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Die ersten beiden Fälle von Fiona O'Connor in einem E-Book Bundle!
Der Tag beginnt mit Mord
Der Tote im Bed & Breakfast.
Die junge Fiona O'Connor kehrt aus Dublin zurück in ihr idyllisches Heimatdorf Ballinwroe an der irischen Westküste. Sie erfüllt sich einen langgehegten Wunsch und baut ihr Elternhaus in ein kleines Bed & Breakfast um: das Greenhill Cottage. Doch schon bald geschehen dort unheimliche Dinge. Vor ihrer Haustür findet Fiona tote Vögel, und nachts schleicht jemand um das Haus. Fiona hat den Verdacht, dass man sie aus dem Dorf verjagen möchte. Als einer ihrer ersten Gäste tot in den Ruinen einer Mühle gefunden wird, bekommt sie es mit der Angst zu tun. Würde tatsächlich jemand so weit gehen, nur um ihr zu schaden?
Der Tod bleibt über Nacht
Hochzeit, Hass und grüne Hügel.
Die junge Fiona O’Connor hat alle Hände voll zu tun: Ihr kleines Bed & Breakfast ist ausgebucht, denn im idyllischen Ballinwroe wird geheiratet, und die Gäste des Paars haben sich bei Fiona einquartiert. Doch am Abend vor dem Fest wird die Großtante der Braut tot aufgefunden – erstochen mit einer Gartenschere. Während Inspector Aidan Connolly nach dem Mörder sucht und dabei selbst etwas zu verbergen hat, mischt Fiona sich sehr zu seinem Ärger in die Ermittlungen ein – und wirbelt alte Geheimnisse auf ...
Zwei Krimi voller liebenswerter Figuren vor der malerischen Kulisse der irischen Westküste.
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Seitenzahl: 533
Der Tote im Bed & Breakfast.
Die junge Fiona O'Connor kehrt aus Dublin zurück in ihr idyllisches Heimatdorf Ballinwroe an der irischen Westküste. Sie erfüllt sich einen langgehegten Wunsch und baut ihr Elternhaus in ein kleines Bed & Breakfast um: das Greenhill Cottage. Doch schon bald geschehen dort unheimliche Dinge. Vor ihrer Haustür findet Fiona tote Vögel, und nachts schleicht jemand um das Haus. Fiona hat den Verdacht, dass man sie aus dem Dorf verjagen möchte. Als einer ihrer ersten Gäste tot in den Ruinen einer Mühle gefunden wird, bekommt sie es mit der Angst zu tun. Würde tatsächlich jemand so weit gehen, nur um ihr zu schaden?
Hochzeit, Hass und grüne Hügel.
Die junge Fiona O’Connor hat alle Hände voll zu tun: Ihr kleines Bed & Breakfast ist ausgebucht, denn im idyllischen Ballinwroe wird geheiratet, und die Gäste des Paars haben sich bei Fiona einquartiert. Doch am Abend vor dem Fest wird die Großtante der Braut tot aufgefunden – erstochen mit einer Gartenschere. Während Inspector Aidan Connolly nach dem Mörder sucht und dabei selbst etwas zu verbergen hat, mischt Fiona sich sehr zu seinem Ärger in die Ermittlungen ein – und wirbelt alte Geheimnisse auf ...
Zwei Krimi voller liebenswerter Figuren vor der malerischen Kulisse der irischen Westküste.
Molly Flanagan, geboren 1978, reiste vor Jahren während der Semesterferien mit dem Rucksack durch Irland und verliebte sich Hals über Kopf in das Land. Während einer zweiten Reise lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, mit dem sie inzwischen in Deutschland lebt. Irland ist ihr zur zweiten Heimat geworden.
Im Aufbau Verlag sind bisher ihre Kriminalromane »Der Tag beginnt mit Mord«, »Der Tod bleibt über Nacht« und »Der Frühling bringt den Tod« erschienen.
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Molly Flanaghan
Der Tag beginnt mit Mord & Der Tod bleibt über Nacht
Die ersten beiden Fälle von Fiona O'Connor in einem E-Book Bundle!
Inhaltsverzeichnis
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Der Tag beginnt mit Mord
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Der Tod bleibt über Nacht
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Impressum
Molly Flanaghan
Der Tag beginnt mit Mord
Ein Krimi in Irland
Though the mills of God grind slowly; Yet they grind exceeding small;
Though with patience He stands waiting, with exactness grinds He all.
HENRY WADSWORTH LONGFELLOW
Die Ruinen der Mühle von Ballinwroe ragten schwarz und still in den irischen Nachthimmel. Der Winter in Clare war dieses Jahr unerwartet lang und kalt gewesen, nur vorsichtig streckten die ersten Frühlingsblumen ihre Köpfe zwischen den regennassen Steinen hervor.
Ein Fuchs hatte unter der Mühle einen alten Kaninchenbau bezogen und ausgebaut. Auch wenn es ungewohnt für seine Art war, so dicht an Menschen zu leben, so hatten die Gärten mit ihren Mäusen und Schnecken und die oft nur achtlos verschlossenen Mülleimer ihm in diesem rauen Winter ausreichend Nahrung geboten. Er war ungestört, nur ab und zu spielten Kinder hier, kletterten auf den schweren Mühlstein und erzählten sich schaudernd Geschichten über den Geist des letzten Müllers, dessen Klagen in mondlosen Nächten angeblich in der Ruine zu hören waren.
Die Mühle selbst hatte bis vor vierzig Jahren ihren Dienst getan. Das Mühlrad, gespeist durch den breiten Fluss, war mehr als hundert Jahre lang stetig in Bewegung gewesen, um den schweren Mahlstein anzutreiben. Doch dann wurden die Aufträge weniger, die Bauern lieferten ihr Getreide an die großen Betriebe in Ennis. Die Zeit der Wassermühle war vorbei. Doch der alte Müller hatte trotzig weiter jeden Morgen das Mühlrad mit dem schweren Hebel ins Wasser gelassen und beobachtet, wie die Kraft des Flusses das Mahlwerk in Bewegung versetzte. Bis er eines Tages – es war die letzte Nacht des Jahres – ein Seil am Mühlstein befestigte, das andere Ende zu einer Schlinge band, es sich um den Hals legte und ein allerletztes Mal das Rad zu Wasser ließ. Die Schulden zu groß, die neue Welt zu fremd. Seine Frau fand ihn und rief den Priester. Der schnitt ihn los, warf Seil und Schlinge in den Fluss. Sollte doch Gott über ihn richten, er würde es nicht tun. Und so hielten die Dorfbewohner die Totenwache für ihren Müller, trugen ihn in allen Ehren zu Grabe, und die Mühle verfiel.
Viele Jahre später brach ein Feuer aus und zerstörte das Mühlrad und den hölzernen Dachstuhl. Der Mühlstein zersprang unter der Hitze, die Außenmauern fielen zusammen. So kam es, dass die Mühle, die dem Dorf Ballinwroe ihren Namen gegeben hatte, ihre Überreste still und schwarz in den Nachthimmel streckte.
Bis diese Stille gestört wurde.
Der Fuchs, eine tote Maus zwischen seinen spitzen Zähnen, verharrte im Windschatten der eingefallenen Mauer und lauschte.
»Du hast mich also doch gefunden. Irgendwie habe ich immer darauf gewartet.«
Die erste Stimme klang fest, ruhig, doch er konnte die Angst des Menschen riechen.
»Es hat lange gedauert.«
Die andere Stimme war tiefer, bedrohlich. Die Menschen schienen den Fuchs nicht zu bemerken. Er blieb sitzen und lauschte mit schräg gelegtem Kopf.
»Was willst du? Geld?«
Ein Lachen, das in einem tiefen Knurren endete.
»Als ob Geld …«
»Ich –«
»Nein! Geld? Du fragst ernsthaft, ob ich Geld will?«
Ein Geräusch, ein Schlag durchfuhr die Nacht. Der Fuchs lugte um die Ecke, jederzeit zur Flucht bereit, die Maus lag vergessen vor seinen Füßen.
»Lass mich doch erklären, was …«
Der Geruch von Angst wurde immer stärker. Der Mensch hielt sich die Hände vor das Gesicht.
»Oh nein, keine Erklärungen mehr, kein Geschwätz mehr von dir.«
»Verstanden. Was willst du dann?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
»Doch. Aber ich werde es dir nie verraten. Lieber …«
»Lieber stirbst du? Wolltest du das sagen? Dich heldenhaft opfern? O nein, so einfach werde ich es dir nicht machen. Ich habe dich beobachtet. Du hast hier Freunde gefunden, oder? Familie? Ich werde nicht dich töten. Ich werde sie töten. Ihnen wehtun. Unfälle, vielleicht ein Feuer, nachts? Die Türen verschlossen. Das passt doch. Und du wirst zusehen und um deine Schuld wissen. Also sag mir, was ich wissen will: Wo ist er?«
Der Fuchs bewegte sich noch etwas weiter hinaus aus seinem Versteck.
»Nein!«
Ein Wimmern.
»Sag mir, wo er ist, und ich werde gehen. Und nie wiederkommen.«
Die Stimme des Menschen war lauter geworden, als wiegte er sich schon als Sieger. Doch der Fuchs konnte jetzt riechen, wie die Angst des anderen Menschen so stark geworden war, dass sie sich verwandelte, sich umkehrte in Stärke. Wut. Auch er kannte das. Trieb er eine Maus zu weit, wurde ihre Angst zu groß, drehte sie sich in der letzten Sekunde um und biss zu. Spitze, kleine Zähne, die sich in seine Nase schlugen und ihn zum Innehalten zwangen. Wollte man töten, musste man schnell sein.
Doch der Mensch vor ihm war blind, glaubte, schon gewonnen zu haben. Ein Fehler.
»Nein!«
Plötzlich senkte sich Stille über die Mühle. Der Mond war durch die Wolken gebrochen, und sein Licht traf auf einen glänzenden Gegenstand. Der Fuchs zog sich zurück und rannte zum Eingang seines Baues.
»Fahr zur Hölle!«
Ein Schuss zerriss die Nacht, dann ein zweiter und ein dritter. Der Fuchs kroch tiefer und tiefer in seinen Bau, wo er blieb, auch als der süße Geruch von Blut an seine Nase drang. Erst mit der Morgendämmerung verließ er ihn und kehrte nie wieder zu der alten Mühle zurück.
Er und seine Art hatten auf den Feldern dieses Landes etwas gelernt: Jedem Tropfen Menschenblut, der den Boden berührte, würden hundert weitere folgen.
Fiona O’Connor stand auf der steinernen Türschwelle ihres Hauses und blickte, eine Tasse Tee in der Hand, in den kalten Märzmorgen. Der leise Regen fiel auf den noch wintergrauen Garten und die von flachen Steinmauern umgebenen Felder. Sie meinte, das Meer riechen zu können, und holte tief Luft. Kein Geräusch durchbrach die Stille.
Seit sie vor einigen Monaten zur Beerdigung ihrer Mutter nach Jahren zum ersten Mal wieder aus Dublin in ihr kleines Heimatdorf zurückgekehrt war, war viel geschehen. Sie hatte ihr Elternhaus, das jetzt ihr gehörte, mit seinen grob behauenen Steinmauern, den Erkern und den blank gescheuerten Holzböden nur verkaufen wollen. Ihr Plan war eigentlich gewesen, alles schnell abzuwickeln, die Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen und dann in die Stadt zurückzukehren. Eigentlich.
Doch dann war sie nach der Beerdigung alleine den Weg vom Friedhof zum Haus gegangen, mied dabei den Kontakt zu den Dorfbewohnern Ballinwroes ebenso, wie diese sie mieden.
Sie war also den Weg gegangen, den sie als Mädchen unzählige Male gelaufen war: die kleine Straße neben der Kirche entlang, die Steinbrücke über den Fluss, an den Ruinen der alten Mühle, am Pub und dem kleinen Laden vorbei und dann den Hügel hinauf. Jeder Schritt eine Erinnerung, viele unbeschwerte, kindlich unschuldige Erinnerungen, und später dann, nach dem letzten Sommer, schwere und dunkle. Bis sie damals den Weg ein letztes Mal gegangen war, weg vom Haus, weg aus dem Dorf, weg aus dem Leben, das ihr dort gedroht hatte, nach Dublin.
Sie hatte nicht vorgehabt, jemals hierher zurückzukehren. Und doch war sie, als sie die Nachricht vom Tod ihrer Mutter erhalten hatte, in Richtung Westen geeilt. Sie wollte nur Abschied nehmen. Doch stattdessen war sie nach Hause gekommen.
Fiona spürte neben sich eine Bewegung und drehte sich lächelnd um.
»Guten Morgen, Orla.«
Orla King ließ sich auch an einem verregneten Morgen nicht davon abhalten, ihr sorgfältiges Make-up, einen Duft von Chanel, einen wild gemusterten Morgenmantel aus Seide und schmale Slipper in Gold zu tragen. So stand sie nun auf der Türschwelle des kleinen traditionellen Cottage, die Haare unter einer Art Turban aus einem silbrig schillernden Tuch versteckt. Fiona fühlte sich sofort in ein Märchen aus »Tausendundeine Nacht« versetzt. Sie lächelte.
»Très chic. Ich hätte nie gedacht, dass du jemals zu einer so frühen Stunde wach sein würdest.«
Orla zupfte eine imaginäre Fluse vom Ärmel ihres Morgenmantels und gähnte ausgiebig. Dann legte sie ihren Arm um Fionas Hüfte und blickte nach oben. Orla war klein, selbst wenn sie wie üblich ihre hohen Absätze trug, und mit den flachen Slippern wirkte sie wie eine zugegebenermaßen etwas in die Jahre gekommene Elfe.
»Werd nicht frech, Mädchen. Was meinst du, wie ich an mein Geld gekommen bin? Sicherlich nicht, indem ich tagaus, tagein bis in die Puppen geschlafen habe. Jedenfalls nicht jeden Tag.«
Fiona musste leise lachen.
Orla hatte ihr Geld und das feine Dubliner Hotel geerbt und es dann, geschickt wie sie war, zu einem der erfolgreichsten der Stadt gemacht. Sie arbeitete hart, keine Frage, aber Fiona war sich sicher, dass Orla seit Jahren nicht mehr vor dem Läuten der Mittagsglocken wach gewesen war, es sei denn, eine ihrer legendären Feiern im Salon ihrer großen Stadtwohnung hatte bis in die Morgendämmerung angehalten. Die kleine Frau neben ihr ließ ihren Blick über den nassen Garten und die Felder gleiten. Einige Schafe standen stoisch neben einer Mauer und sahen so aus, als müssten sie dringend ausgewrungen werden.
»Und du willst wirklich hier …«, Orlas schmale Hand, an der sogar schon so früh am Morgen einige funkelnde Ringe den Blick von den Altersflecken ablenkten, wies auf das Panorama vor der Tür, »… hier draußen bleiben?«
Fiona nickte. Es war verrückt, das wusste sie selbst. Niemand wollte sie hier haben. Sie war vor Jahren geflohen und hatte sich geschworen, niemals zurückzukehren. Und doch –
»Ja. Das will ich.«
Sie drehte sich zu Orla um. Orla. Mehr eine Mutter, als es ihre eigene je für sie gewesen war. Bei dem Gedanken musste Fiona schmunzeln. Würde sie je auf die Idee kommen, Orla dieses Gefühl mitzuteilen? Die elegante, eigenwillige und so lebensfrohe Frau, deren Alter wahrscheinlich eines der bestgehüteten Geheimnisse Dublins war, die vor niemandem Angst hatte und ihr Leben lang immer das aussprach, was sie dachte, steckte gerade eine schmale Zigarette in eine silberne Zigarettenspitze. Du bist wie eine Mutter für mich. Fiona formulierte den Satz in ihrem Kopf, aber sie wusste, Orla würde eine ihrer fein nachgezeichneten Augenbrauen heben und den Satz ins Lächerliche ziehen, einen Witz daraus machen. Gefühlsduseleien waren nicht ihre Sache. Also versuchte Fiona es anders.
»Ja, ich bleibe. Aber ich werde dich und Dublin fürchterlich vermissen. Sogar deine Zigaretten. Sogar die.«
Orla lächelte und blies wie zur Bestätigung einen kleinen Rauchkringel in die feuchte Morgenluft.
»Du wirst schneller wieder bei mir sein, als du glaubst.«
Als sie Fionas Gesichtsausdruck sah, hob sie schnell die Hand.
»Versteh mich nicht falsch, Kleines.«
Orla liebte es, den Menschen in ihrer Umgebung Kosenamen zu geben. Fiona fand, sie klang dabei immer wie eine Gaunerin aus den zwanziger Jahren. Wahrscheinlich fand Orla das auch und machte es genau deswegen. Sie hätte gut in das New York der Goldenen Zwanziger gepasst. Fiona war sich sicher, dass Orla mit nur einer Hand, in der anderen eine Zigarette, einen Fluchtwagen lenken könnte. Das schwarze eng anliegende Haar unter eine schmale Kappe gesteckt, ein feines Lächeln auf den Lippen und ein gefährliches Funkeln in den Augen.
Doch jetzt blickten diese Augen ernst.
»Der Umbau des Hauses ist ein Traum, das Bed and Breakfast perfekt. Sogar der Name: ›Greenhill Cottage‹. Schlicht, treffend. Die amerikanischen Touristen werden dir die Bude einrennen und dich mit ihren Dollarnoten überschütten. Ich weiß, was du leisten kannst.«
Sie wurde rot. Ein Lob von Orla war selten – und umso wertvoller.
»Immerhin hab ich es dir ja beigebracht.«
Fiona lächelte. Sie hatte alles von Orla gelernt. Als sie Ballinwroe vor Jahren verlassen hatte, als sie geflüchtet war nach Dublin – ein junges Mädchen, sechzehn, schwanger und verzweifelt –, hatte sie in Orlas Hotel einen Job als Zimmermädchen bekommen. Warum Orla gerade sie mit ihrem breiten westirischen Akzent, den unbeholfenen Bewegungen, den viel zu stark geschminkten Augen und der sichtbaren Verzweiflung aufgenommen hatte, war ihr bis heute ein Rätsel. Aber die Hotelbesitzerin hatte ihr den Job gegeben und, was sie ihr niemals vergessen würde, zu ihr gestanden, als die Schwangerschaft sichtbar wurde. Hatte zu ihr gestanden, als ihr Baby, ihre Tochter, geboren wurde und ihre Entscheidung respektiert.
Fiona verdrängte die Erinnerung mit aller Macht und blickte Orla an.
»Aber wenn es hier so perfekt ist, warum glaubst du dann, dass ich nach Dublin zurückkehren werde?«
Orla zögerte, sprach dann ungewohnt ernst weiter.
»Liebes, sie wollen dich hier nicht. Sie wollen nicht, dass du hier bist mit deinem Bed and Breakfast, mit deinem Erfolg. Du hast sie damals verlassen, dich gegen die Regeln gestellt. Wärst du zurückgekehrt, vom Leben geschlagen, dann hätten sie dich vielleicht aufgenommen.«
Fiona umfasste ihre Teetasse fester. Sie war nach Hause gekommen, doch es war ein Zuhause, in dem sie nicht willkommen war.
»Weil du dann der Beweis dafür gewesen wärst, dass es schlimm ausgeht, wenn man das Dorf verlässt, verstehst du? Dass es nicht gut sein kann und nie etwas Gutes dabei herauskommt, gegen die Regeln zu verstoßen, sich aufzulehnen.«
Orla seufzte.
»Aber so? Mit dem Bed and Breakfast, mit deinem Erfolg? Mit deinem Geld?«
»Jeder zweite Penny, der in diesem Haus steckt, ist deiner, vergessen?«
Orla lachte kurz auf.
»Nein, das habe ich nicht vergessen, und ich freue mich schon auf die monatlichen Schecks, die du mir schicken wirst, wenn der Laden brummt. Aber die hier wissen das nicht. Die sehen nur, dass du gegangen bist und es dir gut geht. Du bist ein Schlag ins Gesicht aller, die geblieben sind.«
Fiona nippte an ihrem Tee und blickte über die Wiesen.
»Nicht jeder hier denkt so.«
»Aber die meisten. Dieser ungehobelte Kerl, Flynn, der Bürgermeister, der hat dich im Visier. Und wenn er gegen dich ist, dann …«
Fiona erinnerte sich an die Blicke, die ihr Nathan Flynn, Bürgermeister von Ballinwroe und Besitzer des einzigen, ziemlich in die Jahre gekommenen Hotels des Dorfes, zugeworfen hatte. Und daran, dass sie für die Umbauten in dem Bed and Breakfast nur mit Mühe einen Handwerker bekommen hatte. Einer der Zimmerleute hatte ihr gesteckt, dass Nathan Flynn allen gedroht hatte, ihnen über Jahre die Aufträge in seinem Hotel und im Dorf zu entziehen, wenn sie bei Fiona arbeiteten.
»Flynn ist gegen mich, weil er die Konkurrenz für sein schäbiges Hotel fürchtet. Mit Recht.«
Sie hatte bisher jede Herausforderung angenommen und hob kämpferisch ihren Kopf.
Orla lächelte stolz.
»Du wirst bestimmt mit ihm fertig. Aber du weißt, dass das nicht der einzige Grund ist, warum er dich so angreift, oder?«
Fionas Gesicht verschloss sich.
Nathan Flynn war Leahs Vater. Leah, die Dylan McGowan geheiratet hatte. Sie hatte Dylan bis jetzt noch nicht wiedergesehen. Er war nicht zur Beerdigung erschienen.
»Das geht ihn nichts an. Das geht niemanden etwas an.«
»Fiona, sei nicht albern. Natürlich geht es ihn etwas an. Seine Tochter hat den Mann geheiratet, von dem du damals schwanger warst. Der dich heiraten wollte und den du sitzengelassen hast. Dessen Kind …«
Fiona schüttelte wütend den Kopf. »Orla, ich …«
»Willst du ihnen denn nicht endlich erzählen, was …?«
Fiona drehte sich ruckartig um.
»Nein! Sie haben sich ein Urteil gebildet. Sie haben über mich gerichtet, ohne zu fragen, ohne überhaupt einmal …«
Ihre Stimme brach.
»Sogar meine Eltern. Sogar sie.«
Orla legte ihre Hand beruhigend an Fionas Wange.
»Ich weiß. Das weiß ich doch, Kleines. Aber umso weniger verstehe ich, warum du hierbleiben willst.«
Fiona schaute über das Land vor ihrem Haus. Die Schafe standen noch genauso schicksalsergeben an derselben Stelle wie zuvor. Sie spürte eine Ruhe, die sie so seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Mit einem leisen Lächeln blickte sie auf Orla.
»Ich gehöre hierher. Ich – meine Augen wollen nicht auf die Häuser in Dublin blicken, meine Ohren wollen nicht den Lärm von Autos und so vielen Menschen hören, meine Nase will nicht den Gestank der Abgase und der Stadt riechen. Ich finde einfach keine anderen Worte dafür, Orla, aber meine Seele will hier sein. Das hier sehen. Das hier hören. Das hier riechen. Es ist mein Zuhause.«
Orla schüttelte den Kopf und sah auf die tropfenden Schafe.
»Du bist verrückt. Aber ich liebe dich trotzdem, weißt du das?«
Fiona lachte und legte ihren Arm sanft auf Orlas Schultern, um sie zu drücken.
»Ich weiß es, und ich werde es nie vergessen.«
Schweigend blickte sie auf das, was einmal ihr Kräutergarten werden sollte und jetzt noch als braune und matschige Fläche zwischen den grauen Steinmauern lag.
»Lass uns reingehen. Es ist kalt. Ich hole schnell die Milch und die Eier, und dann mache ich uns Frühstück.«
Fiona drückte Orla ihre leere Teetasse in die Hand.
Vorsichtig umrundete sie dann die Pfützen auf dem Weg. Die Handwerker müssten auch ihn neu anlegen, das Wasser sollte ablaufen, so dass ihre Gäste sicher und trockenen Fußes durch den Garten wandern konnten.
Der Milchmann stellte die Stiege mit den Flaschen und Gläsern von Milch und Joghurt in einen eigens dafür gebauten Verschlag an der Außenmauer. Sie lächelte bei dem Gedanken daran, wie sehr ihre Gäste es lieben würden, auf so eine traditionelle Weise mit frischen Lebensmitteln versorgt zu werden.
Sie bückte sich und hob die Stiege mit den Milchflaschen hoch, drehte sich zum Haus und blieb stehen. Die Kiste rutschte ihr aus der Hand, und die Flaschen und Gläser fielen mit einem lauten Krachen zu Boden, wo sie in tausend Scherben zerbrachen. Weiße Milch floss über die nassen Steine und durchnässte Fionas Schuhe.
»Oh mein Gott!«
Orla war auf sie zugeeilt und folgte ihrem Blick zu dem großen Schild, auf dem in eleganten Buchstaben »Greenhill Cottage« zu lesen war.
Doch jetzt waren die Buchstaben unter einer dicken Schicht dunkelroter Flüssigkeit, die über dem Schild ausgekippt worden sein musste, nur noch zu erahnen.
»Ist das Blut?«
Orla wurde blass und griff nach Fionas Arm.
»Ruf die Polizei.«
Fiona schluckte und versuchte, ihr Zittern unter Kontrolle zu bringen.
»Die wird doch sowieso wieder nichts tun.«
»Wieder?«
Orla drehte sich ruckartig zu ihr um, und Fiona unterdrückte einen Fluch. Das hätte sie nicht sagen sollen. Orla mochte zwar klein sein, aber ihr Beschützerinstinkt war umso größer.
»Was soll das heißen? Ist so etwas schon einmal vorgekommen?«
Fiona beugte sich hinunter, um die Scherben aufzusammeln. Nur mit großer Mühe schaffte sie es, das Zittern ihrer Hände unter Kontrolle zu bekommen.
»Das erzähle ich dir besser drinnen bei einer weiteren Tasse Tee. Und nur, wenn du mir versprichst, nicht das ganze Dorf in Aufruhr zu versetzen.«
Sie versuchte, ihrer Stimme einen leichteren Klang zu geben. Sie wollte nicht, dass sich Orla noch mehr Sorgen machte, als sie es ohnehin schon tat.
»Du wirst das nicht einfach so auf sich beruhen lassen, oder?«
Orlas Augen blitzten vor Wut, und Fiona beeilte sich, ihre Freundin zu beruhigen.
»O nein, das werde ich nicht. Ganz sicher nicht.«
Im »Gallaghers« war an einem Freitagabend zu dieser Stunde schon einiges los. Zufrieden saß Pater Michael Moran an der Theke, lauschte mit einem Ohr auf die Gespräche um ihn herum, die sich mal wieder um Pferde, genauer gesagt um die Gewinnchancen eines gewissen Plumpie im nächsten Rennen drehten. Mit dem anderen Ohr hörte er auf die Stimmen der Jugendlichen, die im hinteren Teil des Pubs Dart spielten. Er wusste, dass es in den letzten Tagen Streit gegeben hatte, und hoffte, dass die jungen Leute das Ganze ohne Handgreiflichkeiten geregelt bekämen. Da er beileibe kein Don Camillo war, würde er nicht eingreifen und diesen Teil lieber Evan Gallagher, dem breitschultrigen Wirt des »Gallaghers«, überlassen. Er wusste aber, dass er dann die Woche darauf mit allen Varianten der Geschichte bestürmt werden würde. Aus Gründen, die ihm selbst noch nicht ganz klar waren, hatten die jungen Leute ihn zu ihrem Vertrauten gewählt und es sich zur Gewohnheit gemacht, seine Ruhe im Pfarrhaus regelmäßig zu stören und ihm von ihren Problemen zu erzählen, die sich zum Glück meist um Liebeskummer oder Ärger mit den Eltern drehten. Er hatte weiß Gott schon ganz andere Dinge gesehen und gehört. Daher nickte er nur ab und zu, schüttelte den Kopf oder zog fragend eine Augenbraue hoch. Den Kindern, und das waren sie doch meist noch, egal wie erwachsen sie sich gaben, schien das zu genügen.
Er verzog die Mundwinkel und trank einen Schluck von seinem Kaffee, den der Wirt mit einem ordentlichen Schuss Whisky versetzt hatte. Schon nach den ersten Tagen in Ballinwroe hatte er gelernt, dass ein Priester, der abends im Pub etwas trinkt und das nicht einmal zu verstecken versuchte, nicht gern gesehen wurde. Nathan Flynn, der Bürgermeister und unangefochtener Patron des Dorfes, hatte ihm das unumwunden gesagt. Um sich Ärger und weitere Konfrontationen mit dem unsympathischen Mann zu ersparen, trank Michael Moran seinen Gute-Nacht-Drink seitdem aus einer Kaffeetasse. Und prostete damit den sichtlich amüsierten Stammgästen zu. Aber der Schein wurde gewahrt, und das war verdammt wichtig. Hier und überall sonst auf der Welt, das hatte er in den letzten Jahren schmerzhaft gelernt, obwohl er noch jung war für einen Priester in einem kleinen Dorf am gefühlten Ende der Welt. Er war froh, hier zu sein und sich mit den Problemen der Dorfjugend, den kleinen und etwas größeren Sünden der Bewohner herumzuschlagen und ansonsten mit wenig mehr. Er wusste, dass das Dorf redete und darüber spekulierte, was einen so jungen Priester in eine so kleine Gemeinde trieb, warum die Kirche ihn gerade zu ihnen geschickt hatte. Er wusste, dass es wilde Gerüchte über ihn gab, aber er schwieg.
In den Monaten seit seiner Ankunft in Ballinwroe hatte er das kleine Pfarrhaus renoviert, den Garten von Brombeerranken und Unkraut befreit und vor wenigen Wochen damit begonnen, vorsichtig die vielen Schichten Ruß von den Wänden der alten Kirche abzutragen. Unter dem Ruß befanden sich Wandmalereien, naive, unbeholfen ausgeführte Bilder, die die Geschichte des heiligen Christophorus, des Schutzpatrons des Dorfes, erzählten. Er hatte Bilder davon an seinen Bischof geschickt, mit der Bitte um Mittel für eine professionelle Restauration, die aber abgelehnt worden war. Anscheinend waren die Bilder in den Augen der Kirche nicht wertvoll genug. Also hatte er sich Bücher über Restaurierung besorgt und hoffte, mit seinen unbeholfenen Bemühungen nicht alles zu zerstören. Etwas an den Bildern an den Wänden rührte ihn – und je mehr er von ihnen freilegte, umso mehr wollte er sie erhalten und schützen. Und solange seine Hände zu arbeiten hatten, solange er nur dafür sorgte, dass er am Abend müde und erschlagen ins Bett fiel, so lange ließen ihn die Erinnerungen in Frieden.
Keiner im Dorf konnte ihm sagen, wann oder von wem die Bilder an die Wände der Kirche angebracht worden waren. Auch die einige Hundert Jahre zurückreichenden Haushaltsbücher der Gemeinde, sorgfältig aufgereiht in dem staubigen und dunklen Arbeitszimmer des Pfarrhauses, gaben nichts her. Wer immer die Bilder gemalt hatte, hatte es nicht gegen Lohn getan. Er nippte an seiner Kaffeetasse. Die Ablehnung seiner Bitte war auch eine Botschaft an ihn gewesen: Die Kirche war vor zehn Monaten seinem Versetzungsgesuch an die Westküste nachgekommen, so viel schienen sie ihm schuldig zu sein, aber mehr war in dem Deal nicht eingeschlossen. Er sollte froh sein, dass er nach Ballinwroe geschickt worden war, und ansonsten still und ohne viel Aufhebens seine Arbeit tun.
Seine Augen schweiften durch den Raum und blieben an Anna Gallagher hängen, der Frau des Wirtes, die gerade ein Tablett mit Essen aus der Küche zu einem der Tische trug. Die schmale, blasse Frau wirkte auf den ersten Blick zerbrechlich, doch trug sie das schwere Tablett anscheinend ohne Anstrengung. Sie mied ihn. Seit dem Tag, als er zum ersten Mal in den Pub gekommen war, ging sie ihm aus dem Weg. Vielleicht war es sein Priesterkragen. Gerade er wusste ja, wie viel Böses sich in diesem Land unter solchen Krägen versteckt hatte und auch weiterhin versteckte.
Als er Anna Gallaghers Blick auffing, versuchte er daher, ihr freundlich zuzulächeln, aber wieder wich sie ihm aus und ging zurück in die große Küche, in der sie ihr hervorragendes Essen kochte. Da Michael nicht kochen konnte, freute ihn das sehr. Am Anfang hatten ihm noch einige Frauen aus dem Dorf Essen vorbeigebracht, dann aber, enttäuscht von seiner Schweigsamkeit und der Weigerung, über seine Vergangenheit zu sprechen, die Besuche eingestellt. Was ihm nur recht war. Er kümmerte sich um die Alten des Dorfes, machte seine Hausbesuche, ließ sich Geschichten von früher erzählen und ganze Leben in schmalen, sorgfältig beklebten Fotoalben an sich vorbeiziehen. Das war der Teil seiner Arbeit, den er liebte. Wenn er gerufen wurde, um die Sterbesakramente zu spenden, hoffte er, dass der armselige kleine Rest Glauben, der ihm geblieben war, ausreichte, den Sterbenden Frieden zu geben.
Michael blickte auf, als es im Pub auf einmal leiser wurde. Den Grund dafür konnte er wenige Sekunden später in der Tür ausmachen. Fiona O’Connor. Er hatte die Frau bei der Beerdigung ihrer Mutter kennengelernt, bei der sie ihm verschlossen und kühl begegnet war.
Und dann, als klar wurde, dass sie das Haus ihrer Eltern nicht einfach verkaufen und wieder nach Dublin verschwinden würde, waren nach und nach die Dorfbewohner zu ihm gekommen und hatten ihm ihre Geschichte erzählt. Er kannte das. Die angeblichen Sünden der anderen wurden ihm immer in aller Ausführlichkeit erzählt.
Auch der Bürgermeister Nathan Flynn hatte ihn eines Sonntags vor der Messe aufgehalten und ihm allen Ernstes vorgeschlagen, mit der Frau über ihre Sünden zu sprechen und – da war der kleine und energische Mann deutlich geworden – doch am besten gleich dafür zu sorgen, dass sie nach Dublin zurückkehrte.
Michael hatte dann die geplante Predigt über den Haufen geworfen und mit kaum versteckten Blicken auf Flynn über Johannes 8,7 gepredigt: »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.«
Und hinterher hatte er sich geärgert, weil er mal wieder seinem eigenen Vorsatz, sich einfach nicht mehr einzumischen, untreu geworden war.
Die wütenden Versuche Nathan Flynns, ihn daraufhin loszuwerden, scheiterten an der Kirche, die ihrerseits ja auch froh war, den jungen Priester losgeworden zu sein. Michael hätte nie gedacht, dass er jemals darüber lachen würde, von niemandem gewollt zu werden. Und so begnügte sich der Bürgermeister damit, Michael jeden Sonntag böse anzufunkeln und seinen Teil zu den Gerüchten über ihn beizutragen. Der Auslöser des Ganzen, Fiona O’Connor, hatte wahrscheinlich gar nichts davon mitbekommen, da sie noch nie in der Kirche erschienen war. Etwas, was Michael ihr nicht verdenken konnte.
Nach allem, was er sah und hörte, lief Greenhill Cottage gut an.
Fiona O’Connor stand nun im Türrahmen, das Kinn trotzig vorgestreckt, blickte sich eisig im Raum um und ging dann schnurstracks zum Tresen.
»Hallo Evan.«
Der Wirt schenkte ihr ein warmes Lächeln. Evan Gallagher war einer der – Michael fiel kein anderes Wort ein – edelmütigsten Menschen, die er je kennengelernt hatte, und scherte sich einen Dreck um Gerüchte.
»Pater Moran.«
Michael nickte Fiona zu und wies mit einer Hand auf den freien Barhocker neben sich. Doch sie schüttelte den Kopf, langte mit der Hand über den Tresen und schlug gegen den Gong, mit dem der Wirt die letzte Runde des Abends anzukündigen pflegte.
Das laute Scheppern ließ augenblicklich Stille im Pub einkehren. Michael lehnte sich zurück und wartete neugierig, was nun geschehen würde.
»Ich habe euch etwas zu sagen, und ihr solltet besser zuhören: Wer auch immer in der letzten Wochen nachts um mein Haus geschlichen ist, wer auch immer die toten Vögel an meinen Zaun genagelt und die Frühlingsblumen mit Gülle überkippt hat, wer von euch dafür sorgt, dass die Milch auf meinen Stufen sauer ist und wer auch nur im Entferntesten glaubt, mich mit solch albernen Aktionen zu vertreiben, der sei gewarnt: Ich habe eine Schrotflinte, und ich werde sie benutzen.«
So wie die Frau dort stand, glaubte Michael ihr das sofort.
»Ich werde jeden, der sich meinem Grund und Boden nachts unerlaubt nähert, ins Visier nehmen und nicht zögern abzudrücken. Ich werde jeden, den ich erkenne, bei der Polizei anzeigen.«
Michael hatte wie alle anderen im Pub die Luft angehalten. Fiona O’Connor war sehr wütend, und sie schien es ernst zu meinen.
»Wenn ihr glaubt, dass ich stillhalte, Angst habe und mich verkrieche, dann habt ihr euch geschnitten. Ich bin eine O’Connor, und ich bleibe, so wie es Generationen meiner Vorfahren getan haben, auf meinem Land.«
Fiona ließ den Blick langsam von Gesicht zu Gesicht wandern.
»Schämt euch! Was für feige Taten. Wollt ihr, dass meine Gäste das Dorf so sehen? Dass sie nach Hause zurückkehren und erzählen, was für ein Haufen ehrloser und feiger Menschen in Ballinwroe lebt?«
Michael sah, wie einige der Anwesenden mit zunehmender Wut zu ihr sahen. Er hoffte, sie übertrieb es nicht. Aber sie schien einen Plan zu haben und sprach ruhiger weiter.
»Wann immer ich gefragt wurde, wo meine Heimat ist, woher ich meinen Akzent, meine Dickköpfigkeit und meinen Mut habe, erzählte ich mit Stolz von diesem Dorf. Von aufrechten Menschen, die sich durch schwere Zeiten gekämpft haben. Und nun bin ich wieder nach Hause gekommen, und so begegnet ihr mir? Warum? Das passt nicht zu den Menschen, die ich in Erinnerung habe.«
Es war nun sehr still im Pub, und Michael beobachtete, wie einige der Anwesenden die Köpfe senkten. Auch einige der Jugendlichen wichen Fiona O’Connors Blick aus. Er merkte sich die Gesichter, um bei der nächsten Gelegenheit mit ihnen zu sprechen.
Sie erhob wieder die Stimme. Michael bewunderte, wie sie die Menschen im Pub in ihren Bann ziehen konnte.
»Gut. Dann hoffe ich, dass der Spuk nun vorbei ist. Denkt doch daran: Jeder Tourist bringt auch Geld mit, das er im Pub, in den Läden und in der Region lassen wird. Ihr müsst mich nicht mögen oder zum Teil des Dorfes machen, aber wenn ihr mein Bed and Breakfast sabotiert, dann schneidet ihr euch ins eigene Fleisch.«
Michael sah, wie nach und nach einige der Anwesenden zu nicken begannen.
Fiona O’Connor hatte sie geschickt zu Verbündeten gemacht. Nicht schlecht. Er konnte förmlich spüren, wie die Stimmung im Raum zu ihren Gunsten kippte. »Gut. Ich denke, das …«
»Was bildest du dir eigentlich ein?«
Michael schloss kurz die Augen. Nathan Flynns Stimme durchdrang den Raum. Er musste im hinteren Zimmer gesessen haben und war jetzt in den Schankraum getreten.
»Ah, Flynn. Es freut mich, dass auch du mich also gehört hast.«
Michael bewunderte die Ruhe in Fionas Stimme, auch wenn er bemerkt hatte, wie sich ihre Schultern beim Klang von Flynns Stimme versteift hatten.
»Und ob ich dich gehört habe. Ich habe gehört, wie eine Frau, die jahrelang nicht hier war, die nach Dublin abgehauen ist, die ihre Familie im Stich gelassen hat, meint, uns erzählen zu können, was wir tun dürfen.«
»Flynn, ich habe weder …«
Michael seufzte. Ein Fehler. Sie war in Verteidigungshaltung gegangen. Und Flynn nutzte das aus.
»Was hast du nicht? Bist du etwa nicht gegangen? Hast du etwa nicht Dylan und deine Eltern verlassen? Hast du etwa nicht das Kind getötet, das du in dir getragen hast? Mörderin!«
Michael hielt die Luft an und mit ihm der gesamte Raum.
Fiona war bei Flynns ersten Worten zurückgewichen, wie um sich zu schützen, bei seinen letzten Worten allerdings blitzschnell auf Flynn zugetreten, die Hand zum Schlag erhoben.
»Wage es nie wieder, jemals …«
»Schluss!«
Die tiefe und ruhige Stimme von Evan Gallagher. Der massige Mann war erstaunlich schnell hinter seinem Tresen hervorgekommen und stand nun vor Flynn.
»Hier in meinem Pub wird über niemanden so gesprochen. Flynn, du gehst. Beruhige dich draußen. Sofort, oder ich werde dich hinauswerfen.«
Er winkte einer schlanken, elegant gekleideten Frau zu. Mary, Flynns Ehefrau, hatte die Szene mit der für sie typischen unbewegten Miene beobachtet. Michael hatte Mary, die als Vorsitzende der Landfrauen von Ballinwroe im Dorf eine fast so wichtige Rolle spielte wie ihr Mann, schon bei einigen Veranstaltungen getroffen und wurde nicht schlau aus ihr. Die oft in beige oder dunkelgrüne Twinsets gekleidete Frau mit der obligatorischen Perlenkette und den vernünftigen Schuhen trat immer ruhig und sachlich auf, lächelte freundlich und schien das oft so aggressive und feindselige Verhalten ihres Mannes nicht zu bemerken. Auch jetzt stand sie einfach nur da, unbeeindruckt von allem, was gerade geschah.
»Mary. Bring deinen Mann nach Hause. Was genug ist, ist genug.«
Ohne eine Reaktion abzuwarten, drehte er sich zu Fiona um.
»Fiona, du gehst auch. Ich habe dich vorhin sprechen lassen, weil auch ich es nicht gutheiße, was dir in den letzten Wochen angetan wurde. Die Sache zwischen dir und Flynn ist allerdings privat. Klärt das unter euch, aber nicht hier in meinem Pub. Der Pater wird dich nach Hause bringen.«
Michael schaute erstaunt. Es geschah äußerst selten, dass Evan seine Stimme erhob, aber wenn, dann taten die Menschen meist, was er sagte. Sogar Flynn hatte den Pub schon an der Seite seiner Frau verlassen.
Fiona ging mit schnellen Schritten vor dem Priester her. Sie war wütend und erschüttert. Die Anschuldigungen hatten sie tief getroffen. Sie hatte Nathan Flynn nicht gesehen und gedacht, er sei nicht im Pub. Sie wusste ja, dass er hinter den Angriffen steckte. Und ihr Plan war es gewesen, die Leute zu erwischen, wenn sie einmal nicht unter seiner Beeinflussung standen. Der Priester schien sich nicht von ihrem schnellen Tempo abschrecken zu lassen. Also blieb sie stehen und drehte sich um.
»Ich brauche keinen Wachhund.«
»Oh, ich bin auch keiner. Nur habe ich keine Lust, Evan erklären zu müssen, warum ich Sie nicht nach Hause gebracht habe. Er hat eine, nun ja, eine gewisse Intensität – und ich mache lieber, was er sagt.«
Fiona holte tief Luft. Der Mann vor ihr konnte nichts dafür. Und nach allem, was sie gehört hatte, stand auch er auf Flynns Abschussliste.
»Gut, dann kommen Sie.«
Sie nahm wieder ihren Weg auf, diesmal aber langsamer. Der Regen hatte aufgehört, und zwischen den Wolken war immer wieder der Mond zu sehen.
»Mit der Intensität haben Sie recht. Evan, der heilige Evan. Immer so aufrecht, immer so fair, oder? Er hat schon immer für Frieden im Dorf gesorgt. Wissen Sie, dass er vor Jahren ein Jurastudium in Dublin begonnen hatte? Er wollte Anwalt werden. Das hätte gut zu ihm gepasst.«
Fiona warf einen kurzen Seitenblick auf ihren Begleiter. Der aber schwieg und hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Wie alt er wohl sein mochte? Was hatte ihn in ein Dorf wie Ballinwroe gebracht? Sie merkte, dass sein Schweigen sie nervös machte, und sprach schnell weiter.
»Ich finde, er hätte Nathan Flynn eine Abreibung verpassen und ihn in den nächsten Misthaufen schmeißen sollen. Flynn hätte damals beinahe Evans Vater den Pub abgenommen. Der alte Gallagher hatte Schulden und trank selbst für einen Wirt zu viel. Flynn versuchte, das auszunutzen, angeblich wollte er nur helfen. Pah! Evan hat es verhindert, indem er zurückgekommen ist, sein Studium abgebrochen und den Pub übernommen hat. Um ein Haar hätten sie alles verloren. Ich verstehe nicht, wieso er den Kerl überhaupt in seinem Pub dulden mag.«
Fiona merkte, dass sie ihre Fäuste geballt hatte.
»Wäre ich ein Mann, würde ich ihn selbst verprügeln.«
»Wären Sie ein Mann, dann würde Flynn nur halb so wütend sein. Sie bringen seine Welt durcheinander. Sie sind erfolgreich und mutig, wie Sie eben bewiesen haben. Sie könnten ihm gefährlich werden. Die Leute im Pub haben Ihnen zugehört.«
Fiona sah ihn erstaunt an und schnaubte.
»Naiv bin ich, nichts weiter. Flynn stiftet die Leute an, gegen mich vorzugehen, und ich liefere mich ihm auch noch aus.«
»Seine Tochter ist mit dem Mann verheiratet, mit dem Sie damals … verlobt waren?«
Fiona lachte auf.
»Verlobt? Ist es das, was Flynn erzählt?«
Sie war stehen geblieben und blickte dem Priester ins Gesicht.
»Wollen Sie wissen, wie es wirklich war?«
Sie wartete seine Antwort gar nicht ab. Irgendetwas in ihr drängte sie dazu weiterzusprechen. Vielleicht war sie nach all den Jahren das Schweigen einfach leid.
»Dylan war einige Jahre älter als ich, der Schwarm aller Mädchen, doch er hatte ein Auge auf mich geworfen. Wir landeten eines Tages in einer Scheune im Heu. Dummerweise wurde ich schwanger – und plötzlich sprachen alle von Heirat. Ich war gerade mal sechzehn. Ich wollte nicht hierbleiben und zu Dylan und seinen Eltern auf den Hof ziehen. Ich …«
Fiona merkte, dass sie immer noch das Gefühl hatte, sich verteidigen zu müssen. Und dass sie sich wieder wie sechzehn fühlte. Dabei war es doch schon so lange her.
»Ich liebte ihn nicht. Mein Gott, ich war selbst noch ein halbes Kind. Alle machten Druck. Meine Eltern, Dylans Eltern. Sogar der damalige Priester schlug bei uns auf, um mit mir über meine Sünde zu sprechen und mich zu einer Ehe mit Dylan zu drängen. Es war fürchterlich.«
Der Mond war nun voll durch die Wolken gebrochen und schien auf die Steinbrücke am Fluss und die Ruinen der alten Mühle. Fiona blieb stehen und lehnte sich gegen die Mauer der Brücke. Die Erinnerung tat immer noch weh.
»Ich bin abgehauen, nach Dublin. Ich wollte einfach nur weg.« Ihre Stimme war leise geworden. Sie zögerte.
»Sie wollen wissen, ob es stimmt, was Flynn im Pub gesagt hat, oder?«
Der junge Mann neben ihr schlug den Kragen seiner Jacke hoch und schaute nun seinerseits auf die alte Mühle.
»Nein. Will ich nicht. Nicht als Mensch und nicht als Priester.«
Seine dunklen Augen blickten sie ruhig und gelassen an.
»Aber ich kann zuhören und schweigen. Wenn Sie es erzählen wollen.«
Fiona war skeptisch.
»Aber Flynn hat angedeutet, ich hätte das Kind abgetrieben. Das wäre eine Todsünde.«
Michael Moran lachte kurz auf. Es klang irgendwie merkwürdig.
»Glauben Sie das?«
Fiona schüttelte den Kopf.
»Und, haben Sie es getan?«
Fiona blickte wieder auf die Mühle. Sie hatte wie alle Kinder des Dorfes früher dort gespielt. Vor dem Brand waren sie heimlich durch eines der zerbrochenen Fenster in den Mahlraum geklettert. Eine Mutprobe. Fiona hatte mitgemacht, die Hände klamm vor Angst. Dylan und die anderen Jungs hatten Witze gemacht über den Geist des Müllers. Sie hatte an jenem Tag etwas gespürt, einen seltsamen Hauch, eine Trauer und dann ein Stöhnen gehört. Evan hatte ihr später anvertraut, dass auch er etwas gehört hatte. Wenig später war die Mühle dann abgebrannt.
Der Priester sah sie immer noch abwartend an.
»Nein. Habe ich nicht. Ich habe daran gedacht, mehr als einmal, aber ich konnte nicht. Die ersten Monate habe ich einfach versucht, die Schwangerschaft zu verstecken. Ich log, was mein Alter betraf, und bekam einen Job als Zimmermädchen in einem Hotel. Ich wohnte in einem klitzekleinen Angestelltenzimmer und kaufte mir von meinem ersten Geld eine weite Bluse, um meinen Bauch zu verdecken. Ich hatte solche Angst. Und ich war allein. Und dann spürte ich irgendwann etwas. Das Baby bewegte sich. Ich trug ein Kind in mir. Mein Kind.«
Fiona merkte, dass sie bei der Erinnerung an diesen Moment erneut schützend eine Hand über ihren Bauch gelegt hatte.
»Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wohin ich gehen sollte, wie ich das alles schaffen sollte. Aber dann fand ich Hilfe. Unerwartete, uneigennützige Hilfe.«
Sie lächelte bei dem Gedanken an den Tag, an dem sie Orla King kennengelernt hatte. Orla hatte in ihrem Büro auf einem massiven Ledersessel gesessen und sie neugierig angeblickt.
»Die Hotelbesitzerin rief mich eines Tages zu sich und konfrontierte mich damit, dass ich schwanger sei. Anscheinend hatten die anderen Mädchen meinen Zustand bemerkt und es ihr erzählt. Ich dachte schon, ich müsste gehen, dass sie mich auf die Straße setzen würde, aber das tat sie nicht.«
Fiona spürte noch jetzt die tiefe Erleichterung und Dankbarkeit in sich.
»Die Frau, die letzte Woche hier zu Besuch war, oder? Man konnte sehen, dass zwischen Ihnen eine tiefe Bindung besteht. Die Art, wie Sie nebeneinander gingen, die Schritte aufeinander abgestimmt. Wie sie miteinander gelacht haben. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich sie für Ihre Mutter gehalten.«
Fiona sah erstaunt auf. Er hatte etwas beschrieben, was ihr selbst erst nach Jahren klar geworden war.
»Orla ist mir näher, als es meine Mutter jemals war. Ich sollte das nicht denken, nicht so kurz nach ihrem Tod, aber …«
Moran nickte nur, und Fiona erzählte weiter.
»Ich brachte meine Tochter im April zur Welt. Sie war wunderschön und so klein, ich konnte es nicht fassen, als sie mir in die Arme gelegt wurde. Ich hielt sie, mehrere Stunden. Atmete ihren Duft ein, spürte ihr Herz schlagen. Und dann verabschiedete ich mich von ihr, reichte sie Orla, die mit ihr den Raum verließ und sie dem Paar in die Arme drückte, dessen Tochter sie in Zukunft sein würde.«
Fionas Stimme brach. Sie versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
»Orla kam wenig später zu mir zurück, ohne mein Baby. Erst da wurde mir so richtig klar, was ich getan hatte. Und dass ich mein Kind nie wiedersehen würde.«
Nun liefen ihr endgültig die Tränen über das Gesicht, aber sie wischte sie nicht fort. Sie war dankbar, dass der Mann neben ihr einfach schwieg und sie weinen ließ. Sie wollte keinen Trost. Nach einigen Minuten sprach sie leise weiter:
»Als ich später versuchte, meine Eltern zu erreichen, wollten sie nicht mit mir reden. Sie hatten schon über mich geurteilt. Sie glaubten den Gerüchten, waren verletzt, weil ich gegangen war, sie verlassen hatte, ohne …«
Fiona brach ab und starrte in das dunkle Wasser des Flusses, das stetig und unberührt von dem Leid der Menschen in Richtung Meer floss. Sie löste ihre eiskalten Hände von der steinernen Brüstung der Brücke und drehte sich zu Michael Moran um. Die Haare vom Nachtwind zerzaust, sah er noch jünger aus als sonst. Wie alt mochte er sein? Bestimmt nicht älter als dreißig. Was dachte er über das, was sie erzählt hatte? Seine Miene ließ nicht erkennen, was in ihm vorging. Auch er schaute wie gebannt auf das dunkle Strömen des Wassers unter ihnen. Hoffentlich hatte sie keinen Fehler gemacht, als sie sich ihm anvertraut hatte. Sie wurde nervös. Er war erst der zweite Mensch, dem sie von ihrem Baby erzählt hatte. Außer Orla wusste niemand Bescheid.
»Und Sie? Was denken Sie?«
Als der Priester sich umdrehte, sah sie ein schmerzvolles Lächeln seine Augen umspielen. Augen, die älter wirkten, als sie sein sollten.
»Ist das wichtig für Sie?«
Fiona dachte nach.
»Ja. Ich habe außer Orla noch nie jemandem davon erzählt. Es war keine offizielle Adoption. Orla wusste, wie viele Probleme es mit sich bringen würde und dass meine Eltern oder Dylan anfangen könnten, Ansprüche auf das Kind zu erheben. Ich wollte nicht, dass mein Baby in all das hineingezogen würde. Ich wollte, dass es ein friedliches Leben führen könnte, mit Eltern, die es wie ihre eigene Tochter lieben. Doch manchmal frage ich mich, ob ich nicht doch hätte hierbleiben, Dylan einfach heiraten sollen.«
Sie sah ihn an.
»Dann wäre meine Tochter jetzt bei mir.«
Der Priester griff kurz nach Fionas Hand, schwieg aber.
»Glauben Sie nicht, dass sie mir, sollte sie jemals davon erfahren, die Schuld geben wird?«
»Wir können über die Schuld Dylans sprechen, Sie so missbraucht zu haben.«
Als Fiona protestieren wollte, hob der Priester die Hand.
»Fiona, Sie waren gerade mal sechzehn, oder? Und er muss damals schon neunzehn oder zwanzig Jahre alt gewesen sein. Er wusste, was er tat. Und Sie? Wussten Sie es wirklich?«
Fiona antwortete nicht. Es gefiel ihr nicht, was der Priester sagte, aber irgendwo in ihr gab es eine leise Stimme, die ihm recht gab.
»Wir können auch über die Schuld Ihrer Eltern reden, die Sie hätten schützen müssen. Über die Schuld des Priesters, der Sie hätte unterstützen müssen.«
Michael Moran löste seine Hand von Fionas, drehte sich um und blickte über den Fluss.
Sie sah ihn nachdenklich an. Einen Priester wie ihn hatte sie noch nie getroffen. Sie war gespannt, was er noch zu sagen hatte.
Doch plötzlich beugte er sich vor und wies mit der Hand auf eine Lücke in den zusammengesunkenen Steinen der Ruine, die gerade vom Mondlicht beschienen wurde.
»Was ist das dort?«
Fiona kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und schnappte erschrocken nach Luft.
Die beiden blickten einander an und rannten los zur Mühle – zu der im Mondlicht weiß leuchtenden Hand, die zwischen den Steinen herausragte.
Inspektor Aidan Connolly saß, aufgrund seiner Größe etwas zusammengestaucht, auf dem Beifahrersitz des kleinen altersschwachen Autos, das sie heute von der Fahrbereitschaft mit einem wissenden Lächeln aufs Auge gedrückt bekommen hatten. Ihm allein hätten sie vermutlich einen besseren Wagen gegeben – nur sein derzeitiger Sergeant hatte es sich durch seine pedantische Art und absolute Humorlosigkeit mit so ziemlich jedem im Hauptquartier verdorben. Thomas Scott saß am Steuer und fuhr, zwar zu schnell, aber mit sicherer Hand, die noch leere M7 in Richtung Westen. Es war fünf Uhr morgens – vor zwei Stunden hatte ihn der Anruf geweckt. Ein Mord in einem Dorf im County Clare. Und dummerweise hatte er Bereitschaft. Fluchend war er aus dem Bett gekrochen, hatte eine wilde Auswahl regenfester und warmer Kleidungsstücke in seine immer bereitstehende Einsatztasche geschmissen, einen Zettel für seine Tochter und seinen Vater auf den Küchentisch gelegt und war in die Harcourt Street zum Sitz der Kriminalpolizei gefahren.
Clare Anfang März.
Aidan seufzte lautlos, als er in das glatt rasierte und völlig wache Gesicht seines Sergeants blickte, und fuhr sich mit der Hand über die eigenen stoppeligen Wangen. Ihm war es ein Rätsel, wie der junge Mann neben ihm es zur Garda gebracht hatte. Wobei, das Wie war vielleicht nicht das Verwunderliche. Scott war ein Einser-Absolvent. Aber warum in aller Welt war jemand, der alles Irische so ablehnte wie Scott, gerade zur traditionsreichen Garda gekommen?
Die Garda Síochána na hÉireann, die »Hüter des Friedens von Irland«. Ein stolzer Name und eine stolze Truppe. Wer hier arbeitete, wusste um die Traditionen. Stattdessen machte sich Scott jedoch über alles Irische lustig, trank aus Prinzip nur amerikanisches Bier und schwärmte ständig von seiner Zeit in New York, wo er als Gaststudent an der Polizeiakademie gewesen war. Seit der junge Mann in den aktiven Dienst des NBCI, des National Bureau of Criminal Investigation getreten war, war er vor Aidan schon fünf weiteren Beamten unterstellt gewesen. Keiner hatte länger mit ihm arbeiten wollen. Aidan fragte sich, ob Scott wusste, dass dies seine letzte Chance war. Die Chief Superintendentin hatte sich an Aidan gewandt und war sehr deutlich geworden: Sollte Thomas Scott es innerhalb der nächsten Monate unter seiner Anleitung nicht schaffen, seine Umgangsformen und sein Gespür für Menschen auszubauen, würde er in irgendein Archiv im Keller versetzt werden. Dann wäre es aus mit jeglicher Karrierechance.
Aidan selbst kam aus einer Familie von Polizisten. Sein Vater war der örtliche Garda in einer kleinen Stadt im Südwesten gewesen, bevor er nach Dublin gegangen war und sich dort mit viel Ehrgeiz bis zum Inspektor hochgearbeitet hatte.
Aidan war sich schon früh sicher gewesen, den gleichen Weg einschlagen zu wollen. Er mochte seine Arbeit. Und, was vielleicht noch mehr wog, er war gut darin.
Wieder fuhr er mit der Hand über seine Bartstoppeln und unterdrückte ein Gähnen.
Draußen zog in der Dunkelheit die nasse Landschaft vorbei. Es würde noch einige Stunden dauern, bis es hell war. Er hoffte, vor Ort ein vernünftiges Frühstück zu bekommen.
»Fassen Sie die Fakten noch einmal für mich zusammen.«
Aidan schloss die Augen und machte sich bereit, der emotionslosen Stimme neben sich zu lauschen. Fakten waren im Gegenzug zu Menschen eindeutig Scotts Element.
»Das Dorf heißt Ballinwroe. Liegt ungefähr siebzig Kilometer nordwestlich von Ennis. Dreihundertfünfzig Einwohner. Früher züchteten die Menschen dort Schafe und Rinder, heute kommt das meiste Geld durch die Touristen. Die Cliffs of Moher sind nicht weit entfernt.«
Aidan war als Kind oft mit seinem Vater an die Klippen gefahren und angesichts ihrer Größe und der wilden Kraft des Atlantiks immer wieder sprachlos gewesen. Dort hatte er das erste Mal ein Gefühl dafür bekommen, wie klein ein Mensch eigentlich ist. Die Aillte an Mhothair, wie die Klippen auf Gälisch hießen, hatten sich tief in seine Erinnerungen eingegraben. Die Stimme Scotts holte ihn aus seinen Gedanken zurück.
»Gestern Abend gegen einundzwanzig Uhr haben Michael Moran, der Priester des Dorfes, und Fiona O’Connor, Eigentümerin eines Bed and Breakfast, in den Ruinen einer alten Mühle den Leichnam eines gewissen Steven Miller gefunden. Miller war Gast von Miss O’Connor. Drei Schusswunden. Die in der Brust führte zum Tod. Die beiden anderen trafen seinen Unterleib.«
Aidan öffnete kurz die Augen und sah seinen Sergeant von der Seite an.
»Den Unterleib? Sie meinen …?«
Aidan zuckte bei der Vorstellung zusammen, wie es wohl jeder Mann getan hätte.
»Ja. Die erste Kugel traf genau das Herz. Da konnte jemand zielen. Sieht nicht nach Zufall aus. Die Schüsse müssen kurz nacheinander abgegeben worden sein.«
Aidan nickte. Er hatte schon Schlimmeres gehört und gesehen.
»Schusswaffe?«
»Auf den ersten Blick ein Kleinkaliber. Keine Schmauchspuren, saubere Eintrittswunden. Die Kugeln sind im Labor. Der Tatort gibt wohl nicht viel her, es hat am Tag immer wieder stark geregnet. Der Arzt vor Ort schätzt, dass der Körper dort wohl um die achtzehn Stunden gelegen haben muss, Todeszeitpunkt also wahrscheinlich irgendwann gestern am frühen Morgen – der Bericht der Gerichtsmedizin steht noch aus. Gesehen wurde der Tote, soweit bisher bekannt, das letzte Mal am Vorabend des Mordes im Bed and Breakfast.«
»Was wissen wir über das Opfer?«
Aidan versuchte erfolglos, seine Beine irgendwie um einige weitere Millimeter auszustrecken. Noch ein ganzes Stück bis Ennis. Verdammt.
»Er war seit drei Tagen Gast im Bed and Breakfast, kam mit einem Leihwagen aus Shannon. Er gab an, als Fotograf an einem Bildband über die Grafschaft zu arbeiten. Die Eigentümerin des Bed and Breakfast hat sich seinen Ausweis ordnungsgemäß zeigen lassen, und er hat sich ins Gästeregister eingetragen. Laut Ausweis war er fünfundvierzig Jahre alt, wohnhaft in Dublin. Der Ausweis befand sich bei der Leiche, ebenso ein wenige Wochen alter Führerschein. Ansonsten nur Bargeld, keine weiteren Papiere oder Kreditkarten.«
Scott machte eine Pause, wohl um die Spannung zu steigern. Aidan gönnte ihm das aber nicht und war schneller.
»Erst wenige Wochen alt? Lassen Sie mich raten: gefälscht?«
»Ja.«
Aidan hörte die Enttäuschung in Scotts Stimme.
»Sowohl Ausweis als auch der Führerschein. Beides sind wohl ganz passable Fälschungen. Doch als ein Kollege vor Ort die Personalien des Opfers durch das System schickte, fand er keinen Steven Miller. Er wurde misstrauisch und hat sich die Ausweise genauer angesehen.«
Aidan starrte nachdenklich aus dem Fenster.
»Wurde ein Foto des Opfers an das Hauptquartier geschickt?«
»Ja, und die Kollegen suchen in den Datenbanken. Bis jetzt keine Treffer. Wir gehen auch den Fälschungen nach. Das sind professionelle Arbeiten, keine Ausweise aus dem Hinterzimmer.«
Aidan dachte über das nach, was er bisher gehört hatte.
»Die Kollegen sollen auch nach Toten mit ähnlichen Verletzungen suchen. Und mit den Unterlagen zum organisierten Verbrechen beginnen. Vielleicht waren die Schüsse in den Unterleib ja eine Form von Strafe oder Rache?«
»Ich habe auch einen Abzug des Fotos und den vorläufigen Bericht aus Ennis ins Hauptquartier geschickt. Sie haben ebenfalls alles per Mail bekommen.«
Gerade als Aidan etwas sagen wollte, wies Scott mit einem Nicken auf eine schmale grüne Akte, die auf dem Rücksitz lag.
»Und ich habe es Ihnen natürlich ausgedruckt.«
Aidan angelte mit einiger Mühe nach der Akte und betrachtete das Bild auf dem ersten Blatt. Die Leichenstarre musste zum Zeitpunkt der Aufnahme schon wieder abgeklungen sein, die Gesichtszüge des Mannes wirkten völlig erschlafft. Es war schwierig, mit einem solchen Foto Zeugen zu befragen. Beim Anblick der Nahaufnahmen der Schusswunden zuckte er kurz zusammen.
»Kümmern Sie sich bitte morgen als Erstes darum, dass der Polizeizeichner ein Bild des Mannes erstellt und uns zuschickt.«
Aidan hatte die Erfahrung gemacht, dass Zeugen besser mit einer guten Zeichnung umgehen konnten als mit den starren Ausweisfotos oder dem fotografierten Gesicht eines Toten. Die Polizeizeichner schufen Bilder, auf denen die Gesichter lebendig wirkten. Das war bei der Zeugenbefragung viel wert.
»Ich habe ihm schon vor der Abfahrt eine Nachricht hinterlassen.«
Aidan seufzte schon wieder. Wäre Scott nicht so schwierig in seinem Verhalten anderen Menschen gegenüber, wäre er der perfekte Sergeant. Er dachte mit, merkte sich jede Kleinigkeit. Doch die Überheblichkeit, mit der er Kollegen und Zeugen behandelte, würde ihm jede Karriere verbauen. Empathie ist eine notwendige Fähigkeit für einen Polizisten im Außendienst. Und die Fähigkeit, das eigene Verhalten zu reflektieren, ebenso. Beides hatte Aidan bisher bei Scott noch nicht mal im Ansatz beobachten können. Er musste es wirklich schaffen, dem Jungen etwas Vernunft einzuflößen.
»Gut, sehr gut. Wurden die Dorfbewohner befragt? Hat das Opfer sich mit jemandem getroffen? Warum war er in dieser Ruine?«
»Die Kollegen sind von Tür zu Tür gegangen. Keiner kannte ihn näher. Einige hatten ihn am Vortag gesehen, als er wohl Bilder vom Dorf gemacht hatte, von den Häusern. Und auch von der Ruine.«
Aidan horchte auf. Scotts Stimme klang verändert. Was hatte …
»Die Kamera mit den Aufnahmen?«
Scott nickte, und diesmal sah Aidan ihm an, dass er, wenn auch widerwillig, beeindruckt war.
»Treffer. Die ist weg. Nicht bei der Leiche, nicht in seinem Zimmer. Die Kollegen haben alles abgesucht. Laut der Vermieterin trug er seine Kamera in einem schwarzen Rucksack. Sie weiß nicht, um welches Modell es sich handelte. Aber sie sah groß und teuer aus.«
»Andere Wertsachen?«
»Er hatte knapp vierhundert Pfund in seiner Brieftasche, im Zimmer fanden die Kollegen nochmals ungefähr tausend Pfund in bar. Das Zimmer hatte er im Voraus bezahlt, auch in bar. Die Vermieterin meinte, dass sei nicht ungewöhnlich, gerade bei Gästen, die das Zimmer über Spesen bezahlt bekämen. Wohl eine gute Möglichkeit, den Arbeitgeber um einige Pfund zu schröpfen. Die Kollegen haben Stichproben der Seriennummern durch den Rechner laufen lassen. Bisher keine Treffer. Keine Uhr, kein Ehering.«
»Das Mobiltelefon?«
»Laut Vermieterin hatte er eines dabei. Doch das scheint ebenfalls verschwunden zu sein. Durch die Besonderheit der Schusswunden, das viele Bargeld, das bei der Leiche gefunden wurde, und den gefälschten Ausweis scheint ein Raubmord trotz verschwundener Kamera und Handy unwahrscheinlich zu sein.«
»Auto?«
»Ein Leihwagen, in Dublin wenige Tage zuvor mit den falschen Papieren angemietet.«
Aidan blätterte durch die dünne Akte.
»Die Kollegen des Ordnungsamtes sollen alle Nummernschilder der Autos, die im nahen Umfeld der Leihwagenfirma stehen, durch das System laufen lassen und uns die Daten zukommen lassen. Und falls es Kameras im Empfangsraum der Firma oder vom Parkplatz gibt, will ich die auch haben.«
Die nächsten Minuten fuhren sie schweigend weiter. Aidan hatte es aufgegeben, eine bequeme Position für seine Beine zu finden.
»Wo werden wir unterkommen?«
»Es gibt ein Hotel an der Bundesstraße. Das ›Ballinwroe Inn‹. Es gehört dem Bürgermeister. Die Kollegen haben uns da zwei Zimmer reserviert.«
»Was ist mit dem Bed and Breakfast, in dem das Opfer untergebracht war?«
»Das Greenhill Cottage. Laut Vermieterin sind alle Zimmer ausgebucht.«
Aidan schnaubte. Im März? Bei diesem Wetter? Wahrscheinlich wollte da jemand keine Polizei im Haus haben. Er dachte nach.
»Rufen Sie die Vermieterin an und fragen Sie sie, wie lange das Opfer das Zimmer reserviert hatte und dass ich es, nachdem unsere Leute fertig sind, übernehmen werde.«
»Jetzt?«
Aidan blickte auf die Uhr. Mittlerweile war es fünf Uhr am Morgen. Eine gute Gastgeberin war sicherlich schon wach, buk Brot oder Kuchen und bereitete das Frühstück für die Gäste vor. Sein Magen knurrte bei der Vorstellung von Eiern, Speck und frischem Gerstenbrot.
»Jetzt.«
Er lehnte sich zurück und lauschte mit geschlossenen Augen, wie Thomas Scott über sein Headset mit der Vermieterin sprach. Der Ton seines Sergeant war dabei wie immer etwas unhöflich. Nie so sehr, dass Aidan es an etwas Bestimmtem hätte festmachen können, doch Scott war, so hätte sein Vater es formuliert, immer auf Angriff gebürstet. Lief immer mit gebleckten Zähnen durch die Welt und bellte alles und jeden an – auch, wenn es gar keinen Grund dafür gab.
Aidan seufzte. Die Vermieterin würde ihn nach dem Telefonat auf jeden Fall erst einmal nicht mit offenen Armen empfangen. Er würde all seinen Charme spielen lassen müssen, um die alte Dame zu besänftigen.
Fiona legte den Hörer auf und starrte durch das Fenster der Küchentür auf den in der Dämmerung liegenden Garten. Das Letzte, was sie jetzt noch gebrauchen konnte, war ein schlecht gelaunter Garda, der in ihr Bed and Breakfast einfiel und ihre Gäste vertrieb.
»Greenhill Cottage« war auf gute Bewertungen angewiesen. Sollte ihr Bed and Breakfast in den ersten Wochen schlechte Bewertungen bekommen, würde sie das nur schwer wieder ausgleichen können.
Sie lehnte ihre Stirn gegen das kalte Glas der Küchentür. Vielleicht war das alles doch ein großer Fehler gewesen. Vielleicht hatte Orla recht, und sie gehörte gar nicht mehr hierher, vielleicht hätte sie in Dublin bleiben sollen, vielleicht …
Vor dem Fenster bewegte sich etwas. Im ersten Licht des Morgens sah Fiona, wie ein schmaler Schatten durch den Garten schlich. Ein Fuchs, sie hatte ihn schon in den letzten Wochen mehrmals gesehen. Wahrscheinlich war er auf der Suche nach einer unvorsichtigen Maus. Fiona lächelte und ließ ihre Schultern sinken, während sie mit den Augen verfolgte, wie der rotbraune Fleck unter dem Zaun hindurch in Richtung Obstgarten huschte. Vielleicht erinnerte sich der Fuchs auch daran, dass bis vor wenigen Monaten in dem schmalen Hühnerstall hinter dem Obstgarten die Chance auf fettere Beute bestanden hatte.