4,99 €
Im Jahr 406 n.Chr. steht das Römische Reich am Rande des Abgrunds. Zerfallen in einen oströmischen und einen weströmischen Teil, bedrohen äußere Feinde den ohnehin fragilen inneren Frieden. Doch die größte Gefahr geht von einem Mann aus, der seine Kindheit und Jugend als Geisel in Rom verbrachte – und die Schwächen des Feindes daher sehr genau kennt: Attila. Der Herrscher der Hunnen hat schon seine Späher in die römischen Provinzen geschickt. Denn Attila kennt nur ein Ziel: Er will das Römische Reich zerstören. Und schon bald wälzt sich ein ungeheurer Heerzug Richtung Westen …
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 523
William Napier
Der schwarze Krieger
Historischer Roman
Deutsch von Olaf Roth
Die wichtigsten Ortsbezeichnungen
Bei den heutigen Entsprechungen, die mit einem Sternchen* gekennzeichnet sind, konnte nur der nächstgelegene Ort angegeben werden.
Altai-Gebirge – Gebirgszug in der westlichen Mongolei, für die Hunnen und viele andere Völker heilig
Aralsee – im heutigen Kasachstan/Usbekistan
Aquincum – Budapest
Augusta Treverorum – Trier
Borysthenes – der Fluss Dnjepr, Ukraine
Byzanz, Konstantinopel – Istanbul
Carnuntum – Hainburg*
Chersonesus – Sebastopol
Choresmien – Usbekistan/Turkmenistan*
Dsungarische Pforte – zwischen dem Tien-Shan- und dem Altai-Gebirge, erstreckt sich zwischen dem heutigen Kasachstan und China
Kharvad-Berge (hunnisch), Harvaξa (gotisch) – Karpaten
Hippo Regius – Annaba, Algerien
Hungvaria – die ungarische Tiefebene
Illyricum – Kroatien/Bosnien/Serbien/Albanien*
Kyzyl Kum – die Rote Sandwüste, im heutigen Usbekistan/Kasachstan
Leptis Magna – Labda, Libyen
Palus Maeotis – die skythischen Sümpfe, Asowsches Meer
Margus – Pozarevac, Serbien
Massilia – Marseille
Mauretanien – Marokko und das nördliche Algerien
Mediolanum – Mailand
Moesia – Nordbulgarien/Makedonien*
Narbo – Narbonne
Numidia – Tunis*
Ophiusa – Odessa*
Panium – eine Kleinstadt in Thrakien
Parthien – Persien, Iran*
Qilian Shan – Gebirgszug in Nordchina
Skythien – Russland, Ukraine, Kasachstan und Gebiete östlich davon*
Singidunum – Belgrad
Sirmium – Stremska Mitrovica*, Serbien
Taklamakan – Wüste in Xinjiang, China
Tanais – Rostow am Don
Tavan Bogd – die Fünf Könige, die höchsten Erhebungen im Altai-Gebirge
Tien Shan – die Himmlischen Berge, die sich von Kirgistan bis nach Nordchina erstrecken
Tolosa – Toulouse
Viminacium – Kostolac, Serbien
Verzeichnis der wichtigsten Personen
Namen mit einem Sternchen* sind historisch belegt. Die übrigen könnten existiert haben.
Aëtius* – Gaius Flavius Aëtius, geboren am 15.August 398 in der Grenzstadt Silestria im heutigen Bulgarien. Sohn des Gaudentius, des Oberbefehlshabers der Kavallerie; später selbst Oberbefehlshaber der Kavallerie der vereinigten Armeen Westroms
Aladar – Hunnenkrieger, Sohn Chanats und einer der acht Auserwählten
Amalasuntha* – einzige Tochter des visigotischen Königs Theoderich
Athenais* – Tochter des Leontius, eines athenischen Professors, spätere Gemahlin von Kaiser TheodosiusII.
Attila* – geboren am 15.August 398, König der Hunnen
Bayan-Kasgar – General und späterer König des Volkes von Oroncha
Bela – Hunnenkrieger, einer der acht Auserwählten
Bleda – älterer Bruder Attilas
Candac – Hunnenkrieger, einer der acht Auserwählten
Chanat – Hunnenkrieger, einer der acht Auserwählten
Charaton – Anführer der Weißen Hunnen
Checa* – Königin Checa, Hauptfrau Attilas
Csaba – Hunnenkrieger, einer der acht Auserwählten
Dengizek* – ältester Sohn Attilas
Ellak* – zweiter Sohn Attilas
Enkhtuya – eine Hexe der Kutrigurischen Hunnen
Galla Placidia* – geboren 388, Schwester Kaiser Honorius’, Mutter Kaiser ValentiniansIII.
Genserich* – geboren 389 in der Nähe des Plattensees im heutigen Ungarn, König der Vandalen ab 428
Geukchu – Hunnenkrieger, einer der acht Auserwählten
Honoria* – geboren 422, Tochter der Galla Placidia, Schwester von ValentinianIII.
Juchi – Hunnenkrieger, einer der acht Auserwählten
Kuridach – Anführer der Hephthalitischen Hunnen
Kleiner Vogel – ein Schamane bei den Hunnen
Mundschuk* – älterer Bruder Rugas, kurzzeitig König der Hunnen
Noyan – Hunnenkrieger, einer der acht Auserwählten
Orestes* – durch Geburt griechischer Sklave, lebenslanger Gefährte Attilas
Pulcheria* – Schwester Kaiser Theodosius’ II.
Ruga* – jüngerer Bruder Mundschuks, König der Hunnen
Himmel-in-Fetzen – Anführer der Kutrigurischen Hunnen
Theoderich* – Sohn Alarichs, wie dieser König der Visigoten, 419–451
Theoderich der Jüngere* – der Erstgeborene von König Theoderichs sechs Söhnen
TheodosiusII.*, mit Beinamen «Kalligraphos», der Kalligraph– Kaiser des Oströmischen Reiches, 408–450
Tokuz-Ok, «Neun Bogen» – Gottkönig des Volkes von Oroncha
Torismond* – der zweite von König Theoderichs sechs Söhnen
Valentinian – geboren 419, Kaiser des Weströmischen Reiches, 425–455
Yesukai – Hunnenkrieger, einer der acht Auserwählten
Für Iona
Dreißig Jahre waren vergangen, seit der kleine Hunnenknabe, Prinz Attila, in die Verbannung geschickt worden war. Niemand weiß, was ihm während des Exils in den unermesslichen Weiten Skythiens widerfuhr, als nur sein treuer griechischer Sklave Orestes bei ihm war. Doch man kann es sich gut vorstellen. Denn die Schriften warnen uns vor Männern, die geboren werden, wenn die Funken aufwärtsfliegen. Und große Männer bringen auch großes Leid.
In dieser Chronik werde ich, Priscus von Panium, von Attilas unseliger Rückkehr in die Heimat seines Hunnenvolks berichten. Wie Attila aus der unheimlichen Wildnis zurückkehrte, wie er sich auf blutige Weise selbst zum König krönte und wie er alle Stämme seines eigenen Volks und befreundeter Völker zu einer großen Armee versammelte. Einer Armee, die Angst und Schrecken verbreitete und sein einziges Verlangen stillen sollte: Rache am Römischen Reich zu nehmen, dem verhassten Imperium, das ihm seine Kindheit verleidet und die Jugend genommen hatte. Und das sein Volk während der langen Jahre des Exils erniedrigt hatte. Nun war alles vorbereitet für den akribisch geplanten, apokalyptischen Rachefeldzug.
Hier beginnt unsere Geschichte.
Erster Teil
1.
In den Steppen Skythiens, im Herbst Anno Domini 441
Der alte Hunnenkrieger brachte sein Pferd zum Stehen und blickte angestrengt nach Osten. Noch immer sah er den seltsamen Reiter in der Ferne. Einen ganzen Tag und eine ganze Nacht hatte der Fremde dort in der glühenden Sonne und unter dem eisigen Mond verbracht und sich kaum von der Stelle bewegt. Er schien nicht von dieser Welt.
Den alten Krieger überlief es kalt.
Es war der Monat der Stürme, und der Himmel färbte sich dunkel vor Erwartung. Der Wind fegte durch das braune, vertrocknete Federgras der Steppe, das die sechs Monate andauernde unerbittliche Sommerhitze versengt hatte. In den ausgedörrten Flussbetten wurde der Staub in Spiralen aufgewirbelt. Graue Wolken trieben rastlos über den Himmel. Die Pferde wieherten nervös und versuchten auszubrechen, und die Hunde legten die Ohren an und winselten leise unter den abgedeckten Wagen.
Es war ein Tag des Wartens und der aufgestauten Energie. Und hinter den Vorhängen der Welt erwachten die Geister zum Leben und heckten neue Unbill aus, mit der sie den Menschen – die sie nur bewundern und verehren, niemals aber verstehen konnten – auf ein Neues ihre grenzenlose Macht und Verspieltheit demonstrieren würden.
Einige behaupteten später, sie hätten urplötzlich einen Blitz über den Himmel zucken sehen, ganz ohne Donner. Andere glaubten, es sei der Schatten eines riesigen Adlers am Grabhügel drüben in der Ebene gewesen.
Der fremde Reiter saß auf seinem gedrungenen, scheckigen Hengst in der Nähe des länglichen Grabhügels von Mundschuk, der seit mehr als dreißig Jahren tot war. In den Stammesgesängen hieß es, der Bruder König Rugas sei nicht gestorben, vielmehr habe ihn ein riesiger Adler, kein anderer als Astur, der Göttervater, entführt. Mundschuk, im Zenit des Lebens stehend, sei zusammen mit zahlreichen Opfertieren sowie seinen schönsten Frauen und Sklavinnen in den Ewigen Blauen Himmel gebracht worden, wo er nun bis zum Ende aller Tage siegreich kämpfe und Feste feiere. Die Pforten des Todes durchschritt Mundschuk im Gegensatz zu allen Sterblichen dagegen niemals.
Nach einer Weile war König Ruga es jedoch leid, wenn seine Leute ständig Mundschuks Loblied sangen, und verbot die Erinnerung an seinen Bruder. Und tatsächlich kennen heute nur noch wenige Stammesangehörige seinen Namen. Drei Jahrzehnte waren eine lange Zeit; eine Frau galt schon mit zwanzig Jahren als alt.
Der Hunnenkrieger blickte erneut hinüber zu dem Grabhügel. Obwohl seine alten, wässrigen Augen, mit denen er gegen den trockenen Steppenwind anblinzelte, den seltsamen Reiter nur undeutlich erkennen konnten, jagte ihm dessen reglose, aber umso kraftvollere Gestalt einen Schauder über den Rücken. Früher einmal hätte er ohne zu zögern seinem Pferd die Sporen gegeben und wäre auf den Eindringling zugaloppiert. Er hätte einen Pfeil aus dem Köcher gezogen und ihn noch im Reiten abgeschossen.
Wer war dieses einsame Gespenst aus den Steppen, das sein Pferd ausgerechnet auf dem Grabhügel eines Königs zum Stehen brachte, ohne um Erlaubnis zu bitten?
Chanat zögerte, die kräftige Bogensehne zu spannen. Er war mittlerweile alt und sollte lieber zurück ins Lager reiten und Bericht erstatten. Bald schon würde er wie ein Mann in der Schlacht fallen. Nacht für Nacht erbat er von den Göttern einen Tod im Kampf. Doch nicht heute. Nicht in einem einsamen Gefecht mit einem unbekannten Reiter draußen in der Steppe, ohne einen Zeugen, der seinen Tod besingen konnte.
Der Reiter auf dem Hügel wandte den Kopf ein wenig zur Seite und schien den alten Krieger nun direkt anzusehen. Chanat konnte den Gesichtsausdruck des Fremden nicht erkennen. Seine Augen waren alt und schwach. Doch ihm war, als ob der Reiter mit einem Mal von einer starken Unruhe erfasst wurde, die nur darauf wartete, sich Bahn zu brechen. Der Wind zauste durch die kurze Mähne seines Pferdes und blies auch dem Reiter die dunklen Haare in die Stirn. Sogar die Art, wie er die Zügel hielt, wie er das Pferd mit zusammengepressten Schenkeln kontrollierte, verriet seine gespannte Energie. Alles an ihm schien aus dunklem Stein oder Eisen; es war nichts Weiches an ihm.
Plötzlich hob der Fremde den rechten Arm und vollführte eine rasche Drehung des Handgelenks. Es war nur eine flüchtige Bewegung, aber ein eindeutiges Zeichen. Dann ließ er den Arm wieder sinken und blickte starr geradeaus.
Der alte Krieger konnte nichts tun, als der Aufforderung des Mannes nachzukommen. Er, der sich über dreißig Jahre lang von niemand anderem als König Ruga hatte Befehle erteilen lassen, gab seinem Pferd die Sporen und ritt auf den Grabhügel zu.
Immer näher kam er dem schwarzen Reiter. Bis er ihm ins Gesicht blicken konnte, ungläubig, staunend. Nein, das konnte nicht sein!
Der Fremde war vermutlich Mitte vierzig. Er trug einen kurzen pelzbesetzten Umhang, der am Hals mit einem Lederriemen zusammengebunden war. Der Umhang war wohl einmal dunkel und glänzend wie ein Nerz gewesen, doch nun war er grau und staubig. Der spitze Kalpak aus Filz, die traditionelle Kopfbedeckung der Hunnen, war weit in die Stirn gezogen. Sein von grauen Stellen durchzogenes dichtes, dunkles Haar fiel auf muskulöse Schultern herab. Unter den Brauen funkelten dunkle Augen, doch die Heiterkeit darin war allenfalls wild und bitter. Seine kräftige, knochige Nase musste im Laufe vieler Jahre wohl mehr als einmal das Ziel von Schlägen gewesen sein. Der Mund besaß einen extrem harten Zug; das Kinn bedeckte ein allmählich grau werdender Bart. Der Mann trug goldene Ohrringe. Unter dem Umhang stachen kupferfarbene Arme hervor, die bis auf zwei Silberringe um den Bizeps entblößt waren. Er hatte sehr ausgeprägte, harte Muskeln, und seine sehnigen Unterarme waren von dicken Adern durchzogen und erinnerten an die eines Hufschmieds, nur waren sie überall vernarbt. Insbesondere der rechte Arm wirkte mit seinen Linien und Kreuzen wie das Schneidebrett eines Knochenhauers. Seine Reithose war mit überkreuzten Bändern versehen, und er trug ramponierte Stiefel aus Hirschleder. An einem breiten Ledergürtel um seine Taille hingen ein kurzes Kriegsbeil mit einer gezackten Klinge, die einen Bogen beschrieb, sowie ein schwarzes Lasso. Auf der anderen Seite ruhte ein prächtiges Schwert – wohl eher persischer oder byzantinischer Machart, mit feinen goldenen Verzierungen am Knauf und einer verkratzten Scheide aus Leder–, das aufgrund seiner gewellten, schmaler werdenden Form und der langen Spitze an eine spanische Klinge erinnerte. Quer über den Rücken trug der Fremde einen ledernen Köcher für seine Pfeile und einen kurzen, todbringenden Bogen. Seine stark geäderten Hände waren die kräftigen Tatzen eines hungrigen Bären. Zu Fäusten geballt, lagen sie auf dem Knauf des groben, hölzernen Sattels. Seine Haut schien wettergegerbt. Seine ganze Erscheinung war die eines Mannes, der jahrelang eisige Stürme, schneidende Wüstenwinde und irrsinnige Gluthitze hatte aushalten müssen und der doch unbeirrt immer weiter geritten war.
«Sieh an», sagte der schwarze Reiter mit heiserer, aber weicher Stimme. «Chanat. Noch immer am Leben.»
Chanat erwiderte nichts. Ein alter Mann war schließlich eine Last und eine Schande für sein Volk; schon vor langer Zeit hätte er mit dem Schwert in der Hand auf einem Schlachtfeld fallen sollen.
«Nun, das gilt ja auch für mich», fügte der Reiter hinzu. «Noch immer am Leben. Heute komme ich nach Hause und verlange mein Recht.»
Es bestand kein Zweifel mehr. Chanat sah erneut zu dem Fremden auf. Er war es.
Aus östlicher Richtung kam ein weiterer Reiter auf einer braunen Stute herangeritten. Er war etwa genauso alt, vielleicht ein, zwei Jahre jünger, und wirkte ebenso abgekämpft und erschöpft. Sein Blick schien wach und flink. Er trug keine Kopfbedeckung, und sein oben bereits kahlwerdendes Haupt gab ihm ein beinahe mönchisches Aussehen. Das helle Haar war an den Seiten kurz geschoren, und die Stoppeln auf Wangen und Kinn wie auch seine Hautfarbe wiesen darauf hin, dass er kein Hunne war. Aber auch er trug quer über dem Rücken einen kurzen Hunnenbogen sowie zwei Köcher.
Chanat glaubte, ihn nach all den Jahren ebenfalls wiederzuerkennen. Damals war er ein Sklavenjunge gewesen, einer jener hellhäutigen Griechen. Und während all der Jahre des Exils der treue Diener seines Herrn, mit dem er gewiss zahlreiche Geheimnisse, Schrecken und leidvolle Erfahrungen teilte.
Der Diener neigte das Haupt zum Gruß, und Chanat antwortete ebenfalls mit einem Nicken.
«Chanat», befahl der schwarze Krieger. «Reite ins Lager und bring uns einen Spaten.»
Chanat runzelte die Stirn. «Einen Spaten, Prinz Attila?»
«Attila Tanjou», erwiderte der Mann. «König Attila.»
***
Zweimal wurde Chanat mit Fragen überschüttet, als er vom Lager wegritt, den Spaten quer über den Sattel gelegt. Beide Male ignorierte er die Fragenden und ritt hochmütig weiter. Denn in seinem Herzen, in der ganzen Brust, ja überall in seinem steifen, alten Körper spürte er eine stetig wachsende Erregung, wie er sie seit Jahren nicht mehr empfunden hatte. Sein wahrer Herr hatte ihm einen Befehl erteilt. Nichts sonst zählte mehr. Der kleinste Wink seines Meisters musste umgehend befolgt werden. Denn Attila war der Herr und Meister, nach dem Chanat sich ein Leben lang gesehnt hatte. Nicht der alte degenerierte Vielfraß dort im Zelt, in seiner weißen Tunika aus weicher anatolischer Wolle und den geschenkten Gewändern aus byzantinischer Seide! Sein Brustschmuck bildeten kaiserliche Münzen, massive Goldmünzen, in die Symbole fremder Religionen und die Häupter ausländischer Könige eingeprägt waren. Er hatte stets Weinflecken im Bart und schnarchte vermutlich gerade im Schoß eines Sklavenmädchens, während die Schwerter und Speere an den Zeltpfosten ihrer Jurten vor sich hin rosteten.
Dort am Grab Mundschuks wartete ein echter Befehlshaber auf ihn, stolz und entschlossen, trotz der ärmlichen Kleider, der staubigen, abgetragenen Tierhäute. Dort war sein Tanjou. Sein König.
Chanat ritt an den gelangweilten Wachen vorbei, bereit, ihnen den Schädel mit der flachen Seite des Spatens einzuschlagen, sollten sie es wagen, ihn aufzuhalten. Doch dazu kam es nicht.
Der alte Krieger mit seiner hageren, grimmig dreinblickenden Erscheinung war im schläfrigen Lager der Hunnen noch immer ein respektierter Mann.
Wenig später reichte er seinem Tanjou, für den er alles gegeben hätte, selbst sein dünnes, altes Blut, den Spaten.
«Gib ihn Orestes», sagte Attila.
Der hellhäutige Grieche nahm den Spaten aus Chanats Händen entgegen und glitt gewandt aus dem Sattel.
Attila ritt auf der Ostseite des Grabhügels hinab und blickte mit einer ruckartigen Bewegung seines Kopfes zurück. «Beginnt dort zu graben», befahl er mit wildentschlossenem Blick. «Und öffnet eines der Gräber…»
Chanat zögerte. «Eines der Königsgräber?»
«Das Grab Mundschuks», erklärte Attila. «Das Grab meines Vaters.»
Ein Schatten huschte über Chanats Gesicht, doch er schwieg und sah zu, wie Orestes mit dem Spaten in den Boden stach und die Steine des Grabes von der Schwarzerde befreite. Attila ritt heran, stieg selbst ab und kniete neben dem länglichen Steinhaufen nieder, von dem er einen Stein nach dem anderen behutsam entfernte. Dann hielt er lange inne, bevor er schließlich einen Arm hineinsteckte. Er wischte kleine Erdbrocken beiseite, legte seine warme Handfläche auf die Stirn des kalten Schädels seines Vaters und betete um Vergebung.
Eine Weile verharrte er so, dann griff er auch mit der anderen Hand hinein und schien an dem einsamen, mit Erdreich bedeckten Skelett zu zerren. Mit einem Ruck stand er schließlich auf und bestieg hastig sein Pferd.
Abwechselnd füllten der zähe Grieche und der alte Hunnenkrieger die offene Wunde, die in die heilige Erde gerissen worden war, mit Steinen. Dann häuften sie Erde darüber und setzten die Grasnarbe obenauf. Schließlich klopfte Orestes alles mit dem Spaten fest, bis der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt war.
Die beiden Männer saßen nun ebenfalls wieder auf und trieben ihre Pferde über das langgestreckte Hügelgrab. Attila hielt den rechten Arm in die Höhe und rezitierte mit tiefer, vibrierender Stimme die Totenklage der Hunnen.
Dann gaben alle drei ihren Pferden die Sporen und ritten den steilen Abhang mit den Gräbern hinab auf das Hunnenlager zu.
Als sie sich den Zelten näherten, aus denen friedlicher Rauch aufstieg, hielt Attila sein Pferd an, und seine beiden Gefolgsleute taten es ihm gleich.
«Er wurde ohne seine Pferde, ohne seine Ehefrauen und Sklavinnen bestattet.» Sein Tonfall wurde heftiger, als er sich Chanat zuwandte. «Ohne einen einzigen Goldring schickte man ihn auf die Reise!»
Chanat hielt seinem Blick nicht stand.
«Sprich!», heischte Attila ihn an.
Mit schmerzerfüllter Stimme hauchte Chanat: «Frage mich nicht, Tanjou. Frage mich nicht nach den Toten.»
Attila ließ seinen Blick streifen und schaute schließlich starr in die Weite. Als würde er dem Horizont selbst die Kehle durchschneiden wollen.
Dann ritten sie ins Lager.
2.
Das Hunnenlager befand sich an einer Biegung des Dnjepr, des Flusses, den die Griechen Borysthenes nennen. Er entsprang weit im Norden in den Eisbergen, und sogar am Ende eines glühenden Sommers floss der Strom noch breit und ruhig durch das Grasland aufs Schwarze Meer zu. Dort hatten die Hunnen den ganzen Sommer lang Barsche getrocknet, Fleisch gepökelt und sich an dem großen Flussstör gütlich getan. Sie hatten Federwild gejagt und den plumpen grasfressenden Saigaantilopen aufgelauert, wenn die Tiere in der Abenddämmerung zum Trinken kamen.
Früher einmal war der Sommer die Jahreszeit für Krieg gewesen, der Winter dagegen die für den Frieden. Nun aber waren die Hunnen schon lange nicht mehr in die Schlacht gezogen; sie kämpften nicht einmal mehr mit ihren Stammesrivalen. Das ganze Jahr über herrschte Frieden.
Am Eingang des weitverstreuten Lagers sahen die Wachposten Chanat und seine Begleiter verunsichert an. Einer von ihnen griff nach dem Strick, der Orestes’ Pferd als Zügel diente, und der Grieche hielt, ohne zu protestieren, an. Attila jedoch ritt einfach vorbei und sah die Wachen dabei so durchdringend an, dass keiner wagte, ihn anzuhalten. Er gelangte zur Jurte des Königs, zog den Kopf ein und gab seinem Pferd die Sporen, um durch die Zeltplanen hinein in das große Außenzelt zu reiten. Zwei Krieger richteten ihre Speere auf ihn und fragten ihn nach seinem Namen.
«Namenlos und fluchbeladen», sagte er, schwang ein Bein über den Hals seines Pferdes und glitt hinab.
Als er auf den inneren Zeltbereich zumarschierte, vertrat ihm einer der beiden Wachposten den Weg. Doch gleich darauf krümmte sich der Mann vornüber – Attilas hellglänzende Schwertklinge steckte in seiner Magengrube.
Der Verwundete torkelte rückwärts und sank heftig blutend zu Boden. Der andere Wachposten kam mit gezücktem Speer auf Attila zu, woraufhin dieser das Heft mit einem kräftigen Seitenhieb seines Schwertes entzweibrach. Attila trat nahe an den Krieger heran und hieb ihm die Klinge unterhalb des Arms zwischen die Rippen. Anschließend zog er das Schwert heraus und ging unbeirrt weiter, während der Wachposten hinter ihm tot zusammensackte. Attila packte den Vorhang aus feiner byzantinischer Seide zum inneren Zelt, riss ihn herunter und trat mehrfach mit seinen Stiefeln darauf herum.
König Ruga erhob sich schwankend von seiner Liege, ein junges Mädchen kniete zu seinen Füßen. Der König starrte den Eindringling mit verschwommenem Blick an. Er war fett geworden in den letzten Jahren, aber er war trotz seiner sechzig Jahre noch immer eine beeindruckende Persönlichkeit, mit einem vollen Bart, der so untypisch für einen Hunnen war, und kräftigen, gerundeten Schultern. Guter Wein hatte seine Stupsnase jedoch tiefrot gefärbt, und seine Augen waren geschwollen und blutunterlaufen. Er warf dem Mädchen zu seinen Füßen einen raschen Blick zu und gab ihr einen leichten Stoß, woraufhin sie nach draußen huschte. Dann sah er wieder die Gestalt vor sich an.
«Wer hat dich gesandt?», fragte er unvermittelt. Und obwohl er wegen des vielen Weines leicht zitterte, zeigte er keine Furcht.
«Wer mich hergesandt hat?» Attila lächelte. «Astur. Astur hat mich hergesandt.»
Rugas Blick wurde starr.
Der Fremde zog die Kopfbedeckung von seiner breiten, sonnenverbrannten Stirn, und der alte König sah drei blasse, rötliche Narben. Die Narben auf den Wangen des Fremden waren dagegen bläulich und sehr fein, vermutlich hatte sie ihm seine Mutter als Baby zugefügt. Er war eindeutig einer aus dem Volk. Doch die Narben auf seiner Stirn waren hier im Land nicht üblich. Außer bei Verrätern, die ins Exil geschickt wurden oder zum Tod verurteilt waren.
Schweigend wie eine Statue stand Attila vor ihm, von seiner Klinge tropfte noch Blut. Ruga schien wie traumverloren, verwundert und dann auf einmal seltsamerweise erfreut. Er schritt auf den Fremden zu und schlang seine stark behaarten Arme um ihn.
«Mein Junge!», rief er laut. «Nach dreißig Jahren bist du endlich zurückgekommen. Bestimmt hat Astur dich gesandt. Bestimmt warst du in Asturs Gewahrsam, der dich dreißig Jahre lang schützend unter seinen Fittichen bei sich trug!» Er ließ ihn los und trat ein Stück zurück. «Ich… ich hatte nie gedacht, dich je wiederzusehen, als ich dich, so wie es Recht und Gesetz war, von hier wegschickte…», stammelte er. «Nicht einmal ein Tanjou kann sich über das Gesetz seines Volkes hinwegsetzen. Vergiss das nicht, mein Junge, wenn du in dein Königreich zurückkehrst. Ach, Attila, ich hätte alles darum gegeben…»
«Du hast meinen Vater ermordet!», sagte Attila ruhig. Er streckte die linke Hand aus, die Handfläche nach oben gerichtet. «Hier ist die Pfeilspitze, die ich in seinem armseligen Grab bei seinem Skelett fand.»
Ruga starrte ihn an, mit trübem Blick. Er wankte. Dann drehte er sich um und nahm auf der Liege Platz. «Setz dich neben mich», sagte er.
Attila blieb vor ihm stehen.
«Attila», sagte der alte König und streckte seine dickliche, starre Hand nach ihm aus, als wolle er sein Gesicht und die Narben des Verräters berühren, ließ sie dann aber wieder sinken. Er holte tief Luft. «Mundschuk war kein verehrungswürdiger Mann. Er wurde umgebracht, das stimmt. Aber ich konnte nichts dagegen tun.»
Attilas Augen blitzten auf, doch er konnte nicht sprechen.
«Die Erinnerung geht seltsame Wege.» Ruga schüttelte beinahe sorgenvoll den Kopf. «Und oft ist es mit der Phantasie genauso. Du kennst das Gesetz des Stammes. Nachdem Bleda, dein älterer Bruder, zur Welt gekommen war, lag Mundschuk nie mehr bei deiner Mutter. Er liegt allein in seinem Grab. Ja, umarme mich, mein Junge. Denn ich…»
Attila ließ sich auf die Schulter des Königs fallen und schlang seine Arme um ihn.
Ruga weinte vor Rührung und Glück. «Mein Junge…», sagte er, «mein Junge…» Die Stimme versagte ihm. Dann drang auf einmal nur noch ein erstauntes Röcheln aus seiner Kehle.
Attila wich ein wenig zurück und legte die Hände um den Hals des alten Mannes. In der Hand hielt er noch die Pfeilspitze, die Mundschuk getötet hatte. Mit einem Griff, der so kräftig war wie der Kiefer eines Wolfs, drückte er langsam dem japsenden König die Pfeilspitze in die Kehle.
«Du lügst», sagte er leise.
Rugas fleckige Hände fuhren zittrig über Attilas unerbittlichen Griff an seinem Hals, doch sie waren so hilflos wie Motten. Seine Füße, die in Pantoffeln steckten, suchten vergeblich auf der Schilfmatte nach Halt, während seine Augen flehentlich nach oben gerichtet waren.
Attila drückte fester zu, und die Pfeilspitze drang durch die fleischigen Hautfalten und bohrte sich dann in die Luftröhre des alten Mannes. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor, schäumendes Blut aus kollabierenden Lungen.
«Mein Junge…», keuchte der sterbende König. «Mein Sohn…»
Attila legte eine Hand auf Rugas Stirn und presste seinen Kopf nach hinten. Mit dem Daumen der anderen Hand drückte er die Pfeilspitze immer tiefer in die blutbefleckte Kehle, bis die schmutzige, rostige Metallspitze gegen die Wirbelsäule stieß. Mit einer letzten, heftigen Bewegung bohrte er sie vollständig hinein.
Der alte König war tot.
Attila zog seinen Daumen aus dem blutigen Loch der Kehle. Es quoll noch Blut heraus, dann versiegte der Strahl allmählich, bis er gänzlich verebbte.
Attila trat zurück, schweißüberströmt, und starrte auf den toten Mann vor sich. Seine Hände troffen von Blut, und seine Brust hob und senkte sich schwer. Dann schüttelte er heftig den Kopf. Er zückte sein Schwert, griff nach dem verblassten Haarschopf des Königs und hieb ihm den Kopf vom Leib. Anschließend ging er ins Vorzelt, stieg wieder auf sein Pferd, das der Schlächterei teilnahmslos zugesehen hatte, und ritt zum Zelt hinaus.
Draußen auf der Freifläche, die sich durch die kreisförmige Anordnung der Zelte ergeben hatte, ließ Attila das Haupt in den Staub fallen und wartete. Langsam kamen die entsetzten Hunnen näher. Männer mit dicken Bäuchen und offenstehenden Mündern wie bei dem toten König; Frauen mit großen, zu Tode erschrockenen Augen, die Babys säugten; wohlgenährte Kleinkinder, die neugierig zwischen den Beinen ihrer Eltern hervorkrochen. Insgesamt nicht mehr als ein paar hundert Menschen, darunter viel mehr Männer als Frauen. Denn die Frauen starben oft am Kindbettfieber, während kein einziger Krieg die Männer dezimiert hatte.
Attila betrachtete die zerlumpte, staubige, friedliche Menge, als plötzlich eine Stimme, die Stimme Chanats, rief: «Heil, Tanjou Attila, unser König!»
Immer noch musterte Attila mit ernstem Gesicht seine Leute. Nach einem langen, unangenehmen Schweigen winkte er Chanat zu sich. «Bring mir ein Holzscheit.»
Chanat ritt zu den erwartungsvoll dreinblickenden Männern und Frauen hinüber, die sich sofort in Bewegung setzten, um seinen Wunsch zu erfüllen. Nicht weniger als acht brennende Fackeln wurden ihm kurz darauf gereicht. Er entschied sich für die am hellsten brennende und brachte sie seinem Tanjou.
Attila nahm sie mit seiner Rechten entgegen, wendete sein Pferd, ritt zurück zum Königszelt und warf die Fackel auf die weißen Filzwände. Sofort begannen die Flammen den Stoff und die hölzernen Pfosten, von denen sie herabhingen, zu verzehren.
«Herr», sagte Chanat und trat neben ihn. «Das Mädchen…»
«Hm…», machte Attila, blickte über die Schulter und zwirbelte dabei nachdenklich seinen dürren Bart. «Und das Gold.»
Er trieb seine Absätze in die Flanken des Pferdes, worauf das erschrockene Tier auf die Hinterbeine ging und wieherte. Der Geruch nach verbrennendem Fett stieg ihm bereits in die Nüstern. Doch Attila griff nach dem Lasso an seinem Gürtel und schlug gnadenlos auf den Leib des scheuenden Pferdes ein. Mit der anderen Hand zurrte er die Zügel so heftig zusammen, dass der Kopf des Tieres in den Nacken gerissen wurde. Noch einmal trieb Attila seine Absätze in die Flanken des Tieres, dann schoss das Pferd durch den brennenden Zelteingang.
Die Umstehenden schauten ungläubig zu. Seit einer ganzen Generation hatten sie so etwas nicht mehr gesehen. Und dies, das ahnten sie, war erst der Anfang.
Zwischen den Männern und Frauen sah noch jemand anders zu. Der schweigsame griechische Sklave beobachtete, wie einer der Hunnen, ein junger Mann von gerade mal zwanzig Jahren, einen Schritt auf das Zelt zu machte, als wolle er seinem Herrn folgen. Orestes musste heimlich lächeln.
Als die Holzpfähle nachgaben, brach eine Zeltwand zusammen, und das Prasseln der Flammen wurde noch heftiger. Die Umstehenden wichen vor der ungeheuren Hitze zurück. Einige sahen zu Chanat hinüber, doch der rührte sich nicht vom Fleck. Flammen züngelten hoch in den düsteren, schiefergrauen Himmel. Immer höher schlugen die Funken, und Asche sowie einzelne Stücke von verbranntem Filz wirbelten wie versprengte Opfer an die Götter in die Luft. Das Zelt war ein Inferno. Niemand konnte darin überleben.
Kein Zweifel, der Mann, der heute gekommen war, war kein Mörder oder Usurpator, sondern schlicht ein Verrückter.
Doch plötzlich sprengten Pferd und Reiter im Galopp durch die brennenden Fetzen des Zeltes und kamen schließlich in einer Staubwolke vor der Menge zum Stehen. Ungläubig starrten die Männer und Frauen des Stammes sie an. Das Fell des Tieres rauchte noch, und es roch nach versengten Haaren. Das Gesicht des Reiters war pechschwarz, seine Augen glühten förmlich darin.
Ein Blitz zuckte über den Himmel und fuhr in den letzten Pfosten des königlichen Zeltes. Die Götter waren erzürnt und machten die Jurte dem Erdboden gleich.
Der neue König blickte sich nicht einmal um, und auch sein keuchendes, angesengtes Pferd verhielt sich wieder ganz ruhig.
Auf den Blitz folgte kein Donner, so schworen nachher alle, die zugegen waren. Es fielen auch keine Regentropfen, die nach und nach den schrecklichen Brand hätten löschen können.
Das zusammengebrochene Zelt verging zu Asche. Es war der Wille der Götter.
Vor dem eindrucksvollen tiefroten Flammenmeer saß Attila mit schwarzem Gesicht auf seinem Pferd und blickte über sein Volk. Dann ließ er das Bündel, das er vor sich auf dem Sattel trug, zu Boden gleiten. Es war die junge Sklavin, die Favoritin des toten Königs. Sie war in einen Teppich gewickelt, damit ihre blasse Haut nicht versengt wurde. Sie rappelte sich auf und taumelte rückwärts, weg von dem entsetzlichen Anblick des rußgeschwärzten Reiters. Die Augen des Mädchens leuchteten, und das lag nicht nur am Widerschein des Feuers.
Attila wandte sich um und zerrte an seinem Lasso. Und nun sahen die Umstehenden, dass er auch die große Schatztruhe aus der Brandhölle gerettet hatte. Der wahnsinnige Reiter oder versengte König, wer auch immer es war, löste sein Lasso aus den Haltegriffen der Truhe und gab Chanat ein Zeichen mit dem Kopf. Der alte Krieger saß ab, ging zu der Truhe hinüber und hieb mit seiner Axt darauf ein, bis etwas im Innern knackte. Dann griff er nach dem schweren Deckel und hob ihn an. Die Truhe war bis an den Rand mit Goldmünzen gefüllt.
Der schwarze Reiter paradierte vor seinen Leuten auf und ab wie ein General vor einer Schlacht. Mit seltsam singender Stimme sprach er:
Was weder Macht noch List vermochten,
In Jahrhunderten voller Streit und Krieg,
Gelang nun ein paar Feiglingen,
Um armsel’ger Tagelöhner Sold.
Unruhig traten die Umstehenden von einem Fuß auf den anderen.
Attilas Stimme wurde rauer. «Doch nun nichts mehr davon. Einst wart ihr ein Volk von großen Kriegern, die vom Altai bis zum Kaspischen Meer und bis zu den Ufern der Donau gefürchtet wurden. So soll es wieder sein. Die Götter sind auf unserer Seite.»
Er heftete seine glühenden Augen auf sein auserwähltes Volk, und sie fühlten sich bei seinem Anblick von seinem heiligen Feuer angesteckt.
«Was das Gold angeht», erklärte Attila verächtlich und warf einen Blick auf die geöffnete Truhe, «so könnt ihr es haben. Kein echter Krieger macht sich etwas aus Münzen.» Er blieb stehen, sah sie nochmals streng an und wirkte auf einmal noch größer in seinem Sattel. «Ich bin Attila. Ich bin euer Tanjou. Ich bin der Sohn des Mundschuk, der Sohn Uldins, der dreißig Sommer lang auf Geheiß eines toten Mannes im Exil zubringen musste.»
Er blickte auf die Überbleibsel des verkohlten Zeltes und dann wieder in die gebannten Gesichter. Einige der Männer und Frauen senkten den Kopf, wie zum Zeichen kollektiver Schuld. Doch Attilas Stimme überraschte sie erneut, denn nun klang sie sanfter.
«Ich bin euer Tanjou, und ihr seid mein Volk. Ihr werdet für mich kämpfen, und ich werde für euch sterben. Wir werden die Gestade des westlichen Ozeans und die Inseln des Mittelmeers erobern, und niemand wird sich gegen uns erheben.»
Einstimmig jubelte jetzt das Volk, und endlich setzte auch der Regen ein.
In Attilas Augen blitzte etwas wie Belustigung auf. Hinter ihm zischten und rauchten die Reste des königlichen Zeltes unter den schweren, prasselnden Regentropfen wie ein großes Tier, das seinen letzten Atemzug tat.
3.
Attila packte die Lanze eines Wachpostens, spießte Rugas blutiges Haupt auf, das mit offenem Mund noch immer im Staub lag, und hielt es in die Höhe.
«Orestes», befahl er, «die Erwählten.»
Der griechische Sklave kam nach vorn geritten und suchte scheinbar wahllos acht Männer aus der Menge aus. Einer von ihnen war der junge Mann, der Attila im Affekt in die Flammen hatte folgen wollen. Die anderen sieben waren von ihm ebenso genau beobachtet worden.
Erwartungsvoll standen sie da.
«Holt eure Pferde», sagte der Tanjou.
Während sie zum Pferch hinüberrannten, ließ Attila den Blick umherschweifen. Er wies mit dem Kopf auf ein prächtiges blaues Zelt, das geschnitzte hölzerne Pfosten hatte und auf dessen Dach eine bunte Fahne flatterte.
«Wem gehört das Zelt?», fragte er.
Nach einer kleinen Weile trat ein alter Mann vor. Sein Gesicht war ganz runzelig. Er hatte weiches weißes Haar und einen verschlagenen, misstrauischen Blick.
«Jetzt gehört es mir», erklärte Attila. Er wies mit dem Kopf zu dem Mädchen, das er aus den Flammen gerettet hatte und das ängstlich neben ihm stand. «Und sie gehört dir.»
Die Menge kicherte. Alle wussten nur zu gut, dass der alte Mann, der Zabergan hieß, ein schrecklicher Geizhals war, der sich lediglich für die Größe seiner Herden interessierte und für die Menge Hacksilber und Gold, die er besaß – und für sein prächtiges blaues Zelt. Was Frauen betraf, so hatte er nie die Notwendigkeit gesehen, sich mehr als nur eine anzuschaffen: die alte Kula, ein grässliches Weib, das aber kaum Kosten verursachte. Obwohl sein Geschenk ein hübsches junges Mädchen mit langen Beinen war, wussten alle, dass Zabergan viel lieber kalte Silberbarren im Bett hatte als einen jungen Körper. Mit düsterer Miene dankte der alte Mann dem Tanjou und schaute verächtlich auf das arme Mädchen herab.
Attila grinste und befahl den Leuten, sich zurückzuziehen.
Die acht Auserwählten kehrten gleich darauf zu Pferd zurück. Sie zitterten unter dem Blick von Attilas löwenhaften Augen.
«Holt eure Bogen!», brüllte er. Das Grinsen in seinem Gesicht war verschwunden.
Verblüfft ritten die Männer zu ihren Zelten, ihre Pferde stolperten beinahe übereinander, so wurden sie angetrieben. Mit roten Gesichtern, wie Schuljungen, die man gescholten hatte, kehrten sie zurück.
Attila ließ sie in einer Reihe aufstellen und forderte sie auf, ihre Namen zu sagen.
«Yesukai», sagte der Erste voller Begeisterung. Es war der junge Mann, der Attila ins Zelt hatte folgen wollen. Auch jetzt, als er seinen Namen sagte, wirkte er, als würde er gleich loslaufen wollen, so strotzte er vor Energie.
Flink, impulsiv, loyal, dachte Attila und nickte. Er würde jung sterben.
Der Zweite war Geukchu. Er hatte einen vorsichtigen, intelligenten Blick, einen leicht schiefen Mund und war ungefähr so alt wie Attila. Sicherlich unzuverlässig, aber einer, der selbständig denken konnte.
Dann waren da die Brüder Juchi, Bela und Noyan, die drei Söhne Akals. Jung und kräftig, ausdruckslos, scheu. Niemals würden sie eine Armee kommandieren oder die Frauen verrückt machen; aber sie würden kämpfen und füreinander in der Schlacht sterben. Zusammen waren sie stark.
Dann war da Aladar, der Größte von ihnen, der auch das imposanteste Pferd besaß. Schlank, aber muskulös, ernst und gut aussehend, mit schwarzen, eingeölten Haaren und einem schmalen Schnurrbart. Sicherlich liefen ihm die Frauen nach.
«Wie viele Weiber sind in deinem Zelt?»
Aladar lächelte schwach. «Sieben zu viel.»
Er würde wohl nie seine Ruhe vor den Frauen haben. Doch er hatte genügend Narben auf den Armen, die bezeugten, dass er nicht nur im Zelt herumlungerte und ständig bei seinen Frauen liegen wollte, die ihn mit Küssen, Zärtlichkeiten und anderen unsichtbaren Ketten an sich fesselten.
Dann war da noch Candac, ein wenig dicklich um die Leibesmitte, aber er hatte kräftige Arme, und seinem wohlgenährten Gesicht konnte man eine große Entschlossenheit ablesen. Vermutlich wusste er, wie man Menschen führen musste. Er würde alt werden.
Und schließlich Csaba, der zart und verträumt wirkte und ohne Zweifel Gedichte liebte; er spielte auf einer Laute, die er seit seiner Kindheit besaß. Wahrscheinlich hatte er nur eine Frau, die er über die Maßen verehrte und vermutlich auch in aller Öffentlichkeit küsste und umarmte. Attila kannte den Typ Mann. Im einen Moment sang er einem Katzenjungen ein Wiegenlied, im nächsten Augenblick war er schon auf dem Schlachtfeld und benahm sich wie ein Berserker und ließ die Glieder seiner Feinde durch die Luft fliegen – was für ihn eine andere Art der Poesie war. Auf jeden Fall schien er halbwegs verrückt. Aber dieser Teil von ihm konnte kämpfen, egal, ob der Junge kräftige, vernarbte Arme hatte oder nicht.
Attila nickte zufrieden. Orestes hatte wie immer eine gute Wahl getroffen.
***
Unter einem bleiernen Himmel ritten sie auf die Ebene hinaus, der Regen peitschte ihnen entgegen. Es war erst Nachmittag, doch an diesem denkwürdigen Tag war es dunkel wie an einem Wintermorgen.
Einige der Männer guckten misstrauisch, weil sie in diesem sintflutartigen Regen reiten mussten; einige von ihnen trugen überdies keine Kopfbedeckung. Doch Attila zeigte sich wild entschlossen. Er saß auf seinem Pferd, das Gesicht von breiten Rußstreifen des Feuers verschmiert, in das er wie ein vom Himmel beschütztes Wesen hineingeprescht war. Seine grimmig dreinblickenden Augen funkelten unter dem nassen Saum des schwarzen Filzkalpaks. Niemand wagte es, sich dem Anführer zu widersetzen.
Attilas schweigsamer Diener ritt, ohne zu klagen, direkt hinter ihm, mit bloßem, beinahe kahlem Schädel, der vor Nässe glänzte. Danach kam Chanat, der in die Jahre gekommene Krieger, dessen Haar eine struppige graue Mähne bildete, die nur noch da und dort von einer schwarzen Strähne durchzogen war. Sein langer dunkelgrauer Schnurrbart verlieh seinem breiten Mund etwas Strenges. Er war jetzt über siebzig, seine Augen wurden immer schwächer, und das Gehör ließ nach, und auf seiner hohen Stirn zeichneten sich tiefe Falten ab. Alles alterte rasch in der bitteren Winterkälte und der Sommerglut dieser Steppengegend, wo ein beständiger Wind über das schimmernde Grasland blies.
Doch während er hinter seinem neuen Tanjou herritt, glühten Chanats tiefliegende Augen mehr denn je. Seine mächtige Faust hielt den Bogen, ohne zu zittern, und er bezweifelte nicht mehr, dass er ihn genauso kräftig spannen konnte wie irgendeiner der anderen Männer. Denn sein Körper war noch so schlank und drahtig wie eh und je, und noch lag der kupferne Halsreif um eine muskulöse Kehle. Nichts an ihm verriet die Schlaffheit oder Mattigkeit des Alters.
Attila zog ihn beiseite. «Derjenige mit Namen Aladar. Er ist ein Sohn von dir, nicht wahr?»
Chanat lächelte stolz. «Woher wusstest du das?»
«Er sieht beinahe so stattlich aus wie sein Vater.»
«Beinahe.» Er sann nach. «Die Nacht, in der er gezeugt wurde, war herrlich.»
«Das glaube ich gerne», sagte Attila.
Über seiner Schulter trug er die lange Lanze, mit der er das hellrot tropfende Haupt König Rugas aufgespießt hatte. Mit einem Mal blieb er stehen und wirbelte die schwere Last herum, als wäre es nur ein Strohhalm. Dann pflockte er die Lanze in das Erdloch eines Präriehunds, sodass das blutige Haupt mit offenem Mund durch den grauen Regenvorhang starrte. Noch immer hingen die kostbaren Ohrringe von Rugas Ohrläppchen, die spärlichen Haare klebten an seinem massigen Schädel, und silberne Regentropfen perlten von seinem Bart.
Attila wendete sein Pferd und trieb seinen Trupp gut fünfzig Meter zurück.
«So!», brüllte er gegen Wind und Regen an. «Ein Zehntel des Goldes in der Truhe für denjenigen, der das Ziel trifft!»
Zunächst waren die Männer zögerlich und sogar furchtsam, dann aber, angelockt von der Aussicht auf das Gold und in wachsender, blutrünstiger Erregung, zielten sie abwechselnd auf den Schädel. Doch keiner von ihnen traf. Die Pfeile wurden vom starken Wind abgetrieben und landeten weitab im nassen Gras. Während die Männer sich abmühten und ihre Pfeile verschossen, ritt Attila beiseite und beobachtete sie.
Nach einiger Zeit drängte er sich mit seinem Pferd jedoch zwischen sie. Von Candac, dem dicklichen, aber zäh wirkenden Mann auf einem weißen Wallach, schnappte er sich Bogen und Pfeil.
Die acht Auserwählten wichen zurück und sahen zu, wie Attila den Bogen spannte und den Pfeil mit einer einzigen raschen Handbewegung, fast ohne das Ziel ins Visier zu nehmen, losschnellen ließ. Die Bogensehne summte, und der Pfeil flog erst seitlich, dann schräg nach oben und leicht einwärts und durchbohrte die schreckliche Fratze auf der Lanze. Der Pfeil schoss auf der anderen Seite wieder heraus und blieb schließlich im triefenden Gras stecken.
Die Männer starrten mit offenem Mund.
Attila warf Candac den Bogen in den Schoß. «Eines Tages wirst du auch so gut schießen können», sagte er. «Und zwar schon bald.»
Dann wendete er sein Pferd und ritt zurück zum Lager. Den blutigen Schädel ließ er in der Ebene zurück, als Lektion für die Menschen und als Frühstück für die Krähen.
***
Als der Sturm nachgelassen hatte und die Wolken sich verzogen, um dem blauen Himmel Platz zu machen, ließ Attila seine Männer erneut in die Ebene hinausreiten. Eine der Frauen schimpfte, ihr Mann werde ihr heute Nacht nicht zur Verfügung stehen, wie sie es verdiene: Er würde erschöpft sein.
Attila musterte sie kurz, dann trieb er seinem Pferd die Absätze in die Flanken und galoppierte vor den Männern auf und ab, wie ein Heerführer vor der Schlacht. Er schleuderte ihnen bittere Worte ins Gesicht.
«Wie nennen uns die Chinesen?», brüllte er. «Wie lautet unser Name in ihren Annalen?» Mit einem heftigen Ruck brachte er sein Pferd zum Stehen und spie ihnen die beleidigenden Worte entgegen. «Nichtsnutzige Nomaden! Milchtrinker!»
Die Männer zuckten zusammen, ihre Gesichter verdüsterten sich. Sie wussten, wie man sie in den Städten nannte, im goldenen Herzen Chinas – dem Land, dessen Namen kein Hunne aussprechen durfte, weil das Unglück brachte. Oder weit weg in den geheimnisvollen Reichen Persien und Rom, von denen sie so seltsame Dinge gehört hatten.
«Wie aber», fügte Attila mit bebender Stimme hinzu, «werden wir in Rom genannt? In den Chroniken jener aufgeblasenen Tyrannen der westlichen Welt? Bei einem gewissen Ammianus Marcellinus heißt es, wir seien ein abscheuliches, garstiges und verkommenes Volk. Wäre der Mann nicht bereits tot, wäre er der Erste, den wir bei unserem Einzug in Rom pfählen würden!»
Die Männer brummten zustimmend.
«Für die Chinesen sind wir ‹Die Stinkenden›, weil wir uns angeblich nur von Milch und Fleisch ernähren. Sie rümpfen ihre feinen Näschen und behaupten, wir stinken wie unsere Tiere. Wir, die Hunnen, die Hunnu, das Volk, werden im Chinesischen zu Xioung Nu. Was bedeutet das in der Sprache der Chinesen? Die wertlosen Sklaven!»
Das Blut der Männer kochte vor Wut. Ihre Pferde wieherten nervös und traten im langen Gras unruhig von einem Vorderhuf auf den anderen. Drohendes Gemurmel erhob sich unter den eng beisammenstehenden Männern.
Attila ritt gefährlich nahe an Csaba heran und höhnte: «Bist du ein Sklave?»
Csaba antwortete mit einem wütenden Aufschrei.
«Ihr Stinkenden!», brüllte Attila sie an. «Verfluchte Nomaden, verschmähte Gesetzlose vom Reich der Mitte bis zum Meer im Westen! Ihr Ausgeburt der Hölle, Hexenbrut, Söhne der Winddämonen – wie sehr werdet ihr gehasst! Und was ist die Antwort auf diesen unsterblichen Hass? Diplomatie und freundliches Geplänkel?»
Die Männer heulten höhnisch auf.
Attila stachelte sie weiter an. «Vielleicht Geschenke aus Seide und Gold für unsere von Gott gesandten Herrscher in Byzanz? Vorsichtige, feingedrechselte Botschaften? Nachgiebige, sklavengleiche Unterwürfigkeit? Hündische Demut, wie sie uns stinkenden Sklaven geziemt?»
Schon wurden Schwerter aus ledernen Scheiden gezogen und in die Höhe gereckt. Die Klingen blitzten in der klaren Luft.
«Wie erwidert man diese überhebliche Haltung am besten, ihr stinkenden Männer?» Noch während er sprach, riss Attila sich den geschwungenen Bogen von der Schulter, hakte so rasch einen Pfeil in die Sehne ein, dass man mit den Augen kaum folgen konnte, und schoss ihn genau in ihre Mitte.
Der Pfeil traf zielgerichtet Geukchus Schild. Erschrocken blickte der Krieger an sich herab, aber das Geschoss hatte ihn nur gestreift.
Attila richtete sich im Sattel auf und brüllte mit emporgerecktem Bogen über die Köpfe seiner Männer hinweg: «An unseren Pferden und unseren Waffen soll die Welt uns erkennen!»
Die Männer antworteten im Chor mit dem uralten Kriegsruf der Hunnen, und die Erde erzitterte unter ihnen, als sie sich vorbeugten und wutberauscht über die Steppe sprengten.
Anschließend rief Attila sie wieder zu sich und gab ihnen den ganzen Tag über bis weit in die Dämmerung hinein Anweisungen und Befehle. Bald, so versicherte er ihnen, würden sie selbst Kriegsbanden befehligen. Er machte sich über sie lustig und verspottete sie, wodurch er sie noch mehr anstachelte. Er forderte sie heraus und gab ihnen Aufgaben.
Einige von ihnen sollten so schnell wie möglich ein Dutzend Pfeile abschießen. Die Erwählten griffen in ihre Köcher und fischten jeweils einen Pfeil heraus, den sie sorgfältig mit der Kerbe in die Sehne einspannten, um dann am ausgestreckten Arm entlang zu zielen. Die meisten von ihnen brauchten zwei bis drei Minuten, um alle zwölf Pfeile abzuschießen. Im Stehen.
Attila machte seiner Ungeduld Luft und drängte sich zwischen sie. Der stämmige Juchi mühte sich noch immer, seinen letzten Pfeil zu verankern. Attila ging mit der Faust dazwischen und warf Pfeil und Bogen auf den Boden. Juchis Pferd blähte die Nüstern und trabte rückwärts in die Menge der Krieger hinter ihm. Die Männer lachten. Doch Juchi machte ein finsteres Gesicht.
Attila sammelte mit der linken Hand zwölf Pfeile ein. «Passt auf», sagte er und wurde plötzlich ganz ruhig. «Orestes!», rief er über seine Schulter hinweg.
Der Grieche ritt ein Stück weit weg, rammte seinen langen Speer in den Boden und hängte dann seinen Schild an dem Lederriemen daran auf.
Wie versteinert sahen alle zu, wie Attila seinen Bogen in die linke Hand nahm, in der er immer noch das Dutzend Pfeile hielt. Er wandte sich ihnen seitlich zu und schaute gar nicht auf die Pfeile, sondern schien ihre Kerbe allein mit dem Daumen zu spüren. Er zog einen Pfeil aus der Faust und legte ihn an die Sehne an, dann spannte er in einer scheinbar leichten Bewegung den Bogen, ließ den Pfeil los und zog bereits das nächste Geschoss hervor, um es einzuspannen.
Der erste Pfeil traf den im Wind hin und her wackelnden Schild genau in der Mitte.
Attila verlor keine Zeit und zog die Sehne wieder zurück bis an seine Wange. Er schien über den Pfeil hinweg zu zielen, hielt den Bogen dabei aber fast seitwärts und zog die Sehne auf seine Brust zu, auf sein Herz. Indem er den Bogen so hielt, riskierte er nicht, dass der Pfeil sich verfing oder seine Schenkel oder den Sattel traf.
«Wann lässt ein galoppierender Krieger seinen Pfeil los?»
Die Umstehenden starrten ihn verständnislos an.
«Nur dann, wenn sein Pferd mit allen vieren in der Luft ist. Nur dann, für einen winzigen Augenblick, wenn es schwerelos und frei in der Luft schwebt, fliegt der Pfeil ganz unbeeinträchtigt. Lasst ihr einen Pfeil los, während euer Pferd über den harten Boden galoppiert und ihr im Sattel auf und ab hüpft, werdet ihr euer Ziel verfehlen.»
Die Männer sahen sich an. Einige grinsten, bis Attila auf einmal lospreschte und den aufgespießten Schild in einem Höllentempo umrundete. Sein Pferd schoss mit zurückgelegten Ohren und gebleckten Zähnen dicht am Boden dahin; es bildete eine Einheit mit seinem Reiter. Als Attila vorüberschoss, sahen die Männer durch die aufwirbelnde Staubwolke, wie er die Pfeile in raschen, gleitenden Bewegungen einspannte und einen nach dem anderen abschnellte und wie jeder Pfeil dahinschoss und den schwingenden Schild auf dem Speer traf.
Ein paar der Männer, die ganz genau hingeschaut hatten, versicherten später, Attila habe tatsächlich die Pfeile just in dem Augenblick abgeschossen, in dem sein Pferd mit allen vieren in der Luft war, ohne den harten Boden zu berühren.
Attila ritt näher und blickte zurück. In dem Schild steckten elf Pfeile. Der zwölfte hatte den Speer gespalten.
Zwischen dem Einspannen des ersten Pfeils und dem Abschuss des letzten hatten vielleicht dreißig Sekunden gelegen. Nein, sogar weniger – auf den Gesichtern der Männer zeichnete sich ungläubiges Erstaunen ab. Attila hatte beinahe alle drei Sekunden einen Pfeil abgeschossen, aus dem Stand oder in vollem Galopp, es machte keinen Unterschied. Es wirkte wie ein übernatürliches Schauspiel.
Seine Brust hob und senkte sich heftig, als er von einem der Männer zum anderen schaute. «Oh, ihr Stinkenden», sagte er leise, «auch ihr werdet lernen, so zu schießen. Und werdet die Welt das Fürchten lehren.»
***
«Mein Bruder Bleda?», sagte Attila zu Chanat beim Zurückreiten.
«In seinem Zelt.»
«Bring ihn zu mir. Und Kleiner Vogel?»
Chanat schüttelte den Kopf. «Er ist noch am Leben. Doch den ganzen Sommer über haben wir ihn nicht zu Gesicht bekommen. Aber er wird zurückkommen.» Er nickte. «Jetzt wird er zurückkommen.»
Bleda war fett geworden und beinahe kahl, doch sein Gesichtsausdruck war unverändert: gefräßig, schläfrig, hinterhältig, verschlagen.
Attila umarmte ihn herzlich.
«Mein Bruder», nuschelte Bleda. Er war bereits betrunken, denn die Sonne war untergegangen. «Was für eine Heimkehr! Ich hatte mich immer danach gesehnt, dass der Verräter geschlachtet würde!»
«Jetzt regieren wir wieder beide gemeinsam», erklärte Attila, hielt Bleda in den Armen und schüttelte ihn. «Wir zwei Brüder, die beiden Söhne Mundschuks. Wir werden das Volk zusammen regieren, denn es gibt viel zu tun!»
Bleda sah in die flammenden Augen seines jüngeren Bruders und überlegte kurz, ob er ihm sagen sollte, dass er eigentlich keine Lust hatte, das Volk zu regieren. Viel lieber wäre er in seinem Zelt geblieben, zusammen mit dem jungen Mädchen, das er neulich mit Gold gekauft hatte. Gold, das ihm Ruga geschenkt hatte. Die Neue war eine Tscherkessin, und ihr Körper war so weich! Wenn sie…
«Doch zunächst», sagte Attila, hielt Bleda von sich und drückte ihn dann wieder an sich, um anschließend in die Hände zu klatschen. «Organisation!»
Bleda seufzte.
***
Nach Einbruch der Dunkelheit und nach ein paar Bissen Fleisch, jedoch ohne Wein, ging Attila mit Chanat zwischen den Zelten umher. Als Tanjou trug er weder eine Krone noch ein Diadem und auch keine prächtigen byzantinischen Gewänder aus purpurner Seide, sondern nur sein abgenutztes Lederwams, seine Kniehosen mit Bändern und seine Stiefel aus rauem Hirschleder.
«Herr», setzte Chanat an. «Dein Sklave, Orestes… Er nennt dich beim Vornamen. Ich habe es gehört. Das ist nicht richtig.»
«Sklave?»
«Nun, dein… Diener.»
Attila schüttelte den Kopf. Orestes war nicht mehr sein Sklave, aber auch nicht sein Diener. Selbst die Bezeichnungen ‹Freund› oder ‹Blutsbruder› waren unpassend. Es gab keine Bezeichnung für das, was Orestes für ihn bedeutete.
«Er kann mich nennen, wie er will», sagte Attila und sah Chanat scharf an. «Er allein.»
Der alte Krieger hatte Einwände, sagte aber nichts.
Am anderen Ende des großen Kreises aus Zelten blieben sie stehen und blickten über den Pferch mit den Pferden. Es waren an die tausend eher gedrungene Tiere mit großem Kopf und dickem Hals, klobigem Rumpf und kurzen, kräftigen Beinen. Schnell wie ein Hirsch, ausdauernd wie ein Maultier.
«Das ist die große Stärke der Hunnen», murmelte Attila.
«An unseren Pferden und unseren Pfeilen soll die Welt uns erkennen», stimmte Chanat zu.
Die Pferde, auf deren Rücken und groben, stoppeligen Mähnen der niedrigstehende Mond in diesen ersten Nachtstunden einen silbrigen Streifen warf, wieherten leise. Attila atmete den süßen Pferdeduft tief ein.
In der Stille der Nacht erhob sich auf einmal eine Stimme, und sie kam Attila ungewöhnlich traurig und düster vor. Er machte kehrt und ging auf das Zelt zu, aus dem die Laute drangen. Es war die Stimme einer Frau, leise und tief. Lautlos trat er näher und sah sie am Eingang eines bescheidenen Zeltes sitzen, einen Säugling in den Armen. Ein weiteres Kind lag neben ihr auf ein paar Decken, und drei oder vier Frauen hockten hinter ihr im Halbkreis, während sie sang:
Sprießt auch das Gras im Frühling,
Wirst du es nicht hören.
Fließt auch die Quelle von den Hügeln,
Wirst du es nicht hören.
Der Schakal liegt in deinem Bett,
der Rabe brütet unter deinen Schafen,
Nur der Wind bläst des Hirten Flöte,
Nur der Nordwind singt dein Lied,
Treuer Gatte…
Die Stimme der Frau geriet ins Stocken und brach unvermittelt ab, als ihr Kopf sich vor Gram auf die Brust senkte. Der Säugling sah mit weitgeöffneten Augen zu ihr auf. Eine der Frauen neben ihr legte ihr die Hand auf die Schulter.
«Wer ist das?», flüsterte Attila seinem Gefährten zu, der ihm leise gefolgt war.
«Die Frau eines der Wachen aus Rugas Zelt, den Ihr umgebracht habt.»
Attila runzelte die Stirn. Er hatte es bereits vergessen.
Er ging noch näher heran und blieb dann stehen. Nach einer Weile sahen die Frauen auf, einige von ihnen erschraken. Nicht jedoch die junge Witwe.
«Weib», sagte Attila und winkte Chanat heran. «Hier ist dein Ehemann. Freue dich.»
Mit tränenerfüllten Augen blickte sie zu ihm empor. Dann stand sie langsam auf, das Kind noch immer im Arm. Sie stellte sich vor ihn hin und spuckte direkt vor ihm auf den Boden.
«Du hast meinen Mann geschlachtet und seinen Leichnam ohne Begräbnis verbrannt. Nun bin ich Witwe, und meine Kinder sind hilflose Waisen. Mein Herz ging zu Bruch wie ein altes Gefäß; in hundert Stücke zersprungen liegt es auf der Erde. Meine Tränen sind versiegt, doch noch immer brennt der Kummer in meinem Innern. Du aber behandelst mich wie eine alte Kuh, indem du mich diesem Bullen hier mit seinem stinkenden Atem und seinem faltigen Gemächt zur Frau gibst. Doch so leicht gibt man mich nicht her. Verlasse mein Zelt und geh zurück in dein eigenes Lager. Dein blutiges Schwert soll dir Gesellschaft leisten in der kalten Nacht. Und möge das Urteil der Götter hart sein!»
Chanat machte einen wütenden Schritt nach vorn, doch Attila hielt ihn mit der ausgestreckten Hand zurück.
Die Frau starrte ihm noch ein wenig länger ins Gesicht, ohne Furcht, aber voller Verachtung. «Wie viele wirst du ebenso umbringen, du Witwenmacher? Ich weiß, was in den Köpfen und Herzen von Männern wie dir vorgeht, das ist kein Geheimnis für mich. O großer Tanjou! Khan aller Königreiche unter dem Himmel! Großer König von allem – und nichts!»
Erneut spuckte sie aus, drehte sich dann rasch um und ging zurück ins Zelt, das sie hinter sich zuzog.
«Herr!», protestierte Chanat, doch Attila schüttelte den Kopf.
«Worte, nichts als Worte», sagte er und ging weiter. «Gerätst du in einen Wüstensturm, begegnest einem Löwen oder hast eine Armee von zehntausend Kriegern vor dir», fuhr Attila fort, «so magst du getrost darauf zureiten. Vertritt dir jedoch eine wütende Witwe den Weg…»
«So eine Frau würde ich gern zureiten!», spottete Chanat. «Sie wäre eine gute Mutter von künftigen Kriegern. Schade, dass ihre Leidenschaft nicht durch mein faltiges Gemächt entfacht wurde!»
«O ja, wirklich schade!», lachte Attila.
Als sie an einem schmierigen und alt aussehenden Zelt in der Mitte des Lagers vorbeikamen, hörten sie die Schreie eines jungen Mädchens und das zahnlose Gebell eines alten Mannes. Plötzlich fiel ihnen die junge Frau beinahe vor die Füße. Man hatte ihr das Haar in Büscheln ausgerissen, und ihr Gesicht war von Schlägen und Prellungen entstellt. Ihre Tunika hing am Rücken halb herab. Hinter ihr stolperte ein alter Mann aus dem Zelt. Er keuchte vor Wut, seine Augen traten hervor, und Speicheltröpfchen glänzten in seinem kümmerlichen Bart. Er blieb stehen und richtete sich auf, als er den Tanjou sah.
«Wie bist du zu diesem Weib gekommen?», herrschte Attila ihn an. «Ich habe sie Zabergan geschenkt.»
«Zabergan hat sie an mich verkauft!», protestierte der alte Mann. «Er ist mein Cousin. Ich habe ihm einen guten Preis bezahlt!»
«Und jetzt schlägst du sie?»
Der alte Mann lächelte verschwörerisch. «Je mehr man sie schlägt, desto zarter wird das Fleisch!»
«Wie schlägst du sie?»
«Hiermit», erklärte der alte Mann und zog einen Knüppel hervor. Er trat näher, sein Atem roch nach Stutenmilch und Begierde. «Auf den Rücken», sagte er beinahe flüsternd, «auf ihr festes junges Gesäß und auf ihre weichen jungen Schenkel…»
«Wie? Etwa so?», fragte Attila. In Windeseile hatte er dem alten Mann den Knüppel entrissen und drosch nun auf ihn ein.
Chanat glaubte, ein Knacken gehört zu haben, als der Alte zu Boden ging, während Attila sich über ihn beugte und den Knüppel immer wieder auf den knochigen Rücken niedersausen ließ.
Unter dem Geprassel der Schläge wand sich der Mann und winselte um Gnade. Attila ließ von ihm ab, zerbrach den Knüppel auf seinem angewinkelten Schenkel und warf ihn in den Staub.
Dann half er dem Mädchen auf und sah ihr ins Gesicht. «Geh zum Zelt der Frauen. Sag ihnen, ich hätte dich geschickt. Sie werden dich versorgen. Du gehörst jetzt mir.»
Das Mädchen starrte ihn erschrocken an.
«Geh!», befahl er und gab ihr einen leichten Stoß.
Das Mädchen gehorchte.
«Nun muss ich auch noch die häuslichen Streitigkeiten meiner Untertanen schlichten», brummte Attila, während er ihr nachsah. «Die Aufgaben eines Tanjous hatte ich mir anders vorgestellt!»
Chanat lachte schallend. «Ihr seid recht freundlich zu den Weibern.»
«Freundlich?», grunzte Attila und ging weiter. Den alten Mann ließ er hinter sich im Staub liegen. «Mit Freundlichkeit hat das nichts zu tun. Ich möchte, dass diese Frau starke Krieger zur Welt bringt.»
***
Am Morgen trat eine weitere Witwe in der Nähe des Pferchs vor den Eingang ihres Zeltes am Rande des Lagers. Ihr Gesicht war vor Kummer ganz zerfurcht, und sie wirkte erschöpft. Der schweigende Grieche saß auf seinem Pferd vor ihrem Eingang und hielt ihr eine kostbare Silbervase hin. Die Frau nahm das Gefäß entgegen und sah hinein. Es war ein wenig Asche darin. Wortlos drehte sie sich um und verschwand wieder im Zelt.
***
Im Morgengrauen waren Attila und seine Männer bereits draußen in die Ebene geritten, um Bogenschießen zu üben.
«Ihr werdet lernen, so gut zu schießen wie euer Tanjou», versprach er ihnen. «Oder eure Fingerspitzen werden bei dem Versuch aufgerieben!»
Er überließ sie sich selbst und ritt mit Chanat und Orestes weiter. Die großen Rehaugen des Griechen schnellten nach links und rechts über die Steppe, als erwarte er, am Horizont könnte der Schatten der Erinnyen selbst auftauchen, jener blutbefleckten Rächerinnen aus dem Tartarus mit ihren blutunterlaufenen Augen und ihren Schlangenhaaren, wie sie zu einem anderen, älteren Orestes gekommen waren. Als würden sie ihn heimsuchen, um den Mord an einem Vater, einer Mutter oder einem Onkel zu rächen, ausgeführt von einem aufgebrachten verlorenen Sohn.
Allerdings wirkte Orestes zumeist wie auf der Hut. Als sei im Leben nur eines sicher: dass nichts sicher ist. Nach der dreißigjährigen Wanderschaft durch unbekannte Weiten zusammen mit seinem Herrn war er zu einem Mann geworden, der nur an die Verlässlichkeit des Nichts glaubt. Mit einer Ausnahme: sein eigenes Herz.
Endlich brachte Attila sein Pferd zum Stehen, und die drei Männer blickten über den unendlichen Horizont der Steppe.
«Mein Vater…», begann Attila.
«Fragt nicht, ich bitte Euch!», flehte Chanat. «Bitte nicht!»
«Ruga hatte keine Söhne oder Töchter.»
Chanat wandte den Kopf ab. «Eine Unterleibsverletzung. Als er etwa zwanzig war.»
Der graue Himmel wurde langsam heller und erwärmte sich in der aufgehenden Sonne. Aus einiger Entfernung drang das hohe Piepsen der gefleckten Steppenmurmeltiere zu ihnen. In der Ferne war eine Staubwolke zu sehen, vielleicht eine Herde Saigaantilopen. Vielleicht wirbelte auch nur der Wind den Staub auf.
«Davor waren Ruga und meine Mutter…»
«Oh, dringt nicht weiter in mich, mein Tanjou», bat Chanat.
Allmählich wechselte die Farbe des Himmels von Schiefergrau zu Hellgrau und schließlich zum Blau des Tageslichts. Wie das feine blaue Seidengewand, das König Ruga getragen hatte, als er erstickte und starb.
Attila wandte sich zu Orestes um und nickte ihm zu. Der Grieche wusste wie immer bereits, was sein Herr vorhatte. Sie unterhielten sich noch nicht einmal in einer Geheimsprache, wie es unter Freunden üblich war. Sie verstanden sich auch ohne Worte.
Orestes trieb seinem Pferd die Absätze in die Flanken und galoppierte in Richtung Süden, auf die Siedlungen jenseits der niedrigen Hügel zu.
«Darf ich fragen, um wen es sich in diesen Lagern dort handelt, Herr?»
Attila sah Chanat scharf an. «Um meine Familie.»
***
Zwei Tage später, es war bereits später Nachmittag, kam Orestes zurück ins Lager geritten. Er hatte viele Meilen zurückgelegt und war staubig und müde. Hinter ihm folgte eine seltsame Prozession aus Frauen mit ihren Kindern. Die älteren Jungen, die bereits um die fünfzehn Jahre alt sein mussten, ritten auf ihren eigenen Pferden, doch die jüngeren sowie die Frauen fuhren in einem Planwagen, aus dem sie neugierig hervorsahen, als sie das Lager erreichten.
Man erwiderte ihre Blicke mit ebenso großem Erstaunen. Es gab Debatten, wie viele es waren, doch nach allgemeinem Dafürhalten handelte es sich um sechs Söhne und genauso viele Töchter, dazu die gleiche Anzahl Ehefrauen.
Attila forderte zwei weitere Zelte in der Mitte des Lagers für sich. In das eine steckte er seine sechs Söhne. Der Älteste war etwa siebzehn, der Jüngste wohl vier oder fünf. Er weinte, als man ihn von seiner Mutter trennte.
In das andere Zelt wurden die Frauen einquartiert. Bald hatten die Leute im Lager herausgefunden, dass es sich um fünf Ehefrauen und acht Töchter handelte, und sie waren von Neuem erstaunt. Fünf Ehefrauen waren für einen König nicht viel. Doch dass jemand, der nahezu dreißig Jahre durch Skythiens Weiten geirrt war, fünf Frauen besaß und seine Familien vor jedem Strauchdieb verteidigte und zusammenhielt, war schier unvorstellbar. Was für eine Stärke steckte dahinter! Was für eine grausame Wildheit…