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Sein Auftrag war noch nicht beendet. Paulson wusste, dass er nicht viel Zeit hatte. Man würde die Leiche bald finden. Er stand gerade an einer Ampel in der Nähe seines Hotels, als er die Nachricht las: „Die Tochter. Finden Sie heraus, ob sie etwas weiß.“ Werner Dreyer, Professor für Altertumskunde, wird tot aufgefunden. Schnell verdichten sich die Hinweise, dass Dreyer keines natürlichen Todes gestorben ist. Vor seinem Tod hatte er kryptische Nachrichten an seine Tochter Helena geschickt; in ihnen deutete er an, eine fulminante Entdeckung gemacht zu haben, die die Wahrheit über die Ursprünge der Kultur Europas enthüllen würde. Helena versucht, die geheimen Botschaften ihres Vaters zu entschlüsseln. Gemeinsam mit ihrem Freund Tim will sie die Ursache für den Tod ihres Vaters ergründen. Ihre Suche führt sie bis in die Türkei. Doch die Mörder ihres Vaters haben sie längst im Visier und eine gnadenlose Verfolgungsjagd beginnt … Atemlos, abgründig, spannend: Ein über Jahrhunderte hinweg gehütetes Geheimnis, für das manche zu töten bereit sind! Jetzt als eBook: „Der Troja-Code“ von Turhan Boydak. dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 590
Über dieses Buch:
Werner Dreyer, Professor für Altertumskunde, wird tot aufgefunden. Schnell verdichten sich die Hinweise, dass Dreyer keines natürlichen Todes gestorben ist. Vor seinem Tod hatte er kryptische Nachrichten an seine Tochter Helena geschickt; in ihnen deutete er an, eine fulminante Entdeckung gemacht zu haben, die die Wahrheit über die Ursprünge der Kultur Europas enthüllen würde. Helena versucht, die geheimen Botschaften ihres Vaters zu entschlüsseln. Gemeinsam mit ihrem Freund Tim will sie die Ursache für den Tod ihres Vaters ergründen. Ihre Suche führt sie bis in die Türkei.
Doch die Mörder ihres Vaters haben sie längst im Visier und eine gnadenlose Verfolgungsjagd beginnt …
Atemlos, abgründig, spannend: Ein über Jahrhunderte hinweg gehütetes Geheimnis, für das manche zu töten bereit sind!
Über den Autor:
Turhan Boydak, 1974 in Damme geboren, war nach seinem Studium in leitenden Funktionen bei namhaften Unternehmen wie Amazon tätig. Anschließend gründete er eine Unternehmensberatung. Aufgrund seiner türkischen Wurzeln bereiste er schon in jungen Jahren regelmäßig die türkische Süd- und Westküste. Im Alter von elf Jahren besuchte er zum ersten Mal die Ruinen des sagenumwobenen Troja. Seither war in ihm die Leidenschaft für antike Geschichte und alte Hochkulturen entflammt. Dies inspirierte ihn zu seinem Debüt-Thriller Der Troja-Code.
Die Website des Autors: www.der-troja-code.de
Der Autor im Internet: www.facebook.com/turhanboydak.de
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Originalausgabe November 2013
Copyright © 2013 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de
Titelbildabbildung: © Thinkstockphoto/Hemera
ISBN 978-3-95520-383-2
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Turhan Boydak
Der Troja-Code
Roman
buch.de internetstores AG
Archaeology is politics. You cannot dig
into the past without disturbing what
people want the past to be.
Prof. John G. Younger, Dept. of Classics, Kansas University
München, 27. Mai, 19:10 Uhr
Das Wasser des Münchner Ungererbads war ungewöhnlich kalt.
Die ersten zwei Stufen, die ins Becken führten, ging Werner Dreyer noch schwungvoll hinab. Nur gerade soweit, dass das Wasser das obere Drittel seiner Oberschenkel bedeckte. Er hielt sich mit beiden Händen an den Seitenstreben der schmalen Aluminiumtreppe fest und zögerte noch einen kurzen Augenblick, auch die letzte Stufe hinabzusteigen.
Selbst nach über 35 Jahren, in denen er regelmäßig schwamm, wollte er den kurzen Moment des Schauderns, der sich unweigerlich einstellte, sobald der Wasserspiegel über die Bauchlinie schwappte, etwas hinauszögern. Dann aber ließ er sich vollständig ins Wasser gleiten und stöhnte kurz auf, als ihn die Kälte ergriff. Doch nach wenigen Sekunden empfand er die Kühle des Wassers nicht mehr als unangenehm.
Er setzte seine Schwimmbrille auf, tauchte vollständig unter Wasser und stieß sich kräftig mit beiden Beinen am Beckenrand ab. Er sah, wie der hellgeflieste Beckenboden zügig unter ihm entlang glitt, bis er wieder auftauchte und in ruhigem Tempo die erste Bahn zu kraulen begann.
Dreyer hatte sich schon vor langer Zeit angewöhnt, immer im Wechsel eine Bahn in der Kraultechnik zu schwimmen und die nächste in Rückenlage. Auf diese Weise hielt er in seinem hohen Alter länger durch.
Beim Schwimmen konnte Dreyer seine Gedanken am besten sortieren. Die erfrischende Kühle des Wassers und die sich wiederholenden, monotonen Armzüge hatten eine beruhigende Wirkung auf ihn.
An diesem Tag war das besonders wichtig, hatte er doch nur wenig Schlaf bekommen und am Vorabend das berühmte Glas Wein zu viel zu sich genommen. Zu einem guten Glas Rotwein musste man ihn in der Regel nicht erst überreden, aber üblicherweise blieb es bei dem einen Glas. Der vorige Abend hatte jedoch eine willkommene Ausnahme dargestellt.
Dreyer spürte bei jedem Schwimmzug, wie sehr ihm die Erschöpfung in Armen und Beinen steckte, während er die Geschehnisse des Abends vor seinem geistigen Auge Revue passieren ließ.
***
Seit nunmehr 31 Jahren hatte Professor Dreyer einen Lehrstuhl an der Fakultät für griechische und lateinische Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Mit jungen Menschen seine Leidenschaft für die großen Dichter und Denker des antiken Griechenlands und Roms zu teilen und sein Wissen weiterzugeben, bereitete ihm seit Beginn seiner Lehrtätigkeit große Freude. Schließlich hatten schon viele andere Gelehrte und Professoren vor ihm diese alten Texte und Kulturen weitergetragen und analysiert. Bei dem Gedanken, diese Tradition ein Stück weit fortzuführen, überkam ihn immer noch ein unbeschreibliches Glücksgefühl.
Seine offizielle Verabschiedung im Kollegenkreis stand zwar noch aus, aber seine Institutsmitarbeiter hatten ihn am Vorabend mit einem vorzeitigen Ausstand überrascht. Mit großer Freude hatte er die unerwartete Einladung seiner Mitarbeiter zu einem gemeinsamen Abendessen angenommen. Seine Doktoranden hatten ein thailändisches Restaurant ganz in der Nähe der Universität ausgesucht.
Der Abend begann mit einem kleinen Aperitif, auf den ein köstliches 3-Gänge-Menü und die ersten Gläser Rotwein folgten. Mit fortschreitendem Abend gaben seine Studenten mehr und mehr lustige Anekdoten aus dem Universitätsalltag preis. Gerade als die Stimmung den Höhepunkt erreichte, kamen zwei seiner Doktoranden, Steffen Lohnert und Maike Gernet, zurück an ihren Tisch. Maike hatte eine mit funkensprühenden Wunderkerzen bedeckte Torte in Händen, die sie vor Professor Dreyer auf den Tisch stellte. Steffen hielt einen Bilderrahmen in der Hand.
Dreyer hatte zwar damit gerechnet, dass ihm seine Studenten ein Abschiedsgeschenk machen würden. Dennoch war er sichtlich gerührt, was wahrscheinlich neben der einnehmenden Atmosphäre auch am für ihn ungewohnt hohen Alkoholkonsum lag. Als die Wunderkerzen erloschen waren, sah er, dass auf der Torte ein Bildmotiv mit dem Profil von Homer Simpson, der gelben Kult-Comicfigur, war. Er musste so herzhaft lachen, dass sich alle seine Mitarbeiter davon anstecken ließen und die ohnehin gute Stimmung in ein hysterisches Wettlachen auszuarten drohte.
Alle Professoren an der Fakultät hatten Spitznamen, die unter den Studenten hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand kursierten. Und Dreyer kannte seinen Spitznamen auch. Zu verdanken hatte er ihn unter anderem seinem inzwischen kaum noch als solchen zu bezeichnenden Haarwuchs. Vor allem aber seiner Vorliebe für den griechischen Dichter Homer, der sich den Namen mit der vierfingrigen Comic-Figur teilte. Seine Forschungen im Bereich der Dichtungen Homers, des ersten Dichters des Abendlandes, waren ihm durchaus ernst. Aber seine Studenten wussten, dass er genügend Humor besaß, um über diesen Scherz lachen zu können. Genau genommen fühlte er sich sogar ein wenig geschmeichelt, wusste er doch, dass viele seiner Kollegen mit wesentlich weniger schmeichelhaften Spitznamen wie Professor Eierkopf, Dr. Medusa oder Monaco Fatzke tituliert wurden. Auf ihre Art zeigten seine Studenten seiner Meinung nach sogar eine gewisse Wertschätzung ihm gegenüber, indem sie einen Sympathieträger wie Homer Simpson ausgewählt hatten. Vielleicht machte er sich da aber auch einfach etwas vor. Dennoch gefiel ihm der Gedanke besser als die Alternative: dass sich seine Studenten über ihn lustig machten.
Nachdem das erste große Gelächter abgeebbt war, riss Steffen kurzerhand das Wort an sich. Er hatte sich sichtlich bemüht, beim Sprechen ein Lallen zu vermeiden. Es war ihm allerdings nicht wirklich gelungen. Steffen wünschte ihm im Namen aller Mitarbeiter des Instituts einen spannenden Ruhestand, in den ihn das Bild, das er inzwischen Professor Dreyer übergeben hatte, begleiten sollte. Das Bild war eigentlich kein echtes Bild. Es war ein Filmplakat des Hollywood-Blockbusters Troja mit Brad Pitt, der erst wenige Jahre zuvor in den Kinos gelaufen war. Dreyer hatte ihn kürzlich im Fernsehen angeschaut und ihn durchaus unterhaltsam gefunden, wenn auch historisch nicht immer ganz korrekt. Die Gesichter auf dem Plakat waren aber nicht diejenigen der Schauspieler. Seine Studenten hatten offenbar mit einem Bildbearbeitungsprogramm das Konterfei von Brad Pitt mit dem von Professor Dreyer ausgetauscht. Und ihre eigenen Gesichter hatten sie auf die Körper der anderen Schauspieler im Hintergrund gesetzt.
Seine Studenten wussten, dass Professor Dreyer zumindest den ersten Teil seines Ruhestands in der Nähe der Ruinenstadt Troja verbringen wollte. In der heutigen Türkei.
Dreyer fiel es schwer, Tränen der Rührung, aber auch der Wehmut wegen seines näher rückenden Abschieds vom Institut zu unterdrücken. Schnell ging er reihum und umarmte jeden seiner Studenten am Tisch mit ein paar dankenden Worten.
Als er sich gerade wieder an seinen Platz setzen wollte, war er kurz aufgeschreckt. Der Raum war für eine Sekunde von einem durch Mark und Bein gehenden schrillen Geräusch erfüllt worden. Als Dreyer zur kleinen Bühne in der hinteren Ecke des Lokals sah, erkannte er den Grund: Steffen hatte ein Mikrofon in der Hand, das aufgrund einer Rückkopplung das unangenehme Geräusch verursacht hatte. In diesem Moment wurde Dreyer bewusst, dass der Abend noch lange nicht zu Ende war. Seine Mitarbeiter hatten sich offenbar noch weitere Abschiedsrituale für ihn einfallen lassen. Das Restaurant entpuppte sich zu fortgeschrittener Stunde als Karaoke-Bar. Und obwohl Professor Dreyer wusste, dass er von Natur aus nicht mit einer gesegneten Stimme ausgestattet war, wollte er kein Spielverderber sein. Somit gab er seine gesangliche Interpretation von Frank Sinatras My Way zum Besten. Irgendwie empfand er das als durchaus passend zum Abschluss seiner Universitätslaufbahn.
***
Während Dreyer seine nächste Wende in Angriff nahm, dachte er amüsiert an seinen Gesangsauftritt. Bis er sich von allen Studenten verabschiedet und endlich wieder zu Hause in seinem Bett gelegen hatte, war es schon weit nach zwei Uhr in der Nacht gewesen. Gleichzeitig überkam ihn ein kurzer Moment der Trauer, weil er diesen Moment nicht mehr mit seiner Frau Stefanie hatte teilen können. Er sah für einen kurzen Moment das lächelnde Gesicht seiner Frau vor seinem geistigen Auge.
Sie war vier Jahren zuvor bei einem Verkehrsunfall auf der A9 zwischen München und Nürnberg tödlich verunglückt.
Mein Gott. Schon vier Jahre ist das her, dachte er, während er in den wolkenverhangenen Abendhimmel blickte und seine Rückenschwimmzüge vollführte. Die Zeit rast nur so dahin.
Dreyer blickte betrübt zurück auf die Monate nach dem Unfalltod seiner Frau. Sie stellten ohne Zweifel die schwerste Zeit seines Lebens dar. Schließlich war seine Frau in den 40 Jahren zuvor seine größte Stütze und zeitlebens seine beste Freundin und Zuhörerin gewesen. Er dachte daran, dass es auch Stefanie war, die ihn zu seinem Hobby, dem Schwimmen, verholfen hatte. Sie hatte, lange bevor Dreyer sie kennengelernt hatte, an deutschen Jugendmeisterschaften im Brustschwimmen teilgenommen. Und bis zu Stefanies Tod gingen sie gemeinsam diesem Hobby nach.
Der Mensch, der ihm nach dem unerwarteten Tod seiner Frau, in dieser düsteren Phase seines Lebens, Halt gegeben hatte, war seine Tochter. Beim Gedanken an Helena verflog umgehend die Traurigkeit, die ihn aufgrund der Erinnerung an seine verstorbene Frau kurz übermannt hatte.
Helena war ihr einziges Kind. Die Schwangerschaft seiner Frau war in einer relativ späten Phase ihrer Ehe gekommen und daher völlig unerwartet gewesen. Zu einem Zeitpunkt, als sie im Grunde beide nicht mehr geglaubt hatten, dass sie ein Kind bekommen würden. Umso größer war die Freude über dieses Wunder gewesen. Und seit ihrer Geburt war Helena der Sonnenschein für ihn und seine Frau gewesen. Er erinnerte sich daran, dass sich einige seiner Kollegen wegen seiner Namenswahl über ihn lustig gemacht hatten.
«Helena? Ist das nicht etwas einfallslos für einen Altphilologen?», hatte ihn seinerzeit ein Professor aus dem Nachbarinstitut spöttisch gefragt.
Aber das war ihm egal. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er seine Tochter nach der mehrere Stunden dauernden Geburt in Armen gehalten hatte. In dem Augenblick, als er ihr das erste Mal ins Gesicht geblickt hatte, hatten ihn seine Gedanken wieder in Homers Epen entführt. Zur schönen Helena, die der Sage nach mit ihrem Liebhaber Paris nach Troja entflohen war. Auch seine Frau war sofort angetan von dem Namen, und fortan nannte er seine Tochter im Familienkreis nur noch «die schöne Helena».
Später am Abend würde er seine schöne Helena auch endlich wieder sehen, er wollte sie nachher noch vom Flughafen abholen. Sie hatte ihren Auslandsaufenthalt an der Cambridge Universität in England soeben abgeschlossen und würde wieder zurück nach München kommen, um ihr Geschichtsstudium im Wintersemester hier fortzusetzen. Ihm war bewusst, dass er nicht ganz schuldlos daran war, dass seine Tochter sich für diese Studienrichtung entschieden hatte. Als Helena noch ein Kind war, hatte er ihr statt der üblichen Gute-Nacht-Geschichten lieber von den Erzählwelten seiner Helden wie Homer oder Platon berichtet. Natürlich hatte er blutigere Passagen anfangs noch ausgelassen und diese erst nach und nach ergänzt, wenn er ihr auch noch im Teenager-Alter von den heroischen Geschichten des antiken Griechenlands und Roms berichtet hatte. Und weil er selber vor allem von Homers Troja-Erzählungen fasziniert war, hatte er seine Tochter auch schon in frühen Jahren mit auf seine Reisen in die Türkei genommen. Dort konnte er ihr zeigen, dass die Geschichten, die er ihr erzählt hatte, nicht nur in Büchern existierten, sondern wirklich sichtbar waren und zumindest teilweise real gewesen sein mussten.
Diese Geschichten, dachte er, müssen bei Helena die Faszination für die alten Kulturen ausgelöst haben. Heute lebte sie diese Faszination im Rahmen ihres Studiums vollends aus. Es erfüllte ihn mit Freude zu wissen, dass Helena sich zumindest mit ähnlichen Forschungsthemen beschäftigen würde, die auch ihn während seiner Laufbahn begeistert hatten. Allerdings ging Helena in ihrem Interesse für vergangene Zeiten noch etwas weiter zurück in der Geschichte als er. Während er seine Forschung insbesondere auf Schriften und Geschichten der Antike ausrichtete, hatte Helena sich dem Fach Vorgeschichte verschrieben, das noch weiter zurück in der Menschheitsgeschichte führt.
In Cambridge hatte Helena auch ihren Freund, Tim Spronk, kennengelernt. Tim war im Anschluss an sein Mathematik-Studium in Berlin im Rahmen seiner Promotion für einen einjährigen Forschungsaufenthalt ebenfalls nach Cambridge gegangen. Dreyer hatte Tim nur zweimal kurz während der Semesterferien im vergangenen Winter getroffen. Aber er hatte seiner Tochter ansehen können, wie glücklich sie mit ihm war, und mehr brauchte er nicht zu wissen. Tim würde ebenfalls am Abend aus Berlin anreisen, und Dreyer wollte beide vom Flughafen abholen und sie mit zu sich nach Hause nehmen. Er freute sich schon sehr, Helena wieder für ein paar Tage bei sich zu haben. Im vorigen Jahr waren die Treffen mit seiner Tochter aufgrund der Distanz nur auf wenige Wochenenden beschränkt gewesen.
Die schönste Nachricht aber hatte Helena ihm erst zwei Tage zuvor unterbreitet. Sie war im zweiten Monat schwanger. Dreyer wusste durchaus, dass Helena und Tim erst seit etwa einem Jahr ein Paar waren. Aber er wusste auch, dass er sich auf seine Tochter verlassen konnte. Sie fällte nie überstürzte Entscheidungen, sondern verstand es, ihren Lebensweg sorgsam zu planen. Der Gedanke, Großvater zu werden bereitete Dreyer mit seinen 67 Jahren keine größeren Schwierigkeiten. Im Gegenteil: Er konnte es kaum erwarten, wieder ein kleines Kind in seinen Armen zu halten. Das Einzige, was ihn etwas betrübte, war die Tatsache, dass er dieses Glück nicht mit seiner Frau teilen konnte.
Halbzeit, dachte Professor Dreyer, als er die zehnte Bahn beendete und am Beckenrand mit einem langen Armzug anschlug.
Seit ein paar Jahren machte er nach 500 Metern immer eine kurze Pause. Er war für sein fortgeschrittenes Alter zwar noch überdurchschnittlich fit, wie er meinte. In den letzten Jahren hatte aber auch er dem Kräfteverfall zunehmend Tribut zollen und seine übliche Tausend-Meter-Trainingsdistanz in zwei Abschnitte unterteilen müssen. So lehnte er sich auch heute an die Wand des Schwimmbeckens und atmete ruhig ein und aus.
Sein erster Blick ging zur großen weißen Uhr, die neben dem Aufsichtsturm des Bademeisters hing. 19:27 Uhr. Er war gut in der Zeit. Das Schwimmbad würde um 20 Uhr schließen. Bis dahin würde er seine zweite Trainingshälfte problemlos zurücklegen können. Er bemerkte, dass außer ihm kaum noch jemand im Becken war. Der Sommer hielt sich dieses Jahr in München noch etwas zurück. Dreyer vermutete, dass es den jugendlichen Menschenmassen, die sich im Hochsommer im Schwimmbad tummelten, noch zu frisch war.
«Umso mehr Platz habe ich für mein Training», sagte er leise und tauchte kurz seinen Kopf unter Wasser, um sich etwas Kühlung zu verschaffen.
An den hohen Bäumen, die das Gelände des Freibads umrahmten, rauschten die sattgrünen Blätter, als sie von einer kräftigen Windböe erfasst wurden. Der Wind blies kurz und kräftig über die Wasseroberfläche und kräuselte diese für einen Moment. Dreyer beobachtete die anderen Leute im Schwimmbecken.
Da war eine ältere, sehr übergewichtige Frau in einem dunkelblauen Badeanzug, die er um mindestens zehn Jahre älter schätzte als sich selbst. Sie hatte zwei kleine Kinder bei sich. Sie schwammen nicht, sondern spielten in dem Bereich des Beckens, wo das Wasser nicht so tief war. Sie hatten sich so aufgestellt, dass sie ein Dreieck bildeten, und warfen sich gegenseitig einen Ball aus Schaumstoff zu.
Vermutlich ihre Enkelkinder, dachte Dreyer und ließ seine Gedanken in die Zukunft schweifen. Er entschloss sich, seinem Enkelkind auch so früh wie möglich das Schwimmen beizubringen.
Die einzige andere Person, die Dreyer erblickte, war ein athletischer Mann. Dreyer schätzte dessen Alter auf Mitte oder Ende 30. Der Mann war gut gebräunt und hatte einen ausgezeichneten Schwimmstil. Schon zwei Tage zuvor war dieser ihm aufgefallen. Während seiner Halbzeitpause hatte er ihn einige Minuten lang beobachtet und die Eleganz, mit der dieser durchs Wasser zu gleiten schien, bewundert. Elegant, aber zugleich kraftvoll, korrigierte Dreyer seinen eigenen Gedanken.
Der Mann kam jetzt auf der Bahn neben der von Dreyer näher. Dreyer konnte nun auch bei jedem Armzug eine Tätowierung auf dem rechten Unterarm des Mannes erkennen. Es war wohl irgendein Datum. Aber er konnte es nicht entziffern, da das bei jedem Armzug aufspritzende Wasser eine klare Sicht auf die Tätowierung unmöglich machte. Er grübelte kurz, warum sich jemand ein Datum tätowieren ließ. Hochzeitstag? Geburtstag? Er gab das Ratespiel schnell wieder auf, weil er ohnehin keinen tieferen Sinn darin sah, sich etwas auf den Körper tätowieren zu lassen.
Dreyer spürte nun doch, dass er müder war als sonst, und fragte sich, ob das am Alter lag. Er verwarf den Gedanken aber rasch wieder und führte es auf den Alkohol vom Vorabend zurück. Ein leises Weinen unterbrach abrupt seine Gedanken. Er blickte neugierig zum Beckenrand und sah, dass die ältere Frau mit ihren beiden Enkeln beim Bademeister am Beckenrand stand. Das kleinere der beiden Mädchen weinte. Der hochgewachsene Bademeister kniete vor dem Kind und schaute sich eine blutende Wunde am Fuß an. Gleichzeitig schien er dem Kind ein paar tröstende Worte zuzuflüstern. Professor Dreyer mutmaßte, dass irgendjemand eine Flasche zerbrochen hatte, und dass das Kind in eine Scherbe getreten war. Während er noch über die Fahrlässigkeit mancher Mitbürger sinnierte, sah er, dass der Bademeister mit den beiden Kindern und der Großmutter im Schlepptau hinter einer Hecke verschwand. Sie gingen in Richtung Verwaltungsgebäude.
Wahrscheinlich braucht sie nur ein Pflaster, dachte Dreyer und entschloss sich, sein Training fortzuführen. Er stieß sich erneut vom Beckenrand ab und fing an, seine elfte Bahn zu kraulen.
Das Schwimmen hatte wieder einmal seinen Zweck erfüllt. Er fühlte sich, wenn auch körperlich ermattet, so doch geistig wieder relativ fit. Folglich richtete er seine Gedanken wieder auf das Thema, das ihn in den letzten Tagen schon so sehr beschäftigt, ja, ihn teilweise sogar um den Schlaf gebracht hatte.
Er dachte an die E-Mail, die ihm sein Freund Erdem aus der Türkei geschickt hatte, und an das Foto, das Erdem als E-Mail-Anhang beigefügt hatte.
Konnte es wirklich wahr sein? Konnte es sein, dass der griechische Philosoph Platon, dessen Texte Dreyer nahezu auswendig kannte, diese Geschichte doch nicht erfunden hatte.
Warum eigentlich nicht?, dachte Professor Dreyer.
Die Erzählungen Homers über die sagenumwobene Stadt Troja hielt ein Großteil der Wissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts schließlich auch für reine Erfindung. Bis zu dem Tag, an dem der deutsche Hobby-Archäologe Heinrich Schliemann Troja an der Westküste der Türkei ausgegraben und Homers Erzählungen urplötzlich einen unerwarteten Wahrheitsgehalt verliehen hatte.
Dreyer hatte Erdem drei Jahre zuvor während einem seiner unzähligen Aufenthalte in Troja kennengelernt. Sein Mietwagen hatte ganz in der Nähe der Ruinenstadt schlapp gemacht. Erdems Haus war das erste gewesen, auf das er bei seinem Fußmarsch gestoßen war. Erdem war ein einfacher Landwirt aus Taştepe, der eine kaum nennenswerte Anzahl an Schafen hütete und südlich der Ebene von Troja ein kleines Stück Ackerland bewirtschaftete. Aufgrund seiner häufigen Türkei-Besuche hatte Professor Dreyer im Laufe der Jahre recht passabel Türkisch gelernt. Somit hatte er Erdem seine missliche Lage erklären können. Dieser hatte ihm ohne zu zögern angeboten, die Nacht in seinem Haus zu verbringen, da die einzige Autowerkstatt im Ort erst am folgenden Tag wieder öffnete. In späteren Gesprächen hatte Dreyer erfahren, das Erdem nicht länger als fünf Jahre das Innere einer Schule gesehen hatte. Aber ungeachtet der Tatsache, dass er und Erdem zweifelsohne intellektuelle Unterschiede aufwiesen, war er von der Hilfsbereitschaft und der Gastfreundschaft seines türkischen Retters umgehend überwältigt gewesen. Es hatte sich seit diesem Tag mit jedem weiteren Besuch eine innige Freundschaft zwischen den beiden unterschiedlichen Männern entwickelt. Sie ging so weit, dass Dreyer das Angebot seines türkischen Freundes angenommen und ein leer stehendes, winziges Haus auf dessen Grundstück fortan zu einer Art Ferienhaus umgestaltet hatte.
Hier hatte er in den vergangenen drei Jahren viele Tage damit verbracht, die Werke seiner Helden zu studieren und die Abende mit Erdem und dessen Familie ausklingen zu lassen. Dorthin wollte er auch in zwei Wochen, nach dem Ende seiner Universitätslaufbahn, und sich damit einen langjährigen Wunsch erfüllen. Er hatte sich schon vor Jahren vorgenommen, sein Wissen über die alten Dichter in einem Buch niederzuschreiben. Nun würde er endlich die Zeit haben, dieses Projekt zu verwirklichen. Welcher Ort würde sich besser dafür eignen als Troja?
Beim Gedanken an seine bevorstehende Zeit in Troja musste Professor Dreyer erneut lächeln. Er freute sich auf die Landschaft, auf Erdem und dessen Familie. Erdems Frau Arzu war eine kleine, schüchterne, aber bezaubernde Frau, die Professor Dreyer immer mit den sündigsten Süßspeisen verwöhnte.
Nach zwei Monaten in Taştepe werde ich bestimmt nicht mehr mein Gewicht halten können, dachte Dreyer und lächelte in sich hinein.
Erdem und Arzu hatten drei Kinder – zwei Töchter, Meltem und Zeynep, und einen Sohn, Cem, der auf dem Gymnasium ein wenig Deutsch gelernt hatte und auch die E-Mail seines Vaters verfasst hatte.
Dreyer musste auch an das Paket denken, das Erdem schon eine Woche zuvor in die Post gegeben hatte.
Warum ist das immer noch nicht angekommen?, fragte sich Dreyer.
Nur mit Hilfe dieses Pakets würde es ihm möglich sein, zu ermitteln, ob Platons Geschichte tatsächlich mehr als reine Fiktion war.
Im gleichen Moment bemerkte Dreyer, dass er soeben die Seiteneinstiegstreppe des Schwimmbeckens passierte. Somit blieben ihm noch fünf Armzüge bis zum Rand. Er bereitete sich auf die Wende vor und vollführte die fünf Züge in Rückenlage. In dem Moment, in dem er sich drehen wollte, erschrak er und zuckte zusammen. Ich bin viel zu dicht am Beckenrand, schoss es ihm durch den Kopf.
Er sah, wie sich der Beckenrand bewegte. Und im Bruchteil einer Sekunde, während er noch auf die Wand zuglitt, wurde ihm bewusst, dass es nicht die Beckenwand war, die sich bewegte. Der unbekannte Schwimmer von der anderen Bahn stand vor der Wand und machte einen schnellen Schritt auf Dreyer zu. Bevor Dreyer verstand, was gerade passierte, hatte der Mann ihn schon am Nacken gepackt und sein Gesicht unter Wasser gedrückt. Der Mann stand jetzt neben Professor Dreyer. Gleichzeitig spürte Dreyer, wie seine Beine auf Höhe seiner Knie von dem unbekannten Schwimmer zwischen dessen linkem Arm und Oberkörper eingeklemmt wurden. Dreyer versuchte, mit dem Kopf aufzutauchen, um nach Luft zu schnappen. Doch der Mann erhöhte den Druck auf Dreyers Nacken und dessen Kopf.
Panik erfasste Dreyer. War das ein schlechter Scherz, so wie Teenager im Freibad miteinander ringen und sich unter Wasser drücken?
Aber dieser Mann war kein Teenager.
Was soll das verdammt noch mal?, dachte Professor Dreyer.
Er versuchte sich loszureißen, indem er wild mit Armen und Beinen um sich schlug. Aber der unbekannte Schwimmer hatte seine Beine so fest im Griff, dass Dreyer sie kaum bewegen konnte. Und Dreyers Arme bekamen den fremden Angreifer nicht zu fassen. Dreyer überkam eine zweite Panikwelle, noch stärker als die erste.
Er hatte Todesangst.
Er spürte, dass sein Atemreflex unmittelbar bevorstand und unternahm noch einen weiteren Versuch, sich aus der Umklammerung des Mannes zu befreien. Für einen kurzen Moment hatte er das Gefühl, sein linkes Bein aus dem schmerzhaften Griff des Mannes lösen zu können. Doch der Unbekannte verstärkte ruckartig die Umklammerung und vereitelte dadurch Dreyers Befreiungsversuch.
Plötzlich war er da. Der Atemreflex. Dreyer schluckte Wasser, krampfte und versuchte reflexartig, das Wasser wieder auszuhusten. Aber das bewirkte nur, dass noch mehr Wasser den Weg in seine Lungen fand. Dreyer war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren.
Das Letzte, was Professor Dreyer bewusst wahrnahm, war die Tätowierung des Mannes:
03/10/2005
Sein letzter Gedanke jedoch galt seiner Tochter: Sie würde nun vergeblich am Flughafen auf ihn warten, und seinem Enkelkind würde er nie das Schwimmen beibringen können.
Danach war nur noch Dunkelheit.
Chatverlauf vom 20. Mai
Teilnehmer 1: WD (Werner Dreyer)
Teilnehmer 2: HD (Helena Dreyer)
WD: Hallo, meine schöne Helena!
HD: Papa, du sollst mich doch nicht so nennen. Hier kann, wer weiß wer, mitlesen. Ich sitze inmitten von anderen Studenten in der Bibliothek.
WD: Oh, tut mir leid, mein Schatz. Daran hatte ich gar nicht gedacht.
HD: Macht ja nichts. Wie geht´s dir?
WD: Alles bestens. Ich freue mich schon sehr darauf, dich nächste Woche wieder in meine Arme schließen zu können.
HD: Ich mich auch. Kann gar nicht glauben, dass mein Auslandsjahr schon wieder vorbei ist. Aber ich vermisse dich schon sehr.
WD: So geht´s mir auch. Schickst du mir dann noch deine genauen Flugdaten, damit ich weiß, wann ich dich und Tim abholen soll?
HD: Mach ich. Irgendwann gegen 22 Uhr müssten wir in München ankommen. Aber ich schau noch mal nach und sag dir dann morgen die genaue Uhrzeit. Und bei dir? Auch alles gut?
WD: Eigentlich schon.
HD: Warum nur eigentlich? Geht´s dir nicht gut?
WD: Doch, doch. Mach dir keine Sorgen. Aber es gibt tatsächlich etwas, das mich schon seit einiger Zeit beschäftigt.
HD: Kann ich dir irgendwie helfen?
WD: Wie schön, dass du fragst. Denn ich hoffe in der Tat, dass du deinem alten Herrn helfen kannst.
HD: Na, dann. Spann mich nicht so auf die Folter. Worum geht´s denn?
WD: Also gut. Das wird dir jetzt alles vielleicht etwas kryptisch vorkommen, aber vor einiger Zeit bin ich auf etwas gestoßen, das mich seither nicht mehr loslässt. Leider ist es mir bislang aber nicht gelungen, meine neuen Erkenntnisse in einen Gesamtzusammenhang zu stellen. Dafür benötige ich deine Unterstützung. Denn ich habe eine Vermutung, wage aber nicht auszusprechen, was das bedeuten würde. Die Auswirkungen auf die Entwicklungsgeschichte unserer westlichen Kultur wären, nun ja, kolossal.
HD: Wow. Das klingt ja spannend. Worum geht´s denn nun genau, Papa?
WD: Um die historisch tiefgreifenden Umwälzungen, die sich um 1200 v. Chr. ereignet haben.
HD: Am Ende der Bronzezeit also. Das ist doch eher mein Fachgebiet
WD: Eben, mein Schatz. Deshalb bitte ich dich ja auch um deine Unterstützung.
HD: Okay. Und von welchen Ereignissen sprichst du genau?
WD: Tja, wo soll ich da anfangen? Damals gab es eine Vielzahl von Ereignissen, die, wie du ja weißt, von Historikern bis heute nicht abschließend erklärt werden können. Ganze Kulturen verschwanden im Mittelmeerraum innerhalb kürzester Zeit. In Griechenland, auf Kreta, in der Türkei. Es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen.
HD: Du meinst den Trojanischen Krieg?
WD: Unter anderem, ja. Aber noch viel mehr ist damals passiert. Technische und künstlerische Errungenschaften gerieten in Vergessenheit. Bis dahin noch nie dagewesene Völkerwanderungen setzten ein.
HD: Okay. Und du weißt jetzt, was damals passiert ist?
WD: Nein. Ich weiß es natürlich auch nicht genau. Aber ich habe da eine Theorie …
HD: Das ist doch fantastisch, Papa. Verrätst du sie mir denn nun, oder nicht?
WD: Noch nicht, mein Schatz. Zunächst möchte ich dir einige der ungeklärten Vorfälle aus dieser Zeit etwas detaillierter beschreiben. Ich hoffe, dass du diese dann zu einem Gesamtbild zusammenfügen kannst. Wie die Einzelteile eines großen Puzzles. Dann werde ich hoffentlich wissen, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege, oder ob es eine andere Erklärung für die Zeitenwende am Ende der Bronzezeit gibt.
HD: Mensch, Papa. Du machst es wirklich spannend. Aber gut. Ich helfe dir natürlich, wenn ich kann.
WD: Danke. Beginnen möchte ich mit der Geschichte der Seevölker, oder besser gesagt, der so genannten Invasion der Seevölker.
HD: Das waren doch diese Piraten, die damals im Mittelmeer gewütet haben, richtig?
WD: Na ja. Zumindest taten manche Geschichtswissenschaftler die Seevölker später als einfache Piraten ab.
HD: Und du bist anderer Meinung?
WD: Ich denke schon. Aber der Reihe nach. Über die Invasion der Seevölker wird in einer Tempelinschrift in West-Theben berichtet. Genauer gesagt an der nördlichen Außenwand des Totentempels von Pharao Ramses III. In Medinet Habu. Du warst auch schon mal da. Erinnerst du dich?
HD: Du meinst die Nilkreuzfahrt, die wir damals mit Mama gemacht haben? Papa, da war ich vier oder fünf. Für Totentempel habe ich mich damals noch nicht interessiert.
WD: Wahrscheinlich hast du recht. Du warst wohl wirklich noch etwas zu klein dafür. Wie auch immer. Jedenfalls gab es diesen Inschriften zufolge um 1200 v. Chr. nördlich von Ägypten, also im östlichen Mittelmeerraum, eine massive Bedrohung. Ramses III. berichtet von Völkern, die «von den Inseln» kamen. Diese Völker hätten sich demnach zu einer Koalition verbündet und ihre Heimat verlassen, um andere Regionen im östlichen Mittelmeerraum anzugreifen.
HD: Ich erinnere mich wieder an eine Vorlesung. Die haben doch Zypern zerstört, oder?
WD: Das stimmt. Aber nicht nur. Noch viele weitere Städte und Machtzentren der damaligen Zeit sollen im Zuge der Kriegszüge der Seevölker vernichtet worden sein. Neben Zypern z. B. auch Hattusa, die Hauptstadt des hethitischen Reiches, oder die Hafenstadt Ugarit in Syrien und viele mehr. So viele und so verheerend, dass die Seevölker offenbar auch zu einer ernsthaften Bedrohung des mächtigen Ägyptens wurden.
HD: Und was ist dann passiert?
WD: Das ist es ja eben. Man weiß nicht genau, was aus den Seevölkern später wurde. Es wird zwar von zahlreichen Seeschlachten berichtet, die in der Folge stattfanden, aber die Seevölker scheinen auf ebenso mysteriöse Weise verschwunden zu sein, wie sie auf der Bühne der Weltgeschichte kurz zuvor erschienen waren.
HD: Ist das denn aber nicht typisch für Piraten?
WD: Schon. Aber ich weigere mich zu glauben, dass es wirklich nur Piraten waren. Ich frage dich: Hätten einfache Piraten die mächtigsten Staaten der Bronzezeit wie Ägypten, das Hethitische Reich oder Griechenland in Angst und Schrecken versetzen können? Außerdem liegt das Hethitische Reich inmitten der heutigen Türkei. Wie hätten Piraten von ihren Schiffen aus also eine Stadt weit im Landesinneren zerstören können?
HD: Hmm. Ich verstehe, was du meinst.
WD: Und es wird noch seltsamer. Denn aufgrund der Namen, die die Ägypter den Seevölkern gaben, geht man heutzutage davon aus, dass sie ihren Ursprungsort an der kleinasiatischen Küste, also in der heutigen Türkei gehabt haben. Hierfür spricht auch eine ägyptische Bezeichnung für die Seevölker. «Hau-nebut», was übersetzt «Bewohner der Ägäis» bedeutet. Und genau das ist seltsam, Helena. Denn in dieser Region der Ägäis sind nach heutigem Stand der Archäologie gar keine Völker und Kulturen bekannt, die eine so große Bedrohung für nahezu alle anderen Kulturen im östlichen Mittelmeerraum hätten darstellen können. Ich frage mich daher: Wer waren diese Seevölker denn nun wirklich? Woher kamen sie? Denn wie es scheint, kamen sie quasi aus dem Nichts ... Und was ist anschließend mit ihnen passiert?
HD: Klingt einleuchtend, was du da sagst. Aber ich fürchte, mir fällt leider auch keine bessere Erklärung ein. Sorry. Kann dir wohl leider doch nicht wirklich helfen.
WD: Das habe ich auch nicht erwartet, mein Schatz. Noch nicht zumindest. Dazu müsstest du meiner Meinung nach die Seevölker im Kontext mit den anderen Ereignissen dieser Zeit betrachten. Ich habe hierzu, wie schon erwähnt, eine Vermutung, aber ich will nicht vorgreifen. In den nächsten Tagen werde ich dir noch von anderen Phänomenen am Ende der Bronzezeit berichten. Ich glaube, dass diese in einem Zusammenhang zueinander stehen. Ist das okay für dich?
HD: Natürlich. Ich muss jetzt nur leider Schluss machen, Papa. Muss noch zu einem Seminar.
WD: Alles klar. Danke, dass du dir die Zeit nimmst, deinem alten Vater zu helfen. Pass auf dich auf.
HD: Mach ich. Also, dann bis morgen.
München, 27. Mai, 19:45 Uhr
Es herrschte nahezu völlige Stille. Selbst das Plätschern der Wellen am Beckenrand, die Professor Dreyer während seines Todeskampfes erst wenige Sekunden zuvor verursacht hatte, wurde immer leiser.
Als der Körper des alten Mannes reglos auf der Wasseroberfläche verharrte, ertastete Andrew Paulson mit Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand die Halsschlagader des Professors. Kein Puls.
Anschließend drehte er sich zum Beckenrand und zog sich in einer schwungvollen Bewegung aus dem Becken. Er blickte rasch noch einmal auf den toten Professor und lief dann zügig am Becken vorbei zu der Hecke, hinter der er seine Tasche deponiert hatte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er sich, immer noch triefend nass, ein T-Shirt, eine Jeans, eine Baseball-Kappe und Laufschuhe angezogen hatte. Nochmals sah er sich um, und vergewisserte sich, dass ihn niemand beobachtete. Dann lief er lautlos über die weite Rasenfläche des Schwimmbads. Vorbei an der gelben Wasserrutsche und den verwaisten Beachvolleyball-Feldern. Unbemerkt kletterte er über den zwei Meter hohen Zaun des Ungererbads.
Er fuhr nicht gleich ins Hotel zurück. Sein Auftrag war noch nicht beendet. Paulson wusste, dass er nicht viel Zeit hatte. Man würde die Leiche bald finden, und nur wenige Stunden danach würde die Polizei bereits am Haus des Professors sein.
Fünfzehn Minuten später stand Paulson daher bereits an der Rückseite des Hauses von Professor Dreyer. Ohne Hektik zog er sich ein Paar durchsichtiger Einmalhandschuhe über und öffnete die Terrassentür gewaltsam, ohne größere Spuren zu hinterlassen.
Nachdem er sich einen raschen Überblick über alle Zimmer des Hauses verschafft hatte, ging er zurück ins Wohnzimmer. Dort schaltete er den Computer ein und wartete, bis dieser vollständig hochgefahren war. In der Zwischenzeit holte er eine kleine externe Festplatte aus seiner Sporttasche und schloss sie an den Rechner an. Der Kopiervorgang aller Inhalte vom Computer auf seinen externen Speicher nahm einige Minuten in Anspruch.
Währenddessen holte Paulson sein Smartphone aus der Tasche und filmte das gesamte Wohnzimmer. Die Kamera mit beiden Händen ca. 30 Zentimeter vor seiner Brust haltend, schritt er langsam das Zimmer ab. Erst filmte er den Schreibtisch, dann die Bücherregale und auch den Wohnzimmertisch auf der anderen Seite des Raumes. Anschließend spielte er das Video über sein Handy auf den Server, den ihm sein Auftraggeber genannt hatte. Die SMS, die er verschickte, enthielt nur ein Wort. Online.
Die Festplatte des Computers war in der Zwischenzeit fertig kopiert. Paulson packte seine externe Festplatte wieder ein, löschte alle persönlichen Dateiordner auf dem Computer des Professors und fuhr den Rechner anschließend wieder herunter. Zeitgleich signalisierte ihm sein Handy, dass er eine SMS erhalten hatte. Paulson las die wenigen Worte und sammelte sofort die in der Nachricht genannten Bücher von Schreib- und Wohnzimmertisch ein. Offensichtlich wollte sein Auftraggeber sicherstellen, dass niemand nachvollziehen konnte, mit welchem Thema sich der tote Professor zuletzt beschäftigt hatte. Paulson verstaute die Bücher in seiner Tasche und beschloss, sie zu einem späteren Zeitpunkt zu entsorgen.
Nur 25 Minuten, nachdem er das Haus betreten hatte, war er auch schon wieder auf dem Weg zu seinem Auto. Während der Fahrt zurück ins Hotel, verfasste er eine weitere Nachricht. Objekt nicht im Haus.
Paulson dachte daran, dass er es auch nicht im Haus in der Türkei hatte finden können, das er vier Tage zuvor durchsucht hatte. Nach einer weiteren Minute erhielt er eine Antwort per SMS. Er stand gerade an einer Ampel in der Nähe seines Hotels, als er die Nachricht las.
Die Tochter. Finden Sie heraus, ob sie etwas weiß.
München, 27. Mai, 22:58 Uhr
Helena Dreyer hatte fast während des gesamten Flugs von London nach München geschlafen. Jetzt stand sie in der Warteschlange der Passkontrolle am Terminal 2 des Münchner Flughafens Franz-Josef-Strauß.
In der Hand hielt sie ihren Personalausweis für die anstehende Kontrolle bereit. Ihr war warm. Sie nahm ihre Laptoptasche von der Schulter und zog ihre Jacke aus. Helena näherte sich nur langsam dem kleinen von durchsichtigen Wänden umrahmten Schalter. Darin saß ein junger Polizeibeamter, der Pässe unterschiedlichster Farbe entgegennahm. Sie beobachtete ihn kurze Zeit. Er tippte bei jedem Fluggast ein paar Daten in einen Computer, warf einen raschen, prüfenden Blick auf die jeweilige Person vor sich und schob den Pass anschließend wieder durch die kleine Öffnung am Schalter zurück.
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