Ruf desto anziehender. Dass ich auf diese Weise immer wieder auf die Nase falle ist ganz natürlich aber ich kann diese Spielchen trotzdem nicht lassen.

Darum auch das kleine Abenteuer mit Marco. Natürlich verstößt es gegen meine moralischen Grundsätze mit jemand vom Arbeitsplatz ein Verhältnis anzufangen. Aber er ist niedlich und er hat mit mir getanzt, sehr eng. Tanzen finde ich sehr erotisch, dafür hat er Pluspunkte. Er hat einen knackigen Hintern und den denkbar schlechtesten Ruf. Mal sehen, vielleicht bekommt er noch eine zweite Chance bei mir.

Mir gehen so viele Dinge im Kopf rum. Geld macht nicht glücklich aber es wäre schön genügend zu haben. Wer Geld hat der hat auch Möglichkeiten. Ich hätte die Chance mein Umfeld positiver zu gestalten. Ein Haus oder eine Wohnung in der man beruhigt Gäste empfangen kann. Kleidung die mich von anderen hervorhebt. Die Freiheit nur zu arbeiten wenn es mir Spaß macht. Ich könnte gelassen sein, nur tun wozu ich Lust habe. Man sagt doch das Glück ist ein Rindvieh und sucht immer seinesgleichen, vielleicht werde ich dann ja auch meinem Traummann begegnen.

Es ist ein Donnerstag im Juli 1996.

Ich habe mich so gut wie möglich gestylt an diesem Abend. Ich gehe mit einer Freundin aus, eine der wenigen Frauen mit denen ich klar komme. Es besteht die Möglichkeit dass ich Richard treffe. Tausend Mal habe ich durchgespielt wie ich mich dann verhalten soll. Ich kann noch nicht glauben dass ich ihn wiedersehen soll, vermute er wird mir weiter ausweichen.

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Doch manchmal kommt es eben doch anders als man denkt. Meine ganzen Vorsätze schwanden mit der ersten Umarmung dahin.

Ja, er tauchte tatsächlich auf und hat getan als sei nichts passiert. Immerhin eine Stunde habe ich es geschafft ihn völlig zu ignorieren. Dann kapitulierte ich und sank buchstäblich in seine Arme.

Entweder ist dieser Kerl der abgebrühteste Mensch den ich je getroffen habe oder es ist eben seine Art mit der man leben muss oder ihn vergisst.

Was auch immer, ich bin ihm gegenüber völlig wehrlos. Mein Gefühl ist stärker als mein Verstand.

Ein Lächeln - oh dieses hinreißende Lächeln, genügte um meinen Ärger auf Richard zu vergessen. Als er mich dann, noch dazu in aller Öffentlichkeit und vor seinen Freunden, umarmte und küsste war ich nicht mehr in der Lage auch nur ein Wort zu sagen.

Es tat mir so gut. Ein paar Stunden meine Gefühle ausleben zu dürfen das war ein gutes Erlebnis. Er ist ein ausgezeichneter Schmuser. Die letzte halbe Stunde bis um 4 Uhr Früh verbrachten Richard und ich dann fast allein in der Diskothek, knutschend wie frisch verliebt. Ich fuhr ihn noch nach Hause und dann trennten wir uns wieder ohne eine neue Verabredung. Vermutlich spielen wir jetzt wieder das Wechselspiel: du bist mir egal - verbringen wir eine heiße Nacht.

Trotzdem fühle mich ich nach diesem Treffen besser, so verrückt das auch klingt.

Meine Gedanken kreisen auch weiterhin um ihn aber die Traurigkeit dabei ist von mir abgefallen. Ob er nun ein Mistkerl ist der mich ausnutzt oder ob er einfach nicht fähig ist eine Gefühlsbindung einzugehen; mir ist klar geworden dass ich ihn trotzdem will, eben nur zeitweise. Wenn es sich so ergibt werde ich eben zweigleisig fahren. Irgendwann ändern sich die Dinge vielleicht.

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Dienstag, der 30. Juli.

Ich bin so wütend, wenn Richard bei mir wäre ich würde ihn erdolchen. Er hat es schon wieder getan oder besser nicht getan. Was zum Teufel geht in diesem Kerl vor?

Vor ein paar Tagen dachte ich noch ich könnte mit ihm umgehen. War wohl ein Irrtum. Gerade heute hätte ich ihn so gebraucht. Ich hatte einen lausigen Tag und obendrein ist auch noch Vollmond. Echt klasse dass er mich gerade heute hängen lässt!

Ich hatte ihn gebeten mich anzurufen weil ich gerade heute gern was mit ihm unternommen hätte, so wie früher. Natürlich hat er nicht angerufen um was zu vereinbaren, ist ja auch zu viel verlangt. Jetzt weiß ich was ich für ihn bin - sein persönliches Spielzeug. Ich habe wirklich keine Lust mir das gefallen zu lassen. Bin ich dafür nicht zu gut? Habe ich nicht auch das Recht glücklich zu sein?

Ich fühle mich irgendwie überflüssig. Ich habe mich voll gefressen bis zum Rand und jetzt bin ich zu faul um mich überhaupt zu bewegen. Dabei wäre es wirklich nötig wie die Wohnung aussieht, kaum zu glauben wie viel ein einzelner Mensch Dreck macht. Seit zwei Wochen hänge ich nur so rum, völlig untätig.

Zu meiner Einsamkeit ist ein neues Gefühl dazu gekommen. Scham.

Ich schäme mich dafür einsam zu sein. Niemand soll es merken, weder Freunde noch Familie oder Nachbarn.

Überall habe ich das Licht ausgemacht und mich ganz still in meine Hängematte verzogen. Wie ein verletztes Tier das sich im Unterholz verkriecht.

Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich rief bei Richard an und erreichte ihn wunderbarer Weise sogar. Lange unterhielten wir uns.

Ich beschimpfte ihn weil er mich so ignoriert. Einen Grund konnte er nicht nennen (natürlich nicht, es gibt ja keinen). Jedenfalls vertrugen wir uns am Ende und trafen uns am Abend wieder mal am Lagerfeuer. Ich liebe solche kleinen spontanen Feiern, es gibt nichts Romantischeres als ein Lagerfeuer in einer warmen Sommernacht.

Richard und ich verbrachten den ganzen Abend zusammen. Wir haben uns eine Decke geteilt und er hat mich fest im Arm gehalten. Es war urgemütlich und ich schwebte irgendwo auf Wolke sieben. Gemeinsam brachen wir nach Hause auf, beschlossen nur gute Freunde zu sein und schliefen miteinander. Still, sanft, selbstverständlich.

Ob die Beziehung so funktioniert bleibt abzuwarten aber es ist gut für mich meinen Freund wieder zu haben. Ich kann einfach nicht ohne ihn leben, auch wenn völlig unklar ist ob es eine Zukunft für uns beide gibt.

All meine Hoffnung ist möglichst viel Zeit mit ihm zu verbringen. Ich weiß noch gar nicht wie ich zehn Tage ohne ihn auskommen soll. Aber ich werde es müssen - er fährt in Urlaub, ohne mich.

Schön für Dich dass Du so wahnsinnig unabhängig bist…Du musst weder Rücksicht auf mich noch auf dein Bankkonto nehmen…

Ich werde vor Sehnsucht vergehen, ich hoffe er hält sein Versprechen sich gleich bei mir zu melden wenn er zurück ist. Wenn er es tut bekommt er eine Wiedersehensfeier die er so bald nicht vergisst!

Es wäre schön Dir wieder vertrauen zu können, ich vermisse unsere Freundschaft.

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Der fünfzehnte August, ein Feiertag, ein langes Wochenende.

Ich gammle so richtig. Ich bin erst um halb zwei Uhr nachmittags aufgestanden, habe ein schönes Schaumbad genommen und ein wenig Schönheitspflege betrieben. Jetzt liege ich gemütlich in der Hängematte auf dem Balkon und denke darüber nach was ich noch anstellen soll. Ohne Richard habe ich eigentlich zu gar nichts Lust.

Dann endlich! Er ist zurück! Beide sind wir auf einer Überdosis Gefühl. Ich bin wie ein Schwamm der jedes seiner Worte und Gesten gierig aufsaugt. Ohne ihn wäre ich ausgetrocknet und gestorben. Richard genießt das Zusammensein ohne Zweifel genauso aber ich glaube zu wissen dass es ihm nicht wirklich etwas bedeutet, nicht so wie er mir.

Unsere Treffen sind so selten, viel zu selten, doch ich will ihn nicht zu sehr bedrängen, glaube ihn schon genug zu nerven.

Es ist doch nicht normal wenn ich zweidrittel meiner Zeit damit verbringe über ihn nachzudenken. Ihn, den ich so sehr liebe dass mir der Gedanke an ihn die Tränen in die Augen treibt.