Der weiße Ritter - Zweiter Roman: Schattentanz - Wolfgang Hohlbein - E-Book
SONDERANGEBOT

Der weiße Ritter - Zweiter Roman: Schattentanz E-Book

Wolfgang Hohlbein

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mach dich bereit für das Abenteuer! Der spannende Ritterroman „Schattentanz“ von Wolfgang Hohlbein jetzt als eBook bei jumpbooks. Einst hat der Waisenjunge Tibor bei Wolff, dem weißen Ritter das Waffenhandwerk gelernt, doch jetzt ist die Zeit gekommen, sein Können zu beweisen. Auf seiner gefährlichen Reise entdeckt Tibor eine geheimnisvolle Stadt, auf der ein dunkler Fluch zu liegen scheint. Der tapfere Ritter erkennt, dass sein Erzfeind Resnec, der dunkle Magier, diesen Ort in seiner Gewalt hat. Tibor weiß, dass er sich dem Hexer und seiner Schattenarmee entgegen stellen muss. Doch dann erfährt er zu seinem Entsetzen, dass der grausame Resnec seinen alten Lehrmeister Wolff als Geisel gefangen hält … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der spannende Ritterroman „Schattentanz“ von Kult-Autor Wolfgang Hohlbein für Leser ab 12 Jahren. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 235

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Einst hat der Waisenjunge Tibor bei Wolff, dem weißen Ritter das Waffenhandwerk gelernt, doch jetzt ist die Zeit gekommen, sein Können zu beweisen.

Auf seiner gefährlichen Reise entdeckt Tibor eine geheimnisvolle Stadt, auf der ein dunkler Fluch zu liegen scheint. Der tapfere Ritter erkennt, dass sein Erzfeind Resnec, der dunkle Magier, diesen Ort in seiner Gewalt hat. Tibor weiß, dass er sich dem Hexer und seiner Schattenarmee entgegen stellen muss. Doch dann erfährt er zu seinem Entsetzen, dass der grausame Resnec seinen alten Lehrmeister Wolff als Geisel gefangen hält …

Über den Autor:

Wolfgang Hohlbein, 1953 in Weimar geboren, ist Deutschlands erfolgreichster Fantasy-Autor. Der Durchbruch gelang ihm 1983 mit dem preisgekrönten Jugendbuch Märchenmond. Inzwischen hat er 150 Bestseller mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern verfasst. 2012 erhielt er den internationalen Literaturpreis NUX. Zeitgleich startete der in Neuss lebende Autor ein innovatives Hohlbein-TV-Projekt.

Der Autor im Internet: www.hohlbein.de

Bei jumpbooks erscheint von Wolfgang Hohlbein:Der weiße Ritter - Erster Roman: WolfsnebelDer weiße Ritter - Zweiter Roman: SchattentanzNach dem großen FeuerIthakaDrachentöter

***

eBook-Neuausgabe Juni 2016

Copyright © 1987 by Loewes Verlag, Bindlach

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs unter Verwendung von © Nejron Photo (fotolia.com)

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-130-2

***

Damit der Lesespaß sofort weitergeht, empfehlen wir dir gern weitere Bücher aus unserem Programm. Schick einfach eine eMail mit dem Stichwort Schattentanz an: [email protected]

Gerne informieren wir dich über unsere aktuellen Neuerscheinungen – melde dich einfach für unseren Newsletter an: www.jumpbooks.de/newsletter.html

Besuch uns im Internet:

www.jumpbooks.de

www.facebook.com/jumpbooks

twitter.com/jumpbooksverlag

www.youtube.com/jumpbooks

Wolfgang Hohlbein

Der weiße Ritter Zweiter Roman – Schattentanz

Kapitel 1

Die Nacht war längst vorüber, als sie den Hügel überwanden und die Stadt mit ihren trutzigen Mauern, den wuchtigen grauen Türmen und ihren roten Ziegeldächern unter sich liegen sahen.

Tibor blickte aus eng zusammengepreßten Augen auf die Ansammlung von Häusern und das blaue Band des Flusses hinunter. Ein sonderbares, nicht sehr angenehmes Gefühl erfüllte ihn bei diesem Anblick. Es war nichts, was er in Worte fassen oder worauf er mit dem Finger hätte deuten können, aber irgend etwas war da; etwas, das in einer Illusion von Licht und Finsternis sein Spiel mit ihm trieb, Schatten, die stets verschwanden, wenn er versuchte, den Blick darauf zu richten. Die Stadt lag im hellen, klaren Licht des Morgens da, und doch schien es, als wäre ein Stück der Nacht zurückgeblieben.

Tibor versuchte, den Gedanken zu verscheuchen, aber es ging nicht. Und irgendwie, ohne zu wissen, woher, und ohne daß dieses Wissen irgendeines Beweises bedurft hätte, war er vollkommen sicher, daß es sich bei dem unheimlichen Gefühl, das sich seiner Seele bemächtigt hatte, nicht nur um bloße Einbildung handelte. Fast automatisch glitt seine rechte Hand zur Hüfte, dorthin, wo er sein Schwert trug, wenn er in Rüstung und Waffen war.

»Was ist los? Warum reiten wir nicht weiter?«

Eriks Stimme riß Tibor abrupt in die Wirklichkeit zurück. Und sie erinnerte ihn noch rechtzeitig daran, daß er im Moment nicht Tibor von Rabenfels, der weiße Ritter, sondern nur Tibor, der Gauklerjunge, war, der ein Stück des Weges mit einem Gleichaltrigen ritt, und auch das nur eher zufällig.

Beinahe verlegen wandte er den Kopf, lächelte dem rotblonden Hünen, der nur ein knappes Jahr älter als er, dafür aber um fast zwei Köpfe größer und doppelt so breitschultrig war, entschuldigend zu und ließ die Zügel knallen. Seine Graustute begann den Hügel hinabzulaufen, so schnell, daß Eriks Maultier auf seinen kurzen Beinen alle Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. Das Tier witterte die Nähe von Menschen, und nach zwei Tagen, die sie fast ohne Pause unterwegs gewesen waren, sehnte auch er sich nach einer warmen Mahlzeit neben einem gemütlich knisternden Kaminfeuer.

Tibors Augen brannten vor Müdigkeit, und nach all den zahllosen Meilen, die er im Sattel verbracht hatte, schien das letzte Stück Weg kein Ende nehmen zu wollen, obwohl es kaum eine Meile bis zum Fuß des Hügels und dem Flußufer war. Wäre er allein gewesen, hätte er jetzt schon im Inneren der Stadt sein können, auf einem Weg, den nur er zu gehen wußte. Aber er war nicht allein, und wenn ihm auch jeder einzelne Knochen im Leib weh tat, es war nicht mehr weit bis zum Fluß, und fast in gerader Linie unter ihnen schaukelte eine Fähre auf dem Wasser, so daß sie sogar trockenen Fußes hinübergelangen würden.

Erik schloß zu ihm auf, als Tibor die Stute auf dem schmalen sandigen Streifen unmittelbar am Ufer zügelte. Auch er hockte vornübergebeugt und erschöpft im Sattel, doch er gab sich alle Mühe, sich seine Müdigkeit nicht anmerken zu lassen. Tibor fand dieses Benehmen reichlich albern und überflüssig dazu. Seit sie sich getroffen hatten, versuchte Erik mit aller Macht, den Älteren und Erwachsenen herauszukehren. Aber was war schon unmännlich daran, nach zwei Tagen im Sattel erschöpft zu sein?

Trotzdem schwieg Tibor dazu und verwandte das bißchen Energie, das er noch aufbringen konnte, lieber darauf, nach dem Fährmann Ausschau zu halten.

Allerdings ohne großen Erfolg. Die Fähre lag verlassen da, nur gehalten von einem quer über den Fluß gespannten Tau und der Strömung, die sie gegen das Ufer drückte. Der Anblick kam Tibor sonderbar vor, und wieder machte sich das gleiche, ungute Gefühl in ihm breit, das er schon beim ersten Blick auf die Stadt verspürt hatte. Eine Fähre war ein kostspieliger und wertvoller Besitz, den man nicht einfach so liegenließ. Und wenn ihr Besitzer drüben in der Stadt lebte, warum war sie dann hier, am jenseitigen Ufer?

Aber Tibor verfolgte auch diesen Gedanken nicht weiter, sondern stieg nach einem letzten, mißtrauischen Blick in die Runde aus dem Sattel und folgte Erik, der ebenfalls abgesessen war und bereits versuchte, sein Maultier auf die Fähre hinaufzubugsieren. Doch das übermüdete und gereizte Tier machte dem schlechten Ruf seiner Rasse alle Ehre und war nur mit Gewalt überhaupt dazu zu bewegen, sich von der Stelle zu rühren.

Tibor band seine Stute auf der Fähre fest, ging zu Erik zurück und half ihm, das Maultier vollends auf die Plattform hinaufzuhieven.

Der junge Nordmann nickte dankbar, wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und wollte unverzüglich nach dem Zugseil der Fähre greifen, aber Tibor hielt ihn noch einmal zurück.

»Warte«, sagte er. »Einen Moment noch. Irgend etwas gefällt mir hier nicht.«

»So?« brummte der Nordmann ungeduldig. »Und was beunruhigt den Herrn?«

Tibor blickte ihn einen Moment lang an, dann zuckte er mit den Achseln. Wie sollte er Erik etwas erklären, das er selbst kaum verstand? Es war ja nur ein Gefühl.

»Zum Beispiel, daß die Fähre hier so herrenlos herumliegt«, sagte er schließlich.

Erik grinste. »Wer stiehlt schon eine Fähre?« fragte er scherzhaft. »Und nun komm. Ich will endlich in die Stadt und sehen, ob sie ein Wirtshaus haben, in dem es ein gutes Bier gibt.«

So ganz zerstreuten Eriks Worte Tibors Bedenken allerdings nicht. Aber er sah auch ein, daß sich das Rätsel – wenn es eines war – nicht lösen würde, wenn sie hier herumstanden. So griff auch er nach dem Zugseil und half Erik, die Fähre von der Stelle zu bewegen.

Es war eine schwere und schweißtreibende Arbeit, das plumpe Gefährt gegen den Sog der Strömung zum anderen Ufer zu bewegen, und für die nächsten Minuten dachte er nicht an einen verschwundenen Fährmann oder sonderbare Schatten, sondern konzentrierte sich ganz darauf, sich Stück für Stück am rauhen Seil entlangzuhangeln.

Nach einer Ewigkeit – wie es ihm schien – erreichten sie das andere Ufer. Erik sprang mit einem kraftvollen Satz von der Fähre, knotete das Haltetau fest und griff nach dem Zaumzeug seines Maultieres.

Bevor er überhaupt reagieren konnte, hatte es ihn gebissen. Erik ächzte vor Schmerz und Überraschung, als die kräftigen Zähne des Maulesels so fest in seine Hand zwickten, daß Blut über seine Finger lief. Tibor konnte sich allerdings ein schadenfrohes Lachen nicht ganz verkneifen.

»Blödes Vieh!« schimpfte Erik und fügte mit einem wütenden Blick in Tibors Richtung hinzu: »Ich weiß überhaupt nicht, was es da zu lachen gibt. Das tut verdammt weh!«

Tibor verstummte schuldbewußt. »Verzeih«, sagte er. »Es sah nur so komisch aus.« Er trat auf Erik zu und wollte nach seiner verletzten Hand sehen, aber Erik drehte sich mit einem wütenden Ruck um und tauchte den Arm bis zum Ellbogen ins Wasser, bis die Wunde, die nicht sehr tief war, zu bluten aufhörte. Dann kam er zurück und versuchte noch einmal – weitaus vorsichtiger – das Muli von der Fähre zu ziehen. Tibor half ihm, aber selbst mit vereinten Kräften machte es Mühe, das bockende Tier aufs Ufer hinaufzuzerren.

Als sie es endlich geschafft hatten, blieb Tibor erschöpft stehen, fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht und wartete, bis sich sein Atem ein wenig beruhigt hatte. Dann ging er auf die Fähre zurück, band seine Graustute los und schnalzte mit der Zunge.

Doch auch sein Tier bewegte sich nicht.

Diesmal war es Erik, der ein schadenfrohes Gelächter anstimmte.

Tibor sah die Stute mit einer Mischung aus Ärger und Verwirrung an. Er ritt das Tier jetzt seit annähernd einem Jahr, und es hatte ihm noch niemals den Gehorsam verweigert. Doch plötzlich fiel ihm auf, wie nervös die Graustute war. Ihre Ohren zuckten unablässig, der Schwanz peitschte hin und her, und ihre Nüstern waren gebläht. In diesem Zustand hatte sie Tibor noch nie erlebt. Sie bewegte sich nicht einmal von der Stelle, als er am Zügel zog und ihr gleichzeitig beruhigend zuzureden begann.

»Was ist los?« fragte Erik spitz. »Du lachst ja gar nicht mehr.«

Tibor schenkte ihm einen bösen Blick und fuhr fort, beruhigend auf die Stute einzureden. Schließlich gelang es ihm wirklich, das Tier von der Fähre herunter zu bekommen; wenn auch nur mit sehr großer Geduld und schier endlosem Zureden. Als er in den Sattel stieg, warf sie ihn beinahe ab.

Erik lachte nicht mehr, sondern stieg ebenfalls auf und betrachtete die beiden Tiere nachdenklich. »Was ist bloß mit den blöden Viechern los?« fragte er stirnrunzelnd. »Die sind ja wie ausgewechselt!«

Tibor sah nachdenklich zur Stadt hinauf. Obwohl sie ihr schon so nahe gekommen waren, daß sie das Muster des Mauerwerks erkennen konnten, war noch immer kein menschliches Wesen zu entdecken. Die Zinnen und Türme waren leer, hinter den Fenstern war nichts als Dunkelheit, und das weit offenstehende Tor gähnte wie ein häßliches Loch in der Stadtmauer. Nur die Schatten waren wieder da. Und noch etwas…

»Das gefällt mir nicht«, sagte Tibor. Erik seufzte, aber Tibor schüttelte den Kopf und fuhr mit einer Geste auf ihre beiden Reittiere fort: »Die Tiere sind nervös.« »Und?«

»Sie haben viel feinere Sinne als wir«, behauptete Tibor. »Manchmal spüren sie eine Gefahr lange vor den Menschen.«

Erik verdrehte in übertriebenem theatralischem Entsetzen die Augen. »Fängst du schon wieder an zu unken?« fragte er. »Die Viecher sind müde, das ist alles!« »Und die Stadt?« fuhr Tibor unbeeindruckt fort. »Sie hätten uns lange bemerken müssen.«

Erik wirkte für einen kleinen Moment unsicher und irritiert. Dann schüttelte er fast zornig den Kopf. »Vielleicht haben sie ja Angst vor uns«, sagte er ärgerlich.

Noch bevor Tibor irgend etwas darauf erwidern konnte, rammte er seinem Maulesel so kräftig die Fersen in die Seiten, daß das Tier mit einem erschrockenen Satz loslief.

»Ja«, murmelte Tibor leise. Abermals sah er zur Stadt hinauf. »Vielleicht hast du sogar recht, mein Freund.« Aber das hörte Erik schon nicht mehr, denn er hatte auf seinem kurzbeinigen Muli bereits einen solchen Vorsprung, daß Tibor sich sputen mußte, ihn überhaupt noch einzuholen.

Kapitel 2

Die Stadt wirkte jenseits ihrer Mauern so unheimlich wie von außen. Sie hatten das Tor durchschritten und waren auf eine breite, sauber gepflasterte Straße gelangt. Aber auch hier waren sie auf keine Menschenseele gestoßen. Die einzige Bewegung kam vom Wind, der Staub und trockenes Laub vor sich hertrieb, und die einzigen Laute waren sein Heulen und die unheimlichen, klackenden Echos der Hufe ihrer Reittiere, die von den Wänden widerhallten.

Tibor schauderte, aber es war keineswegs nur die Einbildung, die ihn frösteln ließ. Es war kalt hier in der Stadt, sehr viel kälter, als es trotz des Windes und der noch frühen Stunde hätte sein dürfen.

»Was mag hier geschehen sein?« murmelte Erik, während sie nebeneinander durch die menschenleere Straße ritten, dem Marktplatz zu, der wie ein verwaschener heller Fleck am Ende der grauen Häuserreihe schimmerte. Erik war immer schweigsamer geworden, mit jedem Schritt, den sie tiefer in die Stadt eingedrungen waren. »Wo sind all diese Menschen geblieben?«

»Vielleicht… sind sie vor einer Krankheit geflohen«, vermutete Tibor.

»Oder sie haben uns gesehen und halten sich versteckt«, fügte Erik hinzu. »Möglicherweise halten sie uns für Räuber und haben wirklich Angst vor uns.«

Keiner von ihnen antwortete auf die Worte des anderen, denn sie spürten beide, daß weder die eine noch die andere Erklärung richtig war. Sie suchten nur beide verzweifelt nach einem Grund für das unheimliche Schweigen, um sich selbst zu beruhigen.

Schließlich erreichten sie den Marktplatz und zügelten ihre Tiere. Tibor sah sich mit einer Mischung aus Neugier und Furcht um. Die Stadt mußte weit größer sein, als es von außen den Anschein gehabt hatte, denn hinter ihnen war die Mauer nur noch als grauer Schemen über den Dächern zu erkennen, und auf der anderen Seite verlor sich sein Blick gar in diffuser Weite, ohne daß die jenseitige Begrenzung der Stadt überhaupt zu erkennen war.

Aber das, dachte Tibor mit plötzlichem, eisigen Schrecken, war etwas, das ganz und gar unmöglich war.

Aber er verschwieg Erik seine Beobachtung. Vielleicht war es ja nur eine Täuschung: eine Luftspiegelung oder ein Streich, den ihm seine übermüdeten Augen spielten. Und er war viel zu müde, um sich mit der Lösung dieses neuerlichen Rätsels jetzt wirklich befassen zu können.

Umständlich stieg er aus dem Sattel, griff die Stute beim Zügel und wies mit der freien Hand auf ein zweistöckiges Gebäude auf der anderen Seite des Platzes, über dessen Eingang ein buntes Schild ein Gasthaus verriet. Darunter stand etwas geschrieben, aber in einer Schrift, die er nicht lesen konnte.

Erik nickte erschöpft und folgte ihm wortlos, aber sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Er fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut, und wahrscheinlich wünschte er sich in diesem Moment nichts mehr, als möglichst weit fort von dieser unheimlichen Stadt zu sein.

Wind und Schatten und Staub begannen heftiger zu tanzen, als sie den Platz überquerten, und für einen kurzen Augenblick glaubte Tibor, leise wispernde Stimmen im Heulen der Böen wahrzunehmen: düstere Dinge in den Schatten, die wie körperlose graue Hände nach ihm und Erik griffen und sich stets zurückzogen, kurz bevor sie sie wirklich erreichten. Mit einemmal war der Spuk wieder vorbei. Aber es blieb etwas wie ein schlechter Geschmack bei Tibor zurück, und er war sich nicht ganz sicher, daß wirklich alles nur Einbildung gewesen war. War da nicht eine leise, aber sehr deutliche Stimme im Wind gewesen, eine Stimme, die »Geht weg! Geht weg!« gerufen hatte, immer und immer wieder?

Erik band seinen Maulesel vor dem Gasthaus an, wartete, bis Tibor es ihm gleichgetan hatte, und stieß die Tür auf, ohne anzuklopfen.

Drinnen war es dunkel und so kalt, daß ihr Atem als weißer Dampf in der Luft erschien und Tibor nicht erstaunt gewesen wäre, hätte er Eis in den Ritzen entdeckt. Und das Zimmer war so leer wie die Stadt, die sie durchquert hatten.

Erik blieb dicht hinter der Tür stehen und rief dreimal nach den Wirtsleuten, wobei er zweimal zwei verschiedene Sprachen gebrauchte, von denen Tibor keine kannte. Die einzige Antwort, die er bekam, war das Echo seiner eigenen Stimme. Schließlich zuckte er mit den Achseln, ging zum Fenster und stieß die Läden auf, um das Tageslicht hereinzulassen.

Und dann ging alles ganz schnell: so rasch, daß Tibor hinterher nicht einmal sicher war, überhaupt etwas gesehen zu haben; sicher war er sich nur, daß Erik, der noch immer zum Fenster gewandt dastand, nicht einmal etwas davon bemerkt hatte. Aber für einen ganz kurzen Moment, einen flüchtigen Augenblick, in dem die Dunkelheit dem hereinströmenden Licht wich, es aber noch nicht wirklich hell werden ließ, hatte er den Eindruck, etwas davonhuschen zu sehen: etwas Großes und Dunkles, Körperloses, das sich mit einer sonderbar flatternden Bewegung aus den Winkeln und Ecken erhob und in die Schatten floh.

»Was hast du?« fragte Erik plötzlich. Er hatte sich wieder herumgedreht und sah Tibor an, und Tibor begriff, daß sein Schrecken ziemlich deutlich auf seinem Gesicht geschrieben sein mußte.

»Nichts«, sagte er hastig.

»Nichts?« Erik runzelte die Stirn und sah ihn mißtrauisch an. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen!«

»Es ist nichts«, sagte Tibor noch einmal. »Ich bin müde, das ist alles.« Er versuchte zu lächeln, um seine Worte zu unterstreichen, aber so ganz gelang es ihm nicht. Zu seiner Erleichterung gab sich Erik mit dieser Erklärung zufrieden und begann ohne ein weiteres Wort das Zimmer zu durchsuchen. Tibor half ihm dabei.

Viel war es allerdings nicht, was sie fanden. Die Gaststube war recht groß, aber vollkommen leer. Die Töpfe und Tiegel hinter der Theke waren blank geputzt und so säuberlich aufgereiht wie Soldaten bei einer Parade. Und auch die anschließende Küche und der Vorratsraum boten keinen anderen Anblick: sauber und ordentlich aufgeräumt, aber leer bis auf den letzten Brotkrumen.

»So eine Schweinerei«, schimpfte Erik, als sie in die Gaststube zurückkamen. »Nicht einen Bissen haben sie uns zurückgelassen!«

»Wir haben genügend eigene Vorräte«, antwortete Tibor. »Zumindest wissen wir jetzt, daß die Leute hier nicht vor Räubern oder einem feindlichen Heer geflohen sind. Und auch nicht vor der Pest.«

»Ach?« fragte Erik. »Und woher wissen wir das?«

Tibor machte eine Bewegung mit der Hand, die den gesamten Raum einschloß. »Dann sähe es hier anders aus«, erklärte er. »Wer immer hier gelebt hat, ist nicht in Panik geflohen, sondern hat Zeit gehabt, seine Dinge zu ordnen und dieses Haus in tadellosem Zustand zurückzulassen.« »Vielleicht kommen sie ja wieder«, vermutete Erik. »Sollen wir nachsehen, ob es in den anderen Häusern ähnlich aussieht?«

»Nein«, sagte er. »Ich bin müde, und du auch. Laß uns lieber nach oben gehen und schauen, ob sie wenigstens das Bettzeug dagelassen haben.«

Nacheinander gingen sie die schmale, ausgetretene Treppe zum oberen Stockwerk hinauf. Diesmal hatten sie mehr Glück. Schon im ersten Zimmer fanden sie ein frisch bezogenes Bett und weitere in den Nebenzimmern. Erik ging noch einmal nach unten, um das Gepäck zu holen und sich davon zu überzeugen, daß ihre Tiere sicher angebunden waren.

Tibor bekam nicht einmal mehr mit, wie Erik zurückkam. Er hatte sich bereits in voller Kleidung aufs Bett gelegt und war eingeschlafen.

Kapitel 3

Als Erik ihn weckte, hatte er das Gefühl, die Augen gerade erst geschlossen zu haben. Er fühlte sich müder als zuvor und war so benommen, daß er im ersten Moment nicht einmal begriff, wer der Schatten war, der da an seiner Schulter rüttelte, geschweige denn, was er von ihm wollte.

»Laß mich«, murmelte er verschlafen. Er schob Eriks Hand beiseite und wollte sich zur Wand umdrehen, aber Erik zerrte ihn grob in die Höhe und deutete mit der anderen Hand zum Fenster.

»Zum Teufel, Tibor, wach endlich auf!« fauchte der Nordmann zornig. »Es kommt jemand!«

Tibor blinzelte, setzte sich mühsam auf und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Die Benommenheit wich nur langsam, und für einen Moment mußte er mit aller Gewalt gegen die Verlockung ankämpfen, Eriks Worte einfach zu ignorieren und weiterzuschlafen. Er gähnte ungeniert, rieb sich die Augen und blinzelte verschlafen zu Erik hoch.

»Es kommt jemand?« murmelte er.

»Reiter!« Erik nickte erregt. »Sehr viele Reiter. Man hört sie ganz deutlich!« Er deutete aufgeregt zum Fenster und rollte ungeduldig mit den Augen, als Tibor für seinen Geschmack viel zu langsam aufstand.

Tatsächlich hörte auch Tibor deutlich das Hufgetrappel von Pferden, als er Erik zum Fenster gefolgt war und einen Moment gelauscht hatte. Zu sehen war zwar noch nichts, aber das Geräusch war eindeutig. So verlassen, wie diese Stadt ihnen bisher vorgekommen war, war sie wohl doch nicht.

»Laß uns hinuntergehen«, sagte Erik. »Sie werden unsere Tiere sehen und nach uns suchen.«

Tibors Blick suchte die Sonne, ehe er sich umwandte und Erik folgte. Ihrem Stand nach zu schließen, hatte er kaum zwei Stunden geschlafen. Kein Wunder, daß er sich noch wie gerädert fühlte.

Die Schatten waren vollends ins Nichts zurückgekrochen, als sie die Gaststube durchquerten, und der Raum war jetzt nichts weiter als ein großes, leeres Zimmer, in dem sich schon der Staub breitzumachen begann. Und auch an der Stadt war nichts Unheimliches oder gar Bedrohliches mehr, als er hinter Erik aus dem Haus trat und den Blick über das weite, verlassene Areal des Marktplatzes gleiten ließ.

Der Hufschlag war lauter geworden, aber noch immer war von den Reitern nichts zu sehen. Dabei mußten sie schon sehr nahe sein, Tibor konnte bereits den Widerhall der einzelnen Hufschläge hören, dazwischen das schwere Schnauben der Pferde, das Knarren von ledernem Sattelzeug und das Klirren von Metall. Erik hatte recht. Es mußten sehr viele sein, ein Dutzend oder mehr.

Aber sie kamen nicht in Sicht.

Der donnernde Hufschlag wurde lauter und lauter, schwoll mehr und mehr an. Es war ein bizarrer, unheimlicher Moment: Der Platz erzitterte unter den dröhnenden Hufschlägen eines kleinen Heeres, in der Luft lag das Wiehern der Pferde, das Rufen und Schreien der Männer und das Klirren von Waffen und metallbeschlagenem Sattelzeug.

Aber sie waren allein, und rings um sie herum regte sich nicht einmal der Wind.

»Tibor, was… was ist das?« keuchte Erik. Er war leichenblaß geworden. Seine Hände zitterten. »Das ist Hexerei!« Tibor schwieg. Instinktiv war er wieder zurückgewichen, bis er halbwegs unter der Tür und im Haus war, obwohl er ebenso wußte, daß ihm dieses Haus keinen Schutz bieten würde.

Der Lärm schwoll weiter an, wuchs zu einem irrsinnigen Crescendo, bis die ganze Stadt unter dem Dröhnen eines gewaltigen Heeres zu zittern schien. Tibor glaubte sogar den Staub und den scharfen Schweiß der Pferde zu riechen.

Aber der Platz vor ihnen war leer!

»Teufelswerk!« keuchte Erik. »Was geht hier vor?«

Tibor wollte antworten, aber der Lärm schwoll noch weiter an, und es war unmöglich zu reden. Was zuerst wie das Geräusch von vielleicht ein oder zwei Dutzend Reitern geklungen hatte, wurde zu einem infernalischen Getöse, als galoppiere ein nach Tausenden zählendes Heer durch die Stadt. Der Boden unter ihren Füßen zitterte, und schließlich begann selbst das Glas in den Fenstern zu klirren.

Und ebenso langsam, wie der Lärm gekommen und angeschwollen war, ebbte er auch wieder ab. Es dauerte lange, bis sie überhaupt wieder miteinander reden konnten, ohne schreien zu müssen.

Erik wandte sich um. Sein Gesicht war bleich wie eine frisch gekalkte Wand und seine Augen vor Schreck geweitet. »Was… was war das?« stammelte er. »Tibor, was war das?« Plötzlich sprang er auf Tibor zu und packte ihn so heftig an beiden Schultern, daß es weh tat.

Tibor schlug seine Arme beiseite und sprang einen Schritt zurück. »Das weiß ich so wenig wie du!« rief er. »Verdammt, Erik, beruhige dich.«

Aber der Nordmann beruhigte sich nicht. Er folgte Tibor zwar nicht, aber in seinem Gesicht zuckte es, und er schluckte ununterbrochen. Sein Atem ging so schnell, als wäre er stundenlang gerannt. »Ich… ich will hier raus«, stammelte er, »raus aus dieser verdammten Stadt!«

Plötzlich schrie er auf, fuhr herum und wollte aus dem Haus stürmen, aber Tibor vertrat ihm mit einem raschen Schritt den Weg und stellte ihm ein Bein. Erik stolperte, fiel der Länge nach hin und blieb einen Moment lang benommen liegen.

»Nun?« fragte Tibor, nachdem er sich wieder hochgerappelt hatte. »Wieder beruhigt?«

Erik nickte. Aber das Flackern in seinem Blick besagte das Gegenteil. Tibor ließ den jungen Nordmann keine Sekunde aus den Augen, während er sich aufrichtete und umständlich den Schmutz aus seinen Kleidern klopfte. Das Dröhnen der Pferdehufe war noch immer zu vernehmen, aber es entfernte sich und wurde leiser.

»Ich will hier weg«, sagte Erik plötzlich ganz ruhig, aber auch mit großer Entschlossenheit. »Diese Stadt ist verhext, Tibor. Hier gibt es böse Geister.«

Tibor nickte. Er war nicht sicher, daß die Erklärung für ihr unheimliches Erlebnis wirklich so einfach war, wie Erik glaubte. Aber in einem Punkt hatte er sicher recht – daß sie von hier verschwänden sollten, so rasch es nur ging.

»Gut«, sagte er. »Sattele die Tiere. Ich gehe inzwischen nach oben und hole unser Gepäck.«

Auf Eriks Gesicht machte sich ein Ausdruck deutlicher Erleichterung breit. Er lächelte, wenn auch etwas gezwungen, drehte sich herum – und erstarrte mitten in der Bewegung. Ein überraschtes Keuchen kam über seine Lippen.

»Was hast du?« fragte Tibor alarmiert.

»Dort drüben!« Erik deutete erregt über den Platz. »Da ist jemand. Ein Mensch!«

Tibor blickte in die Richtung, in die Eriks ausgestreckter Arm wies. Und tatsächlich sah er auch etwas: eine Gestalt, groß, aber angstvoll geduckt, in graue Lumpen gekleidet, die einen fast mannslangen Knüppel in der Rechten trug. Nicht länger als eine Sekunde blieb der Mann reglos so stehen, kaum weniger überrascht als Erik und er, dann fuhr er herum und war mit einem einzigen Satz in einer Lücke zwischen zwei Häusern verschwunden.

»Den schnappen wir uns!« rief Erik. »Los!« Und damit stürmte er auch schon los, so rasch, daß Tibor keine Zeit fand, ihn auch nur mit einem Wort zurückzuhalten. All seine Furcht schien im Augenblick vergessen.

Tibor schluckte einen Fluch herunter und folgte ihm, so schnell er konnte. Aber Erik spurtete in einem Tempo los, mit dem er nicht mitkam. Als er in die Gasse stürmte, in die der Fremde verschwunden war, betrug sein Vorsprung schon ein gutes Dutzend Schritte. Tibor verdoppelte seine Anstrengungen, ihn einzuholen. Gleichzeitig begann er aus Leibeskräften Eriks Namen zu rufen.

Wie zur Antwort erscholl aus der Gasse ein zorniger Schrei. Und als Tibor um die Ecke bog, bot sich ihm ein erschreckender Anblick: Erik war nur mehr wenige Schritte vor ihm, aber er war nicht mehr allein. Gleich vier oder fünf zerlumpte Gestalten bedrängten ihn und versuchten, den jungen Hünen niederzuringen. Erik wehrte sich aus Leibeskräften und ließ die gewaltigen Fäuste fliegen, aber die Übermacht war zu groß.

Tibor stieß einen erschrockenen Ruf aus und wollte ihm zu Hilfe eilen, doch in diesem Moment flog neben ihm eine Tür auf, und plötzlich sah auch er sich von gleich drei in Fetzen gehüllte Gestalten umringt.

Es war nicht einmal ein richtiger Kampf. Tibor packte zwar den ersten Mann, der auf ihn zustürmte, am Arm, vollführte eine blitzartige halbe Drehung und versetzte ihm so noch mehr Schwung, als er schon hatte. Der Kerl stolperte an ihm vorüber und kollidierte reichlich unsanft mit der gegenüberliegenden Wand. Aber noch bevor er mit einem gurgelnden Schrei zusammensinken konnte, fühlte sich Tibor von ungemein starken Fäusten gepackt und niedergerungen. Er fiel auf die Knie, bäumte sich noch einmal auf und sank vollends nach vorne, als ein harter Schlag seinen Nacken traf.

Einen Moment lang blieb er benommen sitzen. Das Blut rauschte in seinen Ohren, und für einige kurze Sekunden spürte er die dunkle Hand der Bewußtlosigkeit nach seinen Gedanken greifen.

Als sich sein Blick wieder klärte, lag er mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen am Boden, gleich neben Erik, der auf dieselbe Art gefesselt war. Ein gutes halbes Dutzend zerlumpter Gestalten umstanden sie, und der Ausdruck, den er in ihren Blicken las, ließ ihn das Schlimmste befürchten.

»Was wollt ihr von uns?« fragte er mühsam. »Warum greift ihr uns an? Wir haben euch nichts getan!«

Statt einer Antwort beugte sich einer der Burschen vor und schlug ihm mit der flachen Hand über den Mund.

»Schweig!« schrie er aufgebracht. »Oder ich bringe dich gleich hier um!« Er ballte die Faust, als wolle er seine Ankündigung auf der Stelle wahr machen, aber einer der anderen riß ihn grob an der Schulter zurück und fuhr ihn an: »Laß das! Barok soll entscheiden, was mit ihnen zu geschehen hat!«

»Was gibt es da zu entscheiden?« fauchte der Bursche. Tibor erkannte ihn jetzt. Es war der, den er gegen die Wand geschleudert hatte. Sein Gesicht war bleich, und aus seiner Nase lief Blut. »Schlagt sie tot, auf der Stelle, ehe sie uns alle umbringen können!«

»Du wirst warten, bis Barok hier ist«, sagte der andere befehlend.

»Ihr täuscht euch in uns, ihr Herren!« sagte Tibor. »Wir wollen euch nichts…«