Der Überlebende - Ernst-Wilhelm Händler - E-Book

Der Überlebende E-Book

Ernst-Wilhelm Händler

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Beschreibung

Was ist das Nichts? Und was ist Schöpfung? Was ist das Böse? Und was die Seele? Der Ich-Erzähler des neuen Romans von Ernst-Wilhelm Händler ist ein besessener Träumer: als Leiter eines Leipziger Werks für Elektrotechnik unterhält er ein hochgeheimes Labor zur Entwicklung intelligenter Roboter. Für seine radikale Vision einer menschlichen Schöpfung ist er bereit, alles Menschliche zu opfern: seine engsten Mitarbeiter, die er permanent überwachen lässt, seine Frau, die beiseite geschafft werden muss, als sie seine Kreise zu stören scheint, seine Tochter, die er aus seinem Leben verdrängt hat. Treibt ihn sein Traum in die kalte Einsamkeit des absoluten Bösen?

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Seitenzahl: 362

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Ernst-Wilhelm Händler

Der Überlebende

Roman

Fischer e-books

Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden.

GEORG TRAKL, Frühling der Seele

Als du starbst, überkam mich diese Wut zu verstehen

Das neue Werk in Leipzig war ein Fanal: die größte Investition von D’Wolf in eine deutsche Fertigung seit Jahren!

Die POWERWOLF W-82000 sollte die eiserne Faust unter den speicherprogrammierbaren Steuerungen werden! Die Kapazität des Programmspeichers acht Megabyte, die Zykluszeit betrug vierzehntausend Anweisungen pro Millisekunde, die Anzahl der digitalen Ein- und Ausgänge zweitausendachtundvierzig, wir übten das Hersagen der technischen Spezifikationen wie einen Schnellsprechvers.

»Wer stellt jetzt das Manual fertig?!«

Peter stürmte auf mich zu und warf den geöffneten Brief neben mich auf das Sofa. Wir waren allein in der Lobby des Bürogebäudes, die Empfangsassistentinnen begrüßten die zur Einweihungsfeier geladenen Gäste am Werkseingang. Geschwächt von der Wut, der er sich hingab, ließ er sich in das Sofa gegenüber fallen und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.

»Das wird Burgi zerstören!«

Unglückswurm. Sein Kragen stand offen, die Krawatte hing weit herunter. Zwischen seinen nassen langen Haaren lugten die Ohren hervor, ein Regenschauer hatte das neue Werk flüchtig berührt. Peter kniff die Augen zu, das kam nicht vom Regen, er weinte.

Ich sagte mit charmierender Stimme: »Ich musste sie entlassen.«

Der Brief, über dem Peters Gesicht ununterbrochen Verzweiflungssignale abfeuerte, war ihr Entlassungsschreiben. Trotz wiederholter Ermahnung hatte sie nicht davon abgelassen, Aktennotizen an unser Hauptquartier in Berlin zu schicken, die ich nicht autorisiert hatte.

Wir lagen mit dem Werk voll im Plan, der Produktionsstart würde unmittelbar nach der Einweihung stattfinden, kein Fake. Nur die Anwendersoftware war noch nicht so weit. Das war keine Tragödie, die mit den Prototypen der neuen Steuerung ausgelieferten Testversionen wiesen keine Systemfehler auf. Burgi – Burglinde – hatte die Situation unnötig dramatisch dargestellt, ich wurde mit E-Mails und Anrufen aus Berlin bombardiert, alle glaubten, ich wolle den Produktionsstart verschieben und hätte das Softwarethema nur vorgeschoben, um von Anlaufschwierigkeiten bei der Produktion abzulenken.

Sie ist eine gute Forschungs- und Entwicklungsingenieurin, aber die Verantwortung für das Manual überforderte sie. Es ging ihr nicht darum, das Projekt zu sabotieren, sie wollte sich über Gebühr absichern. Als ich sie wegen der Aktennotizen zur Rede stellte, verteidigte sie sich, sie habe sie vorher Peter gezeigt und er habe keine Einwendungen gehabt.

Ich erklärte Peter, Burgi habe das Projekt gefährdet. Seither wurde jeder Schritt, den wir machten, von den Controllern in Berlin hinterfragt. Kaum hatte ich das Wort wir gesagt, sprang Peter auf und packte mich an den Schultern.

»Sag nicht wir! – Nie mehr wieder!«

Das Bemerkenswerteste an Burgi ist ihr Mund: Die Unterlippe zögernd vorgewölbt, die Oberlippe leicht aufgeworfen, der Ausdruck stets zu gleichen Teilen unterwürfig und vertrotzt, sich in aller Unschuld eine Zumutung für den Betrachter ausdenkend.

Ich ließ Peter gehen, ich rief ihm nach, er solle sich vor Beginn der Feier entspannen. Wir waren nicht mehr allein, das Fernsehen berichtete ausführlich über die Einweihung, als Werksleiter hatte ich zahlreiche Interview-Anfragen bekommen, die ich ausnahmslos an die mit der Pressearbeit betraute Assistentin weitergereicht hatte, sie betrat gerade mit einem Fernsehteam die Lobby. Peter gab keine Antwort, er hob nur, ohne sich umzudrehen, den rechten Arm. In diesem Moment schaltete ein Mitglied des Aufnahmeteams einen Scheinwerfer an, und Peters Hand warf einen übergroßen Schatten an die Wand neben der Kaffeebar. So hilflos Peter vorher gewesen war, so eindrucksvoll drohte mir jetzt seine riesige Hand.

 

Maren, du weißt, Small talk ist für mich Overload –

 

Ich hasse die nutzlos in sich selbst vergaffte Natur der menschlichen Beziehungen. Die Haare würden den Leuten zu Berge stehen, wenn sie wüssten, was ich anstellen muss, nur um mich mit ihnen über das Wetter oder über ihre Kinder zu unterhalten. Ich muss mich durch Berge graben und Täler aufschütten. Diese Einweihung bedeutete die größte anzunehmende Versammlung von Menschen auf dem Werksgelände. Der Stadtrat von Leipzig und die sächsische Landesregierung hatten sich nahezu komplett selbst auf die Liste gesetzt, wir hatten alle Lieferanten und jede Menge Kunden eingeladen. Die Politiker sprachen ein extremes Sächsisch, ich musste mich so stark konzentrieren, dass ich einmal nicht mehr wusste, wo ich war. Ich sah nicht gut in diesen Tagen. Dem Ministerpräsidenten erklärte ich nicht die Maschine, vor der wir standen, sondern eine andere, keiner merkte es.

Wegen des unerträglichen Echos in den Werkshallen hatte ich die eigentliche Feier draußen angesetzt, auf dem kurzgeschnittenen Rasen vor dem Bürogebäude waren zweihundertfünfzig Holzklappstühle aufgestellt. Nach dem kurzen und heftigen Regenguss war alles schnell wiederhergerichtet, wir mussten nicht in die kahle Lagerhalle für die zukünftigen Endprodukte umziehen. Nur eine Minderheit der Gäste kam in den Genuss des Schattens der alten Eichenbäume, die Mehrheit musste in der Sonne schmoren. Der Bereich vor dem Bürogebäude ist Vorratsfläche, das Rednerpult war vor einem Raster von großen Stromverteilerkästen aufgestellt, die unversehens an Grabsteine gemahnten.

In ihren Reden wetteiferten der Ministerpräsident, der Oberbürgermeister und der Marketingvorstand um den meisten Beifall, als ob es sich um eine Castingshow handelte. Der Vorstandsvorsitzende von D’Wolf war nicht gekommen. Wer steckte hinter der gigantischen Planung, die wir ausführten?

Als Hausherr fiel mir die Aufgabe zu, die Redner vorzustellen. Auf dem Weg zum Rednerpult und zurück ging ich jedes Mal an Sondra vorbei. Ihre türkisfarbene Seidenbluse mit dem Schalkragen changierte in der Sonne, die anderen Frauen trugen ausnahmslos gedeckte Farben. Es war kein Zufall, dass Peter neben ihr saß, später erzählte mir eine Teamassistentin, Sondra habe sich bei ihr nach Peter erkundigt und darum gebeten, dass sie einander vorgestellt würden. Sondra hatte die blondgefärbten, vorn zu einem Pony geschnittenen Haare zurückgebunden und die Augen stark schwarz geschminkt. Peter hörte den Reden überhaupt nicht zu und hatte keine Augen für seine übersüße Nachbarin. Später bekam ich jedoch mit, wie sie sich angeregt unterhielten.

Der Marketingvorstand hatte als Vertriebsbeauftragter für Zählerschränke angefangen, niemand hat je in einem Geschäftsjahr mehr Zählerschränke an den Großhandel verkauft als er. Jeden Monat schickte er seinen Kunden einen Kartengruß, in dem er zum Ausdruck brachte, wie sehr er sie schätzte. Wenn ein Abnehmer eine umfangreichere Bestellung platzierte, erklärte er ihm, dass er ihn mochte. Kam eine Großorder zustande, schrieb er dem Kunden: Ich liebe Sie. Der Marketingvorstand brüstete sich, er habe den Kunden einen unschlagbaren Service geboten. Gab es eine Reklamation, dann war der technische Support binnen Stunden oder sogar Minuten vor Ort. Alle zwei Wochen lud er die Mitarbeiter des technischen Supports zum Essen ein, um ihnen zu sagen, wie sehr er sie schätzte, ja sogar liebte. Einmal im Jahr veranstaltete er für die Mitarbeiter und ihre Familien einen großen Grillabend bei sich zu Hause.

D’Wolf sei so erfolgreich, weil D’Wolf seine Kunden liebe, behauptete der Marketingvorstand. Der Ministerpräsident hörte aufmerksam zu, sein Assistent schrieb eifrig mit, danach überlegten sie wohl, ihren potentiellen Wählern ebenfalls Liebeserklärungen zu machen. Es war unerträglich! Mit den Streifen seines Anzugs schraffierte ich den Marketingvorstand weg, seine schwarze Haartolle, seine breiten Schultern, seine gestikulierenden Hände. Gegen seine Stimme konnte ich nichts machen.

Nicht ein Redner deutete den Kraftakt an, den der Bau und die Fertigstellung des Werks erfordert hatten. Die Landschaft hatte dagegengesetzt, indem sie die Gründung immens erschwerte, wer weiß schon, dass sich Leipzig aus einem Sumpfboden erhebt, dass der Hauptbahnhof auf Holzpfählen steht. Die Baugenehmigung wurde unter Auflagen erteilt, die sich alle paar Tage kalamitös änderten. Die riesige Baustelle in Schlamm und Schutt hatte gedacht, sie brauche sich nur einmal aufzubäumen und könne uns so glauben machen, dass wir sie in alle Ewigkeit würden bändigen und aushalten müssen. Wir hielten noch den Atem an vor Anstrengung und bebten leicht, die Anspannung war unverkennbar. Es war doch gutgegangen! Wer hatte hier wen mit seinen Ängsten angesteckt, das Konzept die Ingenieure oder die Ingenieure das Konzept? Jetzt war kein Gedanke mehr an vorweltlichen träumerischen Schlamm, an renitenten Matsch. Beton, Metallpaneele, Glas und Asphalt bildeten eine verschließende, versiegelnde Oberfläche.

Keine Maschine war einfach eine Maschine. Keine Anlage war einfach eine Anlage. Alles in der neuen Fabrik hatte mit mir zu tun. Alles ging mich an, jedes Werkzeug, jede Vorrichtung. Ich ging alles an.

»Der Schöpfer ist der allein Existierende, alles andere Daseiende ist das Werk seines Willens und Wortes. Schöpfer bedeutet: Creator ex nihilo.«

Nur D’Wolf kann einen Chief Compliance Officer vorweisen, der ordinierter Geistlicher ist. Obwohl Mitglied des Vorstands, hat Pfarrer Grenzfurtner kein festes Büro, jedes halbe Jahr zieht er an einen anderen Standort, zur Werkseinweihung kam er aus Tokio. Der CEO der HSBC, Stephen Green, ist ebenfalls ordinierter Geistlicher. Die beiden mögen sich nicht und gehen sich aus dem Weg. Ist das ein Wettstreit zwischen zwei Heiligen, wer heiliger ist? Oder glauben sich beide in Wirklichkeit nicht heilig genug und fürchten die Entlarvung durch den anderen?

»Schöpfung, das bedeutet die Gegenüberstellung unserer und aller von Gott verschiedener Existenz mit dem Nichts, mit der Nicht-Existenz. Dass wir als seine Ebenbilder geschaffen sind, besagt, er hat uns dazu bestimmt, mit unserem Vorhandensein von seiner Wirklichkeit Zeugnis zu geben.«

In meiner Erinnerung steht Pfarrer Grenzfurtner nackt neben dem Rednerpult, die Beine breit, den Oberkörper vorgebeugt, die Hände auf die Knie gestützt, er hat sehr kräftige Arme und Beine, zagend horcht er, was ihm sein Gott verkündet.

»Kein Mensch kann Liebe einfordern. Wer außer Gott sollte dieses Recht haben?«

Und die Kunden?

»Die Bindung an Gott ist ein Befehl, der seine Rechtfertigung daraus bezieht, dass Gott der ist, den wir über alles lieben dürfen. An Gottes Wort gebunden sein heißt jedoch gleichermaßen, dass wir ihn, der dieses Wort zu uns spricht, über alles fürchten müssen.«

Pfarrer Grenzfurtner schreitet auf die Versammelten zu, den linken Arm hinter dem Rücken angewinkelt, in der rechten Hand das Mikrophon, als ob er in ein Megaphon sprechen würde.

 

Natürlich war er nicht nackt, Maren!

 

»Dass wir Gott erkennen, ist sein und nicht unser Werk.«

Die Gewissheit und die Klarheit, in der wir Gott erkennen, ist seine und nicht unsere. Wozu die Ebenbilder, warum wir, wenn Gott sich nur durch sich selbst erkennt?

Pfarrer Grenzfurtner führt einen paganen Triumphtanz auf. Sein Gott braucht uns nicht! Nackt hüpft er auf dem linken Bein um das Rednerpult herum, das rechte Bein winkelt er an, die rechte Hand wirft er hinter den Kopf, mit der linken greift er sich in den Schritt.

 

Natürlich tanzte er nicht, Maren! Es waren seine Gesten, die den Eindruck erzeugten.

 

Während der Predigt hatte Sondra angefangen, sich Notizen zu machen. Als wir später miteinander sprachen, sah ich, sie trug einen Pencil protector in der Blusentasche, ein schmales Plastikfutteral, in dem ein roter, ein gelber und ein blauer Kugelschreiber steckten. Früher verwendeten Ingenieure und Buchhalter in amerikanischen Firmen Pencil protectors, damit ihre Kugelschreiber und Bleistifte keine Spuren auf ihren weißen Bürohemden hinterließen. Niemand benutzt sie heute noch.

Sondra arbeitete als Research & Development Engineer im Entwicklungszentrum für Motion Control in Philadelphia. Ihr Feld war die Steuerung von Werkzeugmaschinen, sie sollte die Schnittstellen der neuen Steuerungen anpassen. Ich hatte Peter und den anderen Mitarbeitern eingeschärft, mit niemandem, aber wirklich mit niemandem über unser Roboterlabor zu sprechen.

 

 

 

Das Nichts, von dem Pfarrer Grenzfurtner sprach, gibt es nicht, nur als Gedankenexperiment. Im Weltall findet sich durchschnittlich in jedem Kubikmeter ein Wasserstoffatom. Ein völlig atomfreier Raum ist von elektromagnetischen Feldern und der kosmischen Hintergrundstrahlung erfüllt, dem Restleuchten des Feuerballstadiums nach dem Urknall. Jeder Kubikzentimeter wird von circa vierhundert Photonen durchflutet, die Temperatur des Alls liegt etwa drei Grad über dem absoluten Nullpunkt.

Man kann einen Raum gegen elektromagnetische Felder abschirmen, tiefere Temperaturen sind möglich. Im Bumerang-Nebel, fünftausend Lichtjahre entfernt im Sternbild Centaurus, gibt es einen Punkt, der zwei Grad kälter ist als die kosmische Hintergrundstrahlung, ein extrem rascher Gasverlust sorgt für den Kühleffekt. Im Labor können mit Hilfe von Magnetfeldern Atomkerne fast zum Stillstand gebracht werden. Neutrinos, die kaum mit der Materie wechselwirken, sind allerdings auch durch kilometerdicke Bleiplatten nicht aufzuhalten.

Selbst ein perfektes Vakuum ist von Quantenfluktuationen erfüllt. Virtuelle Photonen und Teilchen-Antiteilchen-Paare tauchen plötzlich auf und verschwinden sofort wieder. Sie lassen sich nicht direkt nachweisen, jedoch stoßen etwa virtuelle Photonen atomar gebundene Elektronen an, was kleine, aber messbare Unterschiede der jeweiligen Energieniveaus hervorruft. Das Vakuum brodelt und wabert, das Vakuum ist nicht nichts, sondern lediglich der energieärmste Zustand.

Die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung unseres Universums mit seinen vierhundert bis sechshundert Milliarden weihelichen Galaxien, darunter die Milchstraße mit ihren zweihundert bis vierhundert Milliarden Sonnen, aus dem Nichts wird auf eins zu zehn hoch zehn hoch einhundertdreiundzwanzig geschätzt. Die doppelte Hochzahl kann man nicht ausschreiben, setzt man die Ziffern in der leseüblichen Größe, reicht der Platz im Universum nicht aus. Existiert ein Gott, der dem Zufall ein wenig nachgeholfen hat, damit es das Universum gibt? Aber damit ist das Problem ja nicht gelöst. Die Wahrscheinlichkeit für einen Gott, der das Universum geschaffen hat, ist kleiner oder bestenfalls gleich der Wahrscheinlichkeit für das Universum.

Ich existiere, das ist sicher, ich las es am Tag nach der Werkseinweihung in der Leipziger Volkszeitung. Ich bin nicht allein im Universum: Das Werk – mit dem Roboterlabor – hat ziemlich genau achthundert Mitarbeiter.

Ich habe einen befreundeten Physiker die Wahrscheinlichkeit ausrechnen lassen, dass sich eine Materieansammlung wie das Roboterlabor samt Inhalt spontan bildet. Sie liegt zwischen eins zu zehn hoch zehn hoch einundfünfzig und eins zu zehn hoch zehn hoch siebzig. Das Roboterlabor ist demnach zwar auch nicht gerade wahrscheinlich, aber immerhin sehr viel wahrscheinlicher als das Universum. Der Physiker fragte mich, warum ich ausgerechnet an der Wahrscheinlichkeit des Roboterlabors interessiert sei. Ich sagte, ich hätte meine Gründe.

 

 

 

Peter saß hinter dem Steuer. Seit der Werkseinweihung kämmte er die Haare hinter die Ohren. Das verlieh seinem angenehmen Gesicht mit der hohen glatten Stirn, der langgezogenen Nase und dem markanten Kinn bei schmalen Kiefern einen ätherischen Zug, der in ungeklärtem Gegensatz zu dem für einen Mann ungewöhnlich vollen Mund mit der ausgeprägten Oberlippenfurche stand.

Nachdem Burgi die Kündigung ausgehändigt worden war, hatte sie sich sofort krankgemeldet. Wenn ich Peter kommen ließ, um ihm eine Anweisung zu erteilen, machte er den Mund nicht auf, bei Besprechungen hielt er den größtmöglichen Abstand zu mir.

Ich deutete es als eine Versöhnungsgeste, dass er von sich aus das Thema OpTime anschnitt. Die Kampagne des Vorstands zielte darauf, alle Produkte der Firma schneller auf den Markt zu bringen. OpTime bedeutete ein Abrücken von der D’Wolf-Tradition, denn OpTime war der Musterfall einer riskanten Praktik: Ein früherer Markteintritt garantiert noch nicht den Erfolg, vor allem birgt er das Risiko überproportional hoher Kosten.

Peter dachte laut nach: »Wenn man die Performance riskanter Praktiken untersucht, dann muss die Stichprobe alle Firmen enthalten, die die Praktiken angewendet haben, diejenigen Firmen inklusive, die es nicht mehr gibt.«

Burgi war auch ein Opfer der Kampagne, ohne OpTime hätten die Controller in Berlin nicht so hysterisch auf die Aktennotizen über die Verzögerung bei der Software reagiert. Peter hatte begriffen, dass ich auf irgendeine Art und Weise den Druck von oben weitergeben musste. Schließlich konnte ich nicht ihn entlassen.

Im Roboterlabor kamen wir mit der Bildverarbeitung nicht voran. Die Bildsegmentierung, bei der die Objekte zunächst vom Hintergrund und danach in einem Silhouettenbild voneinander gesondert werden, gestaltete sich nicht genügend trennscharf. Schließlich hatte ich eine Idee. Loud Plane war der Name eines Bildverarbeitungsprogramms, das eine Dresdener Softwarefirma namens Phoenix für General Electric entwickelte. Es bereitete keine Probleme, das Projektteam für Loud Plane zu identifizieren, ich suchte mir einen Programmierer aus, dem ich an seine Privatadresse anonym eine Mail schrieb, ich würde eine Kopie von Loud Plane gut bezahlen, Cash ohne Nachweis.

Die Firma Phoenix traf ungewöhnlich scharfe Sicherheitsvorkehrungen: An bestimmten Projekten, zu denen auch Loud Plane gehörte, mussten die Mitarbeiter ausschließlich in der Firma arbeiten, sie durften Notebooks oder Speichermedien weder in die Firma mitbringen noch mit nach Hause nehmen, am Eingang gab es eine Besucherschleuse mit einem Körperscanner, in der Firma waren Mobiltelefone verboten, und der E-Mail-Verkehr wurde wirkungsvoll überwacht. Der Verkäufer der Kopie wollte auf keinen Fall mit dem Käufer gesehen werden, als Treffpunkt hatte er eine leerstehende Schule am Rand eines ehemaligen Industriegebiets vorgesehen. Der Verkäufer wusste nicht, wer ich war, das sollte auch so bleiben, Peter würde ihn treffen. Ich behauptete Peter gegenüber, die Operation geschehe mit stillschweigender Billigung von oben.

 

Maren, hörst du mich?

Wenn ich deinen Namen ausspreche, atme ich erst gar nicht und dann falsch.

 

Als wir uns dem Ziel näherten, es war früher Abend, fanden wir uns von Nebel eingehüllt. Peter hielt ein paar hundert Meter vor der Zieladresse, und wir stiegen aus. Weiße Flocken wirbelten in der Luft, es roch verbrannt. Ich zerrieb eine der Flocken zwischen den Fingern, eine graue Spur blieb zurück. Jetzt hörten wir auch die Sirenen von Feuerwehrfahrzeugen, offensichtlich war in der Nähe ein Brand ausgebrochen.

 

In Dresden, in der Dämmerung, umgeben von dem Aschengestöber, in der Straße mit den heruntergekommenen Backsteinbauten, auf der keine Menschenseele unterwegs war, als ich auf Peter wartete und er nicht zurückkam, habe ich überlegt, ob ich dir die Wahrheit sagen sollte, Maren –

 

Nach zwei Stunden, die Nacht war hereingebrochen, rief ich Peter an. Ohne Kennung, falls sein Telefon in andere Hände gelangt sein sollte. Er war nicht erreichbar. Ich versuchte es unablässig, ergebnislos, es musste einen Zwischenfall gegeben haben.

 

Nicht nur der Putz bröckelte von den Wänden, Teile der Decke hatten sich gelöst, denen man ausweichen musste, das Schulgebäude war akut einsturzgefährdet. Ich hatte keine Ahnung, wo ich Peter suchen sollte. Im Lehrerzimmer waren die Wände voller Graffiti und die Stühle nicht staubig. Das angrenzende Sekretariat diente als Müllkippe für Bier- und Schnapsflaschen. Als ich die Schulbibliothek betrat, entwich ein Schwarm von Fledermäusen durch die zerbrochenen Fenster nach draußen. In den Klassenzimmern, in die ich mit der Taschenlampe aus dem Auto hineinleuchtete, waren die Tische und Stühle akkurat aufgereiht, jedoch mit einer zentimeterdicken Staub- und Schmutzschicht überfangen. Wer auch immer hier Party machte, er betrat offenbar aus Prinzip kein Klassenzimmer.

Das Gebäude war von schaudererregenden Geräuschen erfüllt, Mäuse oder Ratten stoben durch die Gänge, Nachtschwalben schossen durch das Treppenhaus, irgendwo strömte Wasser aus einer geplatzten Leitung. Ich hatte nicht bemerkt, dass sich die alte Frau an mich herangeschlichen hatte, die mir plötzlich die Taschenlampe entwendete. Ihre grauen Haare reichten bis zur Taille, das Kleidungsstück, das sie anhatte, sah aus wie ein Sack. Ich erblickte sie nur ganz kurz, denn sie schaltete die Taschenlampe sofort aus, nachdem sie sie in ihre Gewalt gebracht hatte. Ich lauschte, wie sie leichtfüßig davonlief.

Unmittelbar darauf rief mich Peter an, er sei eingeschlossen. Er beschrieb einen Raum im dritten Stock, den ich rasch fand, mein Telefon spendete mir Licht. Die Tür war verschlossen, kein Schlüssel steckte. Ich wollte Werkzeug aus dem Wagen holen, um das Schloss zu öffnen, aber Peter wies mich durch die Tür hindurch an, auf dem Gang zu suchen, tatsächlich lag der Schlüssel in einer Ecke.

Erschöpft, aber nicht sichtbar verletzt, saß Peter auf dem Boden, vor einem raumhohen Haufen von Aktenordnern. Er hatte sein Notebook dabeigehabt, um das Programm zu testen, das der Programmierer auf einem Memory stick mitgebracht hatte. Bei zwei einfachen Bildern funktionierte es anstandslos.

»Als ich ein drittes, komplizierteres Bild analysieren wollte, wurde der Bildschirm plötzlich dunkel. Der Programmierer hat mir das Notebook entrissen und ohne ein Wort aus dem Fenster geworfen. Ich war so überrascht, dass ich gar nicht an Widerstand dachte. Dann stürmte er aus dem Raum, schlug die Tür hinter sich zu und sperrte sie ab.«

Ich fragte Peter nach dem Geld, wortlos zog er den Umschlag aus seiner Jacke.

Das war seltsam. Ich wollte wissen, warum ich ihn die ganze Zeit nicht erreichen konnte. Das Telefon habe keinen Empfang gehabt. Erst habe er vergeblich versucht, die Tür einzutreten, dann habe er ein Wandregal demontiert, um mit den Einzelteilen die Tür aufzubrechen, auch das sei ihm nicht gelungen. Schließlich sei ihm der Gedanke gekommen, das Telefon aus dem Fenster zu halten. Es habe sich eingewählt, er habe mich angerufen und den Arm ganz langsam zurückgezogen, die Verbindung sei nicht zusammengebrochen.

 

 

 

Es sah so aus, als ob der Programmierer mit der Kopie ein Virus installiert hatte, das das Programm nach wenigen Anwendungen löschte. Aber wenn er sich schon so weit vorgewagt hatte, den Käufer zu treffen, warum hatte er dann keinen Versuch unternommen, sich des Geldes zu bemächtigen? Hatte das Virus nicht richtig funktioniert und das Programm zu früh gelöscht?

Alles außerhalb des Werks ist der Schrecken.

Uns blieb nichts anderes übrig, als unser eigenes Bildverarbeitungsprogramm weiterzuentwickeln, ich setzte dafür alle Programmierer ein, die ich im Roboterlabor hatte.

Unmittelbar nach der Einweihung hatte Peter eine Rundreise zu Pilotkunden unternommen, die den Prototyp der neuen Steuerung anwendeten. Bei einem Kunden war er Sondra wiederbegegnet. Danach hatte sich ein reger E-Mail-Austausch zwischen den beiden entwickelt, sie hatte ständig weitere Fragen zu den technischen Spezifikationen der neuen Steuerung, die ihr Peter bereitwillig und ausführlich beantwortete.

Das Nichts, in dem das Roboterlabor wieder verschwinden würde, hatte mich lange Zeit aus schönem Auge betrachtet. Jetzt bestarrte es mich mit vermaledeitem Grinsen. Peter und den anderen Mitarbeitern gegenüber hatte ich immer behauptet, das Roboterlabor werde aus einem Etat finanziert, über den der Vorstand für Forschung und Entwicklung direkt entscheide. Das Projekt unterliege der Geheimhaltung, weil es eine Parallelaktivität sei. Als Mitglied mehrerer Arbeitsgruppen war Sondra in Kontakt mit der zentralen Roboterentwicklung in Philadelphia. Der Vorstand für Forschung und Entwicklung hatte ein Büro in Philadelphia. Wenn Peter im Zorn über die Kündigung Burgis oder einfach aus Unbedachtheit Sondra gegenüber das Roboterlabor erwähnt hatte – sie brauchte nur zwei oder drei Kollegen anzusprechen, um herauszufinden, dass weder der F&E-Vorstand noch irgendjemand sonst von dem Roboterlabor wusste.

 

Maren, ich weiß, du hörst mir zu.

Du hörst alles, du siehst alles.

Es ist das Gegenteil des Von-der-Welt-Abgeschnittenseins. Du bist eins mit der Welt. Du und die Welt, das ist eine zusammenhängende Menge von Gefühlen und Wahrnehmungen, so hast du es beschrieben.

Es ist unvorhersehbar, es kann ständig eintreten. Du weißt nicht, wodurch es ausgelöst wird. Du siehst Muster von Gegenständen, die sich in verschiedene Richtungen bewegen, sich formieren und wieder zerstieben. Du bist wehrlos dagegen, dass die Erde unter dir dahinjagt –

Ich habe dir die Wahrheit gesagt, Maren. Aber viel zu spät.

 

Keine ihrer E-Mails enthielt auch nur das geringste persönliche Detail, es lag nahe, dass Peter und Sondra eine zweite Korrespondenz über die privaten Accounts führten. Hatten sie den Ehrgeiz herauszufinden, woher die Mittel für das Roboterlabor kamen? Belauerten sie mich, und hatte Peter dafür gesorgt, dass der Deal mit dem Programmierer platzte, weil er sich sonst etwas hätte zuschulden kommen lassen? Das Nichts, das es gar nicht gab, brüllte mich markerschütternd an.

Das Werksgelände wurde seit jeher industriell genutzt. Die alten Fertigungshallen durften wir komplett abreißen, die unter Denkmalschutz stehende Direktorenvilla sollte als Schulungszentrum dienen und war mit Ausnahme des historischen Granitbodens saniert. Dank seiner großzügigen Ausstattung mit Rundbogenfenstern sammelte der große Salon im halbkreisförmigen Vorbau der Villa so viel Tageslicht wie irgend möglich. In dem leeren Raum hallte jedes Geräusch sehr lange nach, ich erkannte meine eigene Stimme kaum wieder.

Nachdem wir das Schulungskonzept besprochen hatten, begann ich mit dem Verhör. Ich lehnte mich zurück und legte beide Hände auf den Tisch, Peter spielte mit seinem Kugelschreiber.

Bei jedem Erfolg dachte Peter: Wann merken die anderen, dass ich gar nicht das Zeug für meinen Job habe? Nach einem durchschnittlichen Ingenieursexamen hatte er in einem anderen Geschäftsbereich angefangen und war im Begriff gewesen, das Versagen heraufzubeschwören, vor dem er solche Angst hatte. Er hatte zu einem Abendessen eingeladen, das mit einem Verkehrsunfall endete, zwei Kollegen wurden schwer verletzt. Es war viel Alkohol im Spiel gewesen. Ich holte ihn in die Qualitätssicherung und sorgte dafür, dass er eine schnelle Six-Sigma-Ausbildung absolvierte. Mit dem Green Belt machte ich ihn zum Leiter der Qualitätssicherung, mit dem Black Belt zum Produktionsleiter. Seine Ängste wichen, er hielt sich nicht mehr für einen Hochstapler wider Willen, der schließlich irgendwann entlarvt werden würde. Als Jugendlicher hatte er ein regelmäßiges Boxtraining absolviert, das nahm er wieder auf.

Bei Lügendetektortests stellt man am Anfang unverfängliche Fragen, auf die der Getestete gar nicht anders antworten kann als mit der Wahrheit. Ich ging mit Peter die technischen Spezifikationen der Endversion unserer neuen Steuerung durch, dabei gab ich vor, einige nicht präsent zu haben, so dass er sicheres Wissen wiederholen musste. Ich kalibrierte keine Maschine, sondern mich selbst.

Ich fragte Peter nach Burgi. Sie hatte den Stand des Manuals nicht dokumentiert, das Team wusste nicht, welche Maßnahmen sie schon eingeleitet hatte und welche noch veranlasst werden mussten, um das Manual endgültig fertigzustellen. Sie beantwortete keine E-Mails und rief nicht zurück. Ihr Verhalten gab mir nachträglich recht und ihm unrecht. Er sagte, er habe keinen Kontakt mehr zu Burgi. Er wolle über sie nicht mehr reden. Das Abenteuer ihrer Herzen war weit schneller vorbei gewesen, als er es sich hatte vorstellen können.

Peter hat fast keinen Bartwuchs, die Poren seiner völlig glatten Gesichtshaut sind unter und über den Augen in kurzen senkrechten Linien angeordnet, neben dem Mund und neben der Nase sowie in der Mitte der Stirn in waagerechten Linien. Jetzt kamen neue Linien dazu, senkrechte, wo vorher nur waagerechte Linien gewesen waren, und waagerechte, wo es zuvor nur senkrechte gegeben hatte.

Ich fragte Peter, wie oft er von Sondra höre. Philadelphia strapaziere uns mit ständig neuen Auflagen bezüglich der technischen Spezifikationen. Ich fügte hinzu, wenn wir nicht aufpassten, würden wir womöglich mit Sondra das gleiche Problem bekommen wie mit Burgi.

Das Nichts, das keins war, schüttelte sich in ostentativem Gelächter: Peters Gesicht explodierte. Die Porenlinien gruppierten sich zu konzentrischen und segmentierten Kreisen wie auf einer Dart-Scheibe mit der Nasenwurzel als Mittelpunkt. Sein rechtes Auge schien pupillenlos weiß, sein linkes im Schein der untergehenden Sonne blutunterlaufen. Die roten und weißen Segmente im Zentrum der Dart-Scheibe waren von schwarzen und roten Kreisen umgeben.

Der führt mich nicht hinters Licht, dachte ich. Der doch nicht! Oh, wie es feixte, das Nichts, in Vorfreude auf das erhoffte Schauspiel.

 

 

 

»Sie sind an einem Punkt angekommen, an dem Sie entschieden haben: So soll Ihr Leben nicht weitergehen.«

Das neueröffnete Werk war Gastgeber für eine Tagung des Kandor Clubs. Die Personalabteilungen der Geschäftseinheiten scannen ihre juvenilen Human ressources und filtern besonders vielversprechende Begabungen heraus. Die Mitglieder des Kandor Clubs absolvieren spezielle Fortbildungsprogramme, sie halten Konferenzen ab und werden mit besonderen Aufgaben betraut, die nichts mit ihrer eigentlichen Tätigkeit zu tun haben. Bis auf eine Ausnahme kommen alle Mitglieder des gegenwärtigen Vorstands aus dem Kandor Club. Zwar war Sondra auf der Liste der Tagungsteilnehmer, aber sie befand sich nicht unter den Zuhörenden.

Der Personalvorstand hielt den Eröffnungsvortrag im großen Salon der nun eingerichteten Jugendstilvilla. Auf der Terrasse davor standen als Dekoration die aus dem Vollen herausgefrästen Karosserien eines Porsche 911 und eines McLaren F1, der McLaren aus gelbem, der Porsche aus lila Kunststoff. Der Hersteller der Fräsmaschinen war ein Pilotkunde für die POWERWOLF W-82000.

»Viele Menschen können nur schwer erklären, warum eine Veränderung für sie sinnvoll ist und was sie als Nächstes tun möchten. Aber es gibt Menschen, die es in allen Situationen fertigbringen zu wissen, was sie wollen, und die das anderen Menschen verständlich machen können.«

Die Terrassentür ging auf, und Sondra trat ein. Sie hatte ein iPhone zwischen das rechte Ohr und die rechte Schulter geklemmt, in der linken Hand hielt sie ein iPad, auf dem sie mit der rechten tippte. Irritiert hielt der Personalvorstand inne. Er setzte seinen Vortrag erst fort, nachdem sie an ihm vorbeigegangen war und die Sitzreihen erreicht hatte.

»Wir wollen, dass unsere Pläne sinnvoll sind. Wir möchten einen Weg fortsetzen, den wir eingeschlagen haben, auch wenn der nicht gerade ist. Ohne eine Geschichte, die unserem Leben einen Zusammenhang oder einen Sinn verleiht, fühlen wir uns verloren.«

Ich wandte mich um, ich saß ganz außen, Sondra ebenfalls. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen, der Rock war hochgerutscht. Niemand befand sich hinter ihr, die Augen der neben ihr Sitzenden waren auf den Vortragenden gerichtet. Sie trug Stayups, deutlich konnte ich ein in das Strumpfband eingestecktes Futteral erkennen und die Farben Rot, Gelb und Blau ausmachen. Als sie aufblickte und sah, dass ich sie fixierte, zog sie den Rock hastig herunter.

»Haben wir uns selbst besser verstanden, ist es auch für die anderen leichter, uns zu verstehen. Wenn wir eine gute Geschichte erzählen, dann lernen die anderen uns besser kennen. Eine Geschichte, die bewirkt, dass wir an uns selbst glauben, erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass andere an uns glauben.«

Man kann sich für eine Geschichte entscheiden. Aber kann man sich auch aussuchen, wie sie endet?

Bei dem gesetzten Abendessen in der Kantine hatte ich dafür gesorgt, dass Peter und Sondra weit voneinander weg platziert waren, damit sie sich nicht austauschen konnten. Unmittelbar nach dem Essen sollten sie in einer Zweier-Besprechung die noch offenen Fragen bezüglich der Schnittstellen klären, die anderen Mitglieder des Kandor Clubs besuchten ein bestelltes Konzert in der Thomaskirche. Eine Assistentin holte Peter und Sondra ab und brachte sie in einen Besprechungsraum, wo ich an einem Bildschirm eine Kamera und ein Mikrophon installiert hatte. Die Assistentin war angewiesen, die beiden nicht aus den Augen zu lassen, bis sie im Zielraum angelangt waren. Ich wollte wissen, wie sich Sondra und Peter verhielten, wenn sie sich endlich unbeobachtet glaubten.

Kurz nachdem die Assistentin die beiden übernommen hatte, verließ ich ebenfalls die Kantine. Die Kamera in dem Besprechungszimmer war mit einem Monitor im Roboterlabor verbunden. An dessen Eingangstür erwartete mich jedoch eine böse Überraschung: Meine Schlüsselkarte funktionierte nicht, was noch nie vorgekommen war.

Außer Peter hielt sich keiner der Mitarbeiter des Roboterlabors mehr im Werk auf. Beim Pförtner war für Notfälle eine neutral bezeichnete Reserve-Schlüsselkarte hinterlegt, das Roboterlabor gab es ja offiziell nicht. Ich eilte zu der provisorisch in einem Container untergebrachten Pförtnerloge. Dort, wo das Pförtnerhaus errichtet werden sollte, war man bei den Erdarbeiten auf vorzeitliche Gräber gestoßen, bis die Funde ausgewertet waren, griff ein Baustopp. Besucher mussten sich durch das gelblich leuchtende Fenster neben der Tür anmelden. Mit der flachen Hand schlug ich auf das Glas, niemand kam. Ich wischte die verschmierte Scheibe mit dem Ärmel ab und presste die Stirn dagegen. Vor einem uralten Holzschreibtisch ein schiefstehender, mit brüchigem dunkelbraunem Leder überzogener Drehstuhl. Auf dem Schreibtisch ein Karteikasten, darin vergilbte und verschrumpelte Karteikarten, und ein Röhrenradio mit riesigen Bedienelementen, die Senderskala glomm rot. Neben dem Schreibtisch ein Holzregal voller Telefonbücher. Wer benutzt noch Telefonbücher? Wütend pochte ich mit der geballten Faust an der Tür. Die Pförtnerloge musste doch besetzt sein, es gehörte nicht zu den Aufgaben des Pförtners, auf dem Gelände zu patrouillieren, dafür war ein externes Sicherheitsunternehmen zuständig.

Schließlich öffnete ein älterer Mann in einem schlechtsitzenden grauen Anzug, einem weißen Hemd mit Schmutzrand und einer Krawatte voller Flecke. Er hatte eine altmodische Brille mit einer oben schwarzen und unten durchsichtigen Kunststofffassung auf. Ich bin auch ein älterer Mann. Ich sagte dem Pförtner, er solle mir schnellstens die Ersatz-Schlüsselkarte geben, sein Hemd waschen und seine Krawatte in die Reinigung bringen.

Er rührte sich nicht. Hilfesuchend blickte er zu der Frau auf dem abgeschabten Sofa in der Ecke des Raums. Zwar älter als er, musste sie jedoch einmal eine attraktive Erscheinung gewesen sein, ihr Gesicht wirkte lebendig, die dauergewellten roten Haare leuchteten im Halbdunkel des Containers. Neben dem Sofa surrte ein großer Ventilator in einem Drahtkäfig. Freundlich sagte sie zu mir, es sei ein sehr warmer Tag gewesen. Sie nickte dem Mann zu, der in eine Schublade des Schreibtisches griff und mir die Schlüsselkarte reichte.

Ich hatte mich bereits zum Gehen gewandt, als auf einmal ein Blitz den Raum erhellte, begleitet von einem Klackgeräusch, gefolgt von einem mechanischen Surren. Hinter dem Sofa und dem Ventilator trennten zwei Vorhänge den Raum, sie ließen einen Spalt frei, durch den jemand mich fotografiert hatte. Zornig stürmte ich auf den Vorhang zu, der Fotograf drückte erneut auf den Auslöser, das Blitzlicht war so hell, dass ich geblendet innehalten musste.

Als ich wieder sehen konnte, waren die beiden Vorhänge übereinandergezogen. Ich riss sie auseinander und stand vor einem Zwergwüchsigen in einem Rollstuhl, der eine alte Polaroidkamera auf mich gerichtet hielt. Seine Stirn war verformt, sein linkes Auge wie zugeschwollen. Er lachte, dabei entblößte er kleine, weit auseinanderstehende Zähne. Im Vergleich zum Körper schien der Kopf riesig groß, die Schultern befanden sich auf Höhe der Oberkante der Lehne, die ausgestreckten Beine mit den nackten Füßen erreichten gerade die vordere Kante der Sitzfläche. Der Zwergwüchsige schien sehr jung zu sein. Er wartete, bis ich ihn ausgiebig gemustert hatte, um noch einmal die Kamera zu betätigen und mich diesmal so stark zu blenden, dass ich minutenlang nichts mehr richtig erkennen konnte.

Ich kann darauf verzichten, den Schrecken von außerhalb auch noch auf dem Werksgelände zu haben.

Die Frau, ich hörte es am Geräusch ihrer Absätze, nahm mich an der Hand und führte mich aus dem Container hinaus. Als ich mich noch einmal umblickte, sah ich den Türausschnitt von Blitzlicht erhellt. Das Wesen in dem Rollstuhl fotografierte weiter.

Die Schlüsselkarte funktionierte, die Leitung vom Besprechungsraum mit Peter und Sondra zu meinem Büro im Roboterlabor stand. Ich war nicht zu spät gekommen, ich hatte die Assistentin angewiesen, mit Peter noch das Protokoll einer anderen Besprechung gründlich durchzugehen, damit er und Sondra auf keinen Fall allein wären, bis ich meinen Posten eingenommen hatte.

Mein Bild spiegelte sich in der Fensterscheibe, nur das Licht des Monitors beleuchtete mich in dem dunklen Raum. Ich sah älter aus, als ich dachte. Lag es an meinem Mehrtagebart? Meine Mitarbeiter und Vorgesetzten haben sich daran gewöhnt, dass ich mich nur einmal in der Woche rasiere. Als Kind wollte ich nicht zum Friseur gehen, denn das Haareschneiden tat weh, meine Haare waren keineswegs leblos, wie meine Mutter behauptete. Ähnliche Schmerzen bereitete es, als ich meine ersten Barthaare abrasierte. Mittlerweile habe ich gelernt, mit den Schmerzgefühlen umzugehen. Zwar ist meine Stirn ziemlich hoch, aber meine Haare sind noch nicht völlig ergraut. Ich lasse sie sehr kurz schneiden, obwohl das meine abstehenden Ohren betont. Sei’s drum. Noch habe ich mehr schwarze als graue Bartstoppeln. Als Ausgleich für meinen Bart bin ich immer tadellos angezogen. Ich trage nur dunkelgraue oder dunkelblaue enge Anzüge, weiße, blaue, blau-weiß oder rot-weiß gemusterte Hemden und schmale dunkle Krawatten. Ich habe versucht, Jeans und Polos oder T-Shirts anzuziehen, jedes Mal fühlte es sich so an, als würde jemand mit Sandpapier auf meiner Haut reiben.

Ich wusste nicht mehr, wann ich das letzte Mal etwas so intensiv beobachtet hatte wie das Zusammentreffen von Peter und Sondra. Ich stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und verschränkte die Hände ineinander. Eigentlich war es unsinnig, die Hände derart in mein Gesichtsfeld zu halten, dass ich den unteren Teil des Bildschirms gar nicht sehen konnte. Als sich die Assistentin verabschiedet und den Raum verlassen hatte, richtete ich mich weiter auf und streckte den Kopf in die Höhe, anstatt die gefalteten Hände herunterzunehmen.

Zum ersten Mal, seit sie sich im Werk aufhielt, war Sondra mit Peter allein. Wenn die beiden die Beziehung hatten, die ich mir – nicht ausmalte, dann mussten sie sich jetzt, da sie sich unbeobachtet glaubten, offenbaren. Sie sprachen über die technischen Daten der neuen Steuerung, über die Timer, über die Zähler, über die Merker und die Adressbereiche sowie die Register. Sie diskutierten die Konnektivität, die Schnittstellen CANopen, Profibus, Profinet.

Entfernte Supernovae werden aufgespürt, indem man Bilder desselben Raumabschnitts immer wieder miteinander vergleicht und nach Veränderungen sucht. Ich verglich ihr Gespräch mit den unzähligen anderen über dieselben Themen, denen ich beigewohnt oder deren Protokolle mich erreicht hatten, und suchte nach Abweichungen, nach Anomalitäten. Der Gedanke schoss mir durch den Kopf, dass sie mich in unverschämter Weise täuschten. Aber sie konnten doch nicht wissen, dass ich sie beobachtete!

Vorher war mir noch nie aufgefallen, dass Sondra légèrement schielte. Nicht, wenn sie geradeaus oder nach links sah, nur wenn sie ihren Blick auf einen Gegenstand rechts von sich richtete. Dann befand sich die rechte Pupille im rechten Augenwinkel, aber zwischen der linken Pupille und dem rechten Augenwinkel des linken Auges schien noch das Weiß auf. Ich fragte mich, ob die schwarze Schminke um ihre Augen herum die Asymmetrie unterstrich oder ob sie sie herunterspielte. Einerseits betonte der Kontrast zwischen dem Weißen in ihren Augen und dem schwarz geschminkten Unterlid die Fehlstellung der linken Pupille, andererseits verschmolzen die Pupillen mit den Oberlidern und den niedrigen Augenbrauen. Ich konnte mich nicht entscheiden.

Nach einiger Zeit lockerte Sondra das türkisfarbene Band, mit dem sie ihre Haare zurückgebunden hatte, sie schüttelte den Kopf und bauschte die Haare auf. Die Deckenbeleuchtung war nicht eingeschaltet, Peter und Sondra unterhielten sich im Schein von zwei Tischlampen. Peter öffnete den Mund, um etwas zu sagen, in diesem Moment leuchtete einer der patrouillierenden Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes mit einer Taschenlampe durch das Fenster des ebenerdigen Besprechungszimmers im Bürogebäude. Ich musste an die Aufnahme eines Raumabschnitts im All denken: das Licht der Taschenlampe im Fenster eine weit entfernte gelbe, scheibenförmige Galaxie, daneben die punktförmige Widerspiegelung des LEDs vom Bildschirm im Besprechungszimmer als rote Supernova eines um Größenordnungen näheren Sterns. Der Wachmann sah, dass alles in Ordnung war, und ging weiter.

Ich schaltete den Bildschirm aus und gab mich einem passenderweise schnell verebbenden Siegesrausch hin. Da war nichts Wonniges zwischen den beiden. Sie hatten sich nicht gegen mich verlobt.

 

 

 

Als ich auf der Fußgängerbrücke zwischen dem Hauptgebäude und den Satellitenterminals von Berlin Brandenburg Willy Brandt auf Peter wartete, dachte ich: Ich lebe in einem perfekten Augenblick.

Der Swarm-bot war in die Wirklichkeit gesprungen! Zehn beliebig im Raum verteilte S-bots hatten sich zu einer nicht vorprogrammierten Form zusammengesetzt und eine dreißig Zentimeter lange Eisenstange transportiert. Aus dem jovial beauftragten und nachsichtig kontrollierten Hin und Her, dessen Unschlüssigkeit jedoch Anlass zur Sorge gegeben hatte, war eine perfekt funktionierende Folge in Zeit und Raum geworden! Es war, als habe jeder Roboter etwas Bestimmtes in der Ferne entdeckt, das er ungläubig wiedererkannte. Mit zusammengekniffenen Augen bemühten sich die S-bots, ein bisschen deutlicher zu sehen. Sie zwinkerten einander zu!

 

Maren – das Roboterlabor ist mein Leben! – Bitte teile mein Leben mit mir! – Ich weiß, dass du zuhörst!

 

Die S-bots sind nicht groß, mit dem turmartigen Aufbau etwa fünfundzwanzig Zentimeter. Der Korpus hat die Form eines abgeflachten Zylinders, er ist drehbar auf einem Fahrgestell mit zwei Walzen und zwei Raupenketten montiert. Sie sind robust, die kleinen Kerle. Verblüffend flott zuckeln sie durch die Gegend! Im Turm ist eine nach allen Richtungen drehbare Kamera installiert. Besessen mustern sie ständig ihre Umwelt. Wonach halten sie Ausschau? Über die Oberfläche sind Laser-Scanner und Ultraschall-Sensoren verteilt. So bunt: Alle Konturen sind durch farbige LEDs nachgezeichnet. Mittels der Sensoren und der Kamera orientiert sich der S-bot im Raum und erkennt andere S-bots. Nie schmollen die kleinen Schreihälse. Immer wechseln sie ein paar nette Worte mit ihrer Umgebung!

Jeder S-bot hat einen starren Greifarm, der um dreihundertsechzig Grad in der Horizontalen bewegt werden kann, und einen flexiblen Greifarm. Wenn sie Aufgaben allein erledigen, benutzen sie beide Greifarme. Arbeiten sie zusammen, dient der starre Greifarm der Koppelung, mit dem flexiblen wird der Arbeitsauftrag ausgeführt.

Von weitem wirkt es ungeschlacht, aber aus der Nähe sieht man, wie delikat das Skelett des Swarm-bots aus den einzelnen S-bots gebildet wird.

Ständig ändert sich etwas: nicht vorhergesehene Schwierigkeiten auf dem Untergrund, nicht vorhersehbare Verschiebungen des Schwerpunkts des zu manipulierenden Gegenstands. Scheinbare Unmöglichkeiten, vor denen die S-bots auf keinen Fall kapitulieren dürfen! Die Unterlassungssünde des Sich-nicht-Koppelns kann nicht bestraft werden, und sie wird es doch. Alle zusammen verkörpern sie das beständig einstürzende, aber sich unaufhaltsam jedes Mal wieder neu aufrichtende Selbstvertrauen von uns allen.

Die erste Aufgabe, die wir den S-bots gestellt hatten, war einfach die Fortbewegung. Indem sie sich entsprechend zusammenklinken, werden sie mit Geländeunebenheiten fertig, die für den einzelnen S-bot unüberwindbar sind. Auf diese Weise können sie sogar Treppen steigen. Mehrere S-bots sind imstande, einen größeren Gegenstand zu bewegen, es helfen jeweils so viele, dass die Kraft ausreicht. Bestimmte elementare Operationen wie das Wahrnehmen der Umgebung, das Erkennen eines anderen S-bots, das Ankoppeln, wenn sie ankoppeln wollen, führen sie automatisch durch. Alles andere müssen sie lernen. Sie bekommen eine Aufgabe gestellt, und es gibt – sagen wir: Lösungsvorschläge. Aber nicht mehr. Die Erziehungsarbeit wird noch Jahre dauern. Die wunderbare Arbeit, für die ich lebe, für die wir leben!

Meine gewöhnliche Arbeit langweilt mich nicht, ich mache sie nicht nebenbei und vernachlässige sie nicht. Mit den S-bots weiche ich nicht aus, ich lenke mich nicht ab. Aber die Steuerungen sind kein Experiment, ihre Entwicklungspfade sind erwartbar. Die Steuerungen sind – logisch. Was die S-bots bedeuten oder nicht bedeuten? Es ist wohl eine Art gesellschaftliches Experiment. Die S-bots bewältigen ihr Leben, indem sie Gemeinschaftsarbeit lernen. Das Experiment findet auf einem anderen Planeten statt. Ich lebe nicht in Leipzig, ich lebe im Universum.

Die S-bots haben keine Seele. Sie sind nicht logisch. Wenn sie es sind, dann auf eine Art, die ich nicht verstehe.

Peter und ich sollten zu einem BOC-Meeting nach Philadelphia fliegen. Ich gehe immer spät zum Terminal, weil ich so viel Zeit wie möglich auf der Fußgängerbrücke verbringen möchte. Die Brücke ist ein nach oben gebogener gläserner Schlauch, aufgehängt in der Mitte eines halbkreisförmigen Stahlgerüsts, die Segmente des Schlauchs werden von Stahlbügeln gehalten. Der Boden und der Handlauf des Geländers sind aus Holz, ich fasse den Handlauf nie an, ich habe Angst, mir einen Splitter einzuziehen. In der Mitte der Brücke muss man ein paar Meter zu Fuß zwischen den Laufbändern zurücklegen. Ich ziehe meinen Kugelschreiber hervor, nicht den schwarzlackierten, sondern den eloxierten, und klopfe damit gegen den Metallbügel, der die Verglasung hält.

Schon als Kind habe ich am liebsten metallische Klänge gehört. Ich hätte Stunden damit verbringen können, den Klingelknopf zu drücken. Als meine Mutter das verbot, schlich ich mich an ihr Nähkästchen und nahm mir alle Sicherheitsnadeln, ich kettete sie zusammen und versteckte sie in einem Spielzeuglastwagen. Wenn meine Mutter das Haus verließ, zog ich die Kette heraus und schüttelte sie an meinem Ohr.

An dem Tag, als ich auf Peter wartete, war der Himmel fast wolkenlos. Mit meinem Kugelschreiber klopfte ich auf den Stahlbügel, der sich genau am höchsten Punkt der Brücke befand. Nur ganz weit am Horizont waren drei oder vier Lagen von flachen, langgezogenen Wolken zu erkennen, es sah aus, als habe ein Illustrator die Linien der Flughafengebäude aufgenommen und am Himmel weitergeführt.

 

Ich war eins mit der Welt, Maren, und die Welt stand vollkommen still.

 

Alles war ein Versprechen! Die S-bots hatten die ihnen gestellte Aufgabe gemeistert. Die Produktion der neuen Steuerung war ohne Probleme angelaufen, das Manual immer noch nicht fertig, aber wir hatten den Kunden eine Vorabversion zugestellt, der Bestelleingang übertraf alle Erwartungen. Das war sogar dem Vorstandsvorsitzenden aufgefallen, der in einer knappen E-Mail allen Mitarbeitern des Werks seine Anerkennung aussprach. Ich war so froh, dass sich mein Verdacht in Bezug auf Peter und Sondra nicht bewahrheitet hatte. Ein metallischer Tag, die Welt ein glimmerndes Gewebe unter einem flutenden Himmel! Ich würde mit Peter nach Philadelphia fliegen, wir waren allein auf dem Flug, es gab keine anderen Mitarbeiter von D’Wolf, das hatte ich gecheckt, wir würden viel Zeit haben, um die nächsten Schritte im Roboterlabor zu diskutieren.

Der Luftzug wehte Bruchstücke von Unterhaltungen in meine Richtung. »Dann haben sie mir das Zweihundert-Gramm-Senfglas weggeschmissen. Trotzdem hatte ich ein gutes Gefühl. Es war ja besser so, als wenn sie auf Toleranz gemacht hätten …«