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Sie begehrt ihn – aber ist es ein Spiel mit dem Feuer? Der historische Liebesroman »Der ungezähmte Highlander« von Hannah Howell als eBook bei dotbooks. Schottland im Jahre 1475. Als ihre Burg erobert wird, hat die schöne Witwe Keira Murray keine andere Wahl, als sich in ein Kloster zu flüchten. Aber wie lange darf sie sich hinter diesen Mauern verstecken? Schließlich ist es ihre Pflicht, den Vasallen ihres ermordeten Mannes beizustehen … Als ein schwer verwunderter Krieger ins Kloster gebracht wird, ahnt Keira, dass dies ein Wink des Schicksals ist: Hingebungsvoll pflegt sie Liam Cameron gesund. Wird er das Schwert ihrer Rache sein? Doch mit einem hat Keira nicht gerechnet: Dass sie sich gegen ihren Willen in Liam verliebt – und der stolze Highlander zwar ihre Leidenschaft erwidert, aber vielleicht seine wahren Absichten vor ihr verbirgt … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romance-Highlight »Der ungezähmte Highlander« von New-York-Times-Bestsellerautorin Hannah Howell ist der zweite Roman der Saga »Highland Lovers«, der selbstverständlich unabhängig von den anderen Bänden gelesen werden kann. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 463
Über dieses Buch:
Schottland im Jahre 1475. Als ihre Burg erobert wird, hat die schöne Witwe Keira Murray keine andere Wahl, als sich in ein Kloster zu flüchten. Aber wie lange darf sie sich hinter diesen Mauern verstecken? Schließlich ist es ihre Pflicht, den Vasallen ihres ermordeten Mannes beizustehen … Als ein schwer verwunderter Krieger ins Kloster gebracht wird, ahnt Keira, dass dies ein Wink des Schicksals ist: Hingebungsvoll pflegt sie Liam Cameron gesund. Wird er das Schwert ihrer Rache sein? Doch mit einem hat Keira nicht gerechnet: Dass sie sich gegen ihren Willen in Liam verliebt – und der stolze Highlander zwar ihre Leidenschaft erwidert, aber vielleicht seine wahren Absichten vor ihr verbirgt …
Über die Autorin:
Hannah Howell, geboren 1950 in Massachusetts, kann ihren amerikanischen Familienstammbaum bis in das frühe 17. Jahrhundert zurückverfolgen – liebt aber vor allem die Geschichte Englands und Schottlands; auf einer Reise dorthin lernte sie auch ihren späteren Ehemann kennen. Hannah Howell hat in ihrer schriftstellerischen Karriere über 60 Liebesromane veröffentlicht, darunter den großangelegten Zyklus über die Familie Murray, in dem sie mitreißend vom Schicksal mehrerer Generationen einer weitverzweigten schottischen Highlander-Dynastie erzählt. Hannah Howell wurde für ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Golden Leaf Award und dem Preis des Romantic Times Bookclub Magazine.
Bei venusbooks erschienen die folgenden Romane von Hannah Howell:
HIGHLAND HEROES: Das Schicksal des Highlanders; Die Lust des Highlanders; Das Schwert des Highlanders
HIGHLAND ROSES: Die Spur des Highlanders; Die Sehnsucht des Highlanders
HIGHLAND LOVERS: Der Fürst der Highlander; Der ungezähmte Highlander; Der Held der Highlands
HIGHLAND DREAMS: Das Begehren des Highlanders; Der Stolz des Highlanders; Die Versuchung des Highlanders
»Der Kuss des Schotten«
»Das Herz des Highlanders«
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eBook-Lizenzausgabe Januar 2020
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2005 unter dem Titel »Highland Champion« bei Zebra Books, New York.
Copyright © der Originalausgabe 2005 by Hannah Howell; published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., New York, NY, USA
Copyright © der deutschsprachigen Erstausgabe 2012 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München
Copyright © der vorliegenden Lizenzausgabe 2020 venusbooks GmbH, München
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück, 30161 Hannover.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von VJ Dunraven Productions sowie shutterstock/Swen Stroop, STILLFX, enterphoto
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)
ISBN 978-3-95885-737-7
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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags
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Hannah Howell
Der ungezähmte Highlander
Roman
Aus dem Englischen von Angela Schumitz
venusbooks
Schottland, Frühling 1475
Warum steht ein Engel neben Bruder Matthew?, dachte Liam, als er durch seine dichten Wimpern die zwei Gestalten betrachtete, die sorgenvoll auf ihn heruntersahen. Und warum konnte er seine Lider nicht aufheben? Dann setzte der Schmerz ein, und Liam begann zu stöhnen. Bruder Matthew und der Engel kamen näher.
»Glaubst du, dass er es überlebt?«, fragte Bruder Matthew.
»Aye«, erwiderte der Engel. »Auch wenn es ihm vermutlich noch ein Weilchen lieber sein würde, es nicht getan zu haben.«
Wie seltsam. Die Stimme dieses Engels ließ Liam an eine in sanftes Kerzenlicht getauchte Schlafkammer denken, an weiche, nackte Haut und dicke Felle. Er versuchte, die Hand zu heben, doch selbst diese winzige Bewegung löste unerträgliche Schmerzen aus. Er hatte das Gefühl, als hätte ihn ein Pferd niedergetrampelt, vielleicht auch mehrere. Sehr große Pferde.
»Er ist ein hübscher Bursche«, sagte der Engel und streichelte mit einer kleinen, sanften Hand Liams Stirn.
»Woher willst du das wissen? Er sieht aus, als ob ihn jemand in den Boden genagelt hätte und dann mit einer Herde Pferde über ihn hinweggeritten wäre.«
Bruder Matthew und er hatten oft ähnliche Gedanken. Er gehörte zu den wenigen Männern, die Liam vermisst hatte, nachdem er das Kloster verlassen hatte. Jetzt vermisste er die weiche Hand des Engels. Auch wenn sie nur kurz seine Stirn gestreichelt hatte, schien diese sanfte Berührung seinem Schmerz die Schärfe genommen zu haben.
»Stimmt«, erwiderte der Engel. »Trotzdem kann man sehen, dass er groß, sehnig und wohlgebaut ist.«
»Solche Dinge sollten dir nicht auffallen.«
»Meine Güte, Cousin, ich bin doch nicht blind!«
»Das mag sein, aber trotzdem schickt es sich nicht. Und du weißt, dass er sich momentan nicht in bester Verfassung befindet.«
»Wohl wahr. Aber wenn er wiederhergestellt ist, sieht er bestimmt blendend aus, oder? Vielleicht sogar so gut wie unser Cousin Payton, was meinst du?«
Bruder Matthew schnaubte verächtlich. »Besser. Um ehrlich zu sein, habe ich deshalb auch nie gedacht, dass er bei uns bleiben würde.«
Warum sollte sein Äußeres jemanden auf den Gedanken bringen, dass er für das Leben im Kloster nicht geschaffen war? Liam fand das ungerecht, konnte seine Meinung aber nicht kundtun. Trotz seiner Schmerzen konnte er klar denken. Es wollte ihm nur nicht gelingen, seine Gedanken in Worte zu fassen oder sich zu bewegen, um zu verdeutlichen, dass er das Gespräch mitbekam. Obwohl er sie durch seine Wimpern hindurch ansehen konnte, waren seine Lider offensichtlich nicht weit genug aufgeschlagen, um die beiden wissen zu lassen, dass er wach war.
»Du glaubst also nicht, dass er sich wirklich berufen gefühlt hat?«, fragte der Engel.
»Nay«, erwiderte Bruder Matthew. »Er beschäftigte sich zwar gern mit Büchern, und er besitzt auch eine rasche Auffassungsgabe, aber wir konnten ihm hier nicht viel beibringen. Wir sind nur ein kleines Kloster, nicht reich, und keine große Bildungsstätte. Außerdem glaube ich, dass es ihm hier zu still und zu friedlich war. Er hat seine Familie vermisst. Da ich ein paar seiner männlichen Blutsverwandten kennengelernt habe, kann ich das gut verstehen. Es sind alles laute – na ja, ziemlich wilde Burschen. Das Studium hat Liams Ruhelosigkeit eine Weile gebremst, aber letztlich nicht ausreichend. Ich glaube, das stille, täglich gleichbleibende Ritual, die Eintönigkeit des Tagesablaufs hat auf sein Gemüt gedrückt.«
Liam war überrascht, wie gut sein alter Freund ihn kannte und verstand. Er war tatsächlich ruhelos gewesen, und er war es in gewisser Weise noch immer. Die Ruhe im Kloster, der starre Tagesablauf des klösterlichen Lebens hatten begonnen, ihn niederzudrücken und ihn eher erstickt als gestützt. Und seine Familie hatte er wirklich sehr vermisst. Einen Moment lang war er froh, dass er nicht reden konnte, denn er fürchtete, dass er sonst wie ein verzweifeltes Kind nach seinen Verwandten gefragt hätte.
»Es ist bestimmt nicht leicht«, sagte der Engel. »Es hat mich sehr gewundert, dass du dich so gut in dieses Leben eingefügt hast. Aber du fühlst dich tatsächlich berufen, oder?«
»Aye«, erwiderte Bruder Matthew schlicht. »Das habe ich sogar schon als Kind getan. Aber glaub ja nicht, dass ich euch nicht vermisse, Keira. Manchmal tue ich das sogar schmerzlich, obgleich unsere Bruderschaft auch eine Art Familie ist. Dennoch werde ich euch vielleicht bald einmal besuchen. Ich habe mich in letzter Zeit oft gefragt, wie groß die Kinder mittlerweile sind und ob alle gesund und munter sind. Briefe können so etwas nicht wirklich zeigen.«
»Das stimmt«, seufzte Keira. »Ich vermisse sie auch schrecklich, und dabei bin ich erst ein halbes Jahr weg.«
»Keira«, wiederholte Liam den Namen in seinem Kopf. Ein schöner Name. Er versuchte, seinen Arm zu bewegen, auch wenn es wehtat, und verspürte einen Anflug von Panik, als sein Arm dem Befehl nicht gehorchen wollte. Dann merkte er, dass er am Bett angebunden war, was sein Unbehagen verstärkte. Warum hatten sie ihn angebunden? Warum wollten sie nicht, dass er sich bewegte? Waren seine Verletzungen so schwer? Irrte er sich, wenn er dachte, sie wollten ihm helfen? War er in Wahrheit ihr Gefangener? Während ihm diese Fragen im Kopf herumschwirrten, kämpfte er gegen die Schmerzen an und zerrte an seinen Fesseln. Ein Stöhnen entkam ihm, als ihn ein stechender Schmerz durchzuckte. Er beruhigte sich erst wieder, als kleine, weiche Hände sich auf ihn legten, eine Hand auf seine Stirn, die andere auf seine Brust.
»Ich glaube, er wacht allmählich auf, Cousin«, sagte Keira zu Matthew, und zu Liam: »Keine Sorge, Sir, alles wird gut.«
»Gefesselt«, stieß Liam zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Der Schmerz beim Reden sagte ihm, dass sein Gesicht viele Schläge abbekommen haben musste. »Warum?«
»Damit du dich nicht bewegst, Liam«, sagte Bruder Matthew. »Keira glaubt zwar, dass nur dein rechtes Bein gebrochen ist, aber du hast so heftig um dich geschlagen, dass wir uns Sorgen machten.«
»Aye«, pflichtete ihm Keira bei. »Ihr seid halb tot geprügelt worden, Sir. Am besten verhaltet Ihr Euch möglichst ruhig, um Eure Schmerzen nicht zu vergrößern. Habt Ihr große Schmerzen?«
Liam entfuhr ein derber Fluch ob dieser ihm völlig idiotisch erscheinenden Frage. Er hörte Bruder Matthew vor Schreck nach Luft schnappen. Zu seiner Überraschung lachte Keira leise.
»Es war wirklich eine dumme Frage«, sagte sie, mit einem Lachen in der sinnlichen Stimme. »An Euch ist kaum eine Stelle, die nicht von Blutergüssen schillert, und Euer rechtes Bein ist gebrochen. Es ist allerdings ein recht sauberer Bruch, den ich wieder eingerichtet habe. Es ist drei Tage her, und um den Bruch oder im Blut zeigt sich kein Gift, das Bein sollte also gut ausheilen.«
»Liam, ich bin's, Bruder Matthew. Keira und ich haben dich in das kleine Cottage am Rand des Klostergeländes gebracht. Die Brüder ließen es nicht zu, dass Keira sich im Kloster um deine Wunden kümmerte.« Er seufzte. »Sie waren nicht gerade erfreut über ihre Anwesenheit, obwohl sie gut im Gästetrakt versteckt war. Vor allem Bruder Paul hat sich sehr aufgeregt.«
»Aufgeregt?«, murrte Keira. »Unsere Cousine Elspeth hätte gesagt, er ...«
»Aye«, fiel ihr Bruder Matthew hastig ins Wort. »Ich weiß, was unsere Cousine gesagt hätte. Ich glaube, sie hat zu lange bei diesen ungehobelten Armstrongs gelebt. Für eine Lady hat sie mittlerweile ein viel zu loses Mundwerk.«
Keira schnaubte abfällig. »Meine Güte, du bist aber wirklich fromm geworden, Cousin.«
»Natürlich, ich bin ein Mönch, wir werden hier zur Frömmigkeit erzogen. Wenn du möchtest, helfe ich dir, Liam einen Heiltrank einzuflößen oder seine Verbände zu wechseln, aber dann muss ich wieder ins Kloster.«
»Na gut, am besten siehst du mal nach, ob er sich erleichtern muss«, sagte Keira. »Ich gehe kurz raus, dann kannst du dich darum kümmern. In der Zwischenzeit werde ich mich im Klostergarten nach ein paar Kräutern umsehen. Ich bin gleich wieder da.«
»Wie soll ich das denn machen?«, fragte Bruder Matthew, doch die einzige Antwort war die Tür, die sich hinter Keira schloss. »Freches Ding«, murrte er erbittert.
»Cousine?«, fragte Liam und merkte, dass nicht nur sein Hals verletzt war, sondern auch sein Kiefer und sein Mund.
»Cousine? Ach so, ja, das Mädchen ist eine Cousine von mir, eine aus der gewaltigen Horde von Cousinen, um ehrlich zu sein. Eine Murray, du weißt schon.«
»Kirkaldy?«
»Aye, das ist mein Clan. Wie der ihrer Großmutter. Aber jetzt müssen wir sehen, ob wir diese Sache hinkriegen. Ich fürchte, es wird dir wehtun, egal, wie behutsam ich bin.«
Es tat weh. Liam schrie auf, was seine Schmerzen allerdings nur noch verschlimmerte. Er war froh, als ihn wieder die Dunkelheit umfing, und der gute Bruder Matthew, der gar nicht aufhören konnte, sich zu entschuldigen, war es ebenso.
***
»Oh je, er sieht ein bisschen blasser aus«, bemerkte Keira, nachdem sie ihre Kräuter auf einen Tisch gelegt hatte und an das schmale Bett getreten war, an das Liam angebunden war.
»Er hat noch immer große Schmerzen. Und ich fürchte, ich habe sie noch vergrößert«, meinte Bruder Matthew.
»Du kannst nichts dafür, Cousin. Es geht ihm zweifellos besser, aber solche Verletzungen brauchen Zeit, um zu heilen. An diesem Mann ist wohl kaum ein unversehrter Teil. Es ist ein wahres Wunder, dass nur sein Bein gebrochen ist.«
»Bist du dir sicher, dass er nur verprügelt wurde? Oder dass er überhaupt verprügelt wurde?«
»Aye, Cousin, er ist verprügelt worden, daran besteht kein Zweifel. Aber vielleicht wurde er diesen Hügel auch hinuntergestoßen. Manche Verletzungen könnten von dem felsigen Hang, den er hinuntergerollt, und von dem felsigen Boden, auf dem er schließlich aufgeschlagen ist, herrühren. Bislang hat er dir wohl noch nicht sagen können, was ihm zugestoßen ist, oder?«
»Nay. Er hat kaum ein Wort gesagt, dann hat er vor Schmerzen geschrien, und seitdem ist sein Zustand unverändert.« Bruder Matthew schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte mir einen Reim darauf machen. Wer tut ihm so etwas Schreckliches an? Seit er vor Jahren das Kloster verlassen hat, habe ich zwar nicht viel von ihm gesehen, aber im Grunde ist er keiner, der sich Feinde macht, noch dazu solche heimtückischen Feinde.«
Keira überprüfte die Stricke, mit denen Liam ans Bett angebunden war, und musterte ihn. »Vermutlich ist er schon öfters der Eifersucht begegnet.«
Bruder Matthew runzelte die Stirn. Seine Cousine schien ein reges Interesse an Liam Cameron zu haben, weit mehr, als eine Heilerin an ihrem Kranken haben sollte. Eine Heilerin musste doch bestimmt nicht ständig seine Haare berühren, so oft wie Keira Liams dichtes, kupferfarbenes Haar. Liam sah wahrhaftig nicht besonders gut aus, die Prügel hatten ihm einiges von seiner Schönheit genommen; doch offenbar besaßen sein zerschlagener Körper und sein übel zugerichtetes Gesicht noch genügend Reize für Keira.
Er versuchte, Keira als erwachsene Frau zu sehen und nicht als die Cousine, mit der er als Kind gespielt hatte. Verblüfft stellte er fest, dass seine Cousine kein Kind mehr war, sondern eine sehr attraktive Frau. Sie war klein und schlank, und dennoch weiblich, denn ihre Brüste waren voll und wohlgeformt und ihre Hüften hübsch gerundet. Ihre dichten, glänzend schwarzen Haare waren zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr auf dem Rücken bis über die schmale Taille herabhing. Ihre helle Haut wirkte durch das Schwarz der Haare noch reiner, cremeweiß mit einem Anflug von gesunder Farbe. Ihr ovales Gesicht war von einer zarten Schönheit, die Nase klein und gerade, das kleine Kinn kraftvoll und energisch, ihre Wangenknochen waren hoch und fein konturiert. Am auffälligsten waren jedoch ihre tiefgrünen Augen unter sanft geschwungenen dunklen Brauen, gerahmt von dichten langen Wimpern. In diesen großen Augen lag Unschuld, doch gleichzeitig versprach ihre Tiefe all die weiblichen Mysterien, die einen Mann in ihren Bann zogen. Überrascht stellte Matthew fest, dass ihr Mund denselben Widerspruch spiegelte. Ein Lächeln der vollen Lippen konnte die absolute Verkörperung von Unschuld sein, doch – wie er plötzlich feststellte – würde jeder Mann ihre Sinnlichkeit sofort wahrnehmen. Und er befürchtete, dass es ein schwerer Fehler gewesen war, Keira zu bitten, sich um einen Mann wie Liam Cameron zu kümmern.
»Du machst auf einmal ein so seltsames Gesicht, Cousin«, sagte Keira und machte sich daran, eine Salbe für Liams Verletzungen herzustellen. »Er wird nicht sterben, das verspreche ich dir. Es wird nur eine ganze Weile dauern, bis er wieder vollkommen genesen ist.«
»Das glaube ich dir. Es ist nur so – na ja, etwas, was Liam am Klosterleben besonders schwergefallen ist, war, dass ...«
»...dass er keine Mädchen anlächeln konnte.« Keira grinste über seine besorgte Miene, die zu seinem jungenhaft hübschen Gesicht schlecht passen wollte. »Ich glaube, dieser Mann hat ähnlich wie unser Cousin Payton ziemlich viel Erfolg bei Frauen. Und eigentlich reicht es schon, wenn er sie anlächelt.«
»Ich glaube, er braucht nicht einmal zu lächeln«, grummelte Bruder Matthew.
»Nay, wahrscheinlich nicht. Na komm schon, Cousin, schau nicht so besorgt. Jetzt kann er mir nicht gefährlich werden, oder? Und wenn er wieder lächeln kann, kann er mir nur gefährlich werden, wenn ich das will. Glaubst du etwa, dass meine Familie mich nicht darauf vorbereitet hat, wie ich mit Männern umzugehen habe?« Sie warf einen Blick in Richtung Liam. »Ist er ein schlechter Mann? Ein tückischer, herzloser Verführer unschuldiger Herzen?«
Bruder Matthew seufzte. »Nay, das glaube ich nicht.«
»Dann besteht doch kein Grund zur Sorge, oder? Wir sollten uns den Kopf lieber über all unsere anderen Sorgen zerbrechen. Sie sind viel wichtiger als die Frage, ob ich dem süßen Lächeln eines hübschen Jungen widerstehen kann oder nicht. Ich bin jetzt schon fast zwei Monate hier, Cousin. Von meinem Feind habe ich in dieser Zeit nichts gesehen, und deshalb denke ich, dass ich bald versuchen sollte, nach Donncoill zurückzukehren.«
»Ich weiß. Es wundert mich allerdings, dass keiner deiner Verwandten gekommen ist, um dich zu holen. Ist es nicht seltsam, dass sie sich nicht fragen, warum du dich so lange in einem Kloster aufhältst oder warum die Mönche es überhaupt zulassen?«
Keira unterdrückte ihr schlechtes Gewissen. Sie hatte ihn nämlich im Glauben gelassen, dass sie mit ihrer Familie in Verbindung stand. »Es ist doch nicht ungewöhnlich, dass Gäste – männliche oder weibliche – im Gästetrakt verweilen, und ich bezahlte auch gut dafür.«
Sie lächelte und tätschelte seinen Arm, als er verlegen errötete. »Das ist es mir wert. Ich musste mich verstecken und meine Wunden heilen lassen, und ich musste meinen Kummer und meine Angst überwinden. Vor allem aber musste ich sicher sein, dass wenn ich nach Hause ging, ich diesen mordlustigen Dreckskerl Rauf nicht direkt nach Donncoill führte.«
»Deine Familie würde dich doch beschützen, Keira. Sie würden es als ihre Pflicht und als ihr Recht erachten, und es wird sie nicht freuen, wenn du es ihnen verwehrst.«
Keira zuckte zusammen. »Ich weiß, aber lass das nur meine Sorge sein. Ich musste mir auch überlegen, was ich als Nächstes tun wollte. Duncan hat mir ein Versprechen abgenommen, und ich musste gut darüber nachdenken, wie ich es erfüllen kann und was es mich kosten wird.«
»Ich weiß, dass das nicht leicht sein wird. Rauf ist gerissen und verschlagen. Dennoch gelobtest du deinem Ehemann, dafür zu sorgen, dass seine Leute nicht unter Raufs Herrschaft litten, falls er die Schlacht in dieser Nacht verlor. Er verlor. Und er starb in dieser Nacht, also kommt dein Versprechen dem gleich, das du einem Mann auf dem Totenbett gabst. Du musst jetzt alles in deiner Macht Stehende tun, um es zu erfüllen.« Er küsste sie auf die Wange, dann schickte er sich an zu gehen. »Wir sehen uns morgen früh. Schlaf gut!«
»Du auch, Cousin.«
Als er gegangen war, seufzte Keira auf und setzte sich auf den kleinen Stuhl neben Liam Camerons Bett. Aus dem Mund ihres Cousins klang immer alles so einfach. Das Versprechen, das sie ihrem armen glücklosen Ehemann gegeben hatte, lastete schwer auf ihrer Seele. Und auch das Schicksal der Menschen von Ardgleann war ihr nicht gleichgültig. Duncan hatte sich immer um seine Leute gekümmert. Es bedrückte sie, wenn sie daran dachte, wie sehr sie jetzt unter Raufs Herrschaft leiden mussten. Sie betete jede Nacht für sie, aber das zerstreute ihre Schuldgefühle nicht, dass sie weggelaufen war. Auch wenn manches, worum Duncan sie gebeten hatte, nicht richtig gewesen war, konnten die Menschen von Ardgleann nicht mehr warten, bis sie endlich Richtig gegen Falsch abgewogen hatte. Es war Zeit zu handeln – allerhöchste Zeit!
Gedankenverloren wusch sie Liam mit einem weichen Tuch und kaltem Wasser. Er hatte zwar kein Fieber, aber er schien ruhiger zu werden. Der Mann war stark, er würde sich bestimmt bald erholen. Bis er alleine zurechtkommen konnte, sollte sie wissen, was wegen Ardgleann und Rauf zu tun war. Sobald sie herausgefunden hatte, warum Liam verletzt worden war, und sich sicher war, dass ihm kein Feind nachstellte, würde sie ihn der Pflege der Mönche überlassen und sich ihrem eigenen Schicksal stellen.
Als sie daran dachte, diesen Mann zu verlassen, verspürte sie einen schmerzhaften Stich. Beinahe hätte sie lachen müssen. Sir Liam war von Kopf bis Fuß mit Blutergüssen übersät und hatte in drei Tagen kaum drei Worte geredet. Wahrscheinlich fühlte sie sich ihm auf eine merkwürdige Weise verbunden, weil sie ihn gefunden hatte. In Wahrheit aber hatte sie eine seltsame Mischung aus Träumen und innerem Drang zu ihm geführt. Es war ein wenig beängstigend gewesen, denn obgleich sie früher schon ähnliche Erfahrungen gemacht hatte, war ihr noch nie alles so klar erschienen, und sie hatte es nie so stark empfunden. Selbst jetzt wurde sie das Gefühl kaum los, dass es nicht nur darum ging, diesem Mann bei der Genesung zur Seite zu stehen.
»Dumme Gans!«, murrte sie kopfschüttelnd und trocknete ihn mit einem weichen Handtuch ab.
Vielleicht sollte sie seine Leute benachrichtigen, dachte sie, während sie eine kräftige Brühe zubereitete, die sie ihm einflößen wollte, wenn er aufwachte. Den Worten ihres Cousins hatte sie entnommen, dass Sir Liams Verwandte sehr wohl imstande sein würden, ihn zu schützen. Doch dann verwarf sie diesen Gedanken rasch wieder, und zwar aus demselben Grund, den sie ihrem Cousin genannt hatte, als er ihr vorgeschlagen hatte, die Camerons zu rufen. Sir Liam wollte das vielleicht gar nicht, womöglich wollte er seine Familie nicht in den Ärger verwickeln, den er sich eingehandelt hatte. Das konnte sie gut verstehen, denn auch sie zögerte, ihre Familie mit ihren Sorgen zu behelligen.
Freilich war auch das töricht. Schließlich hatte sie nichts Unrechtes getan, sie hatte den Ärger nicht verursacht und die Gefahr nicht heraufbeschworen. Wenn einer ihrer Verwandten in eine solche Notlage geraten wäre, wäre sie ihm bereitwillig zu Hilfe geeilt. Aber gerade deshalb hätte so ein Verwandter wohl auch gezögert, sie davon in Kenntnis zu setzen, dachte sie und musste kurz grinsen. Man neigt eben dazu, diejenigen zu schützen, die man liebt. Würde ihre Familie erfahren, dass sie sie vorsätzlich draußen vor gelassen hatte, würden sie zornig sein und vielleicht auch ein wenig beleidigt oder gekränkt, aber sie würden es verstehen, denn im Grunde hätten sie wahrscheinlich genauso gehandelt.
Und wenn dieser Mann seiner Familie so nahe stand, wie es ihr Cousin angedeutet hatte, würde er sich genauso verhalten. Bei ihrer letzten Begegnung mit ihrer Cousine Gillyanne hatte sie einiges über die Camerons erfahren. Auch wenn die Geschichten ziemlich lustig gewesen waren, hatten sie doch gezeigt, dass sich auch die Camerons sehr nahe standen. Außerdem durfte man Sir Liams männlichen Stolz nicht vergessen. Zweifellos würde es ihn ärgern, wenn man ihn so behandelte, als ob er nicht alleine zurechtkäme. Nein, beschloss Keira, es war keine gute Idee, seine Familie ohne seine Einwilligung zu benachrichtigen.
Nach einem Abendessen aus Brot, Käse und kaltem Wildbret nahm sie ein hastiges Bad und legte sich auf ihren Strohsack am Feuer zur Ruhe. Sie starrte in die Flammen und wartete auf den Schlaf. Diese nächtlichen Stunden, die Stille und die Tatsache, dass der Schlaf so lange auf sich warten ließ, waren ihr zutiefst verhasst; denn dann war sie allein mit ihren Erinnerungen. So sehr sie sich bemühte, sie konnte sich dem Griff dieser düsteren Vergangenheit nicht entziehen. Sie konnte sie nur eine Weile unterdrücken.
Duncan war ein guter Mann gewesen, stattlich und sehr freundlich. Sie hatte ihn nicht geliebt, was ihr noch immer Gewissensbisse bereitete, auch wenn es nicht ihre Schuld war. Doch mit fast zweiundzwanzig Jahren hatte sie beschlossen, nicht mehr auf die große, leidenschaftliche Liebe warten zu wollen. Sie hatte sich Kinder gewünscht und ein eigenes Heim. Obwohl sie ihre Familie innig liebte, hatte sie immer deutlicher das Bedürfnis verspürt, ihre Schwingen auszubreiten und eigene Wege zu gehen. Die Ehe bescherte einer Frau gewöhnlich keine Freiheit, doch instinktiv hatte sie gewusst, dass Duncan nicht versuchen würde, sie zu beherrschen. Er hatte eine treue Gefährtin gesucht, und da sie wusste, wie selten so etwas war, hatte sie ihm ihr Jawort gegeben, als er sie gefragt hatte, ob sie seine Frau werden wolle.
Sie wusste noch gut, dass ihre Familie einige Zweifel gehegt hatte, vor allem hatten es ihre Großmutter Lady Maldie und ihre Cousine Gillyanne. Ihre besondere Gabe hatte ihnen geweissagt, dass sie den Mann, den sie bald heiraten würde, nicht liebte. Sie hatten ihr Unbehagen gefühlt, das sie sich selbst kaum erklären konnte. Vielleicht wäre es besser gewesen, die beiden hätten sie stärker bedrängt, von dieser Heirat abzusehen? Doch gleich, nachdem ihr dieser Gedanke gekommen war, schalt sie sich. Sie hatten ihre Wahl respektiert, und es war tatsächlich ihre Wahl gewesen.
Warum sie sich von dem Moment an, als sie Duncans Heiratsantrag angenommen hatte, unbehaglich gefühlt hatte, war ihr bis zu diesem Tag ein Rätsel. Sie hatte das Unbehagen verdrängt und Duncan geheiratet. Schon wenige Stunden nach der Hochzeit hatte sich abgezeichnet, dass es Schwierigkeiten zwischen ihnen geben würde, und wenige Tage nach ihrer Ankunft auf Ardgleann hatte der Ärger mit Rauf begonnen. Sie hatte geglaubt, dass das all ihre merkwürdigen Gefühle erklärte, aber jetzt war sie sich nicht mehr so sicher. Sie war vielmehr von der seltsamen Gewissheit erfüllt, dass das Rätsel noch nicht gelöst war.
Als sie sich endlich entspannte und den tröstlichen Schlaf kommen spürte, stieß Sir Liam einen rauen Schrei aus, der sie heftig zusammenzucken ließ. Sie zupfte ihr Nachthemd zurecht und eilte zu ihm. Er zerrte wieder an seinen Stricken und fluchte wüst auf Feinde, die nur er sehen konnte. Sie strich ihm über die Stirn und redete besänftigend auf ihn ein. Immer wieder erklärte sie ihm, wo er sei, wer sich nun um ihn kümmere und dass er in Sicherheit sei. Es wunderte sie fast ein wenig, wie rasch er sich beruhigte.
»Jolene?«, wisperte er.
Keira fragte sich, warum es sie so ärgerte, dass sie den Namen einer anderen Frau aus seinem Mund hörte. »Nay, Keira«, sagte sie und legte die Hand auf die seine, um ihn daran zu hindern, weiter an den Stricken zu zerren.
»Keira«, wiederholte er und nahm ihre Hand in seine. »Aye, Keira. Schwarze Haare. Hat mich verwirrt. Ich dachte, ich wäre daheim, auf Dubheidland.«
»Ach so. Ist sie dort die Heilerin?« Keira versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen, doch er wollte sie nicht loslassen. Schließlich setzte sie sich auf den Stuhl neben seinem Bett.
»Sigimors Gemahlin, die Herrin von Dubheidland. Ich dachte, ich wäre daheim«, wiederholte er.
»Das habt Ihr schon gesagt. Wenn Ihr wollt, kann ich Euch etwas gegen die Schmerzen geben.«
»Nay. Ich dachte, ich wäre wieder gefangen.«
Obwohl sie wusste, dass ihm das Reden Mühe bereitete, konnte sie es sich nicht verkneifen zu fragen: »Erinnert Ihr Euch, was Euch widerfahren ist?«
»Geschnappt. Geschlagen, gestoßen. Ihr habt mich gefunden?«
»Aye, ich und mein Cousin, Bruder Matthew«
»Gut. Hier bin ich sicher.«
»Aye, hier kann Euch nichts passieren.« Abermals versuchte sie vergeblich, sich aus seinem Griff zu befreien.
»Bleibt.« Er seufzte schwer. »Bitte bleibt.«
Innerlich verfluchte Keira die Schwäche, die sie dazu brachte, seiner Bitte Folge zu leisten. Behutsam rutschte sie mit dem Stuhl ein wenig näher, damit sie es bequemer hatte, während sie darauf wartete, dass er ihre Hand losließ. Nachdem er eine Weile nichts mehr gesagt hatte, fragte sie sich, ob er wieder eingeschlafen war, doch der Griff um ihre Hand lockerte sich nicht. Zu ihrer Überraschung begann er, ihren Handrücken mit dem Daumen zu streicheln. Die Wärme, die die Geste in ihr erregte, war ein wenig beunruhigend, aber sie konnte sich nicht dazu durchringen, ihm Einhalt zu gebieten.
Das ist nicht gut, dachte sie. Der sie streichelnde Daumen eines Mannes sollte nicht diese Wirkung haben. Es war zwar eine sehr schöne Hand mit langen, eleganten Fingern, aber das Streicheln war zu unverfänglich, um irgendeinen Reiz auszulösen. Oder etwa nicht? Seufzend betrachtete sie sein übel zugerichtetes Gesicht. Und ihr wurde bewusst, dass sie sich zu all dem Verdruss, den sie bereits hatte, einen neuen eingehandelt hatte: Ein Mann, den sie nicht kannte und dessen Gesicht voller blauer Flecken und geschwollen war, dass es einem Kind vermutlich Albträume bereitet hätte, konnte ihr Blut allein durch das einfache Streicheln mit dem Daumen in Wallung versetzen.
Liana schlug die Augen auf und spürte einen merkwürdigen Funken Vorfreude neben seinen Schmerzen. Er fragte sich, worauf er sich wohl freute, denn im Wachzustand war er sich stets nur allzu deutlich seiner Schmerzen bewusst. Dann merkte er, dass er jemandes Hand hielt. Er hoffte, dass er nicht Bruder Matthew umklammerte. Doch die Hand war zu klein und zu weich. Kurz kam ihm der Gedanke, dass diese kleine Hand seinem Körper und seiner Seele irgendwie guttat. Dann erinnerte er sich an die Frau.
Vorsichtig drehte er den Kopf und versuchte, sich ihren Namen zu vergegenwärtigen. Keira, flüsterte er, und sein Blick fiel auf eine hübsche, zarte Hand in der seinen und einen dicken glänzend schwarzen Zopf, der sich auf sein Handgelenk gelegt hatte. Der Stuhl war nah ans Bett gerückt, und Keira saß darauf, schlafend, halb auf dem Stuhl, halb auf seinem Bett. Er erinnerte sich, dass man ihn festgebunden hatte, doch entweder hatte er das nur geträumt, oder sie hatte die Stricke bis auf die an seinem rechten Bein gelockert. Ihre Wange lag auf seinem Bauch, und einen Moment lang verfluchte er die Laken, die sie trennten. Er blickte wieder auf die Hand, die er an seine Brust gedrückt hatte, und fragte sich, wie lange er die Frau so festgehalten hatte. Er bekam ein schlechtes Gewissen, dass er sie zu einer solch unbequemen Lage gezwungen hatte. Beim Aufwachen würde sie bestimmt völlig verspannt sein. Dennoch wollte er sie nicht loslassen.
Im Schlaf sah sie unschuldig aus wie ein Kind, doch der sinnliche Schwung ihrer Lippen ließ ein leidenschaftliches Wesen erahnen. Sie war wunderschön, und wurde immer schöner, je länger er sie betrachtete. Wenn sie einen Raum betrat, würden die Männer sie erst einmal kurz und neugierig mustern, doch dann würden sie bestimmt immer wieder zu ihr blicken, bis sie sie völlig in Bann geschlagen hatte mit der Reinheit ihrer Züge – ihrer wunderschönen Haut, dem dichten langen Haar, den sanften, weiblichen Kurven ihres schlanken Körpers. Auf einmal fiel ihm die Melodie ihrer Stimme ein, sie hatte wie eine leise, sinnliche Musik geklungen. Diese Frau musste bestimmt nur den Mund öffnen, um die Aufmerksamkeit eines Mannes ganz auf sich zu ziehen.
Er spürte, wie sich ihre Hand bewegte, und widerstand dem Drang, sie fester zu halten. Sie legte die Hand auf sein Herz, und ihre hübsch geschwungenen Brauen runzelten sich. Fast schien sie allein durch diese Berührung zu erkennen, dass er wach war. Langsam hob sie den Kopf und sah ihn an. Liam blickte in vom Schlaf benommene, tiefgrüne Augen und empfand ein seltsames Zusammenziehen des Herzens, als hätte sie es umfasst und zusammengedrückt. Er führte diese unsinnige Empfindung auf seine Schmerzen zurück.
Keira setzte sich langsam auf, zuckte ob der Gliederschmerzen, die sie vom Schlafen in einer solch unbequemen Lage hatte, zusammen. Sie errötete zart, als sie ihm in die Augen sah, verlegen, dass sie mit dem Kopf auf seinem Bauch und der Hand auf seiner Brust geschlafen hatte. Doch dann fiel ihr ein, dass er sich geweigert hatte, sie loszulassen, und ihre Verlegenheit schwand.
Seine Augen waren nicht mehr ganz so zugeschwollen, auch wenn sein Gesicht noch immer dunkelviolett war. Diese Augen konnten bestimmt verführen, dachte sie. Sie hatten eine schöne Form und waren gerahmt von Wimpern, die in Länge und Dichte fast weiblich wirkten, und außerdem hatten sie eine betörende Farbe – eine herrliche Mischung aus Blau und Grün. Einmal hatte sie einen Bach in dieser Farbe gesehen. Doch schließlich löste sie sich aus dem Bann und rieb sich den Rücken.
»Ihr seht besser aus«, stellte sie fest.
»Wirklich? Ich fühle mich noch immer, als wäre auf mir herumgetrampelt worden«, erwiderte er und zuckte zusammen, als sein geschwollener Mund gegen die Bewegung Einspruch erhob.
»So werdet Ihr Euch bestimmt noch ein Weilchen fühlen, aber bald werdet Ihr vor allem Euer Bein verfluchen, das Euch ans Bett fesselt.«
»Ist es ein schlimmer Bruch? Ich weiß, dass Ihr von einem Bruch gesprochen habt, aber ich kann mich nicht an viel erinnern.«
»Nay, nicht besonders schlimm. Ihr hattet Glück. Es war ein glatter Bruch, und der Knochen hat nicht die Haut durchbohrt. Trotzdem müsst Ihr sehr vorsichtig sein. Deshalb werde ich Euer Bein weiterhin festbinden, wenn Ihr schlaft. Es darf nicht bewegt werden.« Sie stand auf und strich sich die Röcke glatt. »Man kann schwer sagen, wie lange die Heilung dauern wird.«
In dem Moment, als sie ihn fragen wollte, ob er Beistand bei der Erledigung persönlicher Geschäfte bräuchte, trat Bruder Matthew ein. Keira atmete erleichtert auf, als sie die kleine Kate verließ. Einen bewusstlosen Mann zu pflegen, das war das eine, aber einen hellwachen Mann mit wunderschönen Augen zu versorgen, das war etwas ganz anderes. Selbst als er kaum mehr als ein schlaffer, gelegentlich stöhnender Körper gewesen war, war es ihr nicht gelungen, völlig unbeteiligt zu sein. Wahrscheinlich wäre es jeder anderen Frau ebenso schwergefallen, wenn sie es mit einem so stattlichen Mann zu tun gehabt hätte. Doch sie wollte ihm auf keinen Fall zeigen, wie sehr er sie anzog. Das würde ihr bestimmt die Art von Ärger einbringen, für die sie im Moment wahrhaftig keine Zeit hatte.
Sie verschwand kurz hinter den Büschen, dann trat sie an den Brunnen und wusch sich, so gut es ging, ohne sich völlig zu entblößen. Seit sie Bruder Paul dabei ertappt hatte, wie er ihr nachspioniert hatte, war sie vorsichtig geworden. Und obendrein war der offenbar der Meinung, es sei ihre Schuld, dass er seine sündigen Gedanken und Bedürfnisse nicht beherrschen konnte.
Seufzend machte sich Keira auf den Weg zurück ins Cottage. Zu ihrem Verdruss musste sie sich eingestehen, dass es ihr ganz ähnlich ging wie Bruder Paul. Sie wusste, dass keine Frau mit Augen im Kopf für die Reize eines Manns wie Liam Cameron unempfänglich wäre, aber das half ihr kaum. Noch immer brannten ihre Wangen vor Scham, wenn sie daran dachte, wie wenig ihr Ehemann sie begehrt hatte. Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war noch einmal eine solche Demütigung.
***
Liam fluchte, als Bruder Matthew ihm wieder ins Bett half, auch wenn er sich dafür entschuldigte, als er sich endlich wieder an die Kissen lehnen konnte und darauf wartete, dass seine Schmerzen ein wenig nachließen. Bruder Matthew wusch ihm den Schweiß vom Leib, während er schwach und hilflos wie ein Kleinkind dalag. Es war erniedrigend, aber er musste zugeben, dass er sich danach besser fühlte.
»Keira wird bald wieder da sein«, meinte Bruder Matthew. »Wenn du willst, kann sie dich füttern.«
»Aye, ich bin ziemlich hungrig«, murmelte Liam.
»Ein gutes Zeichen. Als wir dich fanden, hatte ich offen gesagt wenig Hoffnung, dass du überleben würdest.«
»Wo habt ihr mich überhaupt gefunden? Ich glaube nicht, dass ich auf dem Land des Klosters angegriffen wurde.«
»Nay, aber nicht weit davon entfernt.« Bruder Matthew lächelte. »Meine Cousine hat eine Gabe wie viele Murray-Frauen, obwohl wir nicht gern darüber sprechen, weil manche Menschen sie nicht für eine Gabe Gottes halten. Keira hatte einen Traum, in dem sie sah, was passiert ist und wo du zu finden warst. Gott war noch nicht bereit, dich zu sich zu nehmen.«
»Ich glaube nicht, dass er mich jemals bei sich haben möchte, mein alter Freund. Seit ich dem Kloster den Rücken gekehrt habe, folge ich kaum noch den Pfaden eines Mönchs.«
»Das überrascht mich nicht.« Bruder Matthew lächelte, als Liam das Gesicht verzog. »Nimm es mir nicht krumm, mein Freund, ich wollte dich nicht beleidigen. Manche Männer sind wahre Gläubige, auch wenn ihnen etwas Irdisches anhaftet, das es ihnen erschwert, das Leben eines Mönchs oder eines Priesters zu führen. Leider haben nicht alle von uns wie du die Möglichkeit, in ihr altes Leben zurückzukehren. Solche Männer sind oft daran schuld, dass wir Männer des Glaubens einen schlechten Ruf haben. Wir leiden unter ihren Sünden. Bei den Nonnen ist es nicht anders. Ich glaube, wenn man dich gezwungen hätte zu bleiben, hättest du es weit gebracht und stets dein Bestes gegeben, um deine Gelübde zu halten, aber du wärst nicht glücklich geworden. Das ist keine Sünde und auch kein persönlicher Fehler. Schließlich muss es auch solche geben, die das Wort Gottes befolgen und sich vermehren, nicht wahr?«
»Stimmt. Aber keine Sorge – soweit ich weiß, habe ich mich noch nicht vermehrt. Ich weiß schon, auch das gilt als Sünde, aber es ist wohl eine lässliche Sünde. Mein Laird, mein Cousin Sigimor, schätzt die Zucht von Bastarden nicht – genau wie ich. Allerdings hätte ich gern eine Frau, aber ich habe kein Land und bin auch nicht sehr reich.«
»Vielleicht hast du ja auch noch keine gefunden, die mehr an dir sieht als dein hübsches Gesicht.«
»Das mag schon sein, auch wenn es eitel klingt. Doch wahrscheinlich ist dieses Gesicht gar nicht mehr so hübsch.«
»Es wird heilen. Keira hat gemeint, dass nichts gebrochen ist, obgleich sie denkt, dass die Leute, die dich verprügelt haben, ihr Bestes versucht haben, um dein Gesicht zu entstellen. Sie hat sich gewundert, dass nicht einmal deine Nase gebrochen ist.«
Keira, die gerade hereinkam und den letzten Satz mitbekommen hatte, meinte: »Vermutlich fiel es ihnen schwer, ihr Opfer richtig zu treffen, weil es nicht stillhalten wollte. Und dann haben sie versucht, Euch zu töten, oder?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Liam. »Als ich auf den Felsen aufschlug, war ich so benommen, dass ich nicht sagen kann, ob sie mich gestoßen haben oder ob ich nur abgestürzt bin.«
»Wenn Ihr abgestürzt seid, dann nur, weil sie Euch geschlagen haben und Ihr deshalb fehlgetreten seid. Wie viele waren es denn?«
»Vier.«
»Ihr könnt von Glück sagen, dass Ihr noch lebt.«
»Ich glaube nicht, dass sie mich töten wollten; zumindest nicht so schnell. Sonst wären sie mir den Hügel hinuntergefolgt, um mich vollends zu erledigen. Aber das haben sie nicht getan. Deshalb bezweifle ich, dass sie mir nach dem Leben trachteten.«
»Das mag sein, aber sie könnten natürlich auch geglaubt haben, dass Ihr schon tot seid oder es zumindest bald sein würdet. Warum sich also die Mühe machen? Da, wo Ihr lagt, stand die Chance schlecht, dass man Euch finden würde.«
»Das stimmt. Und was ist mit meinem Pferd?«
»Es steht im Stall«, erwiderte Bruder Matthew. »Und all deine Sachen sind unberührt. Es ging also auch nicht um Raub.«
»Vielleicht«, meinte Liam. »Aber vielleicht haben sie sich auch beim Einfangen von Gilmour verausgabt. Er scheut vor allen Fremden, vor allem vor Männern, und er ist schneller als die meisten Pferde.«
»Er war bei Euch, als wir Euch gefunden haben«, sagte Keira und trat ans Feuer, um ein wenig Brühe aufzuwärmen. »Ein treues Tier.«
»Ihr hattet kein Problem mit ihm?«
»Nay, überhaupt nicht. Anfangs wusste er nicht recht, was er von meinem Cousin halten sollte, aber ich habe ihm gut zugeredet. Er wollte Euch nicht verlassen, nicht einmal, als wir Euch in die Kate geschafft hatten. Ich musste ihn hereinführen, damit er sich vergewissern konnte, dass Ihr in Sicherheit seid. Trotzdem habe ich ihn erst zwei Tage später überreden können, in den Stall zu gehen.«
»Ihr habt Gilmour hereingeführt?«
»Aye, er war so besorgt um Euch.« Sie warf ein paar Heilkräuter in einen Becher mit Apfelwein.
Liam sah auf den grinsenden Bruder Matthew, dann lachte er leise. Das tat zwar weh, aber er achtete nicht weiter auf den Schmerz. Zum ersten Mal, seit er wieder bei vollem Bewusstsein war, war er sich sicher, dass er leben würde. Mit einem Fuß im Grab wäre ihm jedenfalls nicht zum Lachen zumute gewesen.
»Ah, Ihr lacht«, bemerkte Keira und stellte den Becher mit dem gewürzten Apfelwein auf einen kleinen Tisch neben das Bett. »Das ist ein gutes Zeichen.« Sie setzte sich auf die Bettkante, eine Schüssel Brühe in der Hand. »Einem Sterbenden fällt es nämlich schwer, über etwas zu lachen.«
»Es sei denn, er ist zu blöde, um zu merken, dass er stirbt«, meinte Liam gedehnt.
Er schluckte die Brühe, die sie .ihm mit einem Löffel einflößte. Sie war zwar dünn, schmeckte jedoch nach Kräutern und Gemüse. Dennoch hoffte er, bald wieder etwas zu sich nehmen zu können, bei dem er kauen musste. Allerdings würde es wohl noch eine Weile dauern, bevor er kräftig genug war, um übers Essen zu streiten; denn schon die einfache Aufgabe, Brühe und Wein zu schlucken, strengte ihn an. Ermattet sank er zurück in die Kissen, während Keira die leere Schüssel und den Becher wegstellte.
»Liam, weißt du, wer dir das angetan hat?«, fragte Bruder Matthew.
»Ich habe einen Verdacht«, erwiderte Liam, »aber ich bin mir nicht sicher. Sie haben miteinander geredet, während sie auf mich einschlugen, aber ich glaube, es wird noch ein Weilchen dauern, bis ich mich genau daran erinnere. Ob es mir viel helfen wird, weiß ich freilich nicht.«
»Vielleicht war es ein alter Feind? Oder ein Feind deines Clans?«
»Nay, das glaube ich nicht.«
»Nun, gewiss wirst du dich bald an mehr erinnern. Sollen wir deine Familie benachrichtigen?«
»Nay, noch nicht; erst, wenn ich mehr darüber weiß, wer das getan hat und warum. Ich möchte ihnen keinen unnötigen Ärger aufhalsen.« Er verzog das Gesicht. »Vielleicht wäre es auch besser, wenn ich von hier verschwände.«
»Und wohin willst du gehen, mein Freund? Nay, du bleibst, bis du so weit genesen bist, dass du reisen kannst. Jetzt ruh dich aus, nichts fördert die Heilung besser als Schlaf«
Liam nickte matt und schloss die Augen. Als er hörte, dass Bruder Matthew und Keira sich entfernten, schlug er die Augen einen Spalt breit auf, um sie zu beobachten. Er war zwar erschöpft, aber noch nicht bereit zu schlafen. Seine Schmerzen waren durch Keiras Kräuter gelindert, und das wollte er gern noch ein Weilchen genießen. Außerdem war er neugierig, was das für eine Frau war, die ihm das Leben aufgrund eines Traums gerettet hatte. Obwohl er mehr oder weniger an so etwas glaubte und Bruder Matthew offenbar davon überzeugt war, hatte er das Gefühl, dass Misstrauen angebracht war. Er musste in Erwägung ziehen, dass wenn sie ihn nicht aufgrund einer Vision gefunden hatte, sie von dem Angriff gewusst hatte. Die Vorstellung war ihm zuwider, aber was er während seiner Zeit am Königshof gelernt hatte, war, dass es gefährlich war, jemandem zu rasch zu vertrauen. Das galt vor allem für hübsche Mädchen, die eines Mannes Fleischeslust erregten.
»Kann ich dir heute im Garten helfen, Cousin?«, fragte Keira, während sie die Brühe vom Feuer nahm und stattdessen einen Kessel Hammeleintopf daraufstellte.
»Ich denke, du solltest lieber hierbleiben.« Bruder Matthew saß an dem kleinen Tisch nahe dem Feuer. »Wenn es dir nicht zu viel Mühe macht, bringe ich dir ein paar Kleider zum Flicken.«
»Nein, das macht mir keine Mühe«, versicherte sie ihm und setzte sich ihm gegenüber. »Dann habe ich etwas zu tun, solange er schläft. Ein bisschen aufräumen, mich um meinen Hammeleintopf kümmern und ein Bad nehmen – mehr gibt es hier nicht für mich zu tun.«
»Bist du denn mit all den Näharbeiten fertig geworden, an denen du gesessen hast? Du hast ein paar Geschenke genäht, stimmt's?«
»Aye, mit dem Hemd für Mama bin ich fertig. Ich muss mich noch entscheiden, was ich auf das Hemd von Grand-mère sticken will. Aber ich habe noch ein paar Monate Zeit. Wenn ich nicht all das Leinen und Garn bei Lady Morrison gekauft hätte, würde ich jetzt keine Geschenke nähen können. Und all die hübsche Spitze ...«, sinnierte Keira und schüttelte den Kopf. »Es ist mir richtig peinlich, dass ich dafür so wenig bezahlt habe.«
»Sie brauchte das Geld, und du hast sie nicht betrogen, wie es die meisten getan hätten, wenn sie gewusst hätten, wie verzweifelt sie war. Sie war dir sehr dankbar.« Er warf einen Blick zu dem steinernen Herd hinüber. »Hammeleintopf, hast du gesagt?«
Keira lachte. »Aye. Richte es dir ein, dass du mit mir zu Abend essen kannst.«
»Gern. Wenn ich wählen kann zwischen dem, was uns im Kloster vorgesetzt wird, und deinem Hammeleintopf, ist es mit meinem Willen, der Versuchung zu widerstehen, leider nicht weit her. Und wie wär's mit einer kleine Partie Schach im Anschluss?«
»Glaubst du, wenn du verlierst, reicht das als Buße für den Genuss meines Hammeleintopfs?«
»Hochmut kommt vor dem Fall«, meinte Bruder Matthew und schüttelte gespielt tadelnd den Kopf. »Vielleicht gewinne ich ja auch.«
»Aye, vielleicht«, murmelte sie, dann mussten beide grinsen. »Nun, ich gehe jetzt wohl besser ins Kloster zurück«, sagte er und erhob sich. »Brauchst du mich gegen Mittag?«
»Damit du dich um ihn kümmerst?«, fragte sie und begleitete ihn zur Tür. Er nickte. »Nay, ich schaffe das schon«, meinte sie. »Ich tue es nicht zum ersten Mal.«
Bruder Matthew runzelte die Stirn und blieb zögernd an der Tür stehen. »Aber es schickt sich nicht.«
»Ich bin eine Heilerin, Cousin. Er ist ein verletzter Mann, der mit einem Bein am Bett festgebunden ist. Und ich habe ihn allein gepflegt, als er noch bewusstlos war. Mach dich ruhig an deine Arbeit, ich kriege das schon hin. Vielleicht bleibt mir sogar noch die Zeit, ein paar Honighaferkuchen zu backen.«
»Böses Mädchen, dass du einen Klosterbruder so in Versuchung führst«, sagte er und ging in gespielter Empörung den Kopf schüttelnd hinaus.
Keira lachte nur. Sie ließ die Tür offen, damit sie hören konnte, wenn Liam nach ihr rief, und machte sich an die mühsame Arbeit, für ihr Bad Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen. Zweifellos war es unschicklich zu baden, wenn ein Mann die winzige Kate mit ihr teilte, doch sie sehnte sich so sehr danach. Eine Decke oder zwei um den Zuber herumgehängt, würde ihr genügend Abgeschiedenheit verschaffen.
Dann fiel ihr Bruder Paul ein, und sie beschloss, die Tür zu verriegeln.
Liam blinzelte benommen und unterdrückte ein Stöhnen, als sich beim Aufwachen seine Prellungen wieder bemerkbar machten. Er wusste nicht, wann er eingeschlafen war. In einem Moment hatte er Keira und Bruder Matthew zugehört, im nächsten erwachte er aus einem tiefen Schlaf. Vermutlich linderten die Kräuter, die Keira in die Brühe und den Wein gegeben hatte, nicht nur die Schmerzen, sondern förderten auch den Schlaf, ob er wollte oder nicht.
Er fragte sich, wie lange er wohl geschlafen hatte. In der Kate war es inzwischen dämmrig. Keira saß an einem kleinen Fenster und nähte an etwas, das wie ein Unterhemd aussah. Liams Blick fiel auf eine ordentlich gefaltete Mönchskutte, die auf einem Stuhl neben der Tür lag. Offenbar hatte er so lange geschlafen, dass sie diese bereits geflickt hatte.
Während er ihr zusah, wie sie still dasaß und nähte, versuchte er, sich daran zu erinnern, was er belauscht hatte, bevor er eingeschlafen war. Sie und Bruder Matthew hatten wirklich wie Cousin und Cousine gewirkt, sie hatten von Leuten geredet, die sie beide kannten, und einander geneckt. Liam schämte sich ein wenig, dass er so misstrauisch gewesen war. Offenbar kümmerte sich die Frau schon seit etlichen Tagen um ihn. Wenn sie ihm etwas hätte antun wollen, hätte sie genügend Gelegenheit dazu gehabt. Keiner hätte ihr Fragen gestellt, wenn er seinen Verletzungen erlegen wäre. Nach allem, was sie für ihn getan hatte, wäre es töricht, ihr nicht zu vertrauen.
Dennoch ließ ihn mindestens eine Frage zögern: Warum lebte sie hier in einer kleinen Kate auf dem Land eines Klosters? Offenbar machte sie das schon eine ganze Weile. Auch wenn ihr Cousin in der Nähe war, war es doch eine seltsame Zuflucht für eine Frau. Warum kehrte sie nicht zu ihrer Familie zurück? Aus allem, was er über ihren Clan gehört hatte, war hervorgegangen, dass die Murrays einander tief verbunden waren und sich eisern die Treue hielten. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es etwas gab, was ihre Verwandten ihr nicht verzeihen oder wobei sie ihr nicht helfen würden.
Bruder Matthew schien keine Zweifel an ihr und ihrer Geschichte zu haben, aber er war ein ausgesprochen gutmütiger Mensch, der niemandem etwas Böses zutraute. Dazu kam, dass er mit dieser hübschen kleinen Frau verwandt war.
Liam wusste, dass es ihm schwerfallen würde, an seinem Misstrauen festzuhalten, vor allem, wenn er in diese großen, grünen Augen blickte und auf diesen sinnlichen Mund, oder wenn er ihre verführerische Stimme vernahm. Verdrossen musste er sich eingestehen, dass es ihm ausgesprochen schwerfallen würde.
Als er sich in dem vergeblichen Versuch, eine bequemere Stellung zu finden, ein wenig umdrehte, merkte er, dass sein gebrochenes Bein auf mehreren Kissen ruhte und noch ans Bett angebunden war. Außerdem hatte seine Bewegung Keiras Aufmerksamkeit erregt. Er beobachtete sie, wie sie ihre Arbeit weglegte und zu ihm trat. Das sollte er seinem scharfen Verstand und seiner Wachsamkeit zuliebe besser nicht zu oft tun, dachte er reumütig, denn auch ihrem Gang haftete eine ausgesprochen sinnliche Grazie an.
»Ich glaube, Ihr gehört zu den Menschen, die rasch genesen, Sir Liam«, sagte Keira, als sie ihn von oben bis unten gemustert hatte.
»Ich fühle mich aber noch nicht besonders gesund«, sagte er und blickte auf sein gebrochenes Bein.
»Nay, daran sind wohl all Eure Schmerzen schuld, aber ich kann Eure Heilung an der Farbe und der Stärke Eurer Schwellungen ablesen. Beides hat sich viel rascher gebessert als bei all den anderen Leuten, um die ich mich bislang gekümmert habe, und das ist ein gutes Zeichen. Selbst Euer Bruch ist nicht so geschwollen wie die meisten anderen Brüche, die ich behandelt habe.«
»Warum ist das Bein noch ans Bett angebunden? Und warum liegt es auf Kissen?«
»Es ist angebunden, damit Ihr es im Schlaf nicht bewegt. Die Schmerzen, die eine Bewegung verursachen würde, würden nicht nur die Ruhe stören, die Ihr braucht, sondern womöglich auch die Heilung zunichtemachen, die bereits begonnen hat. Und es liegt erhöht, damit die Schwellung rascher abklingt, aber ich denke, das Hochlegen wird bald nicht mehr nötig sein. Natürlich müsst Ihr noch einige Wochen ruhen und Euer Bein von Zeit zu Zeit hochlegen, aber ich glaube, dass Ihr es bald wieder benützen könnt, es sei denn, Ihr tut etwas ausgesprochen Törichtes. Anfangs wird es allerdings noch etwas geschwächt sein.«
Liam murmelte einen Fluch, dann murmelte er eine Entschuldigung, und schließlich seufzte er. »Wie viele Wochen?«
»In gut sechs Wochen werden wir die Schienen und den Verband entfernen können. Ich kann Euch nicht sagen, wie lange es danach dauern wird, bis Ihr es wieder ebenso mühelos und geschmeidig bewegen könnt wie früher. Das liegt ganz bei Euch, aber ich denke, sehr lange wird es nicht dauern, denn Ihr seid jung, stark und gesund. Wenn Ihr vorsichtig seid, werdet Ihr später nicht einmal mehr humpeln«, fügte sie hinzu – eine leise Erinnerung an das Glück, das er gehabt hatte.
»Ich weiß, ich hatte wirklich großes Glück. Trotzdem ist es ein Ärgernis.« Er lächelte schief, als sie ihm half, sich aufzurichten, und ihm eilig ein paar Kissen in den Rücken stopfte. »Wahrscheinlich müssen jetzt ein paar Mönche sehr flach schlafen«, bemerkte er.
Sie kicherte, und der tiefe, kehlige Laut erregte eine gefährliche Wärme in ihm.
»Manche tun das ohnehin, weil sie weiche Kissen für einen sündigen Genuss halten, aber in ein paar Betten fehlen tatsächlich momentan die Kissen«, gab sie zu.
»Ich denke, Bruder Matthew wird noch ein Weilchen auf sich warten lassen, oder?«, fragte Liam, den plötzlich ein dringendes Bedürfnis überkam, der sich aber von dieser reizvollen Frau nicht bei einer derart persönlichen Erledigung helfen lassen wollte.
»Wahrscheinlich schon, aber einer der Novizen treibt sich hier herum, er hat Euer Pferd gerade mit Heu versorgt«, meinte sie. »Ich rufe ihn für Euch.«
Sobald sie draußen war, schloss Liam die Augen und stieß jeden Fluch aus, den er kannte.
Wahrscheinlich war es besser, von seinem Misstrauen abzulassen und all seine Willenskraft darauf zu verwenden, nicht nach Keira zu greifen. Er hatte noch nie zuvor eine Frau getroffen, die sein Verlangen derart rasch und heftig geweckt hatte.
Und was am Schlimmsten war: Sie versuchte gar nichts dergleichen, sie hatte nichts an sich, was auch nur ansatzweise an ein Schäkern erinnert hätte. Sie bedachte ihn nicht mit koketten Blicken, schmeichelte ihm nicht und schenkte ihm auch kein einladendes Lächeln. Dennoch begehrte er sie trotz seiner Schmerzen so heftig wie noch keine Frau vor ihr.
Keira kehrte mit einem Jungen in Kutte zurück, dessen Körper dem Wachstum seiner Hände und Füße noch nicht nachgekommen war. Sie stellte Liam den jungen Kester vor, dann eilte sie davon. Liam sah, wie der Novize ihr seufzend nachstarrte. Offenbar war der Knabe alt genug, um in eine Frau vernarrt zu sein. Wahrscheinlich hätte Liam darin einen gewissen Trost finden können, denn es zeigte, dass er nicht der Einzige war, den Keira verhext hatte. Aber niemand trachtete Kester nach dem Leben, dachte er grimmig, als sich der Junge schließlich ihm zuwandte.
Zwei Wochen Täuschung, dachte Keira, als sie mit dem Kräuterpflücken im Klostergarten fertig war und sich auf den Rückweg machte. So sah sie die Zeit, die sie mit Sir Liam Cameron verbracht hatte. Na ja, um ganz genau zu sein, waren es eher zehn Tage Täuschung, denn vier Tage lang war Liam kaum bei Bewusstsein gewesen.
Erst als sein Verstand allmählich klarer geworden war und sie angefangen hatten, sich über andere Dinge als seine Verletzungen zu unterhalten, hatte die Täuschung ihren Anfang genommen.
Sie schüttelte den Kopf über ihre Torheit. Aber es ging nicht anders, sie musste ihn täuschen; denn in gewisser Weise schützte sie damit auch sich selbst. Sie musste sich von ihm fernhalten, so gut es ging. Ihn allein zu lassen war noch nicht möglich, denn er bedurfte weiterhin ihrer Pflege, doch abgesehen davon musste sie einen Wall um sich errichten. Würde sie ihm ihre wirren, ständig wachsenden Gefühle enthüllen, und er auf welche Weise auch immer darauf eingehen, wäre sie verloren.
Der Mann war zwar alles, was sie sich je wünschen konnte, aber er stand viel zu hoch über ihr.
Außerdem musste sie an Ardgleann und seine Menschen denken. Um ihnen zu helfen, musste sie an einer Lüge festhalten. Kurz vor seinem Tod hatte Duncan sie das geloben lassen, und diesen Schwur wagte sie nicht zu brechen. Sie sah keine Möglichkeit zu bekommen, was sie jeden Tag mehr ersehnte, und gleichzeitig das Versprechen einzuhalten, das sie ihrem getöteten Ehemann gegeben hatte.
Sie stellte den Korb mit den Kräutern ab, trat an den Brunnen und begann, sich von dem Gartenschmutz zu säubern. Als Dank für die Kräuter, die sie ernten durfte, hatte sie ein wenig im Garten gearbeitet, und das war nicht zu übersehen. Sie war zwar nicht übermäßig eitel, doch sie konnte unmöglich in die Kate gehen, ohne zumindest zu versuchen, so gut wie möglich auszusehen.
»Törichtes Weib«, murrte sie laut, als sie einen Eimer Wasser hochzog.
»Aye, das stimmt. Ihr dachtet, Ihr könntet einen Mann folgenlos bis zum Wahnsinn in Versuchung führen.«
Keira fluchte leise, als sie sich umdrehte und ihr Blick auf Bruder Paul fiel. Der Mann wirkte erhitzt, und seine Augen funkelten wild.
Sie war zwischen ihm und dem Brunnen gefangen und nur mit dem Tuch bewaffnet, das sie gerade befeuchtet hatte, um sich zu waschen. Das könnte heikel werden, dachte sie, denn er sah nicht so aus, als sei ihm mit vernünftigen Argumenten beizukommen.
***
Liam saß auf der Bettkante und starrte finster zur Haustür hinüber. Er war ruhelos. Die meisten seiner Verletzungen waren geheilt, doch sein gebrochenes Bein zwang ihn noch zum Nichtstun. Obwohl er den Morgen über mit einer Krücke herumgehumpelt war in der Hoffnung, dass er sich allmählich zumindest etwas geschickter würde bewegen können, war er nicht müde. Er war gelangweilt. Es gab nichts zu tun und niemanden, mit dem er reden konnte, also saß er herum und fragte sich, wann Keira zurückkehren würde.
Ein trauriger Zustand für einen Mann, der noch nie auf eine Frau hat warten müssen, dachte er und lächelte kurz über diesen eitlen Gedanken.