Der Tod im Kasino - S. S. Van Dine - E-Book

Der Tod im Kasino E-Book

S. S. Van Dine

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Beschreibung

Philo Vance erhält einen merkwürdigen Brief: Der anonyme Schreiber kündigt an, in der wohlhabenden und berühmten New Yorker Familie Llewellyn werde demnächst ein schlimmes Verbrechen geschehen. Der Privatdetektiv soll sich in ein bekanntes Kasino in der Upper West Side begeben. Dort erlebt Vance tatsächlich, wie der junge Lynn Llewellyn zusammenbricht – offenbar nach einem Giftanschlag. Während Llewellyn überlebt, stirbt seine Frau noch in der gleichen Nacht, ebenfalls nach einer Vergiftung. Vance ermittelt – dann passiert ein weiterer Giftmord … Dieser Krimi aus der Philo-Vance-Reihe wurde 1935 erfolgreich verfilmt. Mit dieser Ausgabe bei krimischaetze.de ist die Original-Übersetzung erstmals als E-Book verfügbar. In Zukunft werden bei www.krimischaetze.de regelmäßig weitere Titel erscheinen - überarbeitet, in neuer Rechtschreibung und mit erklärenden Fußnoten versehen. krimischaetze.de Null Papier Verlag

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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S. S. Van Dine

Der Tod im Kasino

Ein Fall für Philo Vance. Kriminalroman aus New York.

S. S. Van Dine

Der Tod im Kasino

Ein Fall für Philo Vance. Kriminalroman aus New York.

(The Casino Murder Case)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] EV: Goldmann, Bern; Leipzig; Wien, 1935 2. Auflage, ISBN 978-3-954184-78-1

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Über kri­mis­chaet­ze.de

Über den Au­tor

Über den Ro­man­hel­den Phi­lo Van­ce

Über die­ses Buch

Han­deln­de Per­so­nen

1. Der an­ony­me Brief

2. Das Ka­si­no

3. Die ers­te Tra­gö­die

4. Das Zim­mer der to­ten Frau

5. Gift!

6. Ein Schrei in der Nacht

7. Noch mehr Gift

8. Der Arzneischrank

9. Eine schmerz­haf­te Be­fra­gung

10. Der Ob­duk­ti­ons­be­richt

11. Was­ser­scheu

12. Van­ce un­ter­nimmt eine Rei­se

13. Eine ver­blüf­fen­de Ent­de­ckung

14. Das wei­ße Eti­kett

15. Die Zwei-Uhr-Verab­re­dung

16. Die Schluss­tra­gö­die

Dan­ke

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Ihr Jür­gen Schul­ze

kri­mis­chaet­ze.de

Der Drachen­teich

Fräu­lein Ban­dit

Die blaue Spur – Mau­ri­ce Wal­li­on er­mit­telt

Das ver­schwun­de­ne Haus

Der Tod im Ka­si­no

Der Mann vom Meer

Auf der Flucht

Die wei­ße Nel­ke

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Über krimischaetze.de

Kri­mi­nal­ro­ma­ne sind heut­zu­ta­ge er­folg­reich wie nie. Kri­mi-Klas­si­ker? Da den­ken die meis­ten so­fort an Aga­tha Chris­tie (1890-1976) oder Ed­gar Wal­lace (1875-1932). Tat­säch­lich ge­hör­ten die bri­ti­schen Au­to­ren zu den ers­ten, die in den »wil­den« 1920er Jah­ren ins Deut­sche über­setzt wur­den. Kri­mi-Fans ken­nen oft auch den Schwei­zer Fried­rich Glau­ser (1896-1938), den Na­mens­ge­ber des Glau­ser-Prei­ses -- eine der wich­tigs­ten Aus­zeich­nun­gen für deutsch­spra­chi­ge Kri­mi-Au­to­ren. Wie viel­fäl­tig die Kri­mi-Sze­ne in der Wei­ma­rer Re­pu­blik war, ist in der brei­ten Öf­fent­lich­keit je­doch voll­kom­men in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten. Für kri­mis­chaet­ze.de ha­ben sich Jür­gen Schul­ze, Ver­le­ger des Null Pa­pier-Ver­la­ges, und Se­bas­ti­an Brück, Au­tor und Jour­na­list, zu­sam­men­ge­tan, um alte Kri­mi-Best­sel­ler neu zu ent­de­cken und als E-Book ver­füg­bar zu ma­chen -- über­ar­bei­tet, in neu­er Recht­schrei­bung und mit er­klä­ren­den Fuß­no­ten ver­se­hen.

Das kri­mis­chaet­ze.de-Pro­gramm star­tet zu­nächst mit sechs Ti­teln -- so­wohl Über­set­zun­gen aus dem Eng­li­schen (S.S. Van Dine) und Schwe­di­schen (Ju­li­us Re­gis), als auch deutsch­spra­chi­ge Ori­gi­na­le: In je zwei Fäl­len er­mit­teln Phi­lo Van­ce, der »ame­ri­ka­ni­sche Sher­lock Hol­mes«, und Mau­ri­ce Wal­li­on, der »De­tek­tivre­por­ter« und »Ur­va­ter« von Stieg Lars­sons »Mil­le­ni­um«-Pro­tago­nist Mi­kael Blom­qvist. Eben­falls ver­tre­ten sind die ver­ges­se­nen Wer­ke zwei­er jü­di­scher Au­to­ren: Die in Bu­da­pest, Pa­ris und San Se­bas­tián spie­len­de Kri­mi­ko­mö­die »Fräu­lein Ban­dit« des Ös­ter­rei­chers Jo­seph Del­mont so­wie der hu­mor­vol­le Kri­mi­nal­ro­man »Das ver­schwun­de­ne Haus -- oder: Der Ma­ha­ra­dscha von Bre­cken­dorf« des Frank­fur­ters Karl Ett­lin­ger.

In Zu­kunft wer­den bei www.krimischaetze.de re­gel­mä­ßig wei­te­re Ti­tel er­schei­nen.

Über den Autor

Noch heu­te wird S.S. Van Dine im­mer wie­der ge­mein­sam mit Au­to­ren wie Aga­tha Chris­tie oder Do­ro­thy L. Sayers als Mit­be­grün­der des gol­de­nen Zeit­al­ters des Kri­mi­nal­ro­mans ge­nannt. Wil­liam Hun­ting­ton Wright -- so lau­tet der ech­te Name des US-Au­tors -- wähl­te für sei­ne Kri­mi­nal­ro­ma­ne ein fik­ti­ves Ich-Er­zäh­ler-Pseud­onym: »Van« ist sein drit­ter Vor­na­me und nicht mit dem nie­der­län­di­schen Adelsprä­di­kat zu ver­wech­seln, »S.S.« steht für »steam­ship« (Deutsch: »Dampf­schimpf«).

Wright wur­de 1888 in Vir­gi­nia ge­bo­ren, wo sei­ne El­tern ein Ho­tel führ­ten. Er stu­dier­te mit mä­ßi­gem Er­folg an drei Col­le­ges, un­ter an­de­rem in Har­vard. Da­nach ging er für ein Kunst­stu­di­um nach Mün­chen und Pa­ris. Zu­rück in den USA mach­te er sich in den 1910er Jah­ren einen Na­men als Li­te­ra­tur- und Kunst­kri­ti­ker für die Los An­ge­les Ti­mes so­wie als Re­dak­teur ei­nes Li­te­ra­tur­ma­ga­zins. Au­ßer­dem ver­öf­fent­lich­te er ein Fach­buch über Fried­rich Nietz­sche (»What Nietz­sche Taught«, 1915) -- ein kom­men­tier­ter Über­blick über alle Wer­ke des deut­schen Phi­lo­so­phen -- so­wie meh­re­re Kurz­ge­schich­ten.

Sei­ne Kar­rie­re als Kri­mi-Au­tor be­gann in New York, als er von sei­nem Arzt eine zwei­jäh­ri­ge Bett­ru­he ver­ord­net be­kam -- of­fi­zi­ell auf­grund von Herz­pro­ble­men, tat­säch­lich in Fol­ge sei­ner heim­li­chen Ko­kain­sucht. In die­ser Zeit, ab 1923, wühl­te er sich in­ten­siv durch das Gen­re der Kri­mi­nal- und De­tek­tiv­li­te­ra­tur, die da­mals in li­te­ra­ri­schen Zir­keln einen schlech­ten Ruf hat­te. Wright er­schuf als Ge­gen­pol sei­nen aus der rei­chen und ele­gan­ten Ge­sell­schaft stam­men­den Pro­tago­nis­ten Phi­lo Van­ce, der schnell zum er­folg­reichs­ten Kri­mi-Er­mitt­ler sei­ner Zeit avan­cier­te, bis er ab 1939 -- dem Jahr in dem Wright verstarb -- all­mäh­lich von Ray­monds Chand­lers De­tek­tiv Phi­lip Mar­lo­we ab­ge­löst wur­de.

Über den Romanhelden Philo Vance

Ein ame­ri­ka­ni­scher Sher­lock Hol­mes der 1920er und 1930er -- bis heu­te ist Phi­lo Van­ce im­mer wie­der mit die­sem Eti­kett ver­se­hen wor­den. In der Tat er­in­nert schon die Er­zähl­wei­se an Ar­thur Co­nan Doy­le: In die­sem Fall heißt der Chro­nist nicht Dr. Wat­son, son­dern S.S. Van Dine -- ein gu­ter Freund von Phi­lo Van­ce und des­sen Be­ra­ter und Pri­vat­se­kre­tär.

Phi­lo Van­ce ist Mit­te drei­ßig, groß und kräf­tig, scharf ge­schnit­te­ne Ge­sichts­zü­ge, graue Au­gen -- ein durch­aus at­trak­ti­ver Mann, aber kein Schön­ling. Zu­wei­len wirkt er et­was sno­bis­tisch und di­stan­ziert. Dazu pas­sen auch die stets ta­del­lo­se Klei­dung, sei­ne pri­va­te Kunst­samm­lung so­wie ex­klu­si­ve In­ter­es­sen wie Polo, Hun­de­zucht oder Bo­gen­schie­ßen. Die­ser Typ New Yor­ker kann nur aus der obe­ren Ge­sell­schafts­schicht der Me­tro­po­le stam­men.

Van­ce hat im bri­ti­schen Ox­ford stu­diert, ist durch eine Erb­schaft fi­nan­zi­ell un­ab­hän­gig und wohnt mit sei­nem But­ler Cur­rie in der 38. Stra­ße Ost in ei­nem lu­xu­ri­ösen Stadt­haus -- ein so­ge­nann­tes Brown­sto­ne mit Dach­gar­ten. Durch sei­ne lang­jäh­ri­ge Freund­schaft mit dem Be­zirks­staats­an­walt John Mark­ham wird Phi­lo Van­ce im­mer wie­der in span­nen­de Kri­mi­nal­fäl­le hin­ein­ge­zo­gen. Auch Ser­geant Heath, Lei­ter der Mord­kom­mis­si­on des New York Po­li­ce De­part­ment (NYPD), greift ger­ne auf den Scharf­sinn und die hohe Bil­dung des Ama­teur­de­tek­tivs zu­rück. Kri­mi­nal­fäl­le als in­tel­lek­tu­el­le Her­aus­for­de­rung: In­di­zi­en sam­meln, Fak­ten ana­ly­sie­ren -- dar­in ist Phi­lo Van­ce ähn­lich gut wie ei­ni­ge Jahr­zehn­te vor ihm Sher­lock Hol­mes.

Nach dem durch­schla­gen­den Er­folg der Kri­mi-Rei­he wur­den von 1929 bis 1947 ins­ge­samt fünf­zehn Fil­me mit wech­seln­den Phi­lo Van­ce-Dar­stel­lern ge­dreht. Ein­mal (1930) über­nahm auch der Ame­ri­ka­ner Ba­sil Ra­th­bo­ne die Rol­le, der ein paar Jah­re spä­ter als Sher­lock Hol­mes-Dar­stel­ler welt­be­rühmt wer­den soll­te. Auch für das Ra­dio wur­den die Phi­lo Van­ce-Kri­mis ad­ap­tiert, NBC brach­te in den 1940er Jah­ren drei Hör­spiel­se­ri­en.

Ei­ni­ge Jahr­zehn­te spä­ter gab es das ers­te Re­vi­val: 1974 wag­te das ita­lie­ni­sche Fern­se­hen eine fil­mi­sche Neu­auf­la­ge und dreh­te eine drei­tei­li­ge Mini-Se­rie, 2002 ent­stand ein tsche­chi­scher TV-Film.

Über dieses Buch

Phi­lo Van­ce er­hält einen merk­wür­di­gen Brief: Der an­ony­me Schrei­ber kün­digt an, in der wohl­ha­ben­den und be­rühm­ten New Yor­ker Fa­mi­lie Lle­wel­lyn wer­de dem­nächst ein schlim­mes Ver­bre­chen ge­sche­hen. Der Pri­vat­de­tek­tiv soll sich in ein be­kann­tes Ka­si­no in der Up­per West Side be­ge­ben. Dort er­lebt Van­ce tat­säch­lich, wie der jun­ge Lynn Lle­wel­lyn zu­sam­men­bricht -- of­fen­bar nach ei­nem Gift­an­schlag. Wäh­rend Lle­wel­lyn über­lebt, stirbt sei­ne Frau noch in der glei­chen Nacht, eben­falls nach ei­ner Ver­gif­tung. Van­ce er­mit­telt -- dann pas­siert ein wei­te­rer Gift­mord ...

Die­ser Kri­mi aus der Phi­lo-Van­ce-Rei­he wur­de 1935 er­folg­reich ver­filmt. Mit die­ser Aus­ga­be bei krimischaetze.de ist die Ori­gi­nal-Über­set­zung erst­mals als E-Book ver­füg­bar.

Handelnde Personen

Phi­lo Van­ce: Pri­va­ter Er­mitt­ler in New York.

S.S. Van Dine: Pri­vat­se­kre­tär von Phi­lo Van­ce und im Hin­ter­grund blei­ben­der Ich-Er­zäh­ler. Wird von Phi­lo Van­ce mit sei­nem drit­ten Vor­na­men »Van« an­ge­spro­chen.

John Mark­ham: Be­zirks­staats­an­walt von New York.

Ser­geant Heath: Lei­ter der Mord­kom­mis­si­on des New York Po­li­ce De­part­ment (NYPD)

Mrs. Anthony Lle­wel­lyn: Wit­we und Ober­haupt ei­ner wohl­ha­ben­den und be­rühm­ten New Yor­ker Fa­mi­lie.

Richard Kin­kaid: Ihr Bru­der und Be­sit­zer ei­nes stadt­be­kann­ten Ka­si­nos in der Nähe der West End Ave­nue.

Lynn Lle­wel­lyn: Ihr Sohn, be­kannt für sei­ne Spi­el­lei­den­schaft.

A­me­lia Lle­wel­lyn: Ihre Toch­ter, Kunst­stu­den­tin.

Vir­gi­ni­na Lle­wel­lyn, ge­bo­re­ne Vale: Lynn Lle­wel­lyns Ehe­frau, ehe­ma­li­ge Ope­ret­ten­sän­ge­rin.

M­or­gan Blood­good: Chef­crou­pier in Kin­kai­ds Ka­si­no.

Dr. Al­lan Kane: Freund der Fa­mi­lie Lle­wel­lyn

Dr. Ro­gers: Me­di­zi­ner

Dr. Hil­de­brandt: Ei­ner der bes­ten To­xi­ko­lo­gen der Ve­rei­nig­ten Staa­ten.

Dr. Ema­nu­el Do­re­mus: New Yor­ker Po­li­zei­arzt und Lei­chen­be­schau­er

Hen­nes­sey, Snik­tin, Sul­li­van, Bur­ke: De­tec­ti­ves des NYPD

Cur­rie: Eng­li­scher But­ler und Haus­meis­ter von Phi­lo Van­ce

1. Der anonyme Brief

(Sonn­abend, 15. Ok­to­ber, 10:00 Uhr)

Die­se Ge­schich­te be­ginnt mit ei­nem Brief, der am Sonn­abend, dem 15. Ok­to­ber, mor­gens mit der Post kam und aus zwei mit Ma­schi­ne ge­schrie­be­nen Sei­ten be­stand. Ich be­trach­te­te den Um­schlag und sah, dass er in Clos­ter, New Jer­sey, auf­ge­ge­ben und am vor­her­ge­hen­den Tag ge­gen zwölf Uhr mit­tags ab­ge­stem­pelt wor­den war. Van­ce hat­te sich am Frei­tag­abend lan­ge mit sei­ner Lieb­lings­ar­beit be­schäf­tigt: Er hat­te die letz­ten Fun­de der me­so­po­ta­mi­schen Ex­pe­di­ti­on mit den bis­her be­kann­ten su­me­ri­schen Töp­fe­rei­en ver­gli­chen. Des­halb stand er erst um zehn Uhr auf. Ich wohn­te da­mals bei Van­ce in der 38. Stra­ße Ost. Ei­gent­lich war ich sein Rechts­bei­stand und Ver­mö­gens­ver­wal­ter, aber wäh­rend der letz­ten drei Jah­re hat­te sich mei­ne Stel­lung zu der ei­nes Ge­ne­ral­se­kre­tärs ent­wi­ckelt. »Stel­lung« ist viel­leicht nicht der rich­ti­ge Aus­druck, denn Van­ce und ich wa­ren gute Freun­de, seit­dem wir zu­sam­men auf der Har­vard-Uni­ver­si­tät stu­diert hat­ten. Die­se Freund­schaft ver­an­lass­te mich auch, die Ver­bin­dung mit der An­walts­fir­ma mei­nes Va­ters auf­zu­ge­ben und mich nur noch den An­ge­le­gen­hei­ten von Van­ce zu wid­men. Wie ge­wöhn­lich hat­te ich an die­sem rau­en, fast win­ter­li­chen Ok­to­ber­mor­gen die Post sor­tiert, ge­öff­net und alle Schrei­ben aus­ge­sucht, die ich al­lein be­ant­wor­ten konn­te. Ich war noch da­mit be­schäf­tigt, als Van­ce in die Biblio­thek kam. Er nick­te mir zu, dann setz­te er sich in sei­nen Lieb­lings­ses­sel vor dem of­fe­nen Ka­min.

An die­sem Mor­gen trug er ein kost­ba­res, al­tes Man­da­ri­nen­ge­wand und chi­ne­si­sche San­da­len. Ich sah ihn et­was er­staunt an, denn er er­schi­en nur sel­ten in sol­cher Klei­dung zum Früh­stück.

Die ers­te Mahl­zeit be­stand wie ge­wöhn­lich aus tür­ki­schem Kaf­fee, wozu er meh­re­re Zi­ga­ret­ten rauch­te. Als ich dem But­ler ge­klin­gelt hat­te, sag­te er: »Sieh mich doch nicht so über­rascht an, Van, als ob ich das ach­te Welt­wun­der wäre. Heu­te Mor­gen fühl­te ich mich sehr nie­der­ge­schla­gen, weil ich ver­schie­de­ne In­schrif­ten und Zeich­nun­gen auf den al­ten Ton­zy­lin­dern nicht ent­zif­fern konn­te. Ich habe schlecht ge­schla­fen und des­halb heu­te früh die­ses Ge­wand an­ge­legt, in der Hoff­nung, dass es mir et­was ori­en­ta­li­sche Ruhe gibt.«

In dem Au­gen­blick brach­te Cur­rie, der alte But­ler und Ma­jor­do­mus, den Kaf­fee her­ein. Nach­dem sich Van­ce eine Zi­ga­ret­te an­ge­steckt und an der Tas­se ge­nippt hat­te, sah er müde zu mir her­über.

»Ist et­was Be­son­de­res in der Post?«, frag­te er gleich­gül­tig.

Ich war so in­ter­es­siert an dem selt­sa­men an­ony­men Brief, der eben an­ge­kom­men war, dass ich ihm ohne eine Be­mer­kung das Schrei­ben hin­über­reich­te. Er hob leicht die Au­gen­brau­en und sah auf die rät­sel­haf­te Un­ter­schrift. Nach­dem er die Kaf­fee­tas­se auf den Tisch ge­setzt hat­te, las er den Brief lang­sam durch. Ich be­ob­ach­te­te ihn da­bei und sah einen merk­wür­di­gen Aus­druck in sei­nen Au­gen. Sein Er­stau­nen wuchs, und als er das Schrei­ben bis zu Ende durch­ge­le­sen hat­te, mach­te er ein erns­tes Ge­sicht.

Der Brief be­fin­det sich noch in Van­ces Ak­ten, und wie ich schon be­rich­te­te, war er mit der Ma­schi­ne ge­schrie­ben, aber der Schrei­ber hat­te we­nig Übung, was man an je­dem Wort und an je­der Zei­le fest­stel­len konn­te. Der In­halt lau­te­te:

Mein lie­ber Mr. Van­ce, ich bit­te Sie um Ihre Hil­fe, da ich mich in Schwie­rig­kei­ten be­fin­de. Auch im Na­men der Ge­rech­tig­keit und Men­sch­lich­keit wen­de ich mich an Sie. Ich ken­ne Ihren Ruf -- Sie sind der ein­zi­ge Mann in New York, der viel­leicht in der Lage ist, eine schreck­li­che Ka­ta­stro­phe zu ver­hü­ten, oder, wenn es zu spät dazu sein soll­te, den Schul­di­gen zur Re­chen­schaft zu zie­hen. Schwar­ze Schick­sals­wol­ken sam­meln sich schon seit Jah­ren über ei­ner Fa­mi­lie in New York, und ich weiß, dass der Ge­wit­ter­sturm nun los­bre­chen wird. Ge­fahr und Un­glück lie­gen in der Luft. Bit­te, las­sen Sie mich nicht im Stich, auch wenn ich Ih­nen ganz fremd bin. Was ge­sche­hen wird, weiß ich nicht. Wenn ich es wüss­te, wür­de ich mich selbst­ver­ständ­lich an die Po­li­zei wen­den. Aber falls sich amt­li­che Stel­len ein­misch­ten, wür­de der Ver­bre­cher ge­warnt wer­den und die be­ab­sich­tig­te Tat auf spä­ter ver­schie­ben. Ich wünsch­te, ich könn­te Ih­nen mehr sa­gen, aber dazu bin ich lei­der nicht in der Lage. Es ist al­les so un­ge­wiss, aber es herrscht eine un­heil­vol­le Span­nung, und es wird sich si­cher et­was Schreck­li­ches er­eig­nen. Las­sen Sie sich nicht durch den Schein ir­re­füh­ren. Sie müs­sen in die Tie­fe drin­gen und nicht nach ober­fläch­li­chen Ein­drücken ur­tei­len. Alle, die in die Sa­che ver­wi­ckelt sind, ha­ben einen ver­bre­che­ri­schen, hin­ter­lis­ti­gen und ver­schla­ge­nen Cha­rak­ter. Un­ter­schät­zen Sie die Be­tei­lig­ten nicht. Hier folgt al­les, was ich Ih­nen sa­gen kann.

Sie ha­ben den jun­gen Lynn Lle­wel­lyn ken­nen­ge­lernt, das ist mir be­kannt. Wahr­schein­lich ha­ben Sie auch von sei­ner Hei­rat er­fah­ren, die vor drei Jah­ren er­folg­te. Sei­ne Frau ist die schö­ne Ope­ret­ten­sän­ge­rin Vir­gi­nia Vale, die sei­net­we­gen ihre Büh­nen­lauf­bahn auf­gab. Lynn und sie woh­nen seit­dem in dem al­ten Haus der Fa­mi­lie. Aber die Hei­rat war ein Fehl­schlag; seit drei Jah­ren sam­meln sich Ge­wit­ter­wol­ken, und jetzt sind die Ver­hält­nis­se zu ei­ner Kri­se ge­kom­men, eine Ka­ta­stro­phe steht un­mit­tel­bar be­vor. Au­ßer den Lle­wel­lyns sind aber auch noch an­de­re be­tei­ligt.

Ei­nem von ih­nen droht schwe­re Ge­fahr -- ich weiß aber nicht ge­nau, wer es sein mag. Und mor­gen, am Sonn­abend, wird der Sturm los­bre­chen.

Sie müs­sen Lynn Lle­wel­lyn sorg­fäl­tig be­ob­ach­ten und die Be­wa­chung scharf durch­füh­ren.

Mor­gen Abend fin­det ein Es­sen im Hau­se Lle­wel­lyn statt, bei dem alle Be­tei­lig­ten zu­ge­gen sein wer­den Richard Kin­kaid, Mor­gan Blood­good, der jun­ge Lynn, sei­ne un­glück­li­che Frau, sei­ne Schwes­ter Ame­lia und sei­ne Mut­ter, de­ren Ge­burts­tag bei der Ge­le­gen­heit ge­fei­ert wer­den soll.

Es wird wahr­schein­lich schon beim Abendes­sen Aus­ein­an­der­set­zun­gen ge­ben, aber dar­an kön­nen Sie nichts än­dern. Schließ­lich kommt es auch nicht dar­auf an. Das Es­sen ist nur der Be­ginn, die Ka­ta­stro­phe tritt erst spä­ter ein.

Ich weiß be­stimmt, dass et­was Furcht­ba­res ge­sche­hen wird. Die Zeit ist reif, und das Un­glück lässt sich nicht mehr ab­wen­den.

Nach dem Es­sen wird Lynn Lle­wel­lyn in Kin­kai­ds Ka­si­no ge­hen, um dort zu spie­len. Das tut er je­den Sonn­abend, und ich weiß, dass auch Sie das Ka­si­no mehr­mals be­sucht ha­ben. Ich bit­te Sie also, mor­gen Abend dort zu sein, Sie müs­sen hin­ge­hen und Lynn Lle­wel­lyn scharf über­wa­chen. Las­sen Sie ihn nicht aus den Au­gen. Beo­b­ach­ten Sie auch Kin­kaid und Blood­good.

Sie wun­dern sich viel­leicht, dass ich selbst nichts in der An­ge­le­gen­heit un­ter­neh­me, aber ich kann Ih­nen nur die Ver­si­che­rung ge­ben, dass mei­ne Stel­lung und die nä­he­ren Um­stän­de mir das voll­kom­men un­mög­lich ma­chen.

Ich wünsch­te, ich könn­te Ih­nen Ge­nau­e­res mit­tei­len, aber al­les an­de­re müs­sen Sie selbst her­aus­fin­den.«

Die Un­ter­schrift war eben­falls mit der Ma­schi­ne ge­schrie­ben und lau­te­te: »Ei­ner, den es nahe an­geht.« Als Van­ce den Brief ein zwei­tes Mal ge­le­sen hat­te, lehn­te er sich in sei­nem Stuhl zu­rück und streck­te be­hag­lich die Bei­ne aus.