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Gefühlvoll und launig wird in einem Zwiegespräch mit dem Leser bzw. der Leserin die fiktive Lebensgeschichte eines Mannes geschildert, der seine triste Kindheit in einem Heim verbringen musste und dann als Hotelpage arbeitet. Dabei wird er von einer älteren Dame verführt und kommt auf den Geschmack, was in einer Art Gewerbe endet. Verführung, Sex und ein bisschen Romantik dürfen hier nicht fehlen, ebenso wie kritische Anmerkungen zum Missbrauch der #MeToo-Bewegung als der sprichwörtliche Goldesel! Ein Buch, in dem auch ältere Damen ihr Leben in vollen Zügen genießen wollen und endlich auch dürfen.
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Seitenzahl: 199
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Make love, not war!
© 2020 Robert Müller
Neuauflage
Verlag und Druck:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359, Hamburg
ISBN 978-3-347-05835-4 (Paperback)
ISBN 978-3-347-05836-1 (Hardcover)
ISBN 978-3-347-05837-8 (e-Book)
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Robert Müller
Der Taugenichtssassa
Vom Lo(o)ser zum Schmuser
Ein #MeToo-Roman
Ein gesellschaftskritischer Roman über menschliche Leidenschaften und kriminelle Machenschaften an einem ewig topaktuellen Thema – dem Streben nach einem lustvollen und angenehmen Leben gemäß dem Motto: „Gut fährt man mit viel Ehrlichkeit, besser noch mit Begehrlichkeit.“
Personen und Handlung sind frei erfunden. Allfällige Bezüge zu aktuellen oder früheren politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen sind gewollt, nicht aber eine persönliche Bezugnahme auf bestimmte Personen, Parteien oder Institutionen.
Ich danke meiner Frau
für die gewohnt gewissenhafte Korrektur
und die Unterstützung und Zeit,
dieses Werk verfassen zu können.
Text und Grafik: R. v. M.
Eigenverlag, Erstauflage Wien 2020
Alle Rechte vorbehalten
Kontakt und Bestellwunsch siehe letzte Seite sowie
https://www.buecher-rvm.at
Vorwort
Täglich verbreiten die Boulevard-Medien Vorwürfe wegen (angeblicher) sexueller und wirtschaftlicher Verfehlungen. Bad news are good news. Es ist deren zunehmend untaugliches Geschäftsmodell, das zu deren (monetärem) Glück durch Berichte der #MeToo-Bewegung befeuert wird. Weniger zum Glück der meist ‚honorigen‘ Personen, die oft am medialen Scheiterhaufen landen. Ob zu Recht oder zu Unrecht, ist angesichts des Wandels der Sitten und Gesetze durch die Zeiten und Kulturen leichter aktuell und punktuell als generell beantwortbar.
Meine #MeToo-Reihe von gesellschaftskritischen Sex&Crime-Romanen soll dabei helfen. Sie thematisiert (stets frei erfunden) in Band 1 ärgste sexuelle Übergriffe eines Dienstgebers an Dienstnehmerinnen, in Band 2 (kriminelle) Beziehungsprobleme am Lebensende eines alten Mannes, in Band 3 den Komplex Ehe-Kirche-Zölibat, in Band 4 die Flucht in die Prostitution statt in ein (vermeintlich) besseres Leben, in Band 5 die Naivität, mit der sich Menschen anderen und kriminellen Banden (sexuell) ausliefern, und nun in ihrem (vorläufig) letzten Band 6 den vielfachen Missbrauch der #MeToo-Debatte zum eigenen Vorteil.
Viel Vergnügen beim Lesen und darüber Nachdenken!
R. v. M.
Kap_1 Prolog
Sie, liebe Leserin und lieber Leser, haben sicher verfolgt, wie das Thema #MeToo in den letzten Jahren bereitwillig in den Medien breitgetreten, ja bisweilen bewusst zu Titelstories hochgespielt wurde. Sie lasen mediale Vorverurteilungen, von gerichtlichen Verurteilungen, von Diversionszahlungen einzelner Personen, ob freiwillig geleistet oder offen medial abgepresst, wie auch von Entschädigungsansprüchen an die Betreiber von privaten wie öffentlichen Institutionen, sei es in sportlichen, sozialen oder religiösen Einrichtungen. Zum Teil wurde diesen Ansprüchen ohne Prüfung ihrer Berechtigung im jeweiligen Einzelfall pauschal entsprochen. Oder sollte man sagen, feige nachgegeben? Wie in der Migrationsfrage entstand so sehr rasch eine ganze ‚Industrie‘ von spezialisierten Anwaltsbüros bis zu Plattformen für psychologische Nachbetreuung, Lebensberatung usw., die sich vielfach höchst eigennützig an den tatsächlichen oder auch nur behaupteten Schandtaten und Schadensfällen bediente und bedient.
Ich, Leo Gruber, weiß, wovon ich spreche. Ich war, falsch, ich bin einer der Geschädigten. Jedenfalls behauptete ich das so wie viele andere, nicht zuletzt in Erwartung einer erklecklichen finanziellen Entschädigung. Aber machen Sie sich, liebe Leserin und lieber Leser, selbst ein Bild zu diesem Thema, wenn ich Ihnen aus meiner Lebensgeschichte erzähle!
Ich werde dabei ehrlich sein, soweit ich das als zwielichtiges Schlitzohr kann, ohne mir selbst zu schaden. Aber da inzwischen alle meine kleinen und größeren Schandtaten verjährt und alle anhängigen Verfahren entschieden sind, kann und werde ich hier ziemlich frei sprechen – zumindest in den Rückblendungen, die ich exklusiv nur für Sie einfüge, damit SIE die volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit erfahren – MEINE ganz persönliche, ‚subjektive‘ Wahrheit.
Denn mit der Wahrheit ist es so eine Sache. Welcher Händler wird Ihnen ehrlich sagen, zu welchem Preis er die Waren eingekauft hat? Welcher General wird Ihnen ehrlich sagen, wo und wann er seine Offensive beginnen will? Welcher Politiker wird Ihnen ehrlich sagen, was er mit diesem oder jenem Gesetz wirklich erreichen will? Welcher (potentielle) Partner wird Ihnen ehrlich über sein sexuelles Vorleben berichten? Alle diese würden wahrscheinlich mit allzu großer Ehrlichkeit sich und womöglich vielen anderen schaden – vielleicht sogar Ihnen. Die Wahrheit hat immer zwei Seiten!
Ich habe daher, um niemandem zu schaden, die Namen der involvierten Personen anonymisiert und die Situationen ein wenig verändert und ausgeschmückt. Einerseits, weil mich manchmal mein Gedächtnis im Stich ließ und ich fehlende Puzzleteile in meiner Geschichte ergänzen musste, andererseits, weil ich keinen Schlüsselroman schreiben und mich von diesen Personen wegen übler Nachrede vor Gericht zerren lassen wollte. Ausgenommen sind Berichte über Sachverhalte und Personen, die via der Massenmedien längst die breite Öffentlichkeit erreicht haben. Auch so sollte klar werden, dass ich hier ebenso über Personen und die Gesellschaft als solche zu Gericht sitze, wie diese es über Leute wie mich taten und tun.
Warum ich das mache, fragen Sie sich?
Vielleicht, um Sie ein wenig in meine schwarzfleckige, aber nicht rabenschwarze Seele blicken zu lassen und sich selbst der Frage zu stellen, ab wann (m)ein Verhalten als ‚unmoralisch‘ und ‘kriminell‘ zu werten ist. Immerhin firmiert meine Lebensbeichte ja unter dem Generalthema ‚Erotik-Krimi‘.
Vielleicht auch um damit anzuregen, ein wenig tiefer nachzudenken über die Gesellschaft, in der wir leben (müssen) und die Ihr und mein Handeln nicht unwesentlich prägt(e). Ich will versuchen, das tiefschürfender und nicht derart einäugig zu tun, wie es vielfach den Mainstreammedien als Lügen- und Lückenpresse – und vice versa den Socialmedien – vorgeworfen wurde und wird. Dabei konnte und kann ich die Richtigkeit dieses Vorwurfes – so wie die meisten anderen Menschen auch – abgesehen von Einzelfällen nicht nachprüfen. Sie wohl auch nicht, oder?
Aber bekanntlich reicht nach Ansicht des österreichstämmigen Philosophen Sir Karl Popper schon ein einziger konkreter Fall, um die These, dass dieses oder jenes Medium stets korrekt berichtet (hat), zu falsifizieren. Ein solcher rigider Wahrheitsanspruch der von ihm gegründeten Schule des kritischen Rationalismus ist natürlich graue Theorie und hier unangebracht. Zudem trifft es neben den Mainstreammedien auch auf jene Nischenmedien zu, die gegen den Mainstream polemisieren und die man (daher?) zunehmend mit allerhand Gesetzen aus dem Internet und vom Markt verbannen will. Gesetze gegen – angebliche und tatsächliche – Hasspostings geben den Mächtigen zunehmend in Metternich‘schem Sinn das Werkzeug, um die freie Meinungsäußerung zu kriminalisieren und den Alleinvertretungsanspruch der Eliten für die (ver)öffentlichte Meinung zu verteidigen. Genau deswegen erscheint mir und vielen anderen die Medienkonzentration in wenigen Händen gefährlich und der Vorwurf bewusst inkorrekter Berichterstattung in den Mainstreammedien durchaus plausibel.
Denn wozu sonst haben sich die Eliten bemüht, die vierte Säule der Demokratie, die ‚freie‘ Presse, mit Zuschüssen aus Steuergeldern nach ihrem politischen Gutdünken zu subventionieren, sprich anzufüttern? Mehr noch, in der Hand sehr weniger wohlhabender und mächtiger Privatpersonen oder privater wie auch staatlicher Konzerne zu bündeln? Der Kostenminimierung und der Profitmaximierung wegen? Wohl auch. Aber wohl nicht nur. Verständlicherweise wollen die Mächtigen eine ‚Presse‘, die nicht gegen sie schreibt, sondern im Sinn der wirtschaftlichen und politischen Interessen der Eigentümer agitiert. Ich würde es nicht anders machen, wenn ich es könnte. Sie nicht? Seien wir uns doch ehrlich: Wer zahlt, schafft an – die angebliche Unabhängigkeit der Redakteure hin oder her. So war das schon immer und so wird es immer sein.
Klar ist aber auch, dass man bei einer solchen sprichwörtlich einäugigen Wahrnehmung der Welt, entweder nur mit dem sprichwörtlich ‚linken‘ oder nur mit dem ‚rechten‘ Auge, schon allein aus physikalischen Gründen nicht wie mit zwei Augen räumlich, also in die Tiefe sehen kann. Aber das ist ja wohl auch von diesen Medien, ob ‚links‘ oder ‚rechts‘ orientiert, nicht gewollt. Sie wollen uns nicht wertfrei informieren, ja können es gar nicht! Informationen sind prinzipiell konnotiert und somit in landläufigem Sinn nicht wertfrei. Insofern erziehen, manipulieren, ja beherrschen uns die Medien.
Ich würde das auch gerne, kann es aber nicht. Daher will und muss ich mich darauf beschränken, Ihnen meine Lebensgeschichte und meine kleine Welt so zu präsentieren, dass Sie diese mit beiden Augen, (m)einem linken und (m)einem rechten, betrachten und daran teilhaben können.
Vielleicht glauben Sie nun, ich gebe hier meinen Lebenslauf wieder, um reich und berühmt zu werden. Die Lebensgeschichte der Josefine Mutzenbacher wurde ja auch höchst erfolgreich verlegt und Jahrzehnte später verfilmt. Dabei gab es diese Person nie. Sie ist nur eine literarische Fiktion, allerdings eine, die die gesellschaftliche Situation im kaiserlichen Wien an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert trefflichst widerspiegelt.
Vielleicht glauben Sie nun, ich will dabei in die Stapfen des Autors dieser fiktiven Geschichte treten. Mag sein. Aber da dieser bisher nur vermutet, aber nie mit Sicherheit eruiert wurde, ist es müßig, diesen Vergleich herstellen zu wollen. Mir geht es jedenfalls darum, die Doppelmoral aufzuzeigen, ohne dabei über Links und Rechts, Nord und Süd, Gut und Böse, Richtig oder Falsch zu urteilen.
Inzwischen in der Mitte meines Lebens angelangt und lebenserfahren – oder sollte ich dafür besser von überschießender jugendlicher Altklugheit und Besserwisserei befreit sagen? – weiß ich, dass hier (bewusst?) eine falsche Dichotomie zwischen zwei extremen Polen geschaffen wird. In Wahrheit dreht sich nämlich unsere bunte und vielfältige Welt bloß zwischen ihren beiden eiskalten und lebensfeindlichen Polen. Diese sind im gleichen Sinn bloß die Ankerpunkte unserer Welt wie es die Endpunkte einer Wegstrecke für diese sind. Es sind definitorische Minimalbeschreibungen für die Bewegung unserer Mutter Erde, auf der wir leben, wie auch für den Lebensweg, den diese und wir zeitlich gehen.
Aber sie sind nicht das Wesentliche, sondern nur Metaphern. Das Wesentliche ist das, was ZWISCHEN diesen Ankerpunkten liegt und geschieht.
Ebenso verhält es sich mit der Politik. Die Volksweisheit ‚Extreme taugen nichts‘ mag stimmen, selbst wenn sie logisch unhaltbar ist. Denn ohne extreme Ankerpunkte könnte man gar nicht definieren, wo der ‚gesunde Mittelweg‘ liegt.
Aber zu meinen, dass man gerade diese EXTREME als ZIEL verstehen müsste, aus linker Sicht die bedingungslose Verwirklichung des sozialistischen Menschen‘, aus rechter die des freiheitlichen Menschen‘, falsifiziert sich in seiner Dogmatik bereits selbst. Der Nordpol ist nicht per se besser als der Südpol, der Anfang nicht besser als das Ende. Sie definieren und beschränken nur die Bewegungsmöglichkeit in Realitas, bewerten sie aber nicht.
Allfällige Gedanken(spiele) über diese Beschränkungen hinaus bleiben einem unbenommen: Über das, was davor liegt oder lag, nennen wir es die Schöpfung, und das, was danach liegt oder liegen wird, nennen wir es das Jenseits. Beide Begriffe sind nur Worte, Metaphern auf der Spielwiese zahlloser Religionen. Wie ließ Johann Wolfgang von Goethe schon Mephistopheles sagen: ‚Mit Worten lässt sich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten, an Worte lässt sich trefflich glauben, …‘.
Leider blieb es, wie die Geschichte lehrt, zu oft nicht bei Worten. Giordano Bruno, der sich als Priester den Begriffen der Schöpfung und des Jenseits offen widersetzte, musste das nach jahrelanger Folter am Scheiterhaufen büßen. Dass 400 Jahre später Papst Johannes Paul II. die Hinrichtung als kirchliches Unrecht bezeichnete, änderte weder die Geschichte noch die Gegenwart.
Denn auch heute wird gegen nicht systemkonforme Querdenker und Whistleblower wie J. Assange oder E. Snowdon mit aller Brutalität vorgegangen. Dass man in einem (angeblichen) Rechtsstaat wie den USA heute noch – wie gegen Herrn/Frau Manning – eine jahrelange Beugehaft verhängen und in Guantanamo und andernorts ungestraft foltern und morden kann, erinnert an den Schuldturm und die Folterkammern des finstersten Mittelalters.
Angesichts dessen wäre ein moderner Abraham a Sacta Clara nötig, um ex cathedra Brandreden gegen die Verderbtheit, Dummheit und Gemeinheit in der Welt zu halten. Hinsichtlich sexueller Gewalt tat und tut dies die schwarze US-Amerikanerin Tarana Burke als Gründerin von MeToo, der es laut Nachfrage auf der »Wisdom 2.0 Conference« zu Weinstein und Co. niemals darum ging, ‚mächtige Männer abzuschießen‘, sondern um Zuspruch und Unterstützung für die Opfer sexueller Gewalt und um »Restorative Justice« im gesamten Spektrum der Gesellschaft. Sie bezog diese Position aus ihrer Lebensgeschichte und der anderer Frauen in Selma, einer der gewalttätigsten Städte in den USA.
Vielleicht will auch ich Ihnen genau deswegen meine Lebensgeschichte erzählen, um Sie an meinen Schlussfolgerungen teilhaben zu lassen. Vielleicht glauben Sie nun, ich will so durch Aufweichen von (angeblich) gottgegebenen oder (nachweislich) menschengemachten Grenzen um Anteilnahme für mein nach den üblichen gesellschaftlichen Normen ziemlich verpfuschtes Leben buhlen, so wie es viele gescheiterte Stars mit ihren Allüren, Eskapaden und Outings in der Regenbogenpresse immer wieder tun, um eine Restaufmerksamkeit am Markt zu erbetteln. Ich gescheitert? Nein! Ein verpfuschtes Leben? Nein! Nur insofern, als ich rückblickend gesehen aus meinem Leben viel mehr hätte machen können: Sinnvolleres und Wertvolleres für mich und die Menschheit. Aber wahrscheinlich mit viel weniger Spaß daran für mich – und viele andere.
Unklar war mir lange, wo ich meine Erzählung beginnen soll. Wie bei einer Bewerbung mit ‚Ich wurde in … geboren, besuchte die …-Schule, leistete den Wehrdienst beim …-Bataillon‘ usw.?
Ich denke, das ist nicht das, was Sie sich von einem Erotik-Krimi erwarten. Wohl eher, dass ich ohne alle Tabus, moralinsaure Scham und political correctness von meinen ‚Schandtaten‘ berichte.
Lassen Sie mich also dort beginnen, wo Erotik und ein gewisser großzügiger Umgang mit der Anständigkeit und Ehrlichkeit in grenzkriminellem Rahmen für mich schlagend wurden.
Kap_2 Hoteldienst
Ich stand gelangweilt wie all die letzten Tage adrett livriert an der Hotelpforte und wartete darauf, den ankommenden Gästen devot die Autotüre zu öffnen und ihnen dann, je nach Wunsch und Notwendigkeit, beim Aussteigen zu helfen und das Handgepäck abzunehmen. Denn viele unserer Gäste waren bereits in fortgeschrittenem Alter oder erwarteten sich allein aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung eine derartige Bedienung. Immerhin war das Hotel, in dem sie abstiegen, eines der nobelsten und teuersten in ganz Wien.
Sodann hatte ich die Herrschaften zur Rezeption zu geleiten und sie dort dem Rezeptionisten zu übergeben. Während der Anmeldeprozedur musste ich, falls die Herrschaften mit dem Taxi gekommen waren, deren Gepäck in das Foyer hereintragen. Nach Übergabe des Schlüssels hatte ich die Personen zum Lift und bis zu ihrem Zimmer zu führen und zu fragen, ob sie mit dem Zimmer zufrieden wären. Erst danach brachte ich das Gepäck aus dem Foyer nach. Falls sie mit dem eigenen oder geliehenen Fahrzeug vorgefahren waren, war es für mich stressiger, weil ich zusätzlich noch den Wagen in die hoteleigene Garage überstellen und das vielfach recht umfangreiche Gepäck von dort bis zum Zimmer, also sehr viel weiter, schleppen musste.
In beiden Fällen wurde die meist nicht unerhebliche Mühe mit einem Trinkgeld belohnt. Jedenfalls hatte ich inzwischen gelernt, wie man es aufdringlich unaufdringlich anstellt darauf hinzuweisen, dass es hierorts üblich ist, Trinkgeld zu geben und man sich als Page daher ein solches berechtigterweise erwartet.
Eben fuhr ein älteres Paar mit einem Leihwagen vor, einem schwarzen Mercedes 220. Also offenbar Leute, mit Geld und Standesbewusstsein. Ich eilte die beiden Stufen nach unten, öffnete die Türe auf der Beifahrerseite und bot der dort sitzenden Dame meine Hand als Hilfe beim Aussteigen an. Diese ergriff sie allerdings nicht und stieg allein aus. Dabei sagte sie mit einem schelmischen Lächeln um ihren dezent geschminkten Mund:
„Junger Mann, Sie machen mich mit Ihrem Hilfsangebot älter als ich bin. Wollen Sie das?“
Ich war verdutzt und antwortete nach einer kleinen Verlegenheitspause:
„Natürlich nicht, gnädige Frau. Es gebietet einfach die Höflichkeit.“
„… oder Ihre Dienstanweisung. Habe ich Recht?“
„Natürlich auch“, stotterte ich. Was sollte ich sonst sagen.
Zum Glück wurde die Unterhaltung unterbrochen, weil inzwischen der Fahrer ausgestiegen war – ganz ohne jede Hilfe. Dabei hätte dieser in seinem Alter, noch dazu mit seinem Handkoffer aus Krokodilleder unter dem Arm, viel eher (m)ein Hilfeangebot gerechtfertigt. Denn er war unzweifelhaft deutlich älter als die Dame. Nach meinem Dafürhalten gut und gern 15 Jahre.
Er drückte mir den Autoschlüssel in die Hand, ergriff die Dame beim Ellbogen und drängte diese so, die Unterhaltung mit mir einzustellen und mit ihm das Hotel zu betreten. Ich eilte voraus, um die Tür aufzuhalten und sie zur Rezeption zu geleiten.
An der Rezeption tat heute der Chefrezeptionist Dienst, ein Mann mit schon schütterem, angegrautem Haar. Trotz seines so ins Auge springenden Alters verfügte er über ein phantastisches Namens- und Personengedächtnis. Er erkannte sogar Gäste, die vor vielen Jahren nur für ein einziges Mal hier abgestiegen waren, meist sofort wieder und sprach sie mit Namen samt allen zugehörigen Titeln an. Und das immer so, wie es sich diese Leute erwarteten. Eher jovial bei vielen Künstlern und Sportlern, devot bei Politkern und altmodisch gespreizt bei den blaublütigen Gästen.
Auch heute begrüßte er die beiden eben angekommenen Gäste wie Altbekannte und deutete mir mit einer knappen Handbewegung, dass diese das Zimmer allein finden würden und ich mich um das Fahrzeug kümmern und dann das Gepäck auf das Zimmer bringen solle. Um welches es sich handelt, war mir klar, als er den Zimmerschlüssel aus dem deutlich beschrifteten Fach herausnahm. Daher kehrte ich unverzüglich zum Fahrzeug zurück, um es von der Hotelauffahrt wegzubringen und in der Garage abzustellen.
Beim Überführen des Fahrzeuges schwitzte ich Blut und verfluchte zum wiederholten Mal den Architekten, der die Garage geplant hatte. Lenken Sie, liebe Leserin oder lieber Leser, einmal ein Ihnen in seinen Dimensionen und im Handling ungewohntes Auto um die engen Kurven und Stützen und parken es dann auf einem der minimalistisch bemessenen Parkplätze ein. Und das natürlich ohne jede Schramme! Und dann zwängen Sie die riesigen Koffer zwischen den geparkten Fahrzeugen durch – wieder ohne jede Schramme!
Und das alles zu einem Gehalt, von dem man kaum leben kann. Vielleicht verstehen Sie nun, dass ich auf Trinkgeld angewiesen bin und nicht weggehe, bevor ich eines erhalten habe. Wenn Sie, liebe Leserin und lieber Leser, aber glauben, dass dieses bei der sicher nicht armen Kundschaft unseres Hotels großzügig ausfällt, haben Sie sich getäuscht. Meist stimmt die Volksweisheit: ‚Von den Millionären kann man das Sparen lernen.‘
So dauerte es gut und gern 10 Minuten, bis ich mit dem Gepäck, drei großen Koffern, vor Zimmer 311 stand und klopfte. Eine mir schon bekannte Stimme bat mich einzutreten, um mich gleich rügend zu fragen:
„Wo sind Sie denn die ganze Zeit geblieben, junger Mann?“
„Entschuldigen Sie vielmals, gnädige Frau“, sagte ich wie schon zig Male davor. „Unsere Garage ist derart verwinkelt verbaut, dass das Ein- und Ausparken eine wirklich schwierige und gefährliche Angelegenheit ist.“
„Warum gefährlich?“
„Nun, weil immer die Gefahr besteht, dass man an einer der Stützen oder einem der geparkten Fahrzeuge anschrammt. Und das wollen Sie sicher ebenso wenig wie all die anderen Gäste. Sie werden es ja selbst erleben, wenn Sie wieder abreisen.“
„Oh, das ist erst in drei Tagen. Und nach dieser Warnung werde ich mich hüten, selbst aus der Garage zu fahren. Das werden wohl Sie oder mein Mann tun. Übrigens war mein Mann gar nicht erfreut, dass das Gepäck nicht und nicht kam. Er wollte sein von der Autofahrt doch ein wenig verdrücktes Sakko vor dem Meeting noch wechseln.“
„Oh, das tut mir leid. Aber wie gesagt – daran trage ich keine Schuld. Ich hoffe, dass er mit seinem zerknitterten Sakko keinen schlechten Eindruck hinterlassen wird.“
„Das hoffe ich auch“, pflichtete mir die Dame bei.
Jetzt, wo ich sie aus nächster Nähe sah, verstand ich noch mehr, warum sie meine zur Hilfe angebotene Hand zurückgewiesen hatte. Sie war wirklich noch nicht in einem Alter, wo man Hilfe benötigt. Ich schätzte sie auf knapp über 50, wohl wissend, wie schwer es ist, das Alter einer gepflegten Frau, wie sie es war, richtig einzuschätzen.
Die Augenlider waren leicht bläulich getönt und die in einem warmen, aber nicht grellen Rot gehaltenen Lippen forderten dezent aber unübersehbar auf: ‚Küss mich‘. Kurz gesagt: Sie war sehr attraktiv und gepflegt, aber nicht überschminkt.
Allfällige erste weiße Haare gingen in der hoch toupierten goldenen Haarpracht mit leicht rötlichem Stich unter, und die samten-glatte Gesichtshaut bezeugte, dass sie regelmäßig eingecremt und jeder Makel sofort entfernt wurde. Die Lachfalten um die Augen waren nur angedeutet, ebenso wie die Falten am Hals und Dekolleté, die zumeist untrüglich das wahre Alter verraten. Ich weiß, wovon ich rede, weil ich gern unsere Gäste taxiere und dann in der Rezeption überprüfe, ob ich richtig liege mit meiner Schätzung.
„Sind Sie fertig mit Ihrer Einschätzung meiner Person“, unterbrach mich die Frau mit dem gleichen schelmischen Schmunzeln, das sie schon beim Aussteigen gezeigt hatte.
Auf frischer Tat ertappt lief ich rot an und stotterte: „Entschuldigung! Aber ich habe eben verifiziert, dass Sie beim Aussteigen völlig Recht hatten. Sie brauchen wirklich keine Hilfe. Sie sind zu jung dafür. Und …“
„Was und?“
„… dabei sah ich, dass Sie nicht nur jung, sondern zudem eine außerordentlich attraktive und gepflegte Frau sind. Ihr Mann kann sich glücklich schätzen, Sie an seiner Seite zu haben.“
Die Frau sah mich plötzlich nicht nur oberflächlich, sondern nachdenklich an. Irgendetwas hatte ich da losgetreten, ohne zu wissen, was. Daher bemühte ich mich eilig das gleich wieder zu reparieren.
„Ich bin Ihnen hoffentlich mit meinen Worten nicht zu nahe getreten, gnädige Frau. Wenn doch, entschuldigen Sie bitte meine Distanzlosigkeit. In einem Hotel wie diesem ist das strengstens untersagt.“
Die Frau sah mich weiter ernst an und schien zu überlegen. Nach einer langen Nachdenkpause huschte wieder das schon bekannte schelmische Lächeln über ihr Gesicht und sie sagte:
„Junger Mann. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Einer älteren Frau wie mir tut es durchaus gut zu hören, dass ein junger Mann von vielleicht 20 Jahren mich attraktiv findet, mich, eine dreimal so alte Frau. Mehr noch: ich würde dies gerne öfter hören. Daher habe ich einen Vorschlag.“
„Und der wäre?“, fragte ich verunsichert.
„Nun, mein Mann und ich sind für drei Tage hier in Wien. Ich kenne die Stadt nicht, würde diese aber gerne kennenlernen. Anders gesagt. Ich könnte gut jemanden brauchen, der mir die Stadt zeigt. Sind Sie, junger Mann, ein Wiener, oder wenigstens jemand, der sich hier gut auskennt?“
„Ja, das bin ich.“
„Würden Sie mir die Stadt zeigen, mich herumführen? Natürlich gegen Bezahlung.“
„Ja, schon. Jedenfalls in meiner dienstfreien Zeit.“
„Und wann ist die?“
„Ich habe diese Woche Frühschicht, also von 6 Uhr morgens bis 14 Uhr Dienst. Danach habe ich frei.“
„Ganz frei? Wartet keine Familie oder Freundin auf Sie?
„Nein. Ganz frei. Ich bin solo. Aber wie steht es mit Ihnen? Will nicht Ihr Mann mit Ihnen Wien erkunden, abends in die Oper, in ein Theater oder zu einem der berühmten Heurigen gehen? Irgendwas wird er ja wohl mit Ihnen unternehmen wollen, wenn er Sie hierher mitnimmt. Oder?
„Ja. Das wollte er ursprünglich auch. Aber dann kamen noch zusätzliche Termine herein. Daher geht das nun nicht. Er jagt von einem geschäftlichen Termin zum anderen, von einem abendlichen Essen mit Geschäftsfreunden zum anderen. Gerade mal zum Schlafen wird er spät abends hierherkommen und nach dem Frühstück wieder gehen. Kurz: Ich bin hier fast das, was man eine Strohwitwe nennt.“
Mit diesen Worten holte sie ihr Portemonnaie heraus und drückte mir 100 Schilling in die Hand.
„Das ist für das Auto einparken und ein paar Koffer schleppen zu viel, gnädige Frau“, protestierte ich scheinheilig. Denn in Wahrheit war ich hocherfreut über das geradezu fürstliche Trinkgeld.
„Dann nehmen Sie es als Anzahlung für Ihre Tätigkeit als mein persönlicher Stadtführer. Und kommen Sie um 14 Uhr wieder hierher! Abgemacht?“
Ich nickte. Daraufhin ergriff sie mit ihrer warmen, ungemein weichen Hand meine, drückte sie zart als Zeichen unserer Vereinbarung und schob mich aus dem Zimmer.
Ich blieb noch eine Weile vor der Tür stehen, gleichzeitig verwirrt und neugierig, was mich heute und in den nächsten drei Tagen erwarten würde. Der Beginn war jedenfalls sehr verheißungsvoll.
Kap_3 Führerdienste
Knapp nach 14 Uhr klopfte ich an der Tür zu Zimmer 311. Diesmal nicht in meinem Livree, sondern im Alltagsgewand. Beim Umziehen in meinem Dienstzimmer hatte ich mich für eine lange Stoffhose aus einem dünnen, ochsenblutfärbigen Wollstoff und ein weißes Hemd entschieden, dessen lange Ärmeln ich aber hochgekrempelt hatte, um den Blick auf meinen trainierten Bizeps zu ermöglichen. In meiner Hosentasche hatte ich zudem eine ‚Fliege‘ eingesteckt. Mit dieser Kleidung hielt ich mich für alle Eventualitäten gerüstet, vom Besuch einer Kirche bis zum Spielcasino, vom Schickimicki-Lokal bis zum urigen Heurigenlokal.
„Kommen Sie herein“, tönte es von innen, was ich mir nicht zweimal sagen ließ.