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Besinnliche und humorvolle Geschichten stimmen den Leser auf Weihnachten ein. Starrsinnige Gottesmänner, die ihre Schäfchen zum Gottesdienst zwingen wollen; Weihnachtsmänner, die den irdischen Alltag nicht immer unbeschadet überstehen; Tannenbäume, die schwer zu beschaffen sind; Christkinder, die das Licht am Heiligen Abend erblicken; Engel, die vom Himmel fallen und eine zerbrochene Tannenbaumspitze sind u.a. Inhalt der unterhaltsamen Weihnachtsgeschichten. Der Autor versteht es, in jede seiner Erzählungen die besondere Stimmung der Weihnacht einzufangen.
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Seitenzahl: 117
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Ein Pharisäer zu viel
Expedition zum Weihnachtsmann
Der Engel, der vom Himmel fiel
Nikolaustag
Der Weihnachtswald
Der Stern von Koppelo
Der gefallene Weihnachtsmann
Das verschwundene Jesulein
Ein außergewöhnlicher Weihnachtsmann
Der weihnachtliche Heimkehrer
Weihnachten an Bord
Finnische Weihnacht
Der Weihnachtseinkauf
Der Weihnachtsmann ist auch nur ein Mensch
Der Weihnachtsbaum
Die zerbrochene Tannenbaumspitze
Es ist ein Ros entsprungen
Hannas Rückkehr
Der verunglückte Weihnachtsmann
Tannenbäume
Merry Christmas
Der Weihnachtsmann hält sein Versprechen
Über den Autor
Fiete Fredersen war auf Drängen seiner Frau mit ihr in die Adventsandacht gegangen. Eigentlich konnte er, wie er sagte, dem ganzen Zauber nichts abgewinnen. Alles nur Hokuspokus und Himmelskomik. Aber er duldete die Gläubigkeit seiner Frau und wollte ihr die aufkommende Weihnachtsstimmung nicht vermiesen. Also trottete er brav mit in die Kirche. Der Wind vom Meer hatte an Intensität zugenommen und pustete sich langsam zu einem ordentlichen Sturm auf. Die Nordsee war schon dicht an die Deiche getreten und die gierigen, gefräßigen Wellen mit ihren weißen Schaumkronen, die der Wind in einen Schleier zerstäubte, schienen nichts Gutes zu verheißen.
Stumm waren sie nebeneinander, gegen den Sturm ankämpfend, den Deich entlang zur Kirche gegangen. In den schmalen Gassen des Dorfes heulte Gevatter Wind sein klagendes Lied. Da waren sie froh, als sie die warme Kirche erreichten, wo sich die Gemeinde bereits versammelt hatte. Husten und leises Gemurmel erfüllten das Gotteshaus. Eine gewisse Spannung lag über allen, denn es hatte sich herumgesprochen, dass Pastor Hinnerk Harmsen anlässlich des bevorstehenden Weihnachtsfestes seiner sündigen Gemeinde die Leviten lesen wollte. Fiete und Anna Fredersen krochen in die vorletzte Bankreihe, begrüßten kopfnickend die Bekannten und Freunde und warteten mit ihnen auf das Einsetzen der Orgel, die Küster Finn Klüver vortrefflich zu bedienen pflegte.
Kaum hatten die ersten Töne eingesetzt, verstummte das Gemurmel und der Pastor rauschte mit forschem Schritt, seine Hände betend vor den mächtigen Bauch gefaltet, vor den Altar, verbeugte sich vor dem Kreuz und wandte sich seiner Gemeinde zu. Sein Gesicht hatte eine ungesunde Röte angenommen, die nicht nur vom eisigen Wind oder vor Erregung herrührte. Fiete Fredersen konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Anna hatte es bemerkt und stieß ihm kräftig in die Seite. Dann dröhnte die mächtige Stimme des Gottesmannes durch das Kirchenschiff. Er zitierte aus der Bibel, kam von Adam und Eva über Kain und Abel zu Maria und Josef. Sprach von Barmherzigkeit und Gastfreundschaft und schalt seine Schäfchen angesichts der ablehnenden Haltung gegenüber der Aufnahme von Flüchtlingen als gottlose Bande, die das Evangelium mit Füßen traten und herzlose Banausen seien. Er, der Pastor selbst, habe, wie hier alle wüssten, eine arme Familie aus Syrien, die vor Krieg, Hunger und Elend geflüchtet seien, in seinem Gotteshaus aufgenommen. Warum, so donnerte es durch die Kirche, versperre sich die Mehrheit der hier Anwesenden gegen die Aufnahme von lediglich zwanzig Asylsuchenden?
Die Köpfe der Versammelten waren verschämt zu Boden gesenkt. Betroffene Stille war eingekehrt, als Hinnerk Harmsen seinen Worten eine wirkende Pause gönnte. Dann hub er von Neuem an und fragte, ob denn Jesus Botschaft nicht in den Köpfen der hiesigen Bewohner angekommen sei? Wo sei denn hier die Barmherzigkeit und Hilfsbereitschaft? Als er seine Gemeinde genug gedemütigt hatte, gab er dem Küster ein Zeichen und ließ die Gottesdienstbesucher „Ein feste Burg ist unser Gott“ singen. Danach betete er mit seinen Schäfchen und befahl ihnen, sich zu besinnen und am Heilig Abend zahlreich dem Gottesdienst beizuwohnen.
Als Pastor Hinnerk Harmsen seine Gäste entließ, war ein deutliches Aufatmen zu vernehmen. Vor der Kirche versammelten sich Frauen und Männer getrennt zu Grüppchen. Ein aufgeregtes Tuscheln war im pfeifenden Wind zu hören. Die Männer beschlossen, die Diskussionen im Wirtshaus fortzuführen. Machten ihren Frauen klar, dass weitreichende Beschlüsse zu bekakeln seien und es besser sei, dass die Frauen aufgrund des anstehenden Sturmes sich besser in die warmen Wohnstuben verziehen oder in den Küchen das sonntägliche Mal vorbereiten sollten. Aufmüpfig, wie Frauen heutzutage nun einmal sind, lachten sie die Männer aus und sagten, dass sie sich dann eben bei Gesine zusammensetzen, ein Sektchen trinken und eigene Beschlüsse fassen würden. Die Männer winkten belustigt ab und begaben sich gegen den Wind gestemmt zu Olaf Hemmerlings Kneipe.
Dort brannte die Diskussion um die Schelte des Pastors wieder auf. Und zu allem Übel, man hatte sich gerade so richtig in Rage geredet, öffnete sich die Kneipentür und der Gottesmann in seiner imposanten Gestalt betrat den Schankraum. Prompt erlosch die Debatte und die Köpfe senkten sich den Getränken zu.
„Olaf, mach mir mal nen Pharisäer“, dröhnte die Stimme des Kirchenvertreters. Das war genug Anlass, die Stimmung zu lockern.
„Komm setz dich zu uns“, wurde er aufgefordert und Hinnerk Harmsen nahm die Einladung dankend an.
Wenn er eines in seinem Studium gelernt hatte, dann war es, Menschen zu bekehren. Und so gelang ihm nun, was ihm in der Kirche noch versagt blieb, er öffnete die Herzen der rauen Friesen und bekam von ihnen die Zusage, dass noch vor dem Weihnachtsfest die örtliche Turnhalle zur Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet würde. Darauf musste natürlich angestoßen werden.
Als Pastor Hinnerk Harmsen Arm in Arm mit Fiete Fredersen das Wirtshaus verließ, torkelten sie gemeinsam ziellos durch die Gassen des Ortes, bis Fiete Fredersen ein Einsehen hatte, den Pastor herzlich umarmte, was für ihn außergewöhnlich war, und seinen Heimweg einschlug. Hinnerk Harmsen beflügelte eine Glückseligkeit. Er warf sich dem Sturm entgegen, stellte sich auf den Deich und sah dem Blanken Hans bei seiner Arbeit zu. Da erhellte sich der Himmel über dem tosenden Meer und ein leuchtender Engel blickte gutmütig auf den Kirchenmann hernieder. „Dir sei die Weihnachtsbotschaft verkündet“, dröhnte es in des Pastors Ohren. „Der Herr ist dein Hirte und du sein begnadeter Verkünder!“ Dann erlosch die Erscheinung und Hinnerk Harmsen sank auf die Knie. Aber am nächsten Tag wusste er nicht mehr, waren es die Pharisäer oder nur eine Halluzination? Letztendlich glaubte er jedoch, dass sein Herr ihn erhört und ihm den Engel der Verheißung auf Erden geschickt hatte.
Vater hatte uns Jungen eingeprägt, den im Dorf allgemein als „dunklen Wald“ bezeichneten Forst zu meiden. Sumpfiger Boden und Wildwuchs sorgten für Gefahren. Und überall dort, wo Gefahren lauerten, herrschten auch böse Geister. Zudem machte sich in unserer Jungenclique das Gerücht breit, dass tief im Inneren dieses „dunklen Waldes“ der Weihnachtsmann seine Werkstätte hätte und er sein Gebiet nur durch dieses unwegsame Gelände vor verbotenem Zutritt schütze.
So etwas weckt natürlich die Niergierde wissbegieriger Jungen, die noch das Leben vor sich haben und glauben, die Welt neu entdecken zu müssen. Das Weihnachtsfest kündigte sich an. Schnee hatte die Welt wie mit einer dicken Watte überzogen. Wunschzettel waren geschrieben, aber noch nicht abgegeben, und die Neugierde war geblieben. Wenn der Frost den sumpfigen Boden zu einem harten Untergrund hat werden lassen und dämpfender Schnee darüber lag, dann wäre es doch ein Leichtes, den Weihnachtsmann in seiner Werkstatt zu besuchen und ihm die Wunschzettel direkt zu übergeben.
Gedacht, getan. Jussi, Matti, Raimo und ich hatten uns unsere wärmsten Wintersachen angezogen, Rücksäcke mit Proviant, Astscheren und natürlich den Wunschzetteln bepackt, die Ski untergebunden und den Eltern gesagt, dass wir zu einer Skiwanderung aufbrechen würden.
Am Rande des „dunklen Waldes“ mussten wir die Ski ablegen, denn durch das Dickicht gab es keinen Weg und keine Piste mehr. Wir nahmen unsere Astscheren, schnitten störende Zweige und Äste ab und kämpften uns so mühselig voran. Uns schien es eine Ewigkeit, bis wir zu einer Lichtung kamen, auf der eine alte, graue Holzhütte stand. Uns stockte der Atem. Sollte der Weihnachtsmann etwa in so einer kleinen, armseligen Hütte seine Werkstatt haben. Wir hatten uns, wie wir es in Filmen gesehen hatten, diese immer als große Fabrik mit Laufbändern und unzähligen Tontus vorgestellt, die dem Weihnachtsmann zur Hand gingen. Und nun diese schäbige Hütte.
Vorsichtig näherten wir uns der Bretterbude. Zu unserem Erstaunen schien Licht durch das einzige Fenster. Es musste also jemand da sein. Und plötzlich vernahmen wir ein leises Läuten von einer Glocke hinter dem Haus. Wir erstarrten, blieben wie angewurzelt stehen und lauschten. Da war es wieder. Sollten wir es wagen, dem Geräusch nachzugehen? Oder sollten wir vorsichtig an die Tür klopfen. Ich empfahl, erst einmal dem Läuten auf die Spur zu gehen. Also schlichen wir uns, eng zusammen bleibend, zur Rückseite des Hauses, vermieden es, am beleuchteten Fenster vorbei zu kommen.
Wie groß war unsere Überraschung, als wir hinter dem Haus zwei Rentiere entdeckten, von denen eines eine kleine, goldene Glocke um den Hals hatte. Und neben den Rentieren stand ein Schlitten. Das konnte nur das Fuhrwerk des Weihnachtsmannes sein. Wir hielten uns kichernd die Hände vor den Mündern. Wir hatten tatsächlich die Werkstatt des Weihnachtsmannes entdeckt. Aber hatten wir auch den Mut, dem rotberockten Mann gegenüber zu treten? Irgendwie hatten wir es jetzt doch mit der Angst zu tun bekommen. Wie begegnet man diesem Mann? Was sagt man ihm? Kann man ihm tatsächlich die Wunschzettel überreichen?
Wir zögerten, wagten uns nicht vom Fleck zu rühren. Da hörten wir ein kräftiges, dunkles Husten aus der Hütte und mit tiefer Stimme sagte jemand: „Nun kommt schon rein!“ Wir schlotterten vor Angst, sämtliche Courage hatte uns verlassen. „Nun macht schon!“, erschallte es von drinnen. Meine Freunde schoben mich vor und im Gänsemarsch schlichen wir geduckt um das Holzhaus zum Eingang. Ängstlich klopfte ich an die Tür. Und das „Herein“ ließ uns wieder zusammenzucken. Aber jetzt waren wir so weit gegangen, jetzt mussten wir auch den letzten Schritt tun.
Ich öffnete die Tür und wurde von meinen Freunden nach vorne geschoben. Da saß er! Der leibhaftige Weihnachtsmann mit seinem roten Anzug und den weißen Haaren und Bart!
„Kommt rein!“, donnerte seine tiefe Stimme. „Der letzte macht die Tür zu. Es ist bitter kalt draußen.“
Wir stellten uns vor ihm auf. Er saß hinter einem langen Tisch, auf dem etliche Kerzen brannten.
„Nun, was führt euch zu mir?“, fragte er und blickte einen nach dem anderen an.
Matti, der neben mir stand, stieß mir in die Seite. Ich räusperte mich und sagte kleinlaut: „Wir wollten dir unsere Wunschzettel überbringen.“
„So, so“, sagte der Weihnachtsmann, „haben euch eure Eltern nicht verboten, den „dunklen Wald“ zu betreten?“
„Ja, schon“, stammelte ich, dem es oblag, das Gespräch mit dem Weihnachtsmann zu führen.
„Ja, und? Warum habt ihr nicht gehorcht?“
Betreten schauten wir auf unsere Füße, bis Matti mich wieder anstieß und ich mich genötigt sah, zu antworten. „Wir wollten … äh, wir …“
„Ja?“, donnerte sein Bass wie eine vorweggenommene Strafe.
„Ähm, ja … also …“
„Wir wollten dich persönlich kennen lernen“, platzte es aus Jussi heraus.
„So, so, und da ignoriert ihr einfach die Verbote eurer Eltern. Aber ihr habt Glück“, sprach der Weihnachtsmann nun mit einer milderen Stimme, „ich will mal nicht so sein. Also, ihr wollt mir eure Wunschzettel überbringen?“
„Ja“, sagte ich erleichtert und schüttelte sofort meinen Rucksack vom Rücken, was mir meine Freunde gleichtaten. Geschwind kramte ich meinen Wunschzettel hervor, den ich in einen Briefumschlag gesteckt und mit „An den Weihnachtsmann“ adressiert hatte. Stolz überreichte ich ihn dem Weihnachtsmann. Meine Freunde folgten meinem Beispiel.
Der Weihnachtsmann nahm sie entgegen, sah uns mit ernster Miene an und sagte jetzt wieder mit strengem Ton: „Wollen mal sehen, ob eure Wünsche überhaupt erfüllt werden können, wo ihr doch das Verbot eurer Eltern ignoriert habt. Ich werde es mit meinen Gehilfen beraten.“ Dann gab er uns ein Zeichen, dass wir gehen sollten. Bedrückt schnürten wir unsere Rucksäcke und schlichen aus der Hütte.
Draußen atmeten wir erst einmal auf und es dauerte lange, bis wir unsere alte Fröhlichkeit wieder fanden. Dann neckten wir uns, tobten durch den Schnee und waren stolz darauf, den wahren Weihnachtsmann gesprochen zu haben.
Am Heiligen Abend erfüllten sich tatsächlich fast alle unsere Wünsche. Nun konnten wir endlich unseren Eltern beichten, dass wir durch den „dunklen Wald“ zum Weihnachtsmann gelangt waren. Mahnend, aber doch lächelnd, nahmen sie unsere Beichte entgegen.
Jahre später gestand mir jedoch mein Vater, dass sich hinter dem „wahren Weihnachtsmann“ ein Nachbar verbarg. Unseren Eltern war unser Plan nicht verborgen geblieben und so hatten sie für die größte Überraschung unserer frühen Kindheit gesorgt.
Petrus hatte die jungen Lümmel schon mehrfach ermahnt, mit dem Gebalge aufzuhören. Sie sollten sich lieber auf die Einstudierung der himmlischen Chöre zum Weihnachtsfest konzentrieren. Er hatte genug Mühe, die junge Rasselbande im Zaum zu halten. Aber kaum hatte er seine Ermahnung zum vierten Mal ausgesprochen, war es auch schon geschehen. Balthasar, einer der lebhaftesten Jungengel, war von der Wolke gefallen und im rasenden Tempo zur Erde gesaust. Sofort läutete Petrus sämtliche Himmelsalarmglocken, um die Rettungsaktion für seinen verlorengegangenen Schützling einzuleiten.
Balthasar hatte seinen Sturzflug im letzten Moment noch mit ein paar Flügelschwingen bremsen können, war aber recht unliebsam in einem Schneehaufen in einem entlegenen finnischen Dorf gelandet. Dabei hatte er sich seinen rechten Flügel verstaucht und war nicht mehr in der Lage, seine Schwingen zum Auftrieb einzusetzen.
Als er sich schüttelnd erhob und den kalten Schnee von sich streifte, wurden ihm die Augenpaare gewahr, die gebannt auf ihn starrten. In einer ihm merkwürdig klingenden Sprache redeten drei dick vermummte Jungen auf ihn ein und Balthasar musste erst einmal sein Sprachverständnis auf dieses Kauderwelsch einstellen, bis er endlich das richtige Programm gefunden hatte und nun die Jungen verstand.
„Wer bist du denn? Wo kommst du denn her? Hast du keine Winterkleidung? Frierst du nicht in deinem dünnen Hemdchen? Wozu hast du die komischen Dinger auf dem Rücken? Schickt dich der Weihnachtsmann? Kannst du meine Wünsche erfüllen? Bist du aus einem Flugzeug gefallen? Kannst du mit den Dingern fliegen?“ Fragen über Fragen prasselten auf ihn ein. Und mittlerweile spürte Balthasar, dass er für dieses kalte, weiße Zeug da auf der Erde nicht richtig gekleidet war. Er begann zu frieren und zu bibbern.