Der Vorleser. Königs Erläuterungen. - Bernhard Schlink - E-Book

Der Vorleser. Königs Erläuterungen. E-Book

Bernhard Schlink

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Beschreibung

Königs Erläuterungen zu Bernhard Schlink: Der Vorleser - Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben In einem Band bieten dir die neuen Königs Erläuterungen alles, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst. Das spart Zeit bei der Vorbereitung! Alle wichtigen Infos zur Interpretation. - von der ausführlichen Inhaltsangabe über Aufbau, Personenkonstellation, Stil und Sprache bis zu Interpretationsansätzen - plus 4 Abituraufgaben mit Musterlösungen und 2 weitere zum kostenlosen Download . sowohl kurz als auch ausführlich. - Die Schnellübersicht fasst alle wesentlichen Infos zu Werk und Autor und Analyse zusammen. - Die Kapitelzusammenfassungen zeigen dir das Wichtigste eines Kapitels im Überblick - ideal auch zum Wiederholen. - Das Stichwortregister ermöglicht dir schnelles Finden wichtiger Textstellen. . und klar strukturiert. - Ein zweifarbiges Layout hilft dir Wesentliches einfacher und schneller zu erfassen. - Die Randspalte mit Schlüsselbegriffen ermöglichen dir eine bessere Orientierung. - Klar strukturierte Schaubilder verdeutlichen dir wichtige Sachverhalte auf einen Blick. . mit vielen zusätzlichen Infos zum kostenlosen Download.

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KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN

Band 403

Textanalyse und Interpretation zu

Bernhard Schlink

DER VORLESER

Magret Möckel

Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen

Zitierte Ausgaben: Bernhard Schlink: Der Vorleser. Zürich: Diogenes Taschenbuch, 1997.

Über den Autor dieser Erläuterung: Magret Möckel, geboren 1952 in Lindau an der Schlei (Schleswig-Holstein), Studium der Germanistik und Anglistik an der Universität in Hamburg. Erstes und Zweites Staatsexamen in Hamburg. Seit 1979 Lehrerin für Deutsch und Englisch, erst an einem Gymnasium in Vechta, dann in Friesoythe, seit 2003 in Oldenburg an der Graf-Anton-Günther Schule. Dort leitet sie die Fachgruppe Deutsch. Außerdem arbeitet sie für das Fach Deutsch in Kommissionen der Landesschulbehörde mit. Die Aufbereitung von Gegenwartsliteratur für die Schule ist ihr stets ein wichtiges Anliegen. Frau Möckel ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Die öffentliche Zugänglichmachung eines für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werkes ist stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.

4. Auflage 2014

ISBN 978-3-8044-6908-2

© 2004, 2011 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Titelbild: Kate Winslet und David Kross in der Verfilmung Der Vorleser, USA/BRD 2008, © Senator/Cinetext Alle Rechte vorbehalten!

Hinweise zur Bedienung

Inhaltsverzeichnis Das Inhaltsverzeichnis ist vollständig mit dem Inhalt dieses Buches verknüpft. Tippen Sie auf einen Eintrag und Sie gelangen zum entsprechenden Inhalt.

Fußnoten Fußnoten sind im Text in eckigen Klammern mit fortlaufender Nummerierung angegeben. Tippen Sie auf eine Fußnote und Sie gelangen zum entsprechenden Fußnotentext. Tippen Sie im aufgerufenen Fußnotentext auf die Ziffer zu Beginn der Zeile, und Sie gelangen wieder zum Ursprung. Sie können auch die Rücksprungfunktion Ihres ePub-Readers verwenden (sofern verfügbar).

Verknüpfungen zu Textstellen innerhalb des Textes (Querverweise) Querverweise, z. B. „s. S. 26 f.“, können durch Tippen auf den Verweis aufgerufen werden. Verwenden Sie die „Zurück“-Funktion Ihres ePub-Readers, um wieder zum Ursprung des Querverweises zu gelangen.

Verknüpfungen zu den Online-Aufgaben Im Abschnitt 6 „Prüfungsaufgaben“ finden Sie einen Hinweis zu zwei kostenlosen zusätzlichen Aufgaben. Diese Aufgaben können über die Webseite des Verlages aufgerufen werden. Tippen Sie auf die Verknüpfung und Sie werden direkt zu den Online-Aufgaben geführt. Dazu wird in den Web-Browser Ihres ePub-Readers gewechselt – sofern Ihr ePub-Reader eine Verbindung zum Internet unterstützt und über einen Web-Browser verfügt.

Verknüpfungen zu Inhalten aus dem Internet Verknüpfungen zu Inhalten aus dem Internet werden durch eine Webadresse gekennzeichnet, z.B. www.wikipedia.de. Tippen Sie auf die Webadresse und Sie werden direkt zu der Internetseite geführt. Dazu wird in den Web-Browser Ihres ePub-Readers gewechselt – sofern Ihr ePub-Reader eine Verbindung zum Internet unterstützt und über einen Web-Browser verfügt.  Hinweis:

INHALT

1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht

2. Bernhard Schlink: Leben und Werk

2.1 Biografie

2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Der Vorleser als literarische Verarbeitung des Holocaust

Weitere literarische Verarbeitungen des Themas und Einordnung des Romans

2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken

Wesentliche Werke

Lebens- und schaffensprägende Einflüsse

3. Textanalyse und -interpretation

3.1 Entstehung und Quellen

3.2 Inhaltsangabe

I. Teil

II. Teil

III. Teil

Chronologie der Ereignisse

3.3 Aufbau

3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken

Michael

Hanna

Das Verhältnis zwischen Michael und Hanna

3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen

3.6 Stil und Sprache

Erzählweise

Teil I

Teil II

Teil III

Das Leitmotivgeflecht

1. Die Odyssee

2. Orte und Räume

3. Körper, Sexualität und Zuhause-Sein

4. Weitere Leitmotive

3.7 Interpretationsansätze

Bedingungen der Kommunikation

Das Problem des Analphabetismus

Lesen, Vorlesen und Schreiben

Liste der im Roman auftauchenden Texte und Autoren

Zur Frage der Schuld

4. Rezeptionsgeschichte

5. Materialen

Ausschnitt aus Peter Weiss: Die Ermittlung

Aussage einer Zeugin im Prozess gegen Hermine Braunsteiner

Definition von Schuld

6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen

Aufgabe 1 *

Aufgabe 2 ***

Aufgabe 3 ***

Aufgabe 4 *

Literatur

Zitierte Ausgabe

Literatur von Bernhard Schlink

Sekundärliteratur zum Vorleser und zu anderen Texten

Internet-Adressen

Verfilmung

Ergänzende Sachliteratur

Zum Holocaust

Zum Analphabetismus

1.Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht

Damit sich jeder Leser in diesem Band rasch zurechtfindet und das für ihn Interessante gleich entdeckt, erfolgt hier eine Übersicht.

Im 2. Kapitel werden Schlinks Leben und der zeitgeschichtliche Hintergrund des Romans vorgestellt:

Bernhard Schlink wurde 1944 geboren. Er studierte Jura und lebte und lehrte als Professor für öffentliches Recht in Bonn, Frankfurt am Main, Berlin und verfasste juristische Fachbücher. Seit 1987 schreibt er Kriminalromane mit dem Protagonisten Selbs. Mit Der Vorleser erschien 1995 sein erster Roman, der sofort zum Bestseller avancierte und in bis zu 47 Sprachen (Stand 2011) übersetzt wurde. Heute lebt und arbeitet Schlink in New York und Berlin.

Der Vorleser enthält Vertreter aller drei Generationen (Täter/Kinder/Enkel), die mit den Verstrickungen der NS-Zeit zu tun haben. Die Generationen werden vorgestellt sowie Beispiele literarischen Umgangs mit der NS-Zeit seit 1945 bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts gegeben. Dieser Abschnitt zeigt auf, wie B. Schlinks Roman literaturgeschichtlich einzuordnen ist.

Wiederkehrende Motive und Konstellationen in anderen Werken Schlinks, die im Bezug zu Der Vorleser stehen, sind: ­Verstrickung in Schuld, Umgang mit der NS-Zeit, Heimkehr, Liebesbeziehungen, Literatur. Punktuell eingescho­bene Hinweise zu weiteren literarischen Werken Schlinks sollen das Blickfeld erweitern.

Das 3. Kapitel geht analysierend und interpretierend auf den ­Roman ein.

Inhalt:

Der Roman enthält die Geschichte von Michael Berg in drei Abschnitten seines Lebens. Als Fünfzehnjähriger verliebt er sich in die wesentlich ältere Hanna, zu der er eine Liebesbeziehung entwickelt, die durch das Ritual des Duschens, sich Liebens und des Vorlesens geprägt ist. Sie verschwindet ohne Abschied. Erst als Jurastudent begegnet er Hanna wieder. Sie ist als ehemalige Aufseherin in einem Konzentrationslager angeklagt. Erst im Laufe des Prozesses begreift Michael, dass Hanna Zeit ihres Lebens alle Entscheidungen getroffen hat, um ihr Analphabetentum zu verheimlichen. Trotz dieser Erkenntnis hilft Michael ihr zwar nicht, schickt ihr jedoch nach ihrer Verurteilung Kassetten mit von ihm vorgelesenen Texten ins Gefängnis. Mit Hilfe dieser Bänder lernt Hanna im Gefängnis lesen. Kurz vor ihrer Entlassung aus dem Gefängnis nimmt sie sich das Leben.

Chronologie und Schauplätze:

Der Roman ist in 3 Teile mit insgesamt 46 kurzen Kapitel unter­teilt, die dem Lebensalter Michaels als Jugendlicher, als Jura­student und als Erwachsener folgen. Zur ersten Begegnung zwischen Michael und Hanna kommt es im Herbst 1958. Ihre Geschichte wird rückblickend (zumeist) in chronologischer Abfolge der Ereignisse erzählt bis zur Erzählgegenwart 1994/95.

Ortsnamen werden nicht ausdrücklich genannt. Dennoch lassen die vielen Anspielungen im 1. Teil Heidelberg als Hauptschauplatz vermuten; der 2. Teil spielt sich in erster Linie im Gerichtssaal „in einer anderen Stadt“ (S. 90) ab (evtl. Frankfurt als Anspielung auf die Auschwitzprozesse); die Stadt, in der der 3. Teil hauptsächlich angesiedelt ist, ist nicht genau zu bestimmen, im 11. Kapitel fährt Michael nach New York

Personen:

Die Hauptfiguren sind Michael und Hanna. Die Liebesbeziehung zu der 21 Jahre älteren, rätselhaften Hanna bestimmt Michaels Leben bis in das Erwachsenenleben und ist Grund für seine spätere Bindungsunfähigkeit. Ihr Verhältnis ist durch Sexualität, durch Unterwerfung und Beherrschung, durch vielfältige Verstrickung in alte und neue Schuld und durch das Vorlesen geprägt.

Michael:

aus gutbürgerlicher Familie

klug, belesen; später Akademiker

zunächst unsicher im Verhalten, dann zunehmend ­selbstkritisch

Hanna:

keine Familienanbindung

Analphabetin; ehemalige KZ-Aufseherin

unberechenbar für Michael, ambivalentes Verhalten: unsicher/bestimmt/herrisch/zärtlich etc.

Stil und Sprache Schlinks:

Hintergrundinformationen zu Sachfragen und Erläuterungen zur sprachlichen Gestaltung ermöglichen einen Einblick in den Roman als literarisches Werk. Die drei Teile des Romans passen sich sprachlich dem immer älter werdenden Ich-Erzähler Michael an und vermitteln so den Eindruck großer Authentizität. Wortwahl und Diktion werden zunehmend komplexer und poetischer aus­gestaltet, verlieren aber nie die für Schlink charakteristische Klarheit und Knappheit der Sprache.

Die Textverknüpfung erfolgt über wiederkehrende Motive (Odyssee, Symbolgehalt der Orte und Räume, der Körperlichkeit u. a.), das Leitmotivgeflecht. Es erfolgt eine genaue Darstellung der sprachlichen Gestaltung und ihrer Funktion für die einzelnen Teile.

Verschiedene Interpretationsansätze bieten sich an:

Zum tieferen Verständnis des Romans werden Themen wie Analphabetismus, Beziehung und Kommunikation, Literatur und ihre Funktion untersucht. Die Frage nach Schuld bezieht sich auf Hanna, Michael, die NS-Zeit und geht auf Verarbeitung und auf die vielfältigen Arten des Umgangs mit Schuld ein. Weil in diesem Roman plumpe Verurteilungen vermieden werden, stattdessen individuelle Schuld, Kollektivschuld, Rollen, Umstände und Verantwortung miteinander in Beziehung gesetzt werden, erhält der Roman eine weit über den Zeitbezug hinausreichende Bedeutung.

2.Bernhard Schlink: Leben und Werk

Bernhard Schlink, © ullstein bild – B. Friedrich

2.1Biografie

Jahr

Ort

Ereignis

Alter

1944

Bielefeld

Geburt Bernhard Schlinks

1944–1974

Heidelberg und Mannheim

Kindheit und Jugend

Heidelberg und Berlin

Studium der Rechtswissen­schaften

bis 30

1975

Heidelberg

Dissertation

31

1981

Freiburg ­(Breisgau)

Habilitation

Herausgabe juristischer Fach- und Lehrbücher

37

1982–1991

Bonn

Professor an der Universität Bonn

38–47

1987–2006

NRW

Verfassungsrichter in ­Nordrhein-Westfalen

43–62

1987

Erscheinen von Selbs Justiz ­(Kriminalroman)

43

1988

Erscheinen von Die gordische Schleife (Kriminalroman)

44

1989

Berlin

Verleihung des Autorenpreises deutschsprachiger Kriminal­literatur („Der Glauser“) für Die gordische Schleife

45

1991

Verfilmung des Kriminalromans Selbs Justiz unter dem Titel Der Tod kam als Freund für das

ZDF (Regie: Nico Hofmann)

47

seit 1992

Berlin

Professor an der Humboldt-Universität

ab 48

1992

Frankfurt a. M.

Erscheinen von Selbs Betrug ­(Kriminalroman)

48

1993

Verleihung des Deutschen ­Krimi-Preises des Bochumer Krimi-Archivs für Selbs Betrug

49

1995

Erscheinen von Der Vorleser (Roman)

Verleihung des „Stern des Jahres“ der „Abendzeitung“ (München) für Der Vorleser

51

1997

Italien

Grinzane-Cavour-Preis für Der Vorleser

53

Neumünster

Verleihung des Fallada-Preises der Stadt Neumünster

Frankreich

Prix Laure Batallion für Der ­Vorleser

USA

Erscheinen der englischen ­Ausgabe von Der Vorleser (The Reader)

1999

USA

The Reader auf Platz eins der ­Bestsellerlisten

Verkauf der Filmrechte an ­Hollywood

55

Berlin

Literaturpreis der Tageszeitung „Die Welt“ für das literarische Werk

55

2000

Erscheinen von Liebesfluchten (Erzählungen)

Ehrengabe der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Gesellschaft

Evangelischer Buchpreises für Der Vorleser, Sonderkulturpreis der japanischen Tageszeitung Mainichi Shimbun

Heimat als Utopie (Sachbuch)

56

2001

Selbs Mord (Kriminalroman)

57

2004

Berlin

Bundesverdienstkreuz (1. Klasse)

60

2006

Die Heimkehr (Roman)

62

2008

Berlin/New York

Das Wochenende (Roman)

Verfilmung von Der Vorleser (The Reader) und Der Andere (The Other Man), Erzählung aus Liebesfluchten

64

2010

Berlin/­New York

Sommerlügen (Erzählungen)

66

2.2Zeitgeschichtlicher Hintergrund

ZUSAMMENFASSUNG

Zeitliche Einordnung, Personen und Thema in Schlinks Der Vorleser

3. Phase der literarischen Verarbeitung des Holocaust

alle drei Generationen, die direkt oder indirekt von der NS-Zeit betroffen sind, sind im Roman vertreten; unterschiedlicher Umgang der Menschen mit dem Holocaust

zeitliche Distanz zum Holocaust wirkt sich auf Stil und Darstellung aus: Leichtigkeit des Tons, Erzeugung von Betroffenheit auf allgemeinerer Ebene, Einbeziehen von Vorkenntnissen und dem Leser vertrauten Bildern sowie Dokumenten aus der NS-Zeit

Verzicht auf eindeutige Verurteilungen und Urteile, stattdessen Aufzeigen von Umständen der Verstrickung in Schuld

Weitere literarische und filmische Verarbeitungen des ­Themas, literaturgeschichtliche Einordnung des Romans (nach 1945, 60er Jahre, 90er Jahre)

Der Vorleser als literarische Verarbeitung des Holocaust

Die Entstehung von Der Vorleser fällt in eine dritte Phase der Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Thema Holocaust auf verschiedenen Ebenen. Das als bahnbrechend bezeichnete Schuldbekenntnis der katholischen Kirche in Hinblick auf Verfehlungen im vergangenen Jahrtausend bezog auch Versäumnisse gegenüber den Juden ein. Entscheidungen hinsichtlich der Entschädigung von Zwangsarbeitern im Dritten Reich mussten gefällt werden. Im Fernsehen, in Ausstellungen, in Filmen, in anderen Medien, auch in der Literatur wurde und wird dieses Thema behandelt. Dieses weltweite Interesse hing unter anderem mit dem hohen Alter der letzten Zeitzeugen und Opfer zusammen. Authentische Berichte, Befragungen von Betroffenen, Schuldbekenntnisse und vor allem Entschädigungen von Opfern waren nur noch begrenzt möglich. Gleichzeitig ist feststellbar, dass durch die gewachsene zeitliche Distanz zu den Geschehnissen sich auch der Umgang damit änderte. Auch in der Literatur ist erkennbar, dass sich diese Generation der „Nachgeborenen“ in einer anderen Weise als bisher dem Stoff nähert. Es sind nicht mehr der Massenmord und die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges selbst, um die es unmittelbar geht, vielmehr wird die Verarbeitung dieser Geschehnisse von Seiten der Täter- und Opferkinder bzw. der ­Enkel beschrieben.

Schlink selbst weist darauf hin, dass schon drei Generationen mit der Schuld des Dritten Reiches und des Holocaust umgehen müssen. Alle drei Generationen tauchen in seinem Roman auf:

Die dieser dritten Generation angehörenden oder zumindest in ihrer Zeit schreibenden Schriftsteller gehen schwerpunktmäßig anders als die vorangegangenen mit den schrecklichen Ereignissen um.

Schlink beschreibt in seiner Rede zur Verleihung des Fallada-Preises die Auseinandersetzung der 1. Generation mit der Vergangenheit als durch einerseits Verdrängung, andererseits Offenlegung geprägt. Sie ist seiner Ansicht nach weitgehend dokumentarischer Art. Diese Form der Bewältigung bezieht er in seinen Roman ein, wenn er von dem Buch der überlebenden Tochter spricht. Auch die 2. Generation, die der Söhne und Töchter, kommt in seinem Roman zu Wort. Es ist die Generation derjenigen, die sich als „Avantgarde der Aufarbeitung“ (S. 87) sehen. Zu ihr gehört Michael. Selbstkritisch erinnert dieser sich später an den fast fanatischen Eifer und die festen Vorstellungen von Schuld und Sühne, die ihre Haltung prägte. Hier deckt sich die Einstellung des Protagonisten und Erzählers mit der des Autors. Schlink sieht in dem moralischen „Anklagen, Verurteilen und Ausstoßen der Täter, Mittäter und Zuschauer der ersten Generation“[1] den Versuch der 68er-Generation, sich aus der eigenen individuellen und kollektiven Verstrickung zu befreien. Michael ist vor allem durch seine Beziehung zu Hanna persönlich mit der ersten Generation verstrickt. Seine Form der Auseinandersetzung ist die der rückblickend kritischen Aufarbeitung in Form eines Buches. Für die 3. Generation konstatiert Schlink das Ende eines Schuldzusammenhanges auf einer solchen persönlichen Ebene. Gleichwohl „gibt es ein Vermächtnis der Furchtbarkeiten des Dritten Reiches auch für die dritte und die folgenden Generationen“[2] und gleichermaßen drängende Fragen.

Literatur muss Schlinks Meinung zufolge den individuellen Zugang dazu immer wieder neu herstellen und dabei zugleich universeller sein. Mit seinem Roman gelingt ihm offenbar genau dies. In seiner „Liebesgeschichte“ mit der jähen Wende entsteht ein verblüffender und überraschender Bezug zum Holocaust, dem sich kaum ein Leser, gleich welcher Generation, entziehen kann. Die Betroffenheit der Leser drückt sich nicht nur in den Zahlen der weltweit verkauften Exemplare seines Romans und in der Fülle von Kommentaren und anderen Dokumenten der Beschäftigung damit aus. Schlink vermeidet eindeutige Festschreibungen von Schuld und Unschuld, Täter und Opfer, Böse und Gut. Eindeutige Werturteile und Verurteilungen lassen sich nicht vornehmen. So ist beispielsweise Hanna einerseits brutal und herrisch, sie kann andererseits aber auch zart und einfühlsam, empfindlich sein. Ihre Schwäche, ihr Analphabetismus, liefert die Erklärungsmöglichkeit für eine Vielzahl von Entscheidungen und Verhaltensweisen. So vollzieht der Leser nach, wie durch überraschende Erkenntnisse und Zusatzinformationen das Bild von einem Menschen ständig neu überdacht und revidiert werden muss. Er wird genötigt, sich über die Verbrechen und das eigene Verhältnis dazu Gedanken zu machen. Und er lernt, dass sowohl individuelle Geschichte als auch historische Vergangenheit, in die er durch Gruppenzu­gehörigkeit verwickelt ist, Teile seines Lebens sind. Sie lassen sich nicht abschütteln, verdrängen oder ignorieren.

Im Vorleser handeln die Menschen auf verschiedene Weise. Da ist die Tätergeneration, deren Motive für ihr Handeln im Verbergen von Defiziten (Hanna), in der Ausführung von Befehlen und Erledigen von Alltagsaufgaben (Autofahrer auf dem Weg ins Konzentrationslager) und in gedankenlosem Mitläufertum begründet sind. Es sind im weitesten Sinne der Egoismus und die fehlende Bereitschaft zur bewussten aktiven Auseinandersetzung oder zum Widerstand, die dem Tun zu Grunde liegen. Eine weitere, für Betroffene und Beobachter übereinstimmende Haltung ist die der Betäubung