Der Weihnachtsdeal - Daniela Felbermayr - E-Book

Der Weihnachtsdeal E-Book

Daniela Felbermayr

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Beschreibung

Die quirlige Cat McKaye liebt nichts mehr als die Vorweihnachtszeit – bis auf die Tatsache, dass ihre Familie unerwartet angekündigt hat, sie über die Feiertage zu besuchen um das Weihnachtsfest mit ihr zu verbringen und dabei auch gleich ihren neuen Freund Ben kennenzulernen. Das Problem? Ben hat sie vor kurzem wegen einer anderen sitzen lassen und Cat steht nun vor der Herausforderung, ihrer Familie zu erklären, warum kein Mann bei ihr bleibt. Als wäre das nicht schon genug, steht plötzlich der attraktive Anwalt Jake vor Cats Tür und behauptet, er hätte ihr Haus über Airbnb gemietet, um den Feiertagen zu entkommen und seine eigene Trennung zu verarbeiten. Überrascht und etwas überrumpelt über Jakes Auftauchen bietet Cat ihm an, ihm eines der Gästezimmer zu überlassen – unter einer Bedingung: Jake tritt vor ihrer Familie als ihr Freund Ben auf, um ihr die peinliche Situation, als Dauersingle abgestempelt zu werden, zu ersparen. Während Cat und Jake versuchen, diesen ungewöhnlichen Deal durchzuziehen, merkt Cat schnell, dass hinter Jakes kalter, unnahbarer Fassade mehr steckt, als sie zunächst vermutet hatte. Und auch Jake entdeckt völlig neue Seiten an sich, als er gemeinsam mit Cat und ihrer Familie in Weihnachtsbräuche und Feierlichkeiten eintaucht. Doch die Lage wird kompliziert, als Jakes Exfreundin auftaucht und droht, den Weihnachtsdeal zu sprengen – in jeder Hinsicht.

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DER WEIHNACHTSDEAL

Daniela Felbermayr

 

2024 by Daniela Felbermayr

Cover: DALL:E

Kontakt: [email protected]

 

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

EPILOG

 

EINS

 

„It‘ beginning to look a lot like Christmas“, sang Michael Buble in voller Inbrunst und Cat McKaye drehte die Lautstärke noch etwas nach oben. In diesem Jahr war sie – wider Erwarten – völlig von der Weihnachtsstimmung überrollt worden. Es waren noch zwei Wochen bis Heiligabend und in der vergangenen Nacht hatte es geschneit. Ganz Long Island, nein, ganz New York war von einer pudrig weißen Schneeschicht bedeckt, die die Umgebung in ein Winter-Wunderland tauchte. Cat, die eigentlich Catherine hieß, so aber nur von ihrer Mutter genannt wurde, hatte an diesem Freitag früh im Büro Schluss gemacht und war dann mit dem Wagen nach Manhattan gefahren. Eine Tradition, die schon ihre Eltern gepflegt hatten, als Cat noch ein Kind gewesen war. Sobald es zum ersten Mal schneite, waren sie mit ihr nach Manhattan gefahren, einfach weil … die Stadt im Winter einen ganz besonderen Zauber versprühte. Cat liebte New York von ganzem Herzen, doch wenn es Winter war, an jeder Ecke ein Weihnachtsmann stand und die ganze Stadt weihnachtlich dekoriert war, liebte sie es noch ein bisschen mehr. Also hatte sie an diesem Nachmittag ein paar ihrer zahlreichen Überstunden abgebummelt und war in die Stadt gefahren. Sie war ein bisschen durch die Straßen gebummelt, hatte einige Kleinigkeiten bei Macys und bei Saks besorgt und dann einen Großeinkauf bei ihrem Lieblings-Deli an der Fifth Avenue getätigt. Die Preise dort waren – wie alles in Midtown – wirklich extrem hoch, doch in der Vorweihnachtszeit und über die Feiertage gönnte Cat sich die Leckereien von Waltham’s am laufenden Band. Bei ihren Einkäufen war auch eine sündhaft teure Flasche Champagner in ihrem Einkaufswagen gelandet. An diesem Abend wollte ihre Freundin Betsy vorbeikommen. Sie hatten sich vorgenommen, es sich gemütlich zu machen, kleine Häppchen zu verspeisen und auf die Vorweihnachtszeit anzustoßen. Cat wusste, dass dies eigentlich ein Vorwand Betsys war, weil … diese Zeit vor Weihnachten für Cat nicht nur voller Vorfreude und Liebe war, sondern … weil es ein weiteres Weihnachtsfest war, das sie als Single verbringen würde, obwohl sie fest damit gerechnet hatte, dass sie es in diesem Jahr mit Ben feiern würde. Ben. Unweigerlich verzog Cat das Gesicht, wenn sie daran dachte, was Ben Willows in diesem Jahr mit ihr abgezogen hatte. Sie hatte ihn über ihren Job kennengelernt. Cat war Kontakterin bei einer relativ großen Werbeagentur auf der Madison Avenue und Ben war einer der Coaches, die oftmals zur Mitarbeiterentwicklung ins Büro geholt wurden, wenn jemand ein Führungskräfteseminar absolvierte oder wenn Bedarf bestand, die Mitarbeiter zu schulen. Ben war ein extrem gutaussehender und charismatischer Mann gewesen und bei der Art und Weise, wie ihre Kolleginnen ihn angehimmelt hatten, hatte Cat sich gleich auf Anhieb aus der Geschichte herausgezogen. Interessanterweise schien das Ben aber so zu triggern, dass er sich gerade auf sie fixierte. Vielleicht … war es anfangs auch nur der Reiz dessen, dass sie so gar kein Interesse an ihm zeigte, doch Ben gab sein Bestes, um Cat davon zu überzeugen, mit ihm essen zu gehen. Irgendwann ließ sie sich schließlich doch dazu breitschlagen. Essen musste sie sowieso und was sprach schon gegen eine zwanglose Verabredung – erst Recht im Gegensatz dazu, einmal mehr allein daheim auf der Couch zu sitzen und eine Pizza vom Lieferservice zu verspeisen. Eigentlich war sie an Dates im Moment nicht interessiert, aber dieser Typ war so hartnäckig und … zugegebenerweise auch unglaublich charmant gewesen, dass sie schließlich einwilligte. Und außerdem war es doch nur ein harmloses Essen, bei dem sie sich vermutlich ohnehin die meiste Zeit über den Job unterhalten würden.

 

Aus diesem harmlosen Essen wurde eine Beziehung, die ganze elf Monate dauerte. Ben eroberte Cats Herz im Sturm und die beiden waren auf absolut einer Wellenlänge. Hatte Cat vor ihrem Essen mit Ben noch gedacht, dass sie im Moment ohnehin keine Lust auf eine Beziehung hatte, kippte sie in die Sache mit Ben völlig hinein. Noch nicht einmal die Tatsache, dass Ben seiner beiden Kinder im Grundschulalter zuliebe, ein Haus direkt neben seiner Exfreundin in Miami bewohnte, störte sie. Sie hatte bei Ben beschlossen, all diese Unsicherheiten, die sie von sich aus immer annahm, und die schon oft dafür verantwortlich gewesen waren, dass eine Beziehung gescheitert war, außen vor zu lassen. Sie wollte ganz und gar in ihre Beziehung zu Ben hineinkippen. Ohne Vorurteile, ohne Ängste. Es war okay, wenn Ben ein Wochenende bei seiner Familie verbrachte und sich dann kaum bis gar nicht meldete. Es war okay, wenn er plötzlich weg musste und Verabredungen nicht einhalten konnte, weil ich etwas „Wichtiges“ dazwischengekommen war. Es war okay, wenn er sich zum Telefonieren in ein anderes Zimmer verzog oder Gespräche nicht annahm, wenn Cat dabei war. Es war okay, dass sie noch nie bei ihm Zuhause gewesen war, weil er sich Zeit lassen wollte, seine neue Freundin seinen Kindern vorzustellen, auch, wenn sie bereits zehn Monate ein Paar waren. All diese Dinge, die früher bei ihr die Alarmglocken hätten lauthals schrillen lassen, waren bei Ben kein Thema. Weil er ihr das Gefühl gab, sie aufrichtig zu lieben. Die Nummer eins für ihn zu sein, und dass sie beide einfach füreinander bestimmt waren. Cat war noch nicht einmal beunruhigt, als Ben ihr für den Abend, an dem sie dienstlich in Miami war und sie beide zum Essen verabredet waren, absagte und meinte, er müsse kurzfristig zu einem Termin nach Boston. Aber er war so nett gewesen, und hatte ihr ein Restaurant direkt am Strand empfohlen, von dem er sicher war, dass sie es lieben würde. Cat beschloss stattdessen, am selben Tag wieder nach Hause zu fliegen und freute sich auf ihr nächstes Treffen mit Ben. Für sie fühlte es sich gut an, eine so vertrauensvolle Beziehung zu führen, ohne irgendwelche Hintergedanken. Alles war so leicht und einfach und vorbestimmt.

 

Dummerweise war der Flug, den sie gewählt hatte, überbucht und es gab keine freien Plätze mehr. Also beschloss Cat, den Abend doch allein in Miami zu verbringen und irgendwo eine Kleinigkeit essen zu gehen. Für Bens Restaurant war es zu spät, sie hätte dort bestimmt einen Tisch reservieren müssen. Außerdem … war ihre Neugier so groß, dass sie unbedingt wissen wollte, wo Ben denn nun lebte, dass sie nach dem Essen einen Spaziergang in die Wohnsiedlung unternahm, in der er wohnte. Er hatte ihr immer erklärt, auf dem Grundstück der Pineridge Avenue befanden sich das Haupthaus, in dem seine Ex mit den beiden Jungs lebte und ein Bungalow, den er vor drei Jahren, als er sich getrennt hatte, ans andere Ende des Grundstücks gebaut hatte. Nur, dass es keinen Bungalow gab, jetzt, wo Cat direkt vor dem Grundstück stand. Ganz im Gegenteil, es gab ein großes Haupthaus und ein Spielhäuschen für seine Söhne, das im Vorgarten stand, aber von einem separaten Bungalow war nichts zu sehen. Cat hatte sich noch einmal am Klingelschild versichert, dass es das richtige Haus war, vor dem sie stand, und das verkündete „The Willows“. Sie wollte die Gedanken, die sich in ihrem Kopf zu einem großen formten, nicht zulassen, immerhin vertraute sie Ben. Und hatte sich selbst geschworen, nicht misstrauisch zu sein. Bestimmt gab es eine logische Begründung für das hier … doch dann öffnete sich die Tür und zwei Jungs im Alter von sechs und acht Jahren stürmten in den Garten. Cat duckte sich hinter den Sträuchern, die „Die Willows“ hier gepflanzt hatten und beobachtete, wie eine blonde, unscheinbare Frau mittleren Alters aus der Tür trat – und hinter ihr: Ben. Er umarmte die Frau von hinten und legte seine Hände auf die Wölbung ihres Bauches. Ganz offensichtlich erwartete sie ihr drittes Kind. Cat war fassungslos und ihr wurde schlecht und schwarz vor Augen. Dann fiel sie nach vorn direkt in den Busch vor Bens Haus.

 

An alles weitere konnte Cat sich nur noch verschwommen erinnern. Wie die Frau herbeieilte und fragte, ob alles in Ordnung war und ob sie ein Glas Wasser haben wollte. Wie Ben plötzlich neben ihr stand, kreidebleich. Vermutlich hatte sie ihn durch ihren unfreiwilligen Besuch an den Rande eines Herzanfalls gebracht, doch er sagte nichts. Reagierte in keiner Form und tat, als hätten sie sich noch nie gesehen. Als würden die zahlreichen „Ich-liebe-dich“-Nachrichten auf ihrem Handy nicht existieren. Und die vielen Erinnerungen an gemeinsame Dinner, Wochenendtrips und Abende auf der Couch, die sie in seinen Armen verbracht hatte.

 

Sie hatte Ben seither nicht wieder gesehen. Er hatte ihr eine E-Mail geschickt, in der er sich zu erklären versuchte, doch nach seinem unbeholfenen Ausredeversuchen, von wegen, er hätte so viel Liebe zu geben, doch sein Herz gehöre seiner Familie, hatte sie aufgehört zu lesen.

 

Cat wurde aus ihren Gedanken gerissen. Sie war an ihrem Haus, das bereits seit mehreren Wochen weihnachtlich dekoriert und beleuchtet war, angekommen. Im Radio hatte Jon Bon Jovi Michael Buble abgelöst und sang nun „Please Come Home for Christmas“, doch es war nicht der Song, der Cat aus ihren unseligen Gedanken gerissen hatte – es war ein Mann, der vor ihrer Haustür stand und versuchte, ins Innere zu gelangen.

 

ZWEI

 

„Kann ich Ihnen helfen?“ Cat war ausgestiegen und bis zu den Treppen ihrer Veranda vorgegangen. Schnee fiel in dichten, dicken Flocken vom Himmel und hüllte sie und den Fremdling nahezu ein. Der Mann drehte sich um und ihr fiel auf, dass es sich bei ihm um ein ausgesprochen gutaussehendes Exemplar handelte. Er war groß und sportlich, hatte dunkles, kurzes Haar, braune Augen und ein markantes Gesicht. Einer wie er hatte bestimmt keine Schwierigkeiten, Frauen kennenzulernen. Was er allerdings auf ihrer Veranda zu suchen hatte, konnte Cat sich nicht erklären.

„Gehören Sie zum Haus? Oder zu Gary? Ich suche den Schlüssel. Gary sagte, der Schlüssel würde in dem ausgehölten Keramikfrosch neben der Eingangstür sein, aber … da ist kein Frosch.“ Er sah sie fragend an und Cat verstand nur Bahnhof. „Nur dieser verrückte Weihnachtsdekoration.“

„Ich … glaube, hier liegt ein Missverständnis vor”, sagte Cat. Sie stellte ihre Einkaufstüten auf den Verandastufen ab und ging zu dem Mann hinauf. Er war ein Hüne. Bestimmt an die einsneunzig groß, wenn nicht noch größer, und durchtrainiert. Sein Gesicht war markant, er hatte dunkles, kurzes Haar und blaue Augen, in denen man sich gut und gerne hätte verlieren können und … Cat schüttelte den Kopf. Von Männern hatte sie nach Ben die Schnauze voll, egal, um was für ein ansehnliches Exemplar es sich dabei handelte. Diese Nummer war durch. Ein für alle Mal. Es war ja nicht so, als hätte sie nach der Trennung nicht versucht, Dates zu haben und jemand Neues zu finden. Doch … offenbar war sie schon viel zu lange vom Dating weg und obendrein durch all ihre Erfahrungen viel zu verkorkst. Der Großteil der Typen, die sie kennenlernte, war von Haus aus schräg. Und diejenigen, die nicht schräg waren … die vergraulte Cat wohl mit ihrem Misstrauen und ihrer Zurückhaltung. Mit all diesen Datingapps konnte sie nichts anfangen und die paar Treffen, die sie gehabt hatte, waren allesamt heillose Desaster gewesen. Einmal hatte sie im Büro einen ziemlich tollen Kerl kennengelernt, mit dem sie ein paar Verabredungen gehabt hatte. Doch dann hatte er ihr von heute auf morgen, von einer Sekunde zur nächsten erklärt, dass er sie nicht wiedersehen wollte, weil ihm doch all die tollen Singlefrauen entgehen würden, wenn er sich jetzt nur auf sie allein konzentrierte. Im Anschluss daran hatte er sich einmal quer durch die Agentur gedatet … beziehungsweise gevögelt und ward nicht mehr gesehen gewesen. Ja, sie konnte mit Fug und Recht behaupten, einen Knacks zu haben. Seit der Sache mit Ben und dem Typen vom Sommer hatte sie es nicht mehr über sich gebracht, sich überhaupt noch einmal mit einem Mann zu verabreden, geschweige denn, ihm näher zu kommen, sodass sie sämtliche spannende Gedanken an dieses Prachtexemplar mit einem Augenzwinkern wegwischte.

„Das glaube ich nicht. Ich habe dieses Haus hier gemietet”, sagte der Mann. Er wirkte relativ resolut und fast abweisend.

“Das wiederum glaube ich nicht. Das ist mein Haus. Und das haben Sie ganz bestimmt nicht gemietet.” Cat grübelte, ob vielleicht einer ihrer Nachbarn sein Haus über die Feiertage über eine Plattform wie Airbnb anbot. Doch in ihrer Straße lebten vorrangig ältere Menschen oder Familien mit Kindern, die an den Feiertagen Zuhause blieben und ihr Domizil bestimmt nicht Fremden überließen. Während sie darüber nachdachte, wie es zu diesem Missverständnis hatte kommen können, hatte der Unbekannte bereits sein Handy herausgefischt und begonnen, wie wild darauf herumzuwischen. Schließlich hielt er es Cat unter die Nase. „Da, sehen Sie. 4273 Richmond Avenue – dieses Haus hier. Und meine bestätigte Buchung. Der Betrag wurde bereits vor zwei Wochen von meiner Kreditkarte abgebucht.” Cat warf einen Blick auf den Bildschirm. Der Mann hatte recht. Er hatte ganz offensichtlich wirklich ihr Haus gemietet. Auf der Seite, die er auf seinem Telefon geöffnet hatte, gab es nicht nur Fotos von Cats Garten und der Außenansicht des Hauses, sondern auch vom Interieur. Vom Wohnzimmer, der Küche, dem Schlafzimmer und dem Badezimmer. Ihr wurde mulmig zumute. Wie kam jemand außerdem an die Bilder. War am Ende jemand eingebrochen, nur um Fotos von ihrem Haus zu machen, das er dann über eine Vermietplattform anbieten wollte? Nein, das wäre schon etwas zu weit hergeholt, oder?

„Was für eine Seite ist das denn?”, fragte sie. Sie hatte bereits auf den ersten Blick erkannt, dass es sich nicht um Airbnb handelte.

„Dreamhome on Time” sagte der Mann. Cat sah ihn an. Jetzt fiel ihr auch auf, dass es sich bei der Plattform nicht um eine App, sondern um eine Webseite handelte.

„Warum haben Sie nicht über Airbnb gebucht?”, fragte sie.

„Warum kümmern Sie sich nicht um ihren eigenen Kram?”

Cat sah den Mann überrascht an. „Na hören Sie mal, immerhin stehen Sie hier auf meiner Veranda und wollen mir weismachen, sie hätten mein Haus gemietet. Da darf diese Frage doch wohl gestattet sein. Erst recht, wo es den Eindruck erweckt, dass Sie auf eine Fakeseite hereingefallen sind.”

„Das ist bestimmt keine Fakeseite. Glauben Sie wirklich, dass ich so blöd bin, und auf eine Fakeseite hereinfalle. Ich bin aus der Tech-Branche. Ich bitte Sie.”

Cat sah den Mann an. Sie fand ihn ziemlich überheblich und eingebildet. „Ich wüsste nicht, was das damit zu tun hat, dass Sie aus der Tech-Branche sind. Und offensichtlich sind sie jemandem ja wirklich auf den Leim gegangen. Denn mein Haus steht definitiv nicht zur Verfügung.” Sie hob ihre Einkaufstüte auf. Die Weihnachtsbeleuchtung im Garten und die Lichter, die am Haus angebracht waren, hatten sich soeben eingeschaltet und sie bemerkte, dass die Dämmerung bereits eingesetzt hatte. Den Mann, hatte sie vor, einfach stehen zu lassen. Dann hielt sie inne. Es war Weihnachten. Die Zeit der Nächstenliebe. Und dieser Typ, so unhöflich wie er auch war, hatte ja nichts Schlimmes getan. Er wollte wohl einfach ein paar ruhige Tage allein verbringen. Am Ende war er genau so ein Beziehungsopfer wie sie selbst, das sich über die Feiertage verkriechen und im Selbstmitleid suhlen wollte. Sie drehte sich um. Der Typ starrte immer noch auf sein Handy, so, als würde es ihm die Antwort auf sein Dilemma liefern können. Cat seufzte. „Kommen Sie erstmal mit rein, dann finden wir bestimmt eine Lösung. Wir müssen ja nicht hier draußen stehen und uns alles abfrieren.”

 

 

Jake

 

Jake Bennett hatte sich diesen Tag anders vorgestellt. Er brauchte Zeit, um sich über einiges klar zu werden und genau aus diesem Grund hatte er sich die beiden Wochen vor Weihnachten ausgeklinkt und sich ein Häuschen hier draußen auf Long Island gemietet, um sich Gedanken über seine Zukunft zu machen. Er wollte abschalten, die Dinge, die er noch nicht verarbeitet hatte, verarbeiten … und … sehen, wie es ihm hinterher ging. Wie seine nächsten Schritte aussahen.

 

Das Haus in der Richmond Avenue hatte ihm sofort zugesagt, als er es online entdeckt hatte. Es war geräumig, hell und freundlich eingerichtet und die Straße, in der es lag war eine typische Vorstadtstraße mit ruhiger Nachbarschaft, in der selten etwas Aufregendes passierte. In der Beschreibung hatte gestanden, dass es in der Straße vorwiegend ältere Personen gab, sodass er nicht davon ausgehen musste, dass ihn jemand erkannt, obwohl das in seinem Fall nicht wirklich oft vorkam. Er war immerhin kein Elon Musk, der sich selber auf eine Art und Weise produzierte, wie er es nie getan hätte. Dass er einem Betrüger auf den Leim ging und jetzt mit einer überkandidelten Tussi, wie er fand, konfrontiert war, hätte er nicht erwartet. Er hoffte, dass das alles nur ein Missverständnis war, allerdings war ihm bewusst, dass die Chance dafür äußerst gering war. Und jetzt, wo er genauer darüber nachdachte … weshalb hatte er wirklich nicht über Airbnb gebucht? War er tatsächlich schon so verrückt, dass er einfach so mirnichts, dirnichts einem Fremden zweitausend Dollar überwies, um ein Haus zu mieten, das gar nicht verfügbar war? Ja. Offensichtlich war er das, weil er immer noch völlig durch den Wind war. Und jetzt hatte er, so wie es aussah, nicht nur zwei Riesen in den Sand gesetzt, sondern keine Bleibe und an die so sehnlich erwartete Ruhe würde er auch nicht kommen. Er sah sich im Eingangsbereich des Hauses an und musste sich zusammennehmen, um nicht die Augen zu verdrehen. Er kam sich vor wie in einem Weihnachtswunderland. Hier sah es aus, als wäre die Dekoabteilung eines Supermarktes explodiert und all die Weihnachts- und Schneemänner, die Engel und die beleuchtete Tannengirlande, die sich das Treppengeländer hinaufschlängelte, stießen ihn eher ab, als dass er sich hier wohlfühlte. Es duftete nach Zimt und frisch gebackenen Keksen und auch, wenn er sich dagegen wehrte, machte sich ein Gefühl der Nostalgie in ihm breit. Er erinnerte sich daran … nein. Stopp. Er schüttelte unmerklich den Kopf und vertrieb alle Gedanken daraus. Er würde nicht daran denken, das hatte er sich geschworen. Denn sobald er an diese eine Sache dachte, würde er nicht mehr Herr seiner Sinne sein und nicht tun können, warum er eigentlich hergekommen war.

 

Er folgte der Verrückten - sie hatte ihm noch nicht einmal ihren Namen gesagt, aber das tat nichts zur Sache, immerhin hatte er sich ja auch nicht vorgestellt – durch den Flur in die große, helle, offene Küche, die er schon von Fotos kannte. Auch hier war alles hochweihnachtlich dekoriert. Im Wohnzimmer, neben dem Treppenaufgang, der ins Obergeschoss führte, stand ein großer, reichlich geschmückter Weihnachtsbaum, der fast bis unter die Decke reichte. Die Verrückte musste ein absoluter Weihnachtsjunkie sein, denn er wusste sehr genau, was für einen Aufwand es darstellte, ein Haus in ein Weihnachtswunderland wie dieses hier zu verwandeln. Ein dumpfes Gefühl breitete sich in ihm aus und er schob es beiseite. Er hatte jetzt andere Sorgen, als sich über die Vergangenheit Gedanken zu machen.

„Möchten Sie eine Tasse Tee?”, fragte die Verrückte. „Oder Eggnogg? Ich habe erst gestern Abend frischen gemacht und bin mir sicher, dass …"

„Ich will keinen Eggnogg”, fiel er ihr ins Wort. Er wusste selber nicht, warum er ihr gegenüber so schroff war, aber sie hatte etwas an sich … „Aber Kaffee wäre gut, wenn Sie welchen da haben.”

„Habe ich. Ich selbst bin eher die Sorte Kaffeetrinkerin, die heiße Milch mit einer Tonne Zucker und dem Ansatz von Kaffeegeschmack trinkt”, sagte sie, während sie die moderne Espressomaschine anschaltete, „aber meine Familie und meine Freunde sind allesamt leidenschaftliche Kaffeetrinker.” Sie wuselte durch die Küche, öffnete eine Schranktür hier und dort und schon bald floss heißer Kaffee in eine Tasse, der leckeren Duft verströmte. „Ich liebe den Duft von frischem Kaffee“, plapperte die Verrückte weiter, „aber trinken kann ich ihn einfach nicht. Dafür würde ich mich gerne mal über Nacht in einem Coffeeshop einschließen lassen, nur um diesen großartigen Duft wahrnehmen zu können. Ach ja. Und ich liebe Schokolade mit Kaffeegeschmack. Aber selber trinken … nein danke.“

Er sah sich im Wohnbereich um und kämpfte mit den Gedanken in seinem Kopf. Vor einigen Jahren noch hatte er exakt so gelebt. Bis …

„So, der sollte Sie jetzt erstmal gut aufwärmen und dann überlegen wir, was wir mit ihrer Wohnmisere machen.” Sie stellte eine bauchige Tasse vor ihm ab, die die Form eines Weihnachtsmannes hatte und die reichlich verziert war. Auf dem Kaffee schwamm eine große Portion Schlagsahne, aus der eine rot-weiß-gestreifte Zuckerstange ragte.

„Ich dachte, da wir ja Weihnachten haben, gibt’s weihnachtlich angehauchten Kaffee”, sagte sie, als sie seinen skeptischen Blick bemerkte. Er zog eine Augenbraue hoch.

„Das ist ja unglaublich nett von Ihnen …"

„Cat”, beendete sie seinen Satz. „Von Catherine, aber so hat mich nie jemand genannt.”

„Das ist ja wirklich nett von Ihnen, Cat”, begann er nochmals, „aber ich nehme so gut wie keinen Zucker zu mir. Ich meine, haben Sie eine Ahnung, wie ungesund diese Tasse Kaffee hier ist? Das ist nichts als Zucker, Fett, Cholesterin und Müll. Ein Herzanfall im Weihnachtsmannkostüm, sozusagen.”

Cat sah ihn entgeistert an und ihm fielen zum ersten Mal ihre großen, blauen Augen auf, was er aber gleich wieder beiseiteschob. Er kannte Frauen wie diese … Cat. Und hatte sich lange vorgenommen, von solchen Exemplaren die Finger zu lassen. Jetzt zog sie die Tasse Kaffee von ihm weg und stellte eine weitere – diesmal in Form eines Schneemannes – in die Kaffeemaschine. Wenige Augenblicke später stand heißer, dampfender, schwarzer Kaffee vor ihm. Ohne jeglichen Schnickschnack.

„Ich schätze, Kekse brauche ich Ihnen dann gar nicht erst anzubieten, oder?”, fragte Cat. Sie saß ihm gegenüber an der Kücheninsel und löffelte Zucker in den Kaffee.

„Ich dachte, Sie trinken keinen Kaffee?”, fragte er und zählte den mittlerweile fünften Löffel Zucker.

„Ich dachte, dass hier ist kein Kaffee, sondern ein Herzanfall im Weihnachtsmannkostüm”, erwiderte sie grinsend, während sie umrührte.

„Also, was machen wir jetzt wegen des Hauses?”, fragte Jake.

„Naja, ich an ihrer Stelle würde Anzeige erstatten”, sagte Cat, während sie einen schokoladigen Keks in ihren Mund schob.

„Das weiß ich auch. Aber darum geht es mir jetzt gar nicht. Es geht mir darum, dass ich mich auf diesen Urlaub eingestellt habe”, sagte er. Er hatte vom ersten Augenblick an gewusst, dass dieser Trip zukunftsweisend für ihn sein würde. Er würde mit seiner Vergangenheit abschließen und in die Zukunft sehen können, ohne permanent in diesen Zwischenwelten gefangen zu sein.

Cat sah ihn an. „Woher kommen Sie, Mr. ….”

„Bennett. Jake Bennett. Ich komme aus Atlanta. Und ich bin mir sicher, dass ich heute auch keinen Flug mehr zurück nach Hause bekomme.” Er sah Cat an, die etwas Schlagsahne auf ihren Löffel gegeben hatte und ihn in den Mund führte. Wann hatte sie diese Schokostreusel eigentlich auf die Schlagsahne gegeben?

---ENDE DER LESEPROBE---