Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Der Weg an die Spitze ist steinig und schwer? Nicht mit Jim Collins! Der Management-Vordenker macht sieben Schlüsselfaktoren aus, durch die gute Unternehmen zu Spitzenunternehmen wurden. Sie fragen sich, welche Faktoren das sind? Sie wollen wissen, wie Sie Ihr eigenes Unternehmen dauerhaft nach ganz vorne bringen können? Dann lesen Sie diesen Weltbestseller! "Pflichtlektüre für jeden, der sich ernsthaft mit Management befasst." fredmund malik "Eine faszinierende Studie über die Faktoren, die Spitzenunternehmen zu dem gemacht haben, was sie heute sind." fortune "Ein außergewöhnliches Management-Buch: solide recherchiert, ungewöhnlich in seinen Schlussfolgerungen." wall street journal
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 433
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Jim Collins
Der Weg zu den Besten
Die sieben Management-Prinzipien für dauerhaften Unternehmenserfolg
Aus dem Englischen von Martin Baltes und Fritz Böhler
Campus Verlag Frankfurt/New York
Über das Buch
Der Weg an die Spitze ist steinig und schwer? Nicht mit Jim Collins! Der Management-Vordenker macht sieben Schlüsselfaktoren aus, durch die gute Unternehmen zu Spitzenunternehmen wurden. Sie fragen sich, welche Faktoren das sind? Sie wollen wissen, wie Sie Ihr eigenes Unternehmen dauerhaft nach ganz vorne bringen können? Dann lesen Sie diesen Weltbestseller!"Pflichtlektüre für jeden, der sich ernsthaft mit Management befasst." fredmund malik"Eine faszinierende Studie über die Faktoren, die Spitzenunternehmen zu dem gemacht haben, was sie heute sind." fortune"Ein außergewöhnliches Management-Buch: solide recherchiert, ungewöhnlich in seinen Schlussfolgerungen." wall street journal
Vita
Jim Collins ist ein international renommierter und gefragter ManagementVordenker. Der ehemalige McKinsey-Berater gründete 1995 sein Management-Zentrum in Boulder, Colorado, das langfristige Forschungsprojekte zu den Management-Grundsätzen von Spitzenunternehmen sowie Seminare für Führungskräfte durchführt. Seine Bücher wurden internationale Bestseller.
Der Weg zu den Besten ist ein wichtiges und zeitgerechtes Buch. Hier wird auf beeindruckende Weise empirisch bestätigt, was mit der Praxis vertraute und gleichzeitig wissenschaftlicher Fundiertheit verpflichtete Beobachter der Management-Szene seit Langem vertreten. Jim Collins’ Buch ist ein Beitrag zu Qualität, Seriosität und Relevanz im Management, sowohl für das Denken über Management als auch für die Management-Praxis. Es ist Pflichtlektüre für jeden, der sich ernsthaft mit Management befasst; es ist ein weiterer Pfeiler im Bollwerk gegen die Verbreitung von Unsinn über eine der wichtigsten Funktionen der Gesellschaft.
Wie entsteht aus einem guten Unternehmen ein sehr gutes, ein hervorragendes, ein »großes« Unternehmen? Die sachlichen Ergebnisse, die Collins vorlegt, aber auch Aufbau und Stil des Buches stehen in wohltuendem Gegensatz zu jener – leider überwiegenden und die herrschenden Meinungen prägenden – Art von Management-Literatur, die über die Produktion von Zerrbildern, Irrlehren, subjektiven Behauptungen und ständig wiederholten Gemeinplätzen nicht hinauskommt. Der Autor widerlegt in entscheidenden Punkten die allgemeinen Auffassungen und Überzeugungen, die zur Frage erfolgreicher Unternehmensführung und ihrer Ursachen und Prinzipien in großen Teilen der Öffentlichkeit existieren.
Für jene, die die Wirtschaft kennen und klar denken, sind die Ergebnisse von Collins zwar nicht wirklich überraschend, was ihre Bedeutung aber keineswegs schmälert, sondern im Gegenteil betont und verstärkt. Er bestätigt, was einige Autoren seit langem oder schon immer vertreten haben, zum Beispiel Peter F. Drucker seit den frühen 50er-Jahren in allen seinen Büchern zu Management. Eileen C. Shapiro und ihr Fad Surfing ist zu nennen. In Deutschland sind es etwa die Beiträge von Aloys Gälweiler zu Planung und Strategie, in der Schweiz unter anderem die Schriften von Hans Ulrich zum Systemorientierten Management.
Das Buch ist ein hervorragender Beitrag zur Überwindung der Folklore, des Halbwissens, der Modewellen und der Scharlatanerie in der Unternehmensführung. Viele Management-Misserfolge und die damit zusammenhängenden Milliardenschäden wären vermieden worden, hätte man Ergebnisse dieser Art beachtet und befolgt. Das gilt besonders für die kollektiven Irrtümer der letzten Jahre, für die Fusions- und Akquisitionswelle und die New-Economy-Illusionen. Allerdings wäre damit auch eine Mehrheit von Consultants und Trainern und ihren medialen Verstärkern überflüssig – jene, die den hier widerlegten Unsinn erfinden, verkünden und verbreiten.
Ich verzichte darauf, in diesem Vorwort eine Zusammenfassung der mir am wichtigsten erscheinenden Resultate zu machen, weil ich dem Leser das Vergnügen nicht schmälern will, diese für sich selbst Seite für Seite zu erschließen. Er wird dabei – im Gegensatz zu den so weit verbreiteten Wichtigtuereien – Substanz und Relevanz entdecken. Er wird eine andere Art von Management kennenlernen. Fast alles, was als gängige Meinung zum Beispiel zu Change Management und den diesbezüglich so beliebten Aufbruchprogrammen verbreitet wird, zur Bedeutung von Motivation und zu Leadership, wird von Collins als Irrtum entlarvt. Ebenso wird als Märchen erkannt, dass Art und Höhe der Bezahlung von Managern mit ihrer Leistung zusammenhängen, und ein guter Teil der scheinbar gesicherten Überzeugungsbestände zur Unternehmenskultur darf als unbrauchbar angesehen werden, darunter die Heils- und Irrlehren der Visionsapostel.
Jim Collins’ Buch hilft mit, die Maßstäbe richtiger und guter Führung klarer zu sehen, präziser zu definieren und gestützt auf gute Argumente strenger anzuwenden. Der Weg zu den Besten ist ein Meilenstein in der Aufdeckung und Ausmerzung von Mittelmäßigkeit.
St. Gallen, im August 2001
Als das Manuskript fast fertig war, ging ich joggen. Ich rannte einen steilen, steinigen Weg im Canyon von Eldorado Springs hinauf, nicht weit entfernt von meinem Haus in Boulder, Colorado. Oben angekommen legte ich eine Rast ein und genoss die Aussicht über die Berge, die noch in ihr Winterkleid gehüllt waren. Plötzlich kam mir eine seltsame Frage in den Sinn: Wie viel müsste mir jemand zahlen, damit ich dieses Buch nicht publizierte?
Immerhin hatte ich diesem Buch die letzten fünf Jahre gewidmet. Nicht, dass ich mir keinen Betrag vorstellen könnte, der mich von der Publikation abhalten konnte, aber als ich die 100-Millionen-Dollar-Grenze überschritt, wurde es Zeit, den Rückweg anzutreten. Unterrichten liegt mir einfach im Blut und daher ist es für mich unvorstellbar, unsere Erkenntnisse nicht mit Neugierigen auf der ganzen Welt zu teilen. Ich veröffentliche dieses Werk also im Geist der Lehre.
Nach vielen Monaten mönchischer Zurückgezogenheit würde ich mich freuen, von anderen Menschen zu hören, was in diesem Buch sie als hilfreich empfinden und was nicht. Ich hoffe, Sie entdecken darin wertvolle Informationen und können sie umsetzen – was auch immer Sie tun, in Ihrem Unternehmen, Ihrer Behörde oder Ihrem eigenen Leben.
»Das Schlimme am Tod ist die unbefriedigte Neugier.«
Beryl Markham, Westwärts mit der Nacht1
Das Gute ist der Feind des Besten.
Das ist einer der Hauptgründe, warum es so wenig wirklich Herausragendes gibt.
Wir haben gute Schulen, aber keine Spitzenschulen. Wir haben auch eine gute Regierung, aber keine Spitzenregierung. Nur wenige Menschen führen ein »Spitzenleben« – weil es so leicht ist, sich mit einem guten Leben zufrieden zu geben. Die meisten Unternehmen werden allein deshalb nie zur Spitze gehören, weil es der Mehrzahl von ihnen gut geht – und genau das ist ihr größtes Problem.
Mit aller Schärfe erkannte ich dieses Problem 1996 beim Abendessen mit einer Gruppe von Wirtschaftsleuten, die über die Leistungsfähigkeit von Organisationen diskutieren wollte. Bill Meehan, der leitende Direktor von McKinsey & Company in San Francisco, neigte sich zu mir hin und sagte beiläufig: »Wissen Sie, Jim, wir mögen Ihr Buch Built to Last1. Sie und Ihr Co-Autor haben uns mit Ihrer Untersuchung stark beeindruckt. Leider ist das Buch völlig nutzlos.«
Ich war erstaunt und forderte eine Erklärung.
»Die meisten Unternehmen, über die Sie schreiben, gehörten immer schon zur Spitze«, sagte er. »Sie mussten sich nie von einem guten in ein Spitzenunternehmen verwandeln. Leute wie David Packard und George Merck sorgten von Anfang an für herausragende Leistungen. Aber wie steht es mit der überwiegenden Zahl jener Unternehmen, die irgendwo auf halbem Weg aufwachen und feststellen, dass sie gut sind, aber nicht spitze?«
Heute weiß ich, dass Meehan mit der Aussage, mein Buch sei »nutzlos«, übertrieben hat; im Kern aber war seine Beobachtung richtig: Die meisten echten Spitzenunternehmen waren immer schon spitze. Und die meisten guten Unternehmen bleiben genau das: gut. Meehans Bemerkung erwies sich als unschätzbares Geschenk, denn sie legte den Keim zu einer Fragestellung, die zur Grundlage dieses Buches wurde: »Kann ein gutes Unternehmen zum Spitzenunternehmen werden und wenn ja, wie?« Oder ist das Leiden daran, »nur gut zu sein«, unheilbar?
Fünf Jahre nach diesem schicksalhaften Abend können wir mit gutem Gewissen behaupten, dass es die Entwicklung zum Spitzenunternehmen tatsächlich gibt. In der Zwischenzeit haben wir auch eine ganze Menge über die Variablen erfahren, die solchen Transformationen zugrunde liegen. Inspiriert von Bill Meehans Stichelei begab ich mich mit einer Forschergruppe auf eine fünfjährige Expedition in die inneren Abläufe beim Übergang von »gut« zu »spitze«.
Einen schnellen Einstieg in das Projekt bietet Chart 1.1 auf Seite 17.2 Wir ermittelten Unternehmen, die den Sprung von einem guten Ergebnis zu einem Spitzenergebnis schafften und denen es gelang, das neue Niveau mindestens 15 Jahre lang zu halten. Diese Unternehmen verglichen wir mit einer sorgfältig zusammengestellten Kontrollgruppe aus Unternehmen, die den Sprung nicht oder nur vorübergehend schafften, ohne das erreichte Niveau halten zu können. Wir verglichen die beiden Unternehmenstypen, um so die entscheidenden und unterscheidenden Faktoren herauszufiltern.
Die ermittelten Take-off-Unternehmen3 zeigen erstaunliche Resultate: eine Wertpapierrendite, die die durchschnittliche Entwicklung am Aktienmarkt innerhalb von 15 Jahren nach dem Umschwung um den Faktor 6,9 übertrifft.2 General Electric hingegen (von vielen als das am besten geführte Unternehmen der USA am Ende des 20. Jahrhunderts eingestuft) übertraf den Marktdurchschnitt zwischen 1985 und 2000 »nur« um das 2,8-Fache.3 Hätte man 1965 einen Dollar in einen Fonds aus Take-off- Unternehmen investiert – eine durchschnittliche Entwicklung bis zum Umschwung vorausgesetzt – und gleichzeitig einen Dollar in einen Standardwerte-Fonds eingezahlt, wäre der Dollar aus dem Take-off-Fonds am 1. Januar 2000 471 Dollar wert gewesen, der aus dem Standardwerte-Fonds 56 Dollar.4
Verhältnis der Wertpapierrendite der Take-off-Unternehmen zum Aktienmarkt
Das sind erstaunliche Zahlen, aber noch erstaunlicher sind sie, wenn man berücksichtigt, dass sie von Unternehmen stammen, die zuvor absolut unauffällig waren. Nehmen wir beispielsweise die Drogeriemarktkette Walgreens. Über 40 Jahre war Walgreens ein durchschnittliches Unternehmen, das in etwa die Vorgaben des Marktes erreichte. Und plötzlich, 1975, scheinbar aus dem Nichts: die Explosion! Die Walgreens-Aktie beginnt zu klettern, immer höher und höher. Zwischen dem 31. Dezember 1975 und dem 1. Januar 2000 schlug der bei Walgreens investierte Dollar den Technologiesuperstar Intel fast um das Doppelte, General Electric um das Fünffache, Coca-Cola um das Achtfache und den Aktienmarkt (inklusive des NASDAQ-Höhenflugs 1999) um mehr als das 15-Fache.4
Kumulierte Wertpapierrenditen bei einer anfänglichen Investition von $ 1
$ 1 zu gleichen Teilen auf alle Unternehmen jeder Gruppe verteilt, am 1. Januar 1965. Kumulierter Wert jedes Fonds am 1. Januar 2000. Dividenden wieder angelegt, Aktiensplits bereinigt.
Wie um alles in der Welt konnte sich ein Unternehmen, das so lange so unauffällig gewesen war, so sehr verwandeln, dass es einige der bestgeführten Unternehmen der Welt überflügelte? Und warum schaffte Walgreens den Sprung, während andere Unternehmen in derselben Branche und mit denselben Möglichkeiten, wie beispielsweise Walgreens Konkurrent Eckerd, es nicht schafften?
In diesem Buch geht es nicht um Walgreens oder die anderen Unternehmen, die wir untersucht haben, sondern um die Frage: Kann ein gutes Unternehmen zu einem Spitzenunternehmen werden und wenn ja, wie? Unsere Suche galt zeitlosen, universellen Antworten, die sich auf jede Art von Organisation anwenden lassen.
Unsere fünfjährige Suche bescherte uns zahlreiche überraschende Erkenntnisse, die zum Teil in Widerspruch zu allgemeinen Auffassungen standen. Ein Ergebnis sticht jedoch besonders heraus: Wir glauben, dass fast jede Organisation ihre Leistung grundlegend verbessern und vielleicht sogar zur Spitzengruppe aufschließen kann, vorausgesetzt, man wendet das von uns entdeckte Ideengerüst gewissenhaft an.
Dieses Buch soll einer breiten Öffentlichkeit vermitteln, was wir herausgefunden haben. Der letzte Abschnitt dieses Einführungskapitels berichtet von unserer Forschungsreise, führt in unsere Untersuchungsmethoden ein und wirft einen ersten Blick auf die wichtigsten Ergebnisse. In Kapitel 2 beginnen wir gleich mit einem unserer provokantesten Funde, der Level-5-Führungskompetenz.
Ich werde oft gefragt, woher ich die Motivation für meine aufwändigen Forschungsprojekte nehme. »Neugier«, antworte ich darauf immer. Für mich gibt es nichts Faszinierenderes, als mich mit einer Frage zu beschäftigen, auf die ich keine Antwort weiß, und nach einer Lösung zu suchen. Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl, in ein Boot zu steigen und einfach loszufahren: »Wir wissen zwar nicht, was wir finden, aber wir werden es euch sagen, sobald wir zurück sind«. Hier nun die Odyssee der Neugier im Schnelldurchlauf.
Sobald die Fragestellung feststand, stellte ich eine Forschergruppe zusammen. (Das »Wir« in diesem Buch bezieht sich auf diese Forschergruppe. Sie umfasste 21 Menschen, die in Teams von vier bis sechs Personen arbeiteten.)
Unsere erste Aufgabe bestand darin, Unternehmen ausfindig zu machen, die dem Take-off-Muster entsprachen, wie es in Chart 1.1 dargestellt ist. Sechs Monate lang suchten wir nach Unternehmen mit folgenden Grundmustern: 15 Jahre durchschnittliche oder leicht unterdurchschnittliche Aktienperformance, die schlagartig umschwingt und in den folgenden 15 Jahren die durchschnittliche Entwicklung um mindestens das Dreifache übertrifft. Wir wählten einen Zeitraum von 15 Jahren, um Eintagsfliegen und Glücksfälle zu umgehen (man kann nicht 15 Jahre lang Glück haben) und um die durchschnittliche Verweildauer eines Unternehmenschefs (wir wollten echte Spitzenunternehmen von solchen unterscheiden, die nur zeitweise einen herausragenden Spitzenmanager hatten) zu überschreiten. Wir entschieden uns für Faktor drei der durchschnittlichen Performance, weil wir damit über dem Faktor der weithin als Spitzenunternehmen angesehenen Firmen lagen. Ein Nobelfonds aus den Unternehmen 3M, Boeing, Coca-Cola, General Electric, Hewlett-Packard, Intel, Johnson & Johnson, Merck, Motorola, Pepsi, Procter & Gamble, Wal-Mart und Walt Disney schlug die durchschnittliche Aktienrendite im Zeitraum zwischen 1985 und 2000 nur um das Zweieinhalbfache.
Aus der Ausgangsmenge aller Unternehmen, die zwischen 1965 und 1995 in der Fortune 500-Liste von Amerikas größten Unternehmen auftauchten, siebten wir systematisch aus, bis elf Firmen übrig blieben – elf Beispiele für einen Take-off. (Eine ausführliche Beschreibung unserer Auswahlmethoden findet sich im Anhang 1.A.) Einige Aspekte verdienen eine kurze Erklärung. Erstens musste das Unternehmen seine Take-off-Eignung unabhängig von seiner Branche unter Beweis stellen. Folgte die gesamte Branche dem gleichen Muster, war das Unternehmen draußen. Zweitens diskutierten wir, ob wir neben den Wertpapierrenditen andere Selektionskriterien berücksichtigen sollten, wie etwa den Einfluss des Unternehmens auf die Gesellschaft oder die soziale Stellung der Angestellten. Schließlich entschieden wir uns dagegen, weil wir mit diesen Variablen keine gerechten, vorurteilsfreien und methodisch einwandfreien Selektionskriterien entwickeln konnten. Dennoch geht es im letzten Kapitel um das Verhältnis von Unternehmenswerten zu Firmen, die auf Dauer zur Spitze gehören. Aufgabe dieses Buchs ist es jedoch, eine Antwort auf die sehr spezifische Frage zu geben, wie man eine gute Organisation so verändert, dass sie dauerhaft Spitzenresultate erzielen kann.
Unternehmen
Ergebnisse vom Moment des Umschwungs (Take-off-Punkt) bis 15 Jahre danach; jeweils das x-Fache des Durchschnitts5
Zeitraum
Abbott
3,98
1974–1989
Circuit City
18,50
1982–1997
Fannie Mae
7,56
1984–1999
Gillette
7,39
1980–1995
Kimberly-Clark
3,42
1972–1987
Kroger
4,07
1973–1988
Nucor
5,16
1975–1990
Philip Morris
7,06
1964–1979
Pitney Bowes
7,16
1973–1988
Walgreens
7,34
1975–1990
Wells Fargo
3,99
1983–1998
Tabelle 1.1: Take-off-Unternehmen
Das Ergebnis überraschte uns. Niemand hätte erwartet, dass der Eigenheimfinanzierer Fannie Mae General Electric oder Coca-Cola schlagen würde oder dass Walgreens Intel aussticht. Diese Liste – eine weniger illustre hätte man kaum zusammenstellen können – erteilte uns gleich zu Anfang eine wichtige Lektion: Auch unter ungünstigsten Umständen kann ein gutes Unternehmen spitze werden. Das war die erste von vielen Überraschungen, die unsere Meinung zu unternehmerischer Spitzenleistung veränderten.
Der nächste Schritt war vermutlich der wichtigste des ganzen Vorhabens: Eine Kontrollgruppe für unsere Take-off-Unternehmen musste gefunden werden. Die entscheidende Frage unserer Untersuchung lautete ja nicht: »Was haben die Take-off-Unternehmen gemeinsam?«, sondern: »Was haben die Take-off-Unternehmen gemeinsam, das sie von den Unternehmen der Kontrollgruppe unterscheidet?« Stellen Sie sich vor, Sie sollten herausfinden, was die Voraussetzungen für den Gewinn von olympischem Gold sind. Würden Sie nur die Goldmedaillengewinner untersuchen, würden Sie herausfinden, dass alle Trainer haben. Betrachteten Sie aber auch die Athleten von Teams, die noch nie eine Goldmedaille gewonnen haben, würden Sie feststellen, dass auch sie alle Trainer beschäftigen. Die Fragestellung musste lauten: »Was unterscheidet Goldmedaillengewinner von denen, die noch keine Medaille gewonnen haben?«
Wir selektierten zwei Gruppen von Vergleichsunternehmen. In der ersten befanden sich Unternehmen zum »direkten Vergleich«. Sie gehörten zur selben Branche wie die Take-off-Unternehmen, verfügten zum Zeitpunkt des Umschwungs über vergleichbare Möglichkeiten und Ressourcen, verzeichneten aber keinen Sprung von gut zu spitze. (Details zum Selektionsprozess finden sich im Anhang 1.B.) Die zweite Gruppe bestand aus Unternehmen, die kurzfristig in die Spitzengruppe vorstießen, dann aber einen Performanceknick erlitten (siehe Anhang 1.C).
Take-off-Unternehmen
Direkte Vergleichs- unternehmen
Unternehmen ohne dauerhafte Spitzenleistung/Performanceknick nach vorausgegangenem Umschwung
Abbott
Upjohn
Burroughs
Circuit City
Silo
Chrysler
Fannie Mae
Great Western
Harris
Gillette
Warner-Lambert
Hasbro
Kimberly-Clark
Scott Paper
Rubbermaid
Kroger
A & P
Teledyne
Nucor
Bethlehem Steel
Philip Morris
R. J. Reynolds
Pitney Bowes
Addressograph
Walgreens
Eckerd
Wells Fargo
Bank of America
Tabelle 1.2: Das gesamte Untersuchungsfeld
Anschließend galt unsere ganze Aufmerksamkeit der genauen Einzelanalyse. Wir besorgten uns alle (bis zu 50 Jahre alte) Zeitungsartikel, die über die 28 Unternehmen erschienen waren. Das gesamte Material gruppierten wir nach Kategorien wie Strategie, Technologie, Unternehmensführung und so weiter. Dann führten wir Interviews mit Managern, die die Take-off-Unternehmen in der Umschwungphase geleitet hatten. Darüber hinaus führten wir eine Vielzahl quantitativer und qualitativer Untersuchungen durch, die von Übernahmen bis zur Gehaltsstruktur der Topmanager reichten, von Entlassungen bis zum Führungsstil, von finanzwirtschaftlichen Kennziffern bis zur Fluktuation im Management. Als alles gesagt und getan war, hatten wir 10,5 Mannjahre Arbeitszeit investiert. Wir lasen fast 6 000 Artikel und werteten sie aus, transkribierten über 2 000 Seiten Interviewmaterial und erzeugten Dateien von 384 Millionen Bytes. (Im Anhang 1.D findet sich eine detaillierte Aufstellung all unserer Analysen und Tätigkeiten.)
Unsere Bemühungen erschienen uns wie der Versuch, in eine Blackbox hineinzuschauen. Jeder Schritt war wie das Einschrauben einer neuen Glühbirne, die etwas mehr Licht in den Take-off-Prozess brachte.
Mit den vorliegenden Daten begannen die wöchentlichen Diskussionsrunden. Für jedes der 28 Unternehmen lasen die Mitglieder der Forschungsgruppe – einschließlich mir – alle Artikel, Analysen, Interviews und das bereits aufgeschlüsselte Material. Ich stellte dem Team ein Unternehmen vor, zog mögliche Schlussfolgerungen und stellte Fragen. Dann diskutierten wir und stritten, pochten auf den Tisch, schrien uns an, schwiegen, dachten nach und diskutierten weiter darüber, »was das alles zu bedeuten hatte«.
Alle Erkenntnisse in diesem Buch sind auf dem Weg der direkten Schlussfolgerung aus dem Datenmaterial gewonnen worden. Am Anfang stand keine Theorie, die wir verifizieren oder falsifizieren wollten. Wir wollten – allein anhand von Beweisstücken – eine Theorie von Grund auf neu schaffen.
Das Kernstück unserer Methode war der systematische Vergleich von Take-off-Unternehmen und den Unternehmen der Kontrollgruppe – immer auf der Suche nach dem Unterschied. Wir machten uns gesonderte Notizen über »Hunde, die nicht bellten.« In dem Sherlock-Holmes-Klassiker Silberstern findet der britische Meisterdetektiv in dem »komischen Verhalten des Hundes in der Nacht« den entscheidenden Hinweis. Es stellt sich heraus, dass der Hund eigentlich nichts getan hat, aber genau das ist es, was Holmes so sonderbar findet. Wenn der Hund nicht gebellt hat, muss der Hauptverdächtige jemand sein, den der Hund gut kennt.
In unserer Studie erwies sich das, was wir nicht fanden – Hunde, von denen wir erwartet hätten, dass sie anschlugen, es aber nicht taten – oft als einer der besten Hinweise auf die Funktionsweisen im Inneren der Black Box. Wenn wir eine neue Glühbirne einschalteten, waren wir von dem, was wir nicht sahen, oft genauso überrascht wie von dem, was wir sahen. Einige Beispiele:
Star-Manager, die von außerhalb geholt wurden, um aus einem guten ein Spitzenunternehmen zu machen, schnitten nicht gut ab. Zehn von elf Take-off-Firmenchefs stammten aus dem Unternehmen selbst, während sich Unternehmen der Kontrollgruppe sechsmal öfter firmenfremde Chefs holten.
Ein Zusammenhang zwischen der Vergütung von Manager-Leistungen und der Entwicklung zum Spitzenunternehmen konnte nicht ermittelt werden.
Strategie alleine machte noch keinen Unterschied zwischen einem Take-off-Unternehmen und einem Unternehmen der Kontrollgruppe. Unternehmen beider Gruppen verfügten über klar definierte Strategien und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Take-off-Unternehmen mehr Zeit für langfristige Strategieplanung aufwandten als die Unternehmen der Kontrollgruppe.
Die Take-off-Unternehmen konzentrierten sich nicht nur auf das, was sie tun mussten, um in die Spitze aufzurücken, sondern genauso auf das, was sie nicht tun und auf das, womit sie aufhören sollten.
Technologie und technologischer Wandel spielten bei der Transformation zum Spitzenunternehmen überhaupt keine Rolle. Technologie kann die Transformation beschleunigen, aber nicht auslösen.
Fusionen und Übernahmen spielten ebenfalls keine Rolle. Aus zwei mittelmäßigen Unternehmen wird kein Spitzenunternehmen.
Die Take-off-Unternehmen kümmerten sich kaum um Change Management, Mitarbeitermotivation und Zielvorgaben. Unter den richtigen Bedingungen lösten sich Probleme wie Bindung an das Unternehmen, Aufstellung, Motivation oder Veränderung von selbst.
Die Take-off-Unternehmen hatten keinen Namen oder Slogan, kein Event oder Programm, an dem sie ihre Transformation festmachten. Einige berichteten gar, dass ihnen zum damaligen Zeitpunkt Bedeutung und Umfang der Transformation überhaupt nicht bewusst gewesen wären. Erst später, im Rückblick, wäre es ihnen klar geworden. Sie schafften einen revolutionären Sprung – aber nicht durch einen revolutionären Prozess. Die meisten Take-off-Unternehmen waren nicht in boomenden Branchen tätig – einige sogar in krisengeschüttelten. Wir hatten nicht einen einzigen Fall, in dem ein Unternehmen zum richtigen Zeitpunkt in einer Rakete saß, die zufällig startete. Spitzenleistung ist nichts, was sich einem günstigen Umstand verdankt. Spitzenleistung – das haben wir festgestellt – ist vor allem eine Frage der bewussten Entscheidung.
Ich suchte nach einem einfachen Weg, um von all den Daten, Analysen, Gesprächen und »Hunden, die nicht bellten« zu den eigentlichen Entdeckungen dieses Buches zu gelangen. Dieser Weg erwies sich als ein fortlaufender Prozess – als ein Vor und Zurück, das Entwickeln von Ideen und ihre Überprüfung anhand der Daten, eine Überarbeitung der Ideen, Errichtung eines ersten Gerüsts, das unter der Last der Gegenbeweise zusammenbrach und gleich darauf wieder neu errichtet wurde. Diesen Prozess wiederholten wir so lange, bis sich alles in einem kohärenten Konzept unterbringen ließ. Jeder von uns hat irgendeine besondere Fähigkeit – ich glaube, meine Stärke liegt darin, mit einer verwirrenden Ansammlung von Information zu arbeiten, Muster darin zu erkennen und aus der Unordnung eine Ordnung abzuleiten – vom Chaos zur Struktur.
Die Take-off-Theorie
Gleichzeitig möchte ich aber betonen, dass der endgültige Rahmen nicht meine »Meinung« widerspiegelt – obwohl natürlich auch ich meine Psyche und meine Vorurteile nicht gänzlich aus der Forschungsarbeit heraushalten kann. Sämtliche Ergebnisse der letzten Fassung wurden einem schonungslosen Test unterzogen. Bei den Take-off-Unternehmen ließen sich die Elemente unserer Theorie im relevanten Zeitraum zu 100 Prozent wiederfinden, während sie in den Vergleichsunternehmen nur zu 30 Prozent vertreten waren. Erkenntnisse, die diesem Test nicht standhielten, wurden nicht mit einem eigenen Kapitel bedacht.
Es folgt nun eine Übersicht über alle Theorieelemente und ein Vorgeschmack auf die weitere Lektüre (vgl. das Schaubild »Die Take-off-Theorie«). Denken Sie sich die Transformation als einen Anschubprozess, auf den ein Umschwung folgt, und dessen drei Stadien und Voraussetzungen wir uns näher ansehen werden: disziplinierte Mitarbeiter, diszipliniertes Denken und diszipliniertes Handeln. Innerhalb jedes Stadiums gibt es zwei Schlüsselprinzipien, die im Schaubild zu sehen sind und weiter unten erläutert werden. Unsere Theorie ist eingebettet in eine Figur, die wir »Schwungrad« nennen. Das Schwungrad steht für den Übergangsprozess von »gut« zu »spitze«.
Level-5-Führungsqualitäten. Wir waren überrascht, ja beinahe schockiert, als wir entdeckten, nach welchen Führungsqualitäten eine Transformation verlangt. Verglichen mit profilierten Managern mit starker Persönlichkeit, die Schlagzeilen machen und berühmt werden, scheinen die Take-off-Manager vom Mars zu kommen. Sie sind still, leistungswillig bis zur Selbstaufgabe, zurückhaltend, ja fast schüchtern – eine paradoxe Mischung aus Bescheidenheit, was ihre Person angeht, und professioneller Willenskraft in allen Belangen des Geschäftslebens. Sie erinnern eher an Lincoln und Sokrates als an General Patron oder Cäsar.
Erst wer, dann was. Wir waren davon ausgegangen, dass die Take-off-Manager zuerst eine neue Vision und eine neue Strategie verkünden würden. Das Erste, was sie aber taten, war die falschen Leute rauszuwerfen, die richtigen an Bord zu holen und auf die richtigen Positionen zu verteilen. Erst dann legten sie den Kurs fest. Das alte Sprichwort »Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital« erweist sich als falsch. Das wichtigste Kapital sind die richtigen Mitarbeiter.
Der Realität ins Auge blicken (ohne den Mut zu verlieren). Ein ehemaliger Kriegsgefangener konnte uns mehr über den Weg an die Spitze verraten als die meisten Bücher über Unternehmensstrategie. Jedes Take-off-Unternehmen machte die Erfahrung des so genannten »Stockdale-Paradox«. Man muss den unerschütterlichen Glauben besitzen, dass man sich am Ende durchsetzen wird – ganz gleich, welche Schwierigkeiten sich einem in den Weg stellen. Gleichzeitig muss man aber die Disziplin haben, den Realitäten der aktuellen Situation ins Auge zu sehen – egal, wie unerfreulich sie sind.
Das Igel-Prinzip (die drei Kreise). Der Weg von »gut« zur »Spitze« verlangt nach einer Befreiung vom Fluch der Kompetenz. Nur weil man etwas jahre- oder jahrzehntelang getan hat, nur weil etwas zum Kerngeschäft geworden ist, heißt das noch lange nicht, dass man darin der Beste werden kann. Und wenn man das erkannt hat, darf dieses Kerngeschäft niemals zur Basis eines Spitzenunternehmens gemacht werden, sondern muss durch ein einfaches Prinzip ersetzt werden, das von einem tiefen Verständnis dreier sich überschneidender Kreise zeugt.
Kultur der Disziplin. Jedes Unternehmen hat eine Unternehmenskultur, manche besitzen Disziplin, aber nur wenige haben eine Kultur der Disziplin. Wenn die Mitarbeiter Disziplin haben, braucht man keine Hierarchie. Wenn das Denken diszipliniert ist, braucht man keine Bürokratie. Wenn man diszipliniert handelt, braucht man keine übertriebenen Kontrollen. Verbindet man eine Kultur der Disziplin mit einer Ethik des Unternehmergeists, erhält man die Zauberformel für Spitzenleistung.
Technologie als Beschleunigungsfaktor. Take-off-Unternehmen setzen Technologie nie als zentrales Mittel zum Anschub von Transformationen ein. Dennoch sind sie paradoxerweise Pioniere, was den Einsatz sorgfältig ausgesuchter Technologien angeht. Technologie alleine ist also kein primärer, ursprünglicher Grund für Aufstieg oder Niedergang.
Schwungrad und Teufelskreis. Wer eine Revolution auslöst, dramatische Change-Programme und Restrukturierungsmaßnahmen durchführt, wird den Sprung in die Spitzengruppe mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht schaffen. Unabhängig vom Endergebnis lässt sich sagen, dass die Transformation in keinem der Fälle auf einen Schlag bewältigt wurde. Es gab keine durchschlagende Einzelmaßnahme, kein gigantisches Programm, keine großartige Innovation, keinen plötzlichen Umschwung, kein Wunder. Der Prozess ähnelt eher einem riesigen Schwungrad, das sich immer in dieselbe Richtung dreht und mit jeder Umdrehung an Schwung gewinnt.
Ironischerweise erscheint mir Der Weg zu den Besten heute nicht als Fortsetzung, sondern als Vorläufer von Built to Last. In diesem Buch geht es darum, aus einem guten Unternehmen ein Spitzenunternehmen zu machen. In Built to Last beschäftigte mich die Frage, wie man aus einem Spitzenunternehmen mit Spitzenresultaten ein dauerhaftes Spitzenunternehmen mit Ikonenstatus macht. Um diesen letzten Schritt erfolgreich zu tun, braucht man zentrale Werte und Ziele, die sich nicht im Geldverdienen erschöpfen, und eine Grunddynamik, die den Kern bewahrt und die Weiterentwicklung fördert.
Take-off- Prinzipien
→
Nachhaltige Spitzenresultate
+
Prinzipien für dauerhaften
Unternehmenserfolg
→
dauerhaftes Spitzenunternehmen
Sollten Sie mit den Prinzipien von Built to Last bereits vertraut sein, stellen Sie Ihre Fragen bezüglich des spezifischen Zusammenhangs zwischen den beiden Studien bitte erst einmal zurück. Im letzten Kapitel komme ich auf die Fragestellung zurück und setze die beiden Studien zueinander in Beziehung.
Kaum hatte ich meinen Vortrag vor einer Gruppe von Internet-Managern beendet, war schon eine Hand oben. »Werden Ihre Ergebnisse auch für die New Economy Geltung haben? Müssen wir nicht alles Alte über Bord werfen und bei Null anfangen?« Eine legitime Frage, denn schließlich leben wir in einer Zeit dramatischen Wandels. Sie wird mir so oft gestellt, dass ich gleich zu Beginn darauf eingehen möchte – bevor wir uns an die wesentlichen Inhalte des Buchs wagen.
Die Welt verändert sich und wird nicht aufhören, sich zu verändern. Aber das sollte uns nicht dazu veranlassen, der Suche nach zeitlosen Prinzipien abzuschwören. Gehen Sie einmal so an die Sache heran: Während sich die zum Einsatz kommenden Techniken weiterentwickeln und verändern, bleiben die Gesetze der Physik relativ stabil. Ich begreife unsere Studie als eine Suche nach zeitlosen Prinzipien – nach der immerwährenden Physik großer Unternehmungen, die ihre Wahrheit und Bedeutung behalten werden, ganz egal, wie sich die Welt verändert. Natürlich wird sich die spezifische Anwendung (die Technik) verändern, aber einige unabänderliche Gesetze der organisierten menschlichen Tätigkeit (die Physik) werden erhalten bleiben.
Die Wahrheit lautet: Es gibt nichts Neues in der New Economy. Haben nicht auch die Menschen, die die Erfindung von Elektrizität, Telefon, Auto, Radio und Transistor miterlebten, dies als den Beginn einer neuen Wirtschaftsordnung empfinden müssen? Und in jeder Neuauflage der New Economy haben die besten Unternehmensführer mit Strenge und Disziplin an bestimmten Prinzipien festgehalten.
Einige werden mir entgegenhalten, dass Ausmaß und Geschwindigkeit des Wandels heute größer und höher sind denn je. Wahrscheinlich haben sie Recht. Aber einige Unternehmen aus unserer Take-off-Gruppe sahen sich einem Wandel ausgesetzt, der dem Wandel in der New Economy alle Ehre macht. So wurde beispielsweise zu Beginn der 80er-Jahre, als die Deregulierung mit voller Wucht einsetzte, das gesamte Bankwesen in nur drei Jahren grundlegend transformiert. Das war der Beginn der New Economy im Bankwesen. Und dennoch schaffte es der Finanzdienstleister Wells Fargo, unter Berücksichtigung der in diesem Buch aufgedeckten Regeln, Spitzenresultate hervorzubringen.
Beim Lesen der nachfolgenden Kapitel sollten Sie immer eines bedenken: In diesem Buch geht es weder um die Old Economy noch um die New Economy. Es geht noch nicht einmal so sehr um die Unternehmen, die erwähnt werden, oder um Business per se. Es geht ausschließlich um eins: die zeitlosen Prinzipien des Take-offs. Es geht darum, wie man aus einem guten Unternehmen ein Spitzenunternehmen mit nachhaltiger Spitzenleistung macht.
Auch wenn es Sie überrascht: Ich verstehe meine Arbeit nicht vorrangig als Analyse von Wirtschaftsvorgängen. Deswegen begreife ich dieses Buch auch nicht als reines Wirtschaftsbuch. Ich verstehe meine Arbeit als Entdeckung und Beschreibung der Funktionsweisen von dauerhaften Spitzenorganisationen. Die grundlegenden Unterschiede zwischen »gut« und »spitze«, zwischen Mittelmaß und Höchstleistung erregen meine Neugier. Dass ich mir dafür gerade Unternehmen ausgesucht habe, ist eher ein Zufall – sie sind bloß ein Mittel, um Einblick in die Black Box zu bekommen. Allerdings bieten Aktiengesellschaften als Studienobjekte zwei große Vorteile: eine weithin akzeptierte Definition von Erfolg (wodurch sich ein objektives Prinzip für die Selektion der Untersuchungsgruppe ergibt) und eine Menge leicht zugänglichen Informationsmaterials.
Das Gute ist der Feind des Besten. Dies gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern ist ein allgemein menschliches Problem. Wenn wir den Code für die Transformation von »gut« zu »spitze« knacken, sollte dies für jede Form von Organisation von Nutzen sein. Aus guten Unis könnten Spitzenunis, aus guten Zeitungen Spitzenzeitungen, aus guten Kirchen Spitzenkirchen, aus guten Ministerien Spitzenministerien werden. Und schließlich könnten auch aus guten Unternehmen Spitzenunternehmen werden.
Ich lade Sie also ein, mich auf eine intellektuelle Entdeckungsreise zu begleiten, auf der wir erkunden werden, was es heißt, etwas Gutes in etwas Großartiges zu verwandeln. Ich möchte Sie auch bitten, zu hinterfragen und zu überprüfen, was Sie erfahren werden. Einer meiner Lieblingsprofessoren brachte es einmal so auf den Punkt: »Die besten Studenten glauben ihren Professoren nicht einfach so.« Da hatte er recht. Und er fügte hinzu: »Man darf die Fakten nicht zurückweisen, nur weil einem nicht gefällt, was sie nahelegen.« Ich unterbreite Ihnen die folgenden Seiten zur nachdenklichen Lektüre, nicht zur unkritischen Übernahme.
»Man kann im Leben alles erreichen, solange es einem egal ist, wer den Lohn dafür einstreicht.«
Harry S. Truman1
1971 wurde ein unauffälliger Mann namens Darwin E. Smith zum Firmenchef von Kimberly-Clark, einem schwerfälligen alten Papier-Unternehmen, dessen Aktien in den vorausgegangenen 20 Jahren 36 Prozent hinter der durchschnittlichen Börsenentwicklung zurückgeblieben waren.
Der zurückhaltende Smith, damals Leiter der Rechtsabteilung, war nicht sicher, ob der Board mit ihm die richtige Wahl getroffen hatte. Und dieses Gefühl wurde noch bestärkt, als ihn einer der Direktoren beiseite nahm und ihm klarmachte, dass ihm einige Qualifikationen für so eine Position fehlten.2 Aber er war zum CEO ernannt worden und blieb es für 20 Jahre.
In diesen 20 Jahren gelang Smith eine verblüffende Transformation: Er machte Kimberly-Clark zum weltweit führenden Hersteller von Konsumgütern auf Papierbasis. Unter seinem Kommando überbot Kimberly-Clark die durchschnittliche Entwicklung am Aktienmarkt um den Faktor 4,1, schlug die direkten Mitbewerber Scott Paper und Procter & Gamble um Längen und ließ selbst ehrwürdige Unternehmen wie Coca-Cola, Hewlett-Packard, 3M und General Electric alt aussehen.
Kimberly-Clark ist eines der besten Beispiele für die Entwicklung vom Mittelmaß zur Spitze. Und dennoch kennt außer ein paar fleißigen Wirtschaftsstudenten kaum einer den Namen Darwin Smith. Was ihm wahrscheinlich gar nicht so unrecht wäre, denn Wichtigtuerei war ihm völlig fremd. Am liebsten verkehrte er mit Klempnern und Elektrikern und in den Ferien rumpelte er mit seinem Pflug über die Felder seiner Farm in Wisconsin.3 Auch Helden- oder Promi-Attitüden lagen ihm fern.4 Von einem Journalisten gebeten, seinen Management-Stil zu beschreiben, starrte er ihn bloß durch die Gläser seines schwarzen Brillengestells an und sah dabei aus wie ein Bauernjunge, der sich im Supermarkt gerade seinen ersten Anzug gekauft hatte. Nach einer langen, fast schon peinlichen Pause sagte er nur das eine Wort: »Exzentrisch.«5 Kein Wunder, dass im Wall Street Journal kein schillerndes Porträt von Darwin Smith erschien.
Vor Darwin Smith: Kimberly-Clark, Gesamtergebnis für $ 1, 1951-1971
Falls Sie jetzt denken, Smith sei schwach oder nachgiebig gewesen, liegen Sie falsch. Hinter seiner schüchternen und unprätentiösen Art versteckte sich stoisch-zähe Entschlossenheit. Kindheit und Jugend hatte er in ärmlichen Verhältnissen auf einer Farm im Mittleren Westen verbracht. Sein Studium finanzierte er selbst: Morgens schob er die Frühschicht bei International Harvester und abends besuchte er seine Kurse an der Indiana University. Als er eines Tages bei einem Arbeitsunfall einen Finger verlor, soll er anschließend trotzdem zur Uni gegangen und am nächsten Morgen pünktlich zur Arbeit erschienen sein. Übertreibung oder nicht – jedenfalls ließ er sich auch von einem verlorenen Finger nicht in seinem Studieneifer bremsen. Er arbeitete voll weiter und absolvierte alle nötigen Kurse, bis er die Zulassung für das Jurastudium in Harvard in der Tasche hatte.6 Viele Jahre später – Smith war gerade seit zwei Monaten CEO bei Kimberly-Clark – diagnostizierten seine Ärzte Nasen- und Kehlkopfkrebs und gaben ihm noch ein Jahr. Er informierte den Board und stellte klar, dass er noch nicht tot sei und auch nicht vorhabe, in absehbarer Zukunft zu sterben. Smith erfüllte das volle Arbeitspensum und flog einmal pro Woche zur Strahlentherapie von Wisconsin nach Houston. Er lebte noch 25 Jahre, die meisten davon als CEO.7
Unter der Führung von Darwin Smith: Kimberly-Clark, Gesamtergebnis für $ 1, 1971-1991
Mit derselben Entschlossenheit ging Smith auch bei Kimberly-Clark zu Werk und setzte die weitreichendste Entscheidung in der Geschichte des Unternehmens durch: den Verkauf der Papierfabriken.8 Kaum zum CEO ernannt, wurde ihm klar, dass das Unternehmen aufgrund seines Kerngeschäfts – beschichtete Papiere – zum Mittelmaß verdammt war. Die wirtschaftlichen Aussichten waren schlecht und der Wettbewerb war schwach.9 Wenn man sich aber in den heiß umkämpften Markt der Papierkonsumgüter stürzte, in dem man mit Weltklasse-Unternehmen wie Procter & Gamble konkurrierte, würde man entweder untergehen oder sich ebenfalls zu einem Spitzenunternehmen entwickeln.
Und so verkündete Smith seine Entscheidung, die Papierfabriken zu verkaufen – ähnlich dem General, der nach der Landung die Boote verbrennen ließ und seine Soldaten vor die Alternative ›Sieg oder Tod‹ stellte. Er verkaufte sogar die Fabrik in Kimberly und investierte den gesamten Erlös in das Konsumgütergeschäft, in Marken wie Huggies-Windeln und Kleenex-Tücher.10
Die Fachpresse hielt diesen Schritt für dumm und die Analysten der Wall Street stuften die Aktie herab.11 Aber Smith war nicht umzustimmen. 25 Jahre später gehörte Kimberly-Clark das gesamte Scott-Paper-Imperium und das Unternehmen schnitt in sechs von acht Produktkategorien besser ab als Procter & Gamble.12 Als Smith im Ruhestand über seine außergewöhnlichen Erfolge nachdachte, meinte er: »Ich habe nie aufgehört, an der nötigen Qualifikation für den Job zu arbeiten.«13
Darwin Smith ist das klassische Beispiel für eine Level-5-Führungspersönlichkeit. »Level 5« meint Menschen, bei denen sich persönliche Bescheidenheit mit enormer beruflicher Willenskraft verbindet. In allen Take-off-Unternehmen fanden wir Führungspersönlichkeiten dieser Art: Durchweg zurückhaltende Menschen, die entschlossen handelten, um ihr Unternehmen zur Spitze zu führen.
Level-5-Führungspersönlichkeiten lenken ihren persönlichen Egoismen um und richten sie auf das höhere Ziel, ein Spitzenunternehmen zu errichten. Natürlich haben auch Level-5-Leader ein Ego und handeln im Eigeninteresse: Sie sind unglaublich ehrgeizig – aber ihr Ehrgeiz gilt vor allem der Institution und nicht ihnen selbst.
»Level 5« ist der höchste Grad von Führungskompetenz, dem wir in unserer Untersuchung begegnet sind (siehe Schaubild »Die fünf Ebenen individueller Führungskompetenz« auf Seite 38). Man muss seine Fähigkeiten nicht unbedingt streng gestaffelt von Level 1 bis 5 entwickeln – unvollständig entwickelte Ebenen kann man später ergänzen –, aber echte Level-5-Führungspersönlichkeiten beherrschen und verkörpern alle fünf Ebenen der Pyramide. Ich werde hier nicht ausführlich auf die einzelnen Ebenen eingehen, da Level 1 bis 4 keiner Erklärung bedürfen und von anderen Autoren bereits zur Genüge diskutiert wurden. Dieses Kapitel wird sich ausschließlich mit den unterschiedlichen Führungspersönlichkeiten von Take-off-Unternehmen und deren Vergleichsfirmen befassen.
Es sei an dieser Stelle betont, dass wir nicht explizit nach Level-5-Qualitäten oder ähnlichem gesucht haben. Das Forschungsteam hatte sogar die Anweisung, die Rolle des CEO eher geringer zu veranschlagen, um der heute weit verbreiteten, aber allzu simplen Haltung zur pauschalen Verherrlichung oder Verdammnis des Topmanagements zu entgehen.
Die Verantwortung allein bei der Unternehmensführung zu suchen, erinnert fatal an jenes mittelalterliche Denken, das sämtliche Erklärungen aus der Existenz Gottes ableitete. Noch im 16. Jahrhundert schrieb man alle unerklärlichen Ereignisse und Zusammenhänge wie zum Beispiel Missernten, Erdbeben oder die Himmelsmechanik der göttlichen Macht zu. Erst mit der Aufklärung begann die Suche nach einem wissenschaftlichen Verständnis dieser Phänomene. Physik, Chemie und Biologie haben zwar keine Atheisten aus uns gemacht, aber sie haben uns ein besseres Verständnis für die Funktionsweise unseres Planeten eröffnet.
Wer bei jeder Gelegenheit auf die Unternehmensführung verweist, stellt bloß seine Zurückgebliebenheit unter Beweis. Nicht dass wir zu »Führungsatheisten« werden sollten – Führung ist wichtig. Wer aber alle Antwort bei der Unternehmensführung sucht, versperrt sich tieferen Einsichten in die Funktionsweise von Spitzenunternehmen.
Folglich lautete meine Parole zu Beginn der Studie: »Vergesst die Manager!« »Nein!«, protestierte das Forschungsteam. »Das sind keine unauffälligen Durchschnittspersönlichkeiten. Die kann man nicht einfach ignorieren!« Darauf ich: »Aber die Vergleichsunternehmen hatten doch auch Manager, manche sogar ganz hervorragende. Wo ist der Unterschied?« So ging das hin und her.
Wie es sich gehört, siegten am Ende die Fakten.
Ob Handel oder Industrie, Dienstleister oder Hersteller, in Zeiten der Krise oder der Stabilität – Take-off-Manager waren stets aus demselben Holz geschnitzt. Unabhängig vom Zeitpunkt des Umschwungs und der Größe des Unternehmens hatten sämtliche Take-off-Firmen in der Umschwungphase einen Level-5-Chef, während die Vergleichsunternehmen durchweg ohne Level-5-Führungspersönlichkeit auskommen mussten. Da Level-5-Führungsqualitäten der landläufigen Ansicht widersprechen, erfolgreiche Restrukturierungen seien nur mithilfe charismatischer Übermenschen möglich, muss hier nochmals betont werden, dass Level 5 das Ergebnis einer empirischen Studie und kein ideologisches Konstrukt ist.
Level-5-Hierarchie