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Wenn die Welt kopfsteht , musst du deine Perspektive ändern
Eigentlich mag die elfjährige Ellie keine Veränderungen. Im Moment zum Beispiel vermisst sie ihre alte Schule und ihren geliebten Goldfisch, der nach einem wundersam langen Leben gestorben ist. Da hilft es wenig, als ihre Mutter gesteht, dass das bereits der 13. Goldfisch war. Doch all das ist vergessen, als eines Abends ein seltsamer Junge auftaucht. Ein Junge in Opaklamotten, der behauptet, Ellies Großvater Melvin zu sein. Hat er tatsächlich das Wundermittel für ewige Jugend entdeckt? Begeistert folgt ihm Ellie in seine Welt der Wissenschaft, in der scheinbar NICHTS unmöglich ist, und die aufregendste Zeit in ihrem Leben beginnt …
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Seitenzahl: 135
Das Buch
Als ihre Mutter eines Abends mit einem seltsamen Jungen vor der Tür auftaucht, ist Elli ziemlich verwirrt: Der Junge ist rechthaberisch, nörgelig – und sieht ihrem Großvater unglaublich ähnlich! Tatsächlich: Großvater Melvin, ein leidenschaftlicher Wissenschaftler, hat das Geheimnis der Unsterblichkeit gelüftet. Jetzt steckt er im Körper eines Dreizehnjährigen, wird bei ihnen wohnen und mit Ellie zur Schule gehen. Nach dem ersten Schreck ist Ellie ziemlich begeistert! Denn es warten ganz neue Abenteuer auf sie. Abenteuer, in denen eine exotische Qualle, der 14. Goldfisch, schimmliger Käse sowie ein nächtlicher Einbruch eine wichtige Rolle spielen …
Die Autorin
Nach dem Studium und Jobs beim Fernsehen erkannte Jennifer Holm bald, dass das Schreiben ihre wahre Berufung ist. Sie hat schon zahlreiche sehr beliebte Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, und wurde bereits drei Mal mit dem Newbery Honors Award, dem angesehensten Kinderbuchpreis in Amerika, ausgezeichnet. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Kalifornien.
Jennifer L. Holm
Der vierzehnte Goldfisch
Aus dem Amerikanischenvon Beate Brammertz
Die Originalausgabe erscheint unter dem Titel The Fourteenth Goldfish bei Random House Children’s Books, New York
Copyright © 2014 by Jennifer L. Holm Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabeby Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbHRedaktion: Anja Freckmann Umschlaggestaltung: Eisele Grafik · Design, München,unter Verwendung eines Motivs von © Tad CarpenterSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-17188-9www.heyne-fliegt.de
Für Jonathan, Will & Millie – meine verrückten Wissenschaftler
Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.
– GALILEO GALILEI –
1 Goldie
Im Kindergarten hatte ich eine Erzieherin mit dem Namen Starlily. Sie trug knallbunte, gebatikte Kleider und brachte immer Kekse aus Haferflocken und Leinsamen mit, die nach rein gar nichts schmeckten.
Bei Starlily haben wir gelernt, während der Brotzeit still zu sitzen, in unsere Ellbogen zu niesen und keine Knete zu essen (was die meisten Kinder jedoch als bloße Empfehlung betrachteten). Dann, eines Tages, schenkte sie uns allen einen Goldfisch. Sie hatte die Fische in einer Tierhandlung gekauft, jeweils zehn Stück für einen Dollar, und hielt unseren Eltern einen Vortrag, bevor sie uns nach Hause entließ.
»Der Goldfisch wird Ihren Kindern den Lauf des Lebens näherbringen«, erklärte sie. »Goldfische leben nicht sehr lange.«
Ich nahm meinen Goldfisch mit nach Hause und nannte ihn Goldie, so wie jedes andere Kind auf der Welt, das sich für außergewöhnlich originell hält. Aber wie sich herausstellte, war Goldie tatsächlich auf seine Art außergewöhnlich.
Denn Goldie starb nicht.
Selbst als die Fische aller anderen Kindergartenkinder bereits ihre letzte Reise in das große Goldfischglas im Himmel angetreten hatten, war Goldie noch am Leben. War immer noch am Leben, als ich in die Vorschule kam. War immer noch am Leben in der ersten Klasse. War immer noch am Leben in der zweiten und dritten und vierten Klasse. Und dann, letztes Jahr in der Fünften, kam ich eines Morgens in die Küche und sah, dass mein Fisch mit dem Bauch nach oben im Goldfischglas trieb.
Meine Mom stöhnte, als ich ihr von Goldies Tod erzählte.
»Der hat nicht sehr lange gelebt«, sagte sie.
»Wieso?«, fragte ich. »Er hat sieben Jahre gelebt!«
Sie lächelte mich nachsichtig an. »Ellie, das war nicht der Goldie aus dem Kindergarten. Der hat nur zwei Wochen überlebt. Als er starb, habe ich einen neuen Fisch gekauft und ihn ins Goldfischglas getan. Im Laufe der Jahre waren es etliche Fische.«
»Der wievielte war der hier?«
»Pechvogel Nummer dreizehn«, sagte sie und verzog das Gesicht.
»Es waren alles Pechvögel«, stellte ich fest.
Wir bestatteten Goldie Nummer dreizehn in der Toilette, und ich fragte meine Mom, ob ich einen Hund bekommen könnte.
2 Puzzles
Wir wohnen in einem Haus, das einer Schuhschachtel gleicht. Es gibt zwei Schlafzimmer und ein Bad mit einer Toilette, die ständig verstopft ist. Insgeheim glaube ich, dass dort all die Fische herumspuken, die meine Mom hinuntergespült hat.
Unser Garten ist winzig – genau genommen besteht er nur aus ein paar Betonplatten, auf die gerade einmal ein Tisch mit Stühlen passt. Aus diesem Grund erlaubt mir meine Mom keinen Hund. Sie sagt, es wäre nicht fair, weil ein Hund einen richtigen Garten braucht, in dem er herumlaufen kann.
Meine Babysitterin Nicole spaziert in die Küche, wo ich gerade an einem Puzzle arbeite. Ich habe mich auf dem ganzen Tisch ausgebreitet.
»An dem Puzzle sitzt du jetzt schon seit einer Ewigkeit, Ellie«, sagt sie. »Wie viele Teile sind es?«
»Eintausend«, sage ich.
Es ist ein Bild von New York City – eine Straße mit gelben Taxis. Ich liebe Puzzles. Mir gefällt es herauszufinden, wie die Dinge zusammenpassen. Wie die Rundungen der Teile sich ineinanderfügen. Oder der perfekte Winkel eines Eckteils.
»Eines Tages werde ich am Broadway spielen«, verkündet sie.
Nicole hat lange, weiche Haare und würde perfekt in eine Shampoo-Werbung passen. Sie war die Julia in der Highschool-Aufführung von Romeo und Julia, bei der meine Mutter Regie geführt hat. Meine Mom ist Schauspiellehrerin an der hiesigen Highschool, und mein Dad ist Schauspieler. Sie haben sich scheiden lassen, als ich noch ganz klein war, aber sie sind weiterhin gute Freunde.
Die beiden reden andauernd auf mich ein, dass ich herausfinden muss, wofür ich brenne. Im Grunde wollen sie bloß, dass ich fürs Theater brenne. Aber das tue ich nicht. Manchmal frage ich mich, ob ich in die falsche Familie hineingeboren wurde. Wenn ich auf der Bühne stehe, werde ich schrecklich nervös (ich habe zu viele Schauspieler gesehen, die ihren Text vergessen haben), und ich bin auch kein großer Fan davon, hinter der Bühne zu arbeiten (am Ende werde ich immer dazu verdonnert, die Kostüme zu bügeln).
»Ach, ja, deine Mom hat angerufen, dass sie sich verspäten wird«, sagt Nicole. Beinahe beiläufig fügt sie hinzu: »Hat irgendwas mit deinem Großvater zu tun, den sie bei der Polizei abholen muss.«
Im ersten Moment glaube ich, mich verhört zu haben.
»Was?«, frage ich. »Geht’s ihm gut?«
Sie zuckt mit den Schultern. »Das hat sie nicht gesagt. Sie hat gemeint, wir können Pizza bestellen.«
Eine Stunde später ist mein Bauch voller Pizza, aber ich bin immer noch verwirrt.
»Hat meine Mom denn gar nichts gesagt, warum Grandpa bei der Polizei ist?«, frage ich.
Nicole wirkt irritiert. »Nein. Steckt er oft in Schwierigkeiten?«
Ich schüttle den Kopf. »Keine Ahnung. Ich meine, er ist alt.«
»Wie alt ist er denn?«
Ganz sicher bin ich mir da nicht. Darüber habe ich mir eigentlich nie wirklich Gedanken gemacht. Für mich ist er schon immer einfach »alt« gewesen: faltig, grauhaarig, einen Stock in der Hand. Der typische Großvater eben.
Wir treffen ihn nur ein-, zweimal im Jahr, normalerweise in einem chinesischen Restaurant. Er bestellt ausnahmslos immer Moo Goo Gai Pan und stibitzt Päckchen mit Sojasauce, die er mit nach Hause nimmt. Ich habe mich oft gefragt, was er damit anstellt. Er wohnt nicht weit entfernt, aber er und meine Mutter verstehen sich nicht besonders gut. Er ist Wissenschaftler und sagt, Theaterspielen wäre keine richtige Arbeit. Er ist immer noch sauer, weil sie nicht wie er nach Harvard gegangen ist.
In der Ferne schrillt eine Autoalarmanlage.
»Vielleicht hatte er einen Autounfall?«, schlägt Nicole vor. »Ich kapier nicht, warum Teenager am Steuer so einen schlechten Ruf haben, wo doch alte Leute viel mieser fahren.«
»Er fährt schon lange nicht mehr Auto.«
»Vielleicht ist er weggelaufen.« Nicole tippt sich an die Schläfe. »Meine Nachbarin hat Alzheimer. Die streunt ständig in der Gegend herum. Die Polizei bringt sie immer wieder nach Hause.«
Das hört sich irgendwie an, als würde sie einen Hund beschreiben.
»Wie traurig«, sage ich.
Nicole nickt. »Total traurig. Das letzte Mal, als sie weggelaufen ist, ist sie von einem Auto angefahren worden! Wie verrückt ist das denn?«
Ich starre sie mit offenem Mund an.
»Aber ich bin sicher, dass es deinem Großvater gut geht«, fügt sie rasch hinzu.
Dann wirft sie ihr Haar zurück und lächelt. »Hey! Wollen wir Popcorn machen und uns einen Film anschauen?«
3 Der Ring
Warme Luft weht durch das Fenster in mein Zimmer. Wir wohnen in der Bay Area, einen Katzensprung von San Francisco entfernt, und späte Septembernächte sind oft schon kühl. Aber heute ist es heiß, als würde sich der Sommer hartnäckig weigern, dem Herbst zu weichen.
Früher fand ich mein Zimmer toll, aber in letzter Zeit bin ich mir nicht mehr so sicher. Die Wände sind mit Handabdrücken von meiner besten Freundin Brianna und mir übersät. Wir haben in der ersten Klasse damit angefangen und jedes Jahr weitere Handabdrücke hinzugefügt. Man kann sehen, wie meine kleinen Handabdrücke immer größer werden, fast wie eine Zeitkapsel meines Lebens.
Aber im vergangenen Schuljahr haben wir keine Abdrücke gemacht und auch nicht den Sommer über, denn Brianna hat entdeckt, wofür sie brennt: Volleyball. Unter der Woche ist sie jetzt jede Sekunde mit Training beschäftigt, und am Wochenende ist sie bei Turnieren. Ehrlich gesagt bin ich nicht einmal mehr sicher, ob sie immer noch meine beste Freundin ist.
Es ist spät, als sich die Garagentür endlich knarzend öffnet. Ich höre meine Mutter im Flur mit Nicole sprechen und komme aus meinem Zimmer.
»Vielen Dank, dass du so lange geblieben bist«, sagt sie zu Nicole.
Meine Mom sieht mitgenommen aus. Ihre Wimperntusche ist verschmiert, der rote Lippenstift abgenagt. Ihre natürliche Haarfarbe ist dunkelblond, so wie meine, aber sie färbt sich die Haare. Im Moment leuchten sie lila.
»Kein Problem«, erwidert Nicole. »Geht es Ihrem Dad gut?«
Ein unergründlicher Ausdruck legt sich auf das Gesicht meiner Mom. »Oh, ihm geht’s gut. Danke der Nachfrage. Soll ich dich nach Hause fahren?«
»Nein, danke!«, sagt Nicole. »Ach übrigens, Lissa, ich habe tolle Neuigkeiten!«
»Ja?«
»Ich habe einen Job im Einkaufszentrum ergattert! Ist das nicht super?«
»Ich wusste gar nicht, dass du einen suchst«, erwidert meine Mutter überrascht.
»Doch, aber ich habe ja nicht gedacht, dass ich ihn bekommen würde. Das ist eine einmalige Chance. Der Ohrpiercing-Laden im Einkaufszentrum!«
»Wann fängst du da an?«, fragt meine Mom.
»Das ist der Knackpunkt. Morgen Nachmittag schon. Deshalb kann ich nicht mehr auf Ellie aufpassen. Ich hätte Ihnen wirklich lieber früher Bescheid gegeben, aber …«
»Ich verstehe«, sagt meine Mom, und ich höre die Anspannung in ihrer Stimme.
Nicole dreht sich zu mir. »Ich habe ganz vergessen, dir davon zu erzählen. Stell dir vor, ich bekomme Rabatt! Ist das nicht toll? Komm also ruhig vorbei und kauf bei mir ein.«
»Äh, okay«, sage ich.
»Ich muss los«, sagt sie. »Gute Nacht!«
»Gute Nacht«, kommt das Echo meiner Mutter.
Vom Türrahmen aus beobachten meine Mutter und ich, wie Nicole hinaus in die Nacht marschiert.
»Hat sie etwa gerade gekündigt?«, frage ich. Ich stehe etwas unter Schock.
Meine Mutter nickt. »Der Tag wird immer besser.«
Ich starre hinaus in die Nacht, um einen letzten Blick auf meine Babysitterin zu erhaschen, und erblicke draußen einen Fremden: einen Jungen mit langen Haaren. Er steht vorne auf unserem Rasen unter der alten, absterbenden Palme. Sie verliert ständig Palmwedel, und meine Mom meint, sie muss gefällt werden.
Der Junge ist dünn, drahtig. Er sieht aus wie dreizehn, vielleicht vierzehn. Bei Jungs ist das manchmal schwer zu schätzen.
»Du musst die Mülltonne rausstellen«, ruft der Junge meiner Mutter zu. Morgen kommt die Müllabfuhr, und die Mülltonnen unserer Nachbarn säumen bereits die Straße.
»Könntest du jetzt endlich reinkommen?«, sagt meine Mom zu dem Jungen.
»Wann hast du eigentlich zum letzten Mal den Rasen gedüngt?«, fragt er. »Da wächst ja überall Unkraut.«
»Es ist spät«, sagt meine Mom und hält die Tür ungeduldig auf.
Ich frage mich verwundert, ob der Junge wohl ein Schüler meiner Mom ist. Manchmal helfen sie ihr, Zeug in ihren großen, zerbeulten Transporter ein- oder auszuladen.