7,99 €
Königs Erläuterungen zu Bernhard Schlink: Der Vorleser - Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben In einem Band bieten dir die neuen Königs Erläuterungen alles, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst. Das spart Zeit bei der Vorbereitung! Alle wichtigen Infos zur Interpretation. - von der ausführlichen Inhaltsangabe über Aufbau, Personenkonstellation, Stil und Sprache bis zu Interpretationsansätzen - plus 4 Abituraufgaben mit Musterlösungen und 2 weitere zum kostenlosen Download . sowohl kurz als auch ausführlich. - Die Schnellübersicht fasst alle wesentlichen Infos zu Werk und Autor und Analyse zusammen. - Die Kapitelzusammenfassungen zeigen dir das Wichtigste eines Kapitels im Überblick - ideal auch zum Wiederholen. - Das Stichwortregister ermöglicht dir schnelles Finden wichtiger Textstellen. . und klar strukturiert. - Ein zweifarbiges Layout hilft dir Wesentliches einfacher und schneller zu erfassen. - Die Randspalte mit Schlüsselbegriffen ermöglichen dir eine bessere Orientierung. - Klar strukturierte Schaubilder verdeutlichen dir wichtige Sachverhalte auf einen Blick. . mit vielen zusätzlichen Infos zum kostenlosen Download.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 128
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 403
Textanalyse und Interpretation zu
Bernhard Schlink
DER VORLESER
Magret Möckel
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Bernhard Schlink: Der Vorleser. Zürich: Diogenes Taschenbuch, 1997.
Über den Autor dieser Erläuterung: Magret Möckel, geboren 1952 in Lindau an der Schlei (Schleswig-Holstein), Studium der Germanistik und Anglistik an der Universität in Hamburg. Erstes und Zweites Staatsexamen in Hamburg. Seit 1979 Lehrerin für Deutsch und Englisch, erst an einem Gymnasium in Vechta, dann in Friesoythe, seit 2003 in Oldenburg an der Graf-Anton-Günther Schule. Dort leitet sie die Fachgruppe Deutsch. Außerdem arbeitet sie für das Fach Deutsch in Kommissionen der Landesschulbehörde mit. Die Aufbereitung von Gegenwartsliteratur für die Schule ist ihr stets ein wichtiges Anliegen. Frau Möckel ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Die öffentliche Zugänglichmachung eines für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werkes ist stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.
4. Auflage 2014
ISBN 978-3-8044-6908-2
© 2004, 2011 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Titelbild: Kate Winslet und David Kross in der Verfilmung Der Vorleser, USA/BRD 2008, © Senator/Cinetext Alle Rechte vorbehalten!
Hinweise zur Bedienung
Inhaltsverzeichnis Das Inhaltsverzeichnis ist vollständig mit dem Inhalt dieses Buches verknüpft. Tippen Sie auf einen Eintrag und Sie gelangen zum entsprechenden Inhalt.
Fußnoten Fußnoten sind im Text in eckigen Klammern mit fortlaufender Nummerierung angegeben. Tippen Sie auf eine Fußnote und Sie gelangen zum entsprechenden Fußnotentext. Tippen Sie im aufgerufenen Fußnotentext auf die Ziffer zu Beginn der Zeile, und Sie gelangen wieder zum Ursprung. Sie können auch die Rücksprungfunktion Ihres ePub-Readers verwenden (sofern verfügbar).
Verknüpfungen zu Textstellen innerhalb des Textes (Querverweise) Querverweise, z. B. „s. S. 26 f.“, können durch Tippen auf den Verweis aufgerufen werden. Verwenden Sie die „Zurück“-Funktion Ihres ePub-Readers, um wieder zum Ursprung des Querverweises zu gelangen.
Verknüpfungen zu den Online-Aufgaben Im Abschnitt 6 „Prüfungsaufgaben“ finden Sie einen Hinweis zu zwei kostenlosen zusätzlichen Aufgaben. Diese Aufgaben können über die Webseite des Verlages aufgerufen werden. Tippen Sie auf die Verknüpfung und Sie werden direkt zu den Online-Aufgaben geführt. Dazu wird in den Web-Browser Ihres ePub-Readers gewechselt – sofern Ihr ePub-Reader eine Verbindung zum Internet unterstützt und über einen Web-Browser verfügt.
Verknüpfungen zu Inhalten aus dem Internet Verknüpfungen zu Inhalten aus dem Internet werden durch eine Webadresse gekennzeichnet, z.B. www.wikipedia.de. Tippen Sie auf die Webadresse und Sie werden direkt zu der Internetseite geführt. Dazu wird in den Web-Browser Ihres ePub-Readers gewechselt – sofern Ihr ePub-Reader eine Verbindung zum Internet unterstützt und über einen Web-Browser verfügt. Hinweis:
INHALT
1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Bernhard Schlink: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Der Vorleser als literarische Verarbeitung des Holocaust
Weitere literarische Verarbeitungen des Themas und Einordnung des Romans
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
Wesentliche Werke
Lebens- und schaffensprägende Einflüsse
3. Textanalyse und -interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
I. Teil
II. Teil
III. Teil
Chronologie der Ereignisse
3.3 Aufbau
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Michael
Hanna
Das Verhältnis zwischen Michael und Hanna
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
Erzählweise
Teil I
Teil II
Teil III
Das Leitmotivgeflecht
1. Die Odyssee
2. Orte und Räume
3. Körper, Sexualität und Zuhause-Sein
4. Weitere Leitmotive
3.7 Interpretationsansätze
Bedingungen der Kommunikation
Das Problem des Analphabetismus
Lesen, Vorlesen und Schreiben
Liste der im Roman auftauchenden Texte und Autoren
Zur Frage der Schuld
4. Rezeptionsgeschichte
5. Materialen
Ausschnitt aus Peter Weiss: Die Ermittlung
Aussage einer Zeugin im Prozess gegen Hermine Braunsteiner
Definition von Schuld
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 *
Aufgabe 2 ***
Aufgabe 3 ***
Aufgabe 4 *
Literatur
Zitierte Ausgabe
Literatur von Bernhard Schlink
Sekundärliteratur zum Vorleser und zu anderen Texten
Internet-Adressen
Verfilmung
Ergänzende Sachliteratur
Zum Holocaust
Zum Analphabetismus
Damit sich jeder Leser in diesem Band rasch zurechtfindet und das für ihn Interessante gleich entdeckt, erfolgt hier eine Übersicht.
Im 2. Kapitel werden Schlinks Leben und der zeitgeschichtliche Hintergrund des Romans vorgestellt:
Bernhard Schlink wurde 1944 geboren. Er studierte Jura und lebte und lehrte als Professor für öffentliches Recht in Bonn, Frankfurt am Main, Berlin und verfasste juristische Fachbücher. Seit 1987 schreibt er Kriminalromane mit dem Protagonisten Selbs. Mit Der Vorleser erschien 1995 sein erster Roman, der sofort zum Bestseller avancierte und in bis zu 47 Sprachen (Stand 2011) übersetzt wurde. Heute lebt und arbeitet Schlink in New York und Berlin.
Der Vorleser enthält Vertreter aller drei Generationen (Täter/Kinder/Enkel), die mit den Verstrickungen der NS-Zeit zu tun haben. Die Generationen werden vorgestellt sowie Beispiele literarischen Umgangs mit der NS-Zeit seit 1945 bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts gegeben. Dieser Abschnitt zeigt auf, wie B. Schlinks Roman literaturgeschichtlich einzuordnen ist.
Wiederkehrende Motive und Konstellationen in anderen Werken Schlinks, die im Bezug zu Der Vorleser stehen, sind: Verstrickung in Schuld, Umgang mit der NS-Zeit, Heimkehr, Liebesbeziehungen, Literatur. Punktuell eingeschobene Hinweise zu weiteren literarischen Werken Schlinks sollen das Blickfeld erweitern.
Das 3. Kapitel geht analysierend und interpretierend auf den Roman ein.
Inhalt:
Der Roman enthält die Geschichte von Michael Berg in drei Abschnitten seines Lebens. Als Fünfzehnjähriger verliebt er sich in die wesentlich ältere Hanna, zu der er eine Liebesbeziehung entwickelt, die durch das Ritual des Duschens, sich Liebens und des Vorlesens geprägt ist. Sie verschwindet ohne Abschied. Erst als Jurastudent begegnet er Hanna wieder. Sie ist als ehemalige Aufseherin in einem Konzentrationslager angeklagt. Erst im Laufe des Prozesses begreift Michael, dass Hanna Zeit ihres Lebens alle Entscheidungen getroffen hat, um ihr Analphabetentum zu verheimlichen. Trotz dieser Erkenntnis hilft Michael ihr zwar nicht, schickt ihr jedoch nach ihrer Verurteilung Kassetten mit von ihm vorgelesenen Texten ins Gefängnis. Mit Hilfe dieser Bänder lernt Hanna im Gefängnis lesen. Kurz vor ihrer Entlassung aus dem Gefängnis nimmt sie sich das Leben.
Chronologie und Schauplätze:
Der Roman ist in 3 Teile mit insgesamt 46 kurzen Kapitel unterteilt, die dem Lebensalter Michaels als Jugendlicher, als Jurastudent und als Erwachsener folgen. Zur ersten Begegnung zwischen Michael und Hanna kommt es im Herbst 1958. Ihre Geschichte wird rückblickend (zumeist) in chronologischer Abfolge der Ereignisse erzählt bis zur Erzählgegenwart 1994/95.
Ortsnamen werden nicht ausdrücklich genannt. Dennoch lassen die vielen Anspielungen im 1. Teil Heidelberg als Hauptschauplatz vermuten; der 2. Teil spielt sich in erster Linie im Gerichtssaal „in einer anderen Stadt“ (S. 90) ab (evtl. Frankfurt als Anspielung auf die Auschwitzprozesse); die Stadt, in der der 3. Teil hauptsächlich angesiedelt ist, ist nicht genau zu bestimmen, im 11. Kapitel fährt Michael nach New York
Personen:
Die Hauptfiguren sind Michael und Hanna. Die Liebesbeziehung zu der 21 Jahre älteren, rätselhaften Hanna bestimmt Michaels Leben bis in das Erwachsenenleben und ist Grund für seine spätere Bindungsunfähigkeit. Ihr Verhältnis ist durch Sexualität, durch Unterwerfung und Beherrschung, durch vielfältige Verstrickung in alte und neue Schuld und durch das Vorlesen geprägt.
Michael:
aus gutbürgerlicher Familie
klug, belesen; später Akademiker
zunächst unsicher im Verhalten, dann zunehmend selbstkritisch
Hanna:
keine Familienanbindung
Analphabetin; ehemalige KZ-Aufseherin
unberechenbar für Michael, ambivalentes Verhalten: unsicher/bestimmt/herrisch/zärtlich etc.
Stil und Sprache Schlinks:
Hintergrundinformationen zu Sachfragen und Erläuterungen zur sprachlichen Gestaltung ermöglichen einen Einblick in den Roman als literarisches Werk. Die drei Teile des Romans passen sich sprachlich dem immer älter werdenden Ich-Erzähler Michael an und vermitteln so den Eindruck großer Authentizität. Wortwahl und Diktion werden zunehmend komplexer und poetischer ausgestaltet, verlieren aber nie die für Schlink charakteristische Klarheit und Knappheit der Sprache.
Die Textverknüpfung erfolgt über wiederkehrende Motive (Odyssee, Symbolgehalt der Orte und Räume, der Körperlichkeit u. a.), das Leitmotivgeflecht. Es erfolgt eine genaue Darstellung der sprachlichen Gestaltung und ihrer Funktion für die einzelnen Teile.
Verschiedene Interpretationsansätze bieten sich an:
Zum tieferen Verständnis des Romans werden Themen wie Analphabetismus, Beziehung und Kommunikation, Literatur und ihre Funktion untersucht. Die Frage nach Schuld bezieht sich auf Hanna, Michael, die NS-Zeit und geht auf Verarbeitung und auf die vielfältigen Arten des Umgangs mit Schuld ein. Weil in diesem Roman plumpe Verurteilungen vermieden werden, stattdessen individuelle Schuld, Kollektivschuld, Rollen, Umstände und Verantwortung miteinander in Beziehung gesetzt werden, erhält der Roman eine weit über den Zeitbezug hinausreichende Bedeutung.
Bernhard Schlink, © ullstein bild – B. Friedrich
Jahr
Ort
Ereignis
Alter
1944
Bielefeld
Geburt Bernhard Schlinks
1944–1974
Heidelberg und Mannheim
Kindheit und Jugend
Heidelberg und Berlin
Studium der Rechtswissenschaften
bis 30
1975
Heidelberg
Dissertation
31
1981
Freiburg (Breisgau)
Habilitation
Herausgabe juristischer Fach- und Lehrbücher
37
1982–1991
Bonn
Professor an der Universität Bonn
38–47
1987–2006
NRW
Verfassungsrichter in Nordrhein-Westfalen
43–62
1987
Erscheinen von Selbs Justiz (Kriminalroman)
43
1988
Erscheinen von Die gordische Schleife (Kriminalroman)
44
1989
Berlin
Verleihung des Autorenpreises deutschsprachiger Kriminalliteratur („Der Glauser“) für Die gordische Schleife
45
1991
Verfilmung des Kriminalromans Selbs Justiz unter dem Titel Der Tod kam als Freund für das
ZDF (Regie: Nico Hofmann)
47
seit 1992
Berlin
Professor an der Humboldt-Universität
ab 48
1992
Frankfurt a. M.
Erscheinen von Selbs Betrug (Kriminalroman)
48
1993
Verleihung des Deutschen Krimi-Preises des Bochumer Krimi-Archivs für Selbs Betrug
49
1995
Erscheinen von Der Vorleser (Roman)
Verleihung des „Stern des Jahres“ der „Abendzeitung“ (München) für Der Vorleser
51
1997
Italien
Grinzane-Cavour-Preis für Der Vorleser
53
Neumünster
Verleihung des Fallada-Preises der Stadt Neumünster
Frankreich
Prix Laure Batallion für Der Vorleser
USA
Erscheinen der englischen Ausgabe von Der Vorleser (The Reader)
1999
USA
The Reader auf Platz eins der Bestsellerlisten
Verkauf der Filmrechte an Hollywood
55
Berlin
Literaturpreis der Tageszeitung „Die Welt“ für das literarische Werk
55
2000
Erscheinen von Liebesfluchten (Erzählungen)
Ehrengabe der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Gesellschaft
Evangelischer Buchpreises für Der Vorleser, Sonderkulturpreis der japanischen Tageszeitung Mainichi Shimbun
Heimat als Utopie (Sachbuch)
56
2001
Selbs Mord (Kriminalroman)
57
2004
Berlin
Bundesverdienstkreuz (1. Klasse)
60
2006
Die Heimkehr (Roman)
62
2008
Berlin/New York
Das Wochenende (Roman)
Verfilmung von Der Vorleser (The Reader) und Der Andere (The Other Man), Erzählung aus Liebesfluchten
64
2010
Berlin/New York
Sommerlügen (Erzählungen)
66
ZUSAMMENFASSUNG
Zeitliche Einordnung, Personen und Thema in Schlinks Der Vorleser
3. Phase der literarischen Verarbeitung des Holocaust
alle drei Generationen, die direkt oder indirekt von der NS-Zeit betroffen sind, sind im Roman vertreten; unterschiedlicher Umgang der Menschen mit dem Holocaust
zeitliche Distanz zum Holocaust wirkt sich auf Stil und Darstellung aus: Leichtigkeit des Tons, Erzeugung von Betroffenheit auf allgemeinerer Ebene, Einbeziehen von Vorkenntnissen und dem Leser vertrauten Bildern sowie Dokumenten aus der NS-Zeit
Verzicht auf eindeutige Verurteilungen und Urteile, stattdessen Aufzeigen von Umständen der Verstrickung in Schuld
Weitere literarische und filmische Verarbeitungen des Themas, literaturgeschichtliche Einordnung des Romans (nach 1945, 60er Jahre, 90er Jahre)
Der Vorleser als literarische Verarbeitung des Holocaust
Die Entstehung von Der Vorleser fällt in eine dritte Phase der Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Thema Holocaust auf verschiedenen Ebenen. Das als bahnbrechend bezeichnete Schuldbekenntnis der katholischen Kirche in Hinblick auf Verfehlungen im vergangenen Jahrtausend bezog auch Versäumnisse gegenüber den Juden ein. Entscheidungen hinsichtlich der Entschädigung von Zwangsarbeitern im Dritten Reich mussten gefällt werden. Im Fernsehen, in Ausstellungen, in Filmen, in anderen Medien, auch in der Literatur wurde und wird dieses Thema behandelt. Dieses weltweite Interesse hing unter anderem mit dem hohen Alter der letzten Zeitzeugen und Opfer zusammen. Authentische Berichte, Befragungen von Betroffenen, Schuldbekenntnisse und vor allem Entschädigungen von Opfern waren nur noch begrenzt möglich. Gleichzeitig ist feststellbar, dass durch die gewachsene zeitliche Distanz zu den Geschehnissen sich auch der Umgang damit änderte. Auch in der Literatur ist erkennbar, dass sich diese Generation der „Nachgeborenen“ in einer anderen Weise als bisher dem Stoff nähert. Es sind nicht mehr der Massenmord und die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges selbst, um die es unmittelbar geht, vielmehr wird die Verarbeitung dieser Geschehnisse von Seiten der Täter- und Opferkinder bzw. der Enkel beschrieben.
Schlink selbst weist darauf hin, dass schon drei Generationen mit der Schuld des Dritten Reiches und des Holocaust umgehen müssen. Alle drei Generationen tauchen in seinem Roman auf:
Die dieser dritten Generation angehörenden oder zumindest in ihrer Zeit schreibenden Schriftsteller gehen schwerpunktmäßig anders als die vorangegangenen mit den schrecklichen Ereignissen um.
Schlink beschreibt in seiner Rede zur Verleihung des Fallada-Preises die Auseinandersetzung der 1. Generation mit der Vergangenheit als durch einerseits Verdrängung, andererseits Offenlegung geprägt. Sie ist seiner Ansicht nach weitgehend dokumentarischer Art. Diese Form der Bewältigung bezieht er in seinen Roman ein, wenn er von dem Buch der überlebenden Tochter spricht. Auch die 2. Generation, die der Söhne und Töchter, kommt in seinem Roman zu Wort. Es ist die Generation derjenigen, die sich als „Avantgarde der Aufarbeitung“ (S. 87) sehen. Zu ihr gehört Michael. Selbstkritisch erinnert dieser sich später an den fast fanatischen Eifer und die festen Vorstellungen von Schuld und Sühne, die ihre Haltung prägte. Hier deckt sich die Einstellung des Protagonisten und Erzählers mit der des Autors. Schlink sieht in dem moralischen „Anklagen, Verurteilen und Ausstoßen der Täter, Mittäter und Zuschauer der ersten Generation“[1] den Versuch der 68er-Generation, sich aus der eigenen individuellen und kollektiven Verstrickung zu befreien. Michael ist vor allem durch seine Beziehung zu Hanna persönlich mit der ersten Generation verstrickt. Seine Form der Auseinandersetzung ist die der rückblickend kritischen Aufarbeitung in Form eines Buches. Für die 3. Generation konstatiert Schlink das Ende eines Schuldzusammenhanges auf einer solchen persönlichen Ebene. Gleichwohl „gibt es ein Vermächtnis der Furchtbarkeiten des Dritten Reiches auch für die dritte und die folgenden Generationen“[2] und gleichermaßen drängende Fragen.
Literatur muss Schlinks Meinung zufolge den individuellen Zugang dazu immer wieder neu herstellen und dabei zugleich universeller sein. Mit seinem Roman gelingt ihm offenbar genau dies. In seiner „Liebesgeschichte“ mit der jähen Wende entsteht ein verblüffender und überraschender Bezug zum Holocaust, dem sich kaum ein Leser, gleich welcher Generation, entziehen kann. Die Betroffenheit der Leser drückt sich nicht nur in den Zahlen der weltweit verkauften Exemplare seines Romans und in der Fülle von Kommentaren und anderen Dokumenten der Beschäftigung damit aus. Schlink vermeidet eindeutige Festschreibungen von Schuld und Unschuld, Täter und Opfer, Böse und Gut. Eindeutige Werturteile und Verurteilungen lassen sich nicht vornehmen. So ist beispielsweise Hanna einerseits brutal und herrisch, sie kann andererseits aber auch zart und einfühlsam, empfindlich sein. Ihre Schwäche, ihr Analphabetismus, liefert die Erklärungsmöglichkeit für eine Vielzahl von Entscheidungen und Verhaltensweisen. So vollzieht der Leser nach, wie durch überraschende Erkenntnisse und Zusatzinformationen das Bild von einem Menschen ständig neu überdacht und revidiert werden muss. Er wird genötigt, sich über die Verbrechen und das eigene Verhältnis dazu Gedanken zu machen. Und er lernt, dass sowohl individuelle Geschichte als auch historische Vergangenheit, in die er durch Gruppenzugehörigkeit verwickelt ist, Teile seines Lebens sind. Sie lassen sich nicht abschütteln, verdrängen oder ignorieren.
Im Vorleser handeln die Menschen auf verschiedene Weise. Da ist die Tätergeneration, deren Motive für ihr Handeln im Verbergen von Defiziten (Hanna), in der Ausführung von Befehlen und Erledigen von Alltagsaufgaben (Autofahrer auf dem Weg ins Konzentrationslager) und in gedankenlosem Mitläufertum begründet sind. Es sind im weitesten Sinne der Egoismus und die fehlende Bereitschaft zur bewussten aktiven Auseinandersetzung oder zum Widerstand, die dem Tun zu Grunde liegen. Eine weitere, für Betroffene und Beobachter übereinstimmende Haltung ist die der Betäubung