Der Stolperengel - Susanne Niemeyer - E-Book

Der Stolperengel E-Book

Susanne Niemeyer

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Beschreibung

»Weihnachten heißt: Nichts bleibt, wie es ist.«, ruft der Engel Josef zu. Funkelnagelneu sind auch die Weihnachtsgeschichten in diesem Buch. Sie erzählen von Kettenbriefen mit Waffelduft, von einer Wunschmaschine und Omas Superkraft. Maria sagt Nein, ein Engel bringt die Welt ins Stolpern und trotzdem wird es Weihnachten – oder gerade deswegen. Ein Buch voll Hoffnung, Mut und Himmelsglanz. Ob vorgelesen oder selbst gelesen – Susanne Niemeyers Weihnachtsgeschichten bringen zum Lachen, berühren und eröffnen einen überraschend neuen Blick auf Weihnachten.

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Seitenzahl: 94

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Susanne Niemeyer

Der Stolperengel

Funkelnagelneue Weihnachtsgeschichten

Mit Illustrationen von Nina Hammerle

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2024

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Covermotiv und Innenillustrationen: Nina Hammerle

Covergestaltung: Sabine Hanel, Gestaltungssaal

E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, Torgau

ISBN Print 978-3-451-39409-6

ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-83380-9

Lieber Engel,

ich glaube nicht an Engel.

Bist du trotzdem zuständig?

Inhalt

1. Fingerzeig

2. Maria sagt Nein

3. Omas Superkraft

4. Kinderspiel

5. Die Wunschmaschine

6. Wichtelgeschenk

7. Weltfrieden

8. #gottauferden

9. Hauptsache Tradition

10. Engel gesucht

11. Josef träumt

12. Brief mit Waffelduft

13. Zwinkerjesus

14. Was Warmes

15. Weihnachtsnotfall

16. Das wundgeglaubte Herz

17. Irgendwie zaubern

18. Das Kummertier

19. Der Stolperengel

20. Personal Celebrator

21. Wintersonnenwende

22. Weihnachtsbesuch

23. Macht hoch die Tür. Revolution der Tiere

24. Herberge 2.0

Brief mit Waffelduft

Über die Autorin

Über die Illustratorin

1. Fingerzeig

Mütze ist schlecht gelaunt. Aber das ist nichts Besonderes. Mütze ist immer schlecht gelaunt. Mütze heißt auch nicht wirklich Mütze, sondern Michael, aber weil er jedem, der ihm querkommt, was auf die Mütze gibt, heißt er jetzt so. Heute ist Mütze besonders schlecht gelaunt, weil Oma Traute ihn daran erinnert hat, dass Weihnachten ist und er gefälligst um vier in frischem Hemd auf der Matte zu stehen hat. Gegen Oma Traute ist Mütze machtlos. Oma Traute ist der Sheriff unter den Omas. Außerdem gibt es bei ihr Schwarzwälder Kirsch. Mütze kippt ein Bier, weil er jetzt klar denken muss. Vor ihm liegen ein Euro und sieben Cent und Oma Traute erwartet ein Geschenk. Dafür gibt’s nichts. Und selbst wenn. Bis auf die Tanke unten an der ­Umgehungsstraße hat alles zu. »Scheißkapitalismus«, flucht Mütze, weil irgendwer ja Schuld daran sein muss, dass er kein Geld hat. »So weit ist’s schon gekommen, dass die Alten leer ausgeh’n!« Er pult die letzte Scheibe Jagdwurst aus der Packung, trinkt noch einen Schluck Bier und kaut. Dann weiß er auch nicht weiter. »Rufus! Bei Fuß«, brüllt er, und eine Dusche kleiner Jagdwurstfetzen geht auf den Teppich nieder. Aber Rufus hat sich schon vor drei Monaten einen anderen Futternapf gesucht. Nur dass Mütze das nicht wahrhaben will. Was für einen Grund sollte so ein verdammter Köter wohl haben, einfach abzuhauen. »Haben bestimmt die Sch***-Ausländer geklaut«, brüllt er.

»Aber, aber«, mischt sich eine unbekannte Stimme ein. »Fürchte dich nicht. Ich verkünde dir große Freude!«

Mütze ist es erstens nicht gewohnt, dass man ihm widerspricht. Und zweitens hat hier eine zweite Stimme nichts zu suchen. Er rappelt sich auf, um nach dem Baseballschläger zu greifen, seiner verlässlichen Problemlösestrategie. Doch ein Finger hält ihn im Sessel. Ein ausgesprochen zarter Finger. Die Person, zu der er gehört, trägt ein weißes Gewand. Über ihrem Kopf leuchtet ein Stern. Mütze schnappt nach Luft. »Was bist du denn für ’ne Flitzpiepe? Wenn du bis drei nicht Land gewinnst, mach ich Brei aus dir!«

»Nana«, sagt die Gestalt. »Friede auf Erden!«

Mütze will aufspringen, aber da ist ja dieser Finger auf seiner Brust. Der hat eine Kraft, gegen die Mütze nicht ankommt. Also faucht er bloß: »Deinen Frieden kannste dir sonst wo hinstecken. Wer bist du eigentlich?«

»Ein Engel«, sagt der Engel.

Mütze spuckt aus. »Ich glaub nicht an Engel.«

»Und ich glaube nicht an schlecht gelaunte Menschen«, sagt der Engel. »Und dennoch bist du da.«

Für einen Moment ist Schweigen. Mütze muss die neue Situation erst einordnen. Es gelingt ihm nicht.

»Dann zeig mal, was’n Engel so kann«, sagt er und hört selbst, dass das lahm klingt.

»Was soll ich denn zeigen?«, fragt der Engel.

»Na Wunder oder so. Weiß ich doch nicht, was ihr Engel könnt. Rettet ihr nicht dauernd wen?«

Der Engel sieht sich um. Außer Mütze und einem Poster von Bruce Willis ist niemand da. »Wovor soll ich dich denn retten, Michael?«

Michael hat ihn schon lange niemand mehr genannt. Nur Oma manchmal an guten Tagen. Was Mütze direkt wieder zu diesem vermaledeiten Geschenk bringt.

»Ich brauch was zum Schenken«, sagt er.

Der Engel nickt und kann seine Überraschung nicht völlig verbergen. Diese Wendung hat er nicht kommen sehen. Selbst als Engel nicht. »Und sie brachten Gold, Weihrauch und Myrrhe«, murmelt er.

»Hä? Biste doof? Wo soll ich denn das Gold hernehmen? Ach – Moment!« Mütze springt auf. »Willst du die Tanke überfallen? Also die haben ’nen Safe, da kommen nicht mal Polen-Böller gegen an. Aber du hast ja bestimmt ganz andere Fähigkeiten, das könnte klappen …« Mützes Stimme macht fast einen Looping.

»Halt, Michael.« Wieder liegt der Finger auf seiner Brust und schiebt ihn zurück in den Sessel.

Weiter weiß der Engel auch nicht, aber das darf er sich nicht anmerken lassen.

»Ich heiße übrigens auch Michael«, sagt er.

»Du verarschst mich. Engel heißen nicht Michael.«

»Und ob«, sagt der Engel.

Mütze schweigt und mustert ihn aus schmalen Äuglein.

»Ich bin wie du«, sagt der Engel.

»Nä«, bölkt Mütze, »dann kämst du nicht aus’m Himmel.«

»Komme ich aber. Und wenn ich wie du bin, dann kannst du sein wie ich.«

Der Engel lässt einige Sekunden verstreichen, bis die Botschaft angekommen ist.

Dann holt er ein Hemd aus dem Schrank. »Zieh an. Oma wartet.«

Tatsächlich streift Mütze das Hemd über und stopft es in seine Armeehose.

»Und wo krieg ich jetzt mein Geschenk her?«

»Das Geschenk bist du«, sagt der Engel, und Mütze überlegt, was das bedeutet.

»Gehen wir?« An der Tür nimmt der Engel den Stern und heftet ihn an Mützes Brust. Direkt überm Herz. »Steht dir«, sagt er und verschwindet in der Dämmerung.

2. Maria sagt Nein

Als Herr Gott beschließt, eine Familie zu gründen, sucht er sich eine Frau aus. Sie heißt Maria. »Maria«, sagt Herr Gott, »ich werde dich schwängern.« Herr Gott fragt nicht. Fragen ist nicht seine Sache. Warum auch? Bisher haben alle gehorcht.

Aber Maria sagt trotzdem: »Nein.«

Das ist Herr Gott nicht gewohnt. Er hat einen Plan. Sein Sohn (natürlich wird es ein Sohn!) soll die Welt retten. Oder Fußballprofi werden. (Am Ende wird aus beidem nichts, aber so ist das mit großen Plänen.)

Maria sagt: »Ich will nicht« und erklärt sich nicht näher, weil sie findet, das braucht sie nicht.

Von Eva hat sie ihren freien Willen geerbt.

»Und wohin hat uns das gebracht?«, fragen die Nachbarinnen, die mindestens drei Kinder haben und kein Ende in Sicht. Von Paradies kann da wirklich keine Rede mehr sein.

Maria mag die Kinder und die Nachbarinnen, aber von Vergleichen hält sie nichts.

Herr Gott versteht das Problem nicht. Er hat alles weise geordnet. Die Schöpfung ist schließlich keine Pro- und Contra-Debatte. Er ist von der Situation überfordert. Widerstand ist ihm zwar nicht gänzlich unbekannt, normalerweise reagiert er mit Sintflut, Plagen oder großen Walfischen darauf. Aber in diesem Fall wäre das im Hinblick auf seine Familienplanung hinderlich.

»Aber du kannst dich nicht weigern. Du musst«, sagt Herr Gott darum etwas hilflos.

»Und warum?«, fragt Maria.

»Weil das deine Bestimmung ist«, sagt Herr Gott.

»Aha«, sagt Maria und lässt sich ihre Bestimmung durch den Kopf gehen. »Ich möchte lieber Architektur studieren und schöne Kirchen bauen.«

Herr Gott holt tief Luft. Mit Menschen, die große Bauwerke planen, hat er schlechte Erfahrungen gemacht. Auch wenn er gegen Kirchen nichts einzuwenden hat. »Kannst du das nicht den Männern überlassen? Irgendwer muss die Kinder kriegen. Denn wenn es keine Kinder mehr gibt, gibt es auch keine Menschen mehr, die in Kirchen gehen.«

Maria erkennt das Problem. Sie ist ja klug. Auch das hat sie von Eva geerbt.

»Das heißt, du brauchst mich?«

»Ja«, sagt Herr Gott.

»Dann sag das doch«, sagt Maria.

»Bitte«, sagt Herr Gott.

Maria horcht auf. »Bitte« ist ein Menschenwort. Es gehörte bisher nicht zu Herrn Gottes Sprachschatz.

»Sag es noch einmal«, bittet Maria.

»Bitte«, sagt Herr Gott.

Und so wird Gott Mensch. Ganz von selbst.

3. Omas Superkraft

Der erste Advent ist ein trüber Novembertag. Kim und Emma stehen an Omas Bett und Kim denkt: »Das ist so typisch für Oma, dass sie im Advent beschließt zu sterben.«

»Ich seh schon die Lichter im Himmel«, lacht Oma und schaut zum Fenster. Seit gestern hängt draußen die Weihnachtsbeleuchtung. Ein bisschen Licht tut gut, das findet auch Kim und strafft die Schultern. Jetzt bloß stark sein.

»Ach stark«, sagt Oma, »immer diese olle Stärke. Wem willst du was beweisen? Guck mich an: Ich schaffe es nicht mal mehr, die Kaffeetasse zu heben. Willst du etwa, dass ich so tue, als sei ich morgen wieder topfit?«

Omas Superkraft war schon immer Gedankenlesen. Kim schaut auf ihre dünnen Handgelenke.

»Kind«, sagt Oma. »Ich sag dir eins: Wenn du glücklich sein willst, tu nicht immer so, als sei alles in Butter. Stärke ist eine Aufschneiderin. Such dir eine andere Superkraft.«

Kim ist natürlich längst kein Kind mehr. Wer im zweiten Semester studiert, ist offiziell erwachsen. Kims kleine Schwester Emma geht in die dritte Klasse. Sie hat noch nie jemanden sterben sehen. Aber mit Superkräften kennt sie sich aus.

»Kannst du fliegen, wenn du im Himmel bist?«

Oma lächelt ihr Omalächeln. »Bestimmt. Das ist jawohl das Mindeste … So, und nun singt mir mal was vor. Damit ich noch ’n büschen Weihnachten erlebe …«

Emma und Kim singen: »Alle Jahre wieder kommt das Christuskind / auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind …« Bei »Geht auf allen Wegen« stirbt Oma, aber Emma und Kim singen tapfer weiter.

Samstag vorm dritten Advent wird Oma begraben. Im Ganzen, so hat sie das gewollt. Ein letztes Mal das Ausgehkleid tragen, mit Silberbrosche und Fuchsschwanz. Kim hat noch Omas Stimme im Ohr: »Wird ja auch Zeit, dass der endlich unter die Erde kommt.« Vielleicht ist Humor auch eine Superkraft, denkt Kim und wirft einen Schokonikolaus ins offene Grab. Vollmilch natürlich. Bitteres gibt es ohnehin schon genug. Anschließend gibt es Glühwein und Kinderpunsch für alle.

»Prost, Emma«, sagt Kim. »Jetzt soll Weihnachten werden. Da wird alles gut. Die Omi guckt von oben zu, und wenn sie Lust hat, lässt sie’s schneien.«

»Glaub ich nicht. Oma fand Schnee doof. Weil sie da immer schippen musste.«

Am nächsten Morgen ist nichts gut. Kims Schädel dröhnt vom Glühwein, und die Zunge fühlt sich pelzig an. Das Radio dudelt »Last Christmas«.

Bloß nicht, denkt Kim. Ich glaube, dieses Jahr fällt Weihnachten aus.

»Und nun schalten wir live zum Sonntagsgottesdienst in die Erlöser-Kirche in Klein-Machendorf«, verkündet der Radiosprecher. Ein Chor singt, und anschließend liest jemand mit enthusiastischer Stimme: »Denn uns ist ein Kind geboren, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und es heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst …«

So ein Unsinn, denkt Kim. Welche Superkraft soll denn ein neugeborenes Baby haben?

»Finde es heraus«, sagt Oma. Dabei kann Oma doch gar nichts mehr sagen.

»Ich will Weihnachten nicht ohne Oma feiern«, sagt Emma. »Das ist doof. Wer schickt jetzt dem Christkind unsere Wunschliste? Ich weiß doch gar nicht, wo es wohnt. Das wusste nur Omi.«

Kim seufzt. »Ich weiß das auch nicht. Oma hat gesagt, wir müssen uns jetzt eine eigene Superkraft suchen.«

»Was hat sie damit gemeint?«

»Findet es heraus.«

Kim hört Omas Stimme ganz genau. Diesmal hat auch Emma sie gehört. Obwohl das doch gar nicht möglich ist. Aber so was hat Oma noch nie gestört.

»Weißt du was?«, fragt Kim. »Wir gehen einfach los. Wir suchen eine Superkraft, mit der es Weihnachten wird.«