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Stille, Weite, Raum - drei Zauberworte, die den christlichen Glauben verwandeln. Immer mehr Menschen suchen nach einer Spiritualität, die Körper, Seele und Geist gleichermaßen anspricht. Die Kirche der Stille in Hamburg-Altona zeigt, wie das gehen kann. Das Buch lässt Menschen zu Wort kommen, die das Angebot dieser Gemeinde als eine Frischzellenkur ihres Glaubens erleben. Es versammelt Praxisbeispiele und lädt zur Nachahmung ein. Ein Beispiel, das Schule macht.
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Seitenzahl: 201
Irmgard Nauck/ Anne Gidion
Der Stille Raum geben
Ein Weg der Kirche im 21.Jahrhundert
© KREUZ VERLAG in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012 Alle Rechte vorbehalten www.kreuz-verlag.de Umschlaggestaltung: agentur IDee Umschlagfoto: © Volkmar Höckendorff ISBN (E-Book): 978-3-451-34654-5 ISBN (Buch): 978-3-451-61124-7
Vorwort
Porträt – der Nachbar
1. Die Menschen in der Kirche der Stille
Begegnungen eines Nachmittags
Wer kommt? Versuch einer Typisierung
Fragebogenaktion
Eine Art Fazit
Porträt – einst streng katholisch
2. Am Anfang ein Traum
Neue Nutzung oder Verkauf?
Eine Profilgemeinde mit drei Kirchen
Der Weg zur Kirche der Stille
Die Bänke müssen raus
Komplikationen in Kürze
Mit Orgel und Gong
Stimmen aus dem Kirchenvorstand
Porträt – der Propst
3. »Viel mehr als kein Geräusch« – Stille
Erste Einsichten
Sechs Wege in die Stille
Herzensgebet
Kontemplation
Jin Shin Jyutsu
Meditation der vier Himmelsrichtungen
Soul Motion
Das Aramäische Vater-Mutter-Unser
Porträt – die Fragende
4. »… der du über alle Namen bist.« – Weite
Eine interreligiöse Meditation
Die Kirche der Stille als Gastgeberin
Zen – Sitzen in Kraft und Stille
Rhythmen bei den Sufis – ein Daf-Workshop
Ein Tag mit Pater Dr. Sebastian Painadath S.J
Porträt – der Sufi
5. Das Geschenk der Verlässlichkeit – Rhythmus
Rhythmus als heilsame Lebenskraft
Atempause vor dem Abend
Friedensgebet für die eine Welt
Rhythmus als Hilfe auf dem spirituellen Weg
Porträt – die Suchende
6. Vom Staunen – Stille mit Kindern und Jugendlichen
Erfahrungen mit Kindern
Stille und Achtsamkeit mit Jugendlichen
Stille mit pädagogischen Fachkräften
Hindernisse gibt es auch
Porträt – die Erzieherin
7. Gottesdienste in der Stille
Der Abendgottesdienst mit Meditation
Ein Gottesdienst mit Erwachsenentaufe
Psalmengottesdienste
Besondere Gottesdienste im Kirchenjahr
Gespräch nach einem Gottesdienst
Porträt – der Pastor
8. Singen aus der Stille
Lieder des Herzens zum Mitsingen
Eine neue Praxis des Singens
Was ist Intensives Singen?
Erfahrungen mit dem Intensiven Singen
Porträt – der Singende
9. Sprache, die Raum gibt
Erfahrungen mit der »Leichten Sprache«
Die Seele versteht kein Nein
10. Stille in der Kirche des Wortes
Ein E-Mail-Austausch zwischen Anne Gidion und Irmgard Nauck
Dank
Anhang
Bildteil
Bildnachweis
Über Stille reden, über Stille schreiben
Die Kirche der Stille in der Gemeinde Altona-Ost und zwei Autorinnen. Die eine – Irmgard Nauck – hat das Projekt Kirche der Stille (gemeinsam mit anderen) erträumt, entwickelt, durchgefochten. Schließlich hat sie den Ort – die alte Christophoruskirche in der Helenenstraße in Hamburg – anvertraut bekommen, um ihn weiterzuverschenken. Sie lebt und gestaltet diese Kirche der Stille.
Aber wie kann man über Stille sprechen, sogar noch – schreiben? Stille wächst schließlich aus dem Schweigen. Stille selbst ist ein »Raum« jenseits von Worten, von Gedanken, von Überlegungen. Wie von dem erzählen, was Menschen in diesem Raum erleben? Das »Ich« in den beschreibenden Kapiteln vertritt ihre Perspektive in Bezug auf das, was in der Kirche der Stille geschieht.
Die andere – Anne Gidion – ist Pastorin im gottesdienst institut nordkirche, einer Art ambulanten Pfarramtes. Sie kennt Stille aus Erfahrungen im Ansverus-Haus bei Hamburg und verschiedenen Klöstern. In ihrer Arbeit konzentriert sie sich eher auf den Umgang mit Wort und Sprache, mit Tönen, Bewegung und Klang. Leichte Sprache im Gottesdienst ist ihr wichtig. Auf das Projekt Kirche der Stille schaut sie stärker von außen. Sie stellt manche Frage und hat viele der Formen nicht vor Ort erlebt – wie die meisten der Leserinnen und Leser. Aber sie sucht das Gespräch mit den Freunden der Stille. Sie hat mit vielen Menschen gesprochen, denen die Kirche der Stille Heimat und Bezugsort geworden ist. Aus diesen Gesprächen sind die Porträts entstanden, die am Ende eines jeden Kapitels stehen.
Dreieinhalb Jahre sind seit der Eröffnung der Kirche der Stille vergangen, dreieinhalb Jahre Arbeit und Erfahrung – das ist nicht viel. Eigentlich ist es zu früh, um Bilanz zu ziehen. Das will dieses Buch auch nicht, es ist eher ein Innehalten, ein kurzes Besinnen auf dem Weg. Warum schreiben wir es?
In den Kirchen in Deutschland wird derzeit vieles umgebaut und umstrukturiert. Landeskirchen, Kirchenkreise und Gemeinden fusionieren. Plötzlich steht man vor einer Kirche mit den großen Fragen: Verkaufen oder vermieten? Den geistlichen Charakter erhalten oder aufgeben? Am Gebäude festhalten um jeden Preis oder es ganz abstoßen und dem Strom des Geldes überlassen? In dieser Situation, die alle angeht, mag es interessant sein, einen Weg nachzuvollziehen, wie er in der Stadtgemeinde Altona-Ost bereits gegangen wurde. Vielleicht kann unser Beispiel Schule machen? Vor diesem Hintergrund kam der Impuls vom Kreuz Verlag, ein solches Buch vorzubereiten.
In neun Kapiteln vollziehen wir nun die Entstehung der Kirche der Stille nach. Wir beschreiben das Programm und versuchen, die Leitbegriffe »Stille– Weite – Rhythmus« anschaulich werden zu lassen. Dabei kommen zahlreiche Menschen zu Wort, die ihre Eindrücke und Erlebnisse schildern. Es geht uns darum, die Kirche der Stille als Ort, aber auch als ein zukunftsoffenes Projekt zu schildern.
Der Titel des Buches »Der Stille Raum geben« ist dabei mehrdeutig gemeint – zuerst war der Raum Christophoruskirche, dann die Idee und die Umgestaltung des realen Raumes in einen Raum der Stille.
Im zehnten Kapitel veröffentlichen wir Autorinnen Auszüge eines E-Mail-Austauschs, der das Schreiben des Buches begleitet hat. Anstelle von biografischen Angaben hilft er, besser zu verstehen, aus welchen Perspektiven wir schreiben. Er gibt einen Eindruck davon, wo wir theologisch, gedanklich herkommen und was uns beim Schreiben des Buchs bewegt hat. Auch dieser Eindruck darf unabgeschlossen bleiben, er zeigt Nähen und Unterschiede, macht auch deutlich, dass die Kirche der Stille aus verschiedenen theologischen Perspektiven wahrgenommen und genutzt werden kann.
Nun wünschen wir dem Buch Leserinnen und Leser, kritische, freudige, lustvolle. Das Projekt Kirche der Stille ist hiermit zur Nachahmung freigegeben, in welcher Form auch immer. Jeder Raum kennt seine Stille. Wenn sie jemand hören möchte.
Hamburg, im Juli 2012
Irmgard Nauck Anne Gidion
Er wohnt im ehemaligen Pastorat neben der Kirche. Sein Architekturbüro ist das ehemalige Gemeindehaus. Wie einst beim Pastor finden Leben und Arbeit in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander statt. Er weiß, dass er als Käufer der Häuser für die Gemeinde ein Glücksfall ist. Er kennt die Gemeinde und ihr vielfältiges Programm gut; er unterstützt sie, wo er kann.
Der Architekt liebt Kirchen als große Räume. Sein Verhältnis zur Institution Kirche nennt er selber »gebrochen«. Als nachdenklicher Jugendlicher wollte er es genau wissen mit Gott, wollte verstehen, wo das Leid herkommt, warum Gott das zulässt, wenn er doch allmächtig ist und es ändern könnte. Der Pastor, dem er diese Fragen stellte, drei Tage lang, fast ununterbrochen, war ihnen offenkundig nicht gewachsen: »Wenn du Gott verfluchst, verflucht er dich!« – mit solchen Sätzen ließ er den Jungen allein und schickte ihn damit in die Distanz zu Gott und Kirche.
Der Mann, der einmal der fragende Junge war, nennt den Pastor von damals heute auch »gebrochen«. Zugleich scherzt er: »Was ist ein Atheist? Einer, der immer an Gott denkt…«
Die Suche nach dem Eigentlichen, nach dem Sinn, lässt ihn trotzdem sein Leben lang nicht los. Was er für sich daraus gemacht hat, bezeichnet er als »selektiven Glauben«. Früher wohnte er in einem Wohnprojekt im Stadtteil St. Georg. Die offene Stadtteilarbeit der Kirchengemeinde dort zog ihn an. Er unterstützte die befreundete Moscheegemeinde beim Bau und war dort gern gesehener Gast. Die Osternächte und Heiligabendgottesdienste in der St. Georger Dreieinigkeitskirche waren für ihn Höhepunkte des Jahres – obwohl er sonst kaum in Gottesdienste geht.
Das apostolische Glaubensbekenntnis kann er nicht mehr sprechen. »Am dritten Tage auferstanden von den Toten«, »geboren von der Jungfrau Maria« – diese Formulierungen »schleudern ihn als Aufgeklärten weg«, wie er sagt.
Die Sehnsucht nach Sinn bleibt. Er liebt das Vaterunser, er singt manche Lieder gern. Aber den Gebetsruf der Muslime mag er auch. Er findet es ein Zeichen der aufgeklärten menschlichen Freiheit, sich Teile aus den Religionen aussuchen zu können.
Die Kirche der Stille schätzt er schon deshalb, weil sie von außen so schön aussieht. Die Bäume, die Straße, die relative Ruhe mitten in der Großstadt – wie der Prototyp von Kirche sieht sie aus, eine markierte Mitte.
Jeden Dienstagvormittag geht er zur Meditation der vier Himmelsrichtungen (vgl. Seite 67f.). Manchmal leitet er sie auch selber an. Er kennt diese Meditation schon seit Jahrzehnten, beim Yoga hat er sie kennengelernt. Diese Drehung um sich selber, die man dabei macht, die findet er unschlagbar gut. Er wird ruhig darin und sieht das auch bei anderen. Die Welt dreht sich weiter, man selber verliert die Unruhe und findet seine Mitte, »das Eigentliche«, wie er es nennt.
Ihm ist wichtig, genau dies innerhalb der Arbeitszeit zu tun. Dienstagvormittag, nicht Sonntagmorgen. Als Chef eines Architekturbüros, in dem noch acht weitere Leute arbeiten, ist das gar nicht so leicht.
»Aber dafür brauchen Menschen doch Religion«, sagt er und guckt mich aus hellblauen Augen direkt an, »sie brauchen das, um nicht von der Arbeit aufgesogen zu werden. Wenn der Chef das macht, können die Mitarbeiter das lernen.«
Ob die auch mal mitkommen, will ich wissen. Bislang noch nicht. Sobald sie es wollten, würde er es unterstützen. Er achtet darauf, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesund bleiben, Privatleben haben können, Familie und Interessen außerhalb der Arbeit. Es ist gut für sie selber und es ist gut für die Arbeit, sagt er. Menschen müssen das Gefühl haben, an der richtigen Stelle zu sein. Dazu gehört ein gesundes Verhältnis zu ihrem Körper und ihrem Geist. Neulich war er mit seinem ganzen Büro in der Matthäuspassion. Außer der Punkerin habe das allen gefallen. Es sei halt nicht ihre Musik, sagt er und lacht. Aber einmal im Leben müsse man die Matthäuspassion schon mal gehört haben…
Die Meditation der vier Himmelsrichtungen ist für ihn auch wie eine Wochenbilanz. Wie bin ich drauf, was habe ich erreicht, wie fühle ich mich an im Vergleich zur Woche davor. Es ist zugleich körperlich anstrengend. »Wenn Sie älter werden, müssen Sie Sport machen«, sagt er und zupft an seinem legeren, etwas knittrigen Anzug. »Der Kopf braucht das und der Körper auch.«
Die anderen Profilkirchen kennt und schätzt er durchaus. Die St. Johanniskirche hat er mit umgebaut und zur Kulturkirche umgewandelt. Er liebt den Raum. Seine »Elbphilharmonie im Stadtteil« nennt er sie und nimmt die kulturellen Angebote wahr, so oft es geht. Als die Kulturkirche entwickelt werden sollte, reiste er mit anderen nach Amsterdam und guckte die dortigen Kulturkirchen an. »Kirche muss machen, was Menschen brauchen«, sagte ihm dort eine Frau. So einfach und so klar. Das hat ihn überzeugt.
In den Gottesdienst geht er nicht, höchstens zu offiziellen Anlässen, Einführungen, Verabschiedungen. Er schätzt die Pastoren durchaus als intellektuelle Gesprächspartner, aber wenn er sie hören und mit ihnen reden will, dann lieber in Vortrag und Gespräch. Er hat an ihnen ein dialogisches Interesse, sagt er, und das kann im klassischen Gottesdienst keinen Raum haben. Die Gattung Predigt leistet nicht, was er interessant findet. Die Ansprüche von älteren Menschen einerseits und Konfirmanden andererseits, und das zu einem festgelegten Thema und in 10 bis 15Minuten – was soll dabei schon herauskommen?
In den Meditationsangeboten der Kirche der Stille fühlt er sich angesprochen und willkommen, so wie er ist. Das geht ihm in diesem Raum auch so, wenn dort kein Programmangebot ist.
Manche wollen nicht hinein, weil man im Vorraum die Schuhe ausziehen muss. Er zuckt mit den Achseln. Reduzierte Menschen brauchen Strukturen, brauchen, dass alles so ist wie in der Kirche ihrer Kindheit. Wer die Schuhe auszieht, übertritt eine Schwelle und kommt auf die andere Seite, das kann auch Angst auslösen. Viele Menschen wollen den festen Boden behalten.
In der Meditation geht der Boden verloren. Oder besser: Man versteht, dass es keinen festen Boden gibt außer in einem selbst. Die eigene Verzweiflung aushalten, nennt er das. Die eigene Einsamkeit als Qualität aushalten, dorthin zu atmen, wo es wehtut. Daraus Stärke zu gewinnen. Dafür Hilfestellung zu geben – dafür seien Glaube und Kirche doch da.
Er lacht: er kenne keine bessere Gemeinde als Altona-Ost. Drei Wege gehen in einem. Und sich an allen drei Stellen angstlos weiterzuentwickeln – so soll es sein.
1.Kapitel
»Stille im Gewirr der Großstadt,
Kraft sammeln, Liebe bündeln
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