Der Zwillingseffekt - Tal M. Klein - E-Book

Der Zwillingseffekt E-Book

Tal M. Klein

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 2147. Nanotechnologie verhindert den Alterungsprozess, genmodifizierte Mücken ernähren sich von Kohlenstoffdioxid statt von Blut und man reist nicht mehr mit dem Flugzeug sondern via Teleportation. Es ist die Welt von Joel Byram. Ein durchschnittlicher Typ mit durchschnittlichen Problemen – sein Job als KI-Coach langweilt ihn und seine Ehe mit der hübschen Sylvia steht vor dem Aus. Ein Kurztrip nach Costa Rica soll neuen Schwung in die Beziehung bringen, doch dann passiert es: Joel wird beim Teleportieren versehentlich dupliziert. Nicht genug damit, dass Sylvia nun mit seinem Doppelgänger urlaubt, jetzt wird Joel auch noch von dem mächtigen Konzern International Transport gejagt ...

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Seitenzahl: 476

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Das Buch

Im Jahr 2147 hat sich die Welt radikal verändert: Innovative Nanotechnologie hat die klassische Medizin ersetzt, genmanipulierte Mücken halten die Luft in den Großstädten sauber, und der mächtige Weltkonzern International Transport hat mit der Erfindung der Teleportation das Reisen monopolisiert. Es ist die Welt von Joel Byram, einem durchschnittlichen New Yorker mit durchschnittlichen Problemen –, sein Job als KI-Coach langweilt ihn und aus seiner Ehe mit der hübschen Physikerin Sylvia ist die Luft raus. Um ihre Beziehung zu retten, wollen die beiden Urlaub in Costa Rica machen. Dorthin lassen sie sich natürlich teleportieren. Doch während Sylvia problemlos in San José ankommt, geht bei Joel alles schief. Erst gibt es einen Anschlag auf das Teleportationszentrum, und dann wird er selbst versehentlich dupliziert. Nun gibt es zwei Joels – einen in Costa Rica bei Sylvia und einen in New York! Kurz darauf überschlagen sich die Ereignisse: Sylvia wird entführt, die beiden Joels geraten ins Visier einer religiösen Sekte und werden von International Transport verfolgt. Und bald kommen Joel und Joel einem dunklen Geheimnis rund um das Wunder der Teleportation auf die Spur. Ein Geheimnis, bei dem es um Leben und Tod geht …

Der Autor

Tal M. Klein wurde in Israel geboren und ist in New York aufgewachsen. Für sein Debüt Der Zwillingseffekt wurde er von der Presse hymnisch gefeiert, eine Verfilmung des Stoffes ist ebenfalls geplant. Tal M. Klein lebt mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Töchtern in Detroit.

Besuchen Sie uns auf:

Roman

Aus dem Amerikanischen übersetztvon Bernhard Kempen

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Titel der amerikanischen Originalausgabe THE PUNCH ESCROWCopyright © »Karma Chameleon« by Universal Music Publishing Group, BMG Rights Management US, LLC

Copyright © »Bette Davis Eyes« Danna Weiss Music, Inc. and Plain and Simple Music

Deutsche Erstausgabe 05/2018

Redaktion: Ralf Dürr

Copyright © 2017 by Tal M. Klein

Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlagillustration: M. S. Corley

Umschlaggestaltung: Das Illustrat GbR, München

Satz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-22309-0V001www.diezukunft.de

McCoy: Wohin gehen wir denn eigentlich?Kirk: Wo die hin sind.McCoy: Was, wenn die nirgendwohin sind?Kirk: Dann hättest du die große Chance, für immer zu verschwinden.

Star Trek: Der Zorn des Khan

Rosen sind rotVeilchen sind blauEigentlich sind Veilchen violett

Schwertlilien auch

Ab initio

WENNSIEDASLESEN, sind Sie offiziell dafür verantwortlich herauszufinden, was als Nächstes zu tun ist. Ich bin aus dem Schneider, weil ich wahrscheinlich tot bin. Damit habe ich die Verantwortung weitergegeben. Sie dürfen jubeln.

Mein Problem ist, dass mir nicht ganz klar ist, wie viel Sie wissen und, was viel wichtiger ist, wie viel Sie wissen müssen – weil Sie sich in der Zukunft befinden und ich in der Vergangenheit. Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn wir mit der vergangenen Vergangenheit anfangen, also mit Sachen, die in meiner Vergangenheit passiert sind, die für meine Gegenwart relevant ist, die immer noch Ihre Vergangenheit ist, aber nun möglicherweise Bedeutung für Ihre Gegenwart hat.

Erzählt man Ihnen in der Schule immer noch von der Da-Vinci-Ausstellung? Vielleicht wäre das ein guter Anfang.

Stab!

TODDERMONALISADURCHTELEPORTATION.

Genauer gesagt, war es die Schuld eines Sonnensturms während der Teleportation des Meisterwerks von da Vinci. Es geschah am 15. April 2109. Das Gemälde sollte für eine Kunstausstellung von Rom nach New York teleportiert werden, als ein riesiger Flare auf der Sonnenoberfläche ausbrach und einen sogenannten koronalen Massenauswurf auf Kollisionskurs zur Erde schickte. Man kann es sich wie einen platzenden Pickel auf der Stirn der Sonne vorstellen, nur dass der Pickel etwa die Größe der Venus hatte und der austretende Eiter eine elektromagnetische Gülleflut war. Gut, das ist ein ziemlich krasser visueller Vergleich, aber jetzt ist er in Ihrem Kopf drin und aus meinem raus.

Dieser Sonnensturm traf die Erde mit solcher Wucht, dass der Himmel ionisiert wurde. Er bildete eine riesige Wolke aus hyperaktiven Elektronen, die in der Atmosphäre über Italien herumschwirrten. In Rom brannte sämtliche Elektronik durch. Auch Tausende von Implantaten, Autos, Drohnen, Stadtbussen und diesen niedlichen italienischen Motorrollern, die durch die Stadt sausen. Hundertfünfunddreißig Menschen starben. Mehrere Hundert wurden bei Verkehrsunfällen verletzt. Doch der größte Verlust in den Augen der weltweiten Gemeinschaft war das Verschwinden des sechshundert Jahre alten Porträts einer Frau mit geheimnisvollem Lächeln.

Damals gab es die Frachtteleportation erst seit etwa vier Jahren. Die Sache funktionierte ungefähr so, wie Sie es vielleicht in alten Filmen gesehen haben. Ein Gegenstand wurde in eine Kammer gelegt, gescannt und dann ohne Zeitverzögerung in eine Empfangskammer an einem anderen Ort gesendet. Es hatte nur sehr wenige Unfälle gegeben, seit die Technik kommerziell genutzt wurde, hauptsächlich, weil der Prozess innerhalb einer so kurzen Zeitspanne stattfand.

Doch während dieses einen kritischen Moments am 15. April 2109 gerieten alle Elemente des Prozesses gleichzeitig aus den Fugen. Es gab kein Sicherungssystem. Kein Back-up. Die Plasmawolke traf Rom exakt in dem Augenblick, als ein bedauernswerter Techniker die Teleportation der Mona Lisa startete. Ein weltweit bewundertes Kunstwerk wurde gescannt, in den Äther gebeamt – und tauchte nie auf der anderen Seite auf. Anordnungen von Atomen, die jahrhundertealte Pinselstriche eines Meisters darstellten, lösten sich plötzlich in nichts auf. Das Gemälde verwandelte sich in eine Wolke aus wertlosem grauem Quantenschaum.1

Es war nicht die Schuld des Technikers. Auch dem Teleportationsprozess konnte man es nicht zum Vorwurf machen. Es war einfach nur Zufall, dass eine extrem unwahrscheinliche Sonneneruption im selben Moment stattfand, in dem ein außerordentlich kostbares Gemälde von einem Ort zum anderen transportiert werden sollte. Statistisch bewegte sich die Wahrscheinlichkeit im Bereich von eins zu 3,57 Trillionen. Aber wie uns das Universum immer wieder gern in Erinnerung ruft, halten sich schwarze Schwäne nicht an die Regeln. Und dies war ein ausgesprochen launenhafter Schwan.

Sicher, es kommt ständig zu Unfällen. An diesem Unglückstag sanken Schiffe, stürzten Drohnen ab, kollidierten Lastwagen – alle mit wertvoller Fracht und kostbaren Seelen an Bord. Irgendein Fahrzeug, mit dem die Mona Lisa vielleicht stattdessen transportiert worden wäre, hätte ebenso durch den Sonnensturm verunglücken können. Aber mitzuerleben, wie sich ein einmaliges und einzigartiges Kunstwerk einfach verflüchtigt – das hatte eine nachhaltige Wirkung auf die Menschen.

Das Da-Vinci-Ausstellungs-Mem trug mehr als alles andere zur Entwicklung des Punch-Puffers bei. Und es war natürlich der Punch-Puffer, der die Teleportation von Menschen möglich machte – sie zu »punchen«, wie es kurz darauf allgemein bezeichnet wurde. Sie wurde nicht nur möglich, sondern galt von nun an als die sicherste Transportmethode überhaupt. Unserem kollektiven Bewusstsein wurde die Tatsache eingebläut, dass seit der Kommerzialisierung der Personenteleportation im Jahr 2126 kein einziger Mensch verschwunden ist, beziehungsweise verstümmelt, verändert oder anderweitig geschädigt wurde.

Bis ich kam.

Aber dazu später mehr. Fürs Erste wollen wir jener geheimnisvollen Renaissance-Lady gedenken, La Gioconda, die mehr Besucher anlockte als jedes andere Gemälde der Welt und deren entrücktes Lächeln dazu führte, dass die Personenteleportation zum größten Erfolg unserer Zeit wurde.

Ciao, bella.

1 Quantenschaum (auch als Blasen in der Raumzeit beschrieben) ist der Stoff, aus dem das Universum gemacht ist. Er wurde 1955 von John Wheeler theoretisch postuliert, 2055 von Kristina Wheeler (keine Verwandtschaft zu John) offiziell diskreditiert und 2105 von Suzanne Wheeler (keine Verwandtschaft zu John oder Kristina) schließlich mithilfe des Quantentunnelmikroskops »entdeckt«. Quantenschaum ist im Wesentlichen eine qualitative Beschreibung subatomarer Turbulenzen der Raumzeit bei extrem kurzen Distanzen (im Bereich der Planck-Länge). Bei diesen winzigen Größenordnungen von Raum und Zeit ist es durch die Heisenberg’sche Unschärferelation möglich, dass Energie für einen kurzen Moment in Teilchen und Antiteilchen zerfällt, die sich sogleich wieder annihilieren, ohne dass die physikalischen Erhaltungssätze verletzt werden. Je kleiner diese Größenordnungen von Zeit und Raum, desto größer die Energie der virtuellen Teilchen. Gemäß Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie wird die Raumzeit durch Energie gekrümmt. Wheeler (in diesem Fall Suzanne) konnte schlüssig beweisen, dass die Energie dieser superwinzigen Fluktuationen in der Raumzeit auf der Ebene der kristallisierten Zeit groß genug ist, um signifikante Abweichungen von der glatten Raumzeit, wie sie in einem größeren Maßstab erscheint, auszulösen. Dadurch erhält die Raumzeit eine »schaumartige« Eigenschaft, die eindeutig gemessen und diskret beeinflusst werden kann. Mit anderen Worten: Wissenschaftler hatten Gottes Legosteine in die Finger bekommen und konnten damit nun alles bauen, was ihr Herz begehrte.

Symmetriebruch

DASERWACHENWAREINETORTUR.

Keine Ahnung, wie viel Volt ich eingesteckt hatte. Vorsichtig geschätzt bestimmt genug, um meine Wohnung ein oder zwei Stunden lang mit Energie zu versorgen.

Gemurmel war das Erste, was ich hörte.

Was zum Teufel ist passiert? Wurde ich vom Blitz getroffen oder was?

Weiteres Gemurmel.

Eine Frauenstimme. Ich war mir nicht sicher, was sie sagte, aber ja, es war definitiv eine Frau.

Meine Verwirrung schwächte mich zu sehr, um mich darüber hinaus auf die Worte oder die Identität der Sprecherin konzentrieren zu können. Sonst war da nur dieses schreckliche Klingeln. Und das Violett.

Wenn ich als Kind wütend war, drückte ich meine Augen so fest wie möglich zu. Irgendwann wurde aus dem Pechschwarz ein dunkles Violett.

Öffne die Augen!

Meine Lider reagierten nicht. Ich sah nicht mehr als dieses Violett.

Ich erinnerte mich daran, gelesen zu haben, dass sich das Gehirn eines Blinden neu verkabelt, um den visuellen Cortex nutzen zu können, den es dann sozusagen missbraucht, um die Verarbeitung anderer Informationen wie Geräusche und Berührungen zu verbessern. Auf diese Weise lernen manche Blinde, sich mit Echo-Ortung zurechtzufinden. Sie nutzen reflektierte Schallwellen, um ein mentales Bild ihrer Umgebung zu erstellen, wie es Fledermäuse oder Delfine tun.

Abe, einer der Leute, mit denen ich zusammenarbeitete, war dazu imstande. Er kam blind zur Welt, aber seine Eltern gehörten den Fundamentalisten der Drei Religionen an, also ließen sie nicht zu, dass er als Kind mit Implantaten ausgestattet wurde. Als er älter war, gab er die Religion auf und lief von zu Hause weg. In seinen weltlichen Zwanzigern bekam er endlich sein Kom, aber er lehnte es ab, sich künstliche Augen implantieren zu lassen. Blind zu sein war ein wesentlicher Teil seiner Identität. Ich erinnerte mich, wie er behauptete, die Entfernung, Größe, Struktur und Dichte eines Gegenstands bestimmen zu können, indem er dreimal pro Sekunde mit der Zunge schnalzte. Ich hatte Fotos von ihm gesehen, wie er Wandern ging und mit dem Fahrrad unterwegs war, also stimmte es vielleicht sogar. Aber er war genauso ein Besserwisser wie ich, also besteht durchaus die Chance, dass er Scheiße erzählt hat.

Nur zum Spaß legte ich die Zunge an den Gaumen und schnalzte.

Klick. Klick. Klick.

Es funktionierte! Nicht das mit der Echo-Ortung, aber meine Zunge gehorchte! Fortschritt!

Ich versuchte, blinzelnd die Augen zu öffnen. Viel zu hell!

Die Stimmen wurden deutlicher. Gemurmel war zu vernehmen, das nach einer nahöstlichen Sprache klang, einer der levantinischen Sprachen, vermutete ich.

Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand und zu wem der nur unscharf erkennbare Kopf gehörte, der mit mir zu kommunizieren versuchte. Jetzt strahlte mir jemand mit einem Licht, das wie eine Verhörlampe aussah, ins Gesicht, blendete mich damit und löste sogar noch heftigere Kopfschmerzen aus.

»He! Macht das aus!« Wie es schien, funktionierten auch meine Stimmbänder wieder.

»Ahlan habibi«, begrüßte mich das verschwommene Gesicht. Ich roch Kardamom und Jasmin. »Mein Name ist Ifrit. Geht es Ihnen gut?«

»Nein, es geht mir nicht gut. Könnten Sie bitte aufhören, mich mit diesem Ding anzuleuchten?«

Die helle Verhörlampe ging aus.

Sie fragte mich erneut, ob es mir gut ging.

Ich rieb mir die Schläfen und stöhnte. »Zumindest bin ich nicht tot.«

Ifrits verwaschenes Gesicht nahm deutlichere Konturen an. Sie war Ende zwanzig oder Anfang dreißig, mit attraktiven nahöstlichen Zügen – kaffeefarbenes Haar, dunkle Mandelaugen und olivfarbene Haut.

»Es tut mir leid, dass wir Sie schocken mussten, aber unser Sicherheitssystem mag keine unbefugten Besucher.«

»Na gut. Danke.«

Ich blickte mich um. Abgesehen von der Frau, die sich um mich kümmerte, hatte der Raum, in dem ich mich befand, nichts Bemerkenswertes an sich. Warum haben sie mich hierher geschickt? Es war irgendein Konferenzraum, ähnlich wie der, aus dem ich kurz zuvor entkommen war, obwohl die verhältnismäßig dürftige Einrichtung darauf hindeutete, dass man hier nur ein sehr geringes Budget für dekorative Elemente zur Verfügung hatte. Zum Beispiel war der Tisch, auf dem ich lag, aus Plastik und nicht aus Holz, und die Stühle waren weniger »ergonomisch bequem«, sondern eher »pragmatisch schmerzhaft« gestaltet. Allerdings stand ein mittelgroßer Drucker neben der Tür. Ein brandneues Modell, das den größten Teil einer Arbeitsfläche einnahm, ein ungewöhnlich kostspieliger Einrichtungsgegenstand in einem ansonsten kargen Raum.2

Aber ich hatte es geschafft. Ich war am Leben.

Tu es jetzt!

Diesen Moment hatte ich vor meiner Flucht immer wieder im Kopf durchgespielt.

»Mein Name ist Joel Byram. Man will mich töten. Mein Kom wurde deaktiviert. Ich brauche Hilfe!«

»Psst!«, machte Ifrit vorwurfsvoll. »Sie müssen nicht brüllen. Wir können Sie hören.«

Anscheinend habe ich gebrüllt. Moment – »wir«?

Unter Schmerzen hob ich den Kopf, um mich zu orientieren. Hinter Ifrit, am Kopfende des Tischs, auf dem ich lag, saß ein schlanker, elegant gekleideter älterer Mann mit grau meliertem Haar. Das Erste, was mir an ihm auffiel, war seine Stirn. Er hatte mehr Falten auf dieser Stirn, als ich Metaphern hatte, um sie zu beschreiben.

Der Rauch seiner Zigarette schlängelte sich auf mich zu und umrahmte sein Gesicht, als wäre er eine Figur aus einem dieser altmodischen Film noirs, wie sie vor zwei Jahrhunderten gedreht worden waren.

»Geht es ihm gut?«, fragte der Mann Ifrit mit tiefer, rauer Stimme.

Sie nickte. »Ja, ich glaube schon.«

Ruckhaft wandte der Mann den Kopf zur Seite, und Ifrit, die einzige Person, die seit dem Angriff aufrichtig an meinem Wohlergehen interessiert schien, verließ den Raum.

Als sie hinausging, versuchte ich erneut, auf mein Kom zuzugreifen und meine GDS-Position abzufragen, um eine ungefähre Ahnung zu haben, wo ich war. Doch ich erhielt wieder nur die gleiche unangenehm vertraute Fehlermeldung:

UNBERECHTIGTER ZUGRIFF UNBEFUGTER NUTZER

Der Mann starrte mich schweigend an. Es war das kalte, abschätzende Schweigen, das jeden Small Talk unmöglich machte. Schließlich stand er auf und gab mir mit einer Geste zu verstehen, dass ich mich vom Tisch erheben sollte.

Als ich es tat, nutzte mein Körper die Gelegenheit, mein Gehirn an verschiedene schmerzende Stellen zu erinnern. Die schlimmste von allen schien sich über meine rechte Seite auszubreiten. Auch mein Handgelenk stand in Flammen, sodass ich meine Hand kaum benutzen konnte. Mit jeder Bewegung jagten pulsierende Schmerzstöße durch meine Schulter, und mein Arsch fühlte sich an, als würde ich auf einer Kolonie Feuerameisen sitzen.

Schlagartig wurde es heller. Videostreams von typischen exotischen Urlaubsorten am Meer wurden auf den Wänden des ansonsten schlicht eingerichteten Raums abgespielt.

»Kaffee?«, bot mir der Mann an und legte seine Zigarette auf der Tischkante ab.

Ich nickte und setzte mich auf einen unbequemen, nicht regulierbaren Stuhl zwischen dem Tisch und der Wand.

»Türkisch«, sagte er zum Drucker. Sein levantinischer Akzent verharrte auf dem ü, als wäre es lang wie vier ü.

Bald bildete sich aus dem Nichts eine kleine Kupferkanne mit einem langen Holzstiel. Daneben standen zwei kleine Keramiktassen auf winzigen verzierten Untertassen. Das alles stellte er auf ein kleines Tablett und kehrte damit zu mir zurück.

Er setzte das Tablett auf dem Plastiktisch ab. Dann hielt er die Kanne mit sicherem Griff und füllte jede Tasse zu drei Vierteln, etwa so viel wie ein Schnapsglas.

»Zu Hause, weit entfernt von hier, gibt es einen kleinen Mann mit einem Handwagen, der den Kaffee noch auf die richtige Weise zubereitet«, sagte er. »Ich habe viel Zeit und eine Menge Chits gebraucht, bis er zuließ, dass ich ihn kopiere, aber nun kann ich ihn jederzeit nachdrucken.«3

Der Mann nahm einen winzigen Schluck. Ich fragte mich, ob er davon überzeugt war, dass der Kaffee wirklich genauso wie das Originalgetränk in seiner Erinnerung schmeckte.

Er hob seine Zigarette vom Tisch auf, zog daran und setzte sich dann auf den Stuhl mir gegenüber, das Zeichen, dass wir jetzt zum Geschäftlichen kamen.

»Mein Name ist Moti Ahuvi. Sie sind ein Gast der LAST Agency. Land, Air, Sea Travel.« Er breitete die Hände aus und deutete auf den kleinen Raum, in dem wir uns befanden. »Das ist Ihr Aufenthaltsort. Wir versorgen Levantiner und andere Völker, für die Teleportation nicht infrage kommt. Ich bin hier für die Sicherheit zuständig.«

Zumindest werde ich nicht irgendwohin teleportiert.

»Mein Name ist Joel. Joel Byram«, sagte ich und wartete ab, ob mein Name irgendeine Reaktion hervorrief. Offenbar nicht. Also bestand die Hoffnung, dass mein Gesicht noch nicht über alle Koms verbreitet worden war. »Falls Sie mir die Frage gestatten: Wozu braucht ein Reisebüro Sicherheitspersonal?«

Der Mann lächelte. »Die Welt ist ein gefährlicher Ort, mein Freund. Die Menschen möchten nicht, dass ihnen schlimme Dinge zustoßen, während sie unterwegs sind. Das sehen Sie doch bestimmt genauso, oder?«

»Das wurde mir heute in höchstem Maße bewusst.«

Er nickte wissend. »Yoel, ich habe ein paar Fragen an Sie.« Seine braunen Augen blickten konzentriert, aber ruhig.

Erfolglos änderte ich meine Körperhaltung. Eine Befragung durch den Sicherheitschef eines Reisebüros mochte für die meisten ein sinnloses Unterfangen sein, aber für mich war es definitiv eine positive Wendung. Mit einem Nicken gab ich ihm zu verstehen, dass er fortfahren sollte.

Die Levantiner waren ein seltsames Volk und für jahrtausendealte regionale Konflikte bekannt, die dem Letzten Krieg vorausgegangen waren. Am bedeutendsten für meine Situation war der Umstand, dass ihre nunmehr gemeinsame Kultur die Personenteleportation untersagte. Ein Überrest religiöser Edikte, die aus der Zeit vor dem Krieg stammten und weiterhin gültig waren.

Moti nahm erneut einen winzigen, bedächtigen Schluck von seinem Kaffee. »Ihre Fingerabdrücke und das Muster Ihrer Iris passen zu einem Mann namens Yoel Byram.«

»Ja. Joel Byram«, korrigierte ich ihn. »Das bin ich.«

Er ignorierte meine Berichtigung. »Aber Ihr Kom reagiert nicht. Verstehen Sie, dass ich gern den Grund dafür erfahren würde?«

Etwas an seinem gebrochenen Englisch und seiner Ruhe erschreckte mich. Aber gleichzeitig war ich auch ein wenig erleichtert, dass wir nicht um den heißen Brei herumreden mussten.

Vergiss nicht dein Ziel: Sylvia erreichen.

»Äh, ja«, antwortete ich. »Mein Kom scheint hopsgegangen zu sein.«

»Was bedeutet hopsgegangen?«

»Mein Kom funktioniert nicht mehr. Eben noch war alles in Ordnung, und im nächsten Moment« – lass dir nicht zu tief in die Karten schauen, Joel, denn du weißt nicht, wem du vertrauen kannst – »stand ich plötzlich auf Ihrer Türschwelle.«

»Stecken Sie in Schwierigkeiten? Möchten Sie, dass wir die Polizei rufen?«, fragte Moti.

»Ja, aber … nein! Rufen Sie nicht die Polizei!« Ich wurde laut, dann riss ich mich schnell wieder zusammen und sprach ruhig weiter. »Hören Sie, da war diese Frau. Ihr Name war Pema. Sie sagte mir, dass ich zu Ihnen kommen soll. Dass Sie mir helfen können.«

Moti hörte sich meine Antwort an und dachte ein paar Sekunden lang darüber nach. »Bitte trinken Sie Ihren Kaffee aus.«

Nervös nippte ich am Rest des warmen, schwarzen, sirupartigen Getränks und achtete darauf, nicht den Kaffeesatz zu erwischen. Auf dem College hatte ich eine kurze Affäre mit einem levantinischen Mädchen gehabt, das mir beibrachte, wie man türkischen Kaffee trinkt. Da er nicht gefiltert, sondern gekocht wird, muss man die Tasse in einem bestimmten Winkel und Tempo austrinken, damit das Sediment unten in der Tasse nicht im Mund landet …

… wie es in diesem Moment mir passierte. »Bäh!« Ich spuckte den bitteren Kaffeesatz auf meiner Zunge aus – zur leisen Belustigung meines Gastgebers.

Ifrit kehrte zu uns zurück und stellte ein Glas Wasser vor mir ab, während Moti mir den Rest meines Kaffees entriss, die Untertasse auf die Tasse legte und beides umdrehte.

Was zum Teufel macht er da?

Während er die Tasse in der Hand bewegte, fiel mir auf, dass sein Blick auf die klebrigen Rückstände an der Unterseite gerichtet war.

Tasseografie.

Meine Exfreundin hatte mir davon erzählt, ich hatte es aber noch nie mit eigenen Augen gesehen. Das Kaffeesatzlesen ist einer der ältesten kulturellen Bräuche im Nahen Osten, der bis ins achtzehnte Jahrhundert zurückreicht. Man untersucht den Bodensatz in der Tasse, nachdem jemand den Kaffee ausgetrunken hat, und beurteilt die Formen und Bilder, die sich in der dunklen Masse ausgeprägt haben. Daraus lassen sich angeblich Informationen über den Trinkenden erschließen, seine Vergangenheit, seine Gegenwart und – was im meinem Fall maßgeblich war – seine Zukunft. Ziemlich cool, auch wenn ich am wenigsten damit gerechnet hätte, dass mir mein Schicksal vom Leiter der Sicherheit eines Reisebüros geweissagt würde.

Moti stellte die Tasse ab und schnalzte mit der Zunge. »Zaki!«, rief er. »Zaki, komm her! Und bring das Klemmbrett mit!«

Klemmbrett? Was ist los, sind wir ins Mittelalter zurückgefallen?

Unmittelbar darauf kam ein anderer Kerl durch die Wand links von mir. Die scheinbar solide Barriere zerfloss und wölbte sich um ihn herum, als würde er sich durch Wasser bewegen. Zuerst dachte ich, es wäre eine Projektion, aber es war kein verräterisches Flackern zu erkennen. Ich fragte mich auch, warum Ifrit sich die Mühe machte, die Tür zu benutzen, und nicht einfach durch eine Wand spazierte.

Vielleicht Effekthascherei. Was für ein Reisebüro ist das hier eigentlich?

Der Mann namens Zaki erreichte den Tisch. Er war groß und hatte breite Hände und schulterlanges, rotbraunes Haar. Er war ganz in Schwarz gekleidet, ein legeres schwarzes Button-down-Hemd steckte in engen schwarzen Jeans, und er trug glänzende schwarze Slipper an den Füßen. Sein Gesicht war rund und flach wie ein Pfannkuchen. Er hatte eine gewisse Sanftheit, trotz seines starren Tausend-Meter-Blicks, der nicht zuckte, als er Moti ein dünnes Klemmbrett aus Metall reichte. Im realen Leben hatte ich so eine analoge Antiquität noch nie zuvor gesehen.

Moti grinste wegen meiner offensichtlichen Überraschung. »Entschuldigung. Wir sind hier etwas altmodisch.« Mit jungenhafter Zuneigung und funkelnden Augen strich er über das Brett. »Ich liebe solche alten Dinge. Papier und Stift. Viel schwerer zu stehlen als Bits und Bytes.« Er hielt kurz inne, bevor er fortfuhr. »Hast du gehört, was er gesagt hat, Zaki?«

Zaki antwortete lässig mit einer tiefen Baritonstimme. »Ja. Ich höre.«

Trotzdem wiederholte Moti es noch einmal. »Er sagte, dass man ihn töten will.«

Zaki zuckte mit den Schultern. Er ging zum Drucker hinüber und sagte: »Cigariot.« Eine Packung TIME-Zigaretten erschien, eine levantinische Retromarke, die bei hippen Leuten gerade wieder in Mode kam. Zaki zog eine Zigarette aus der Packung und drehte sie zwischen den Fingern.

Moti hielt den Blick auf mich gerichtet. »Yoel, ich glaube Ihnen.« Und ohne sich von mir abzuwenden, fragte er: »Zaki, glaubst du ihm auch?«

Zaki schien gerade so lange darüber nachzudenken, dass ich mich unbehaglich auf dem Stuhl zurechtrückte. Wieder drehte er die Zigarette in den Fingern. Zappelige Leute machten mich nervös. »Ja«, sagte er dann. Die Stimme des Kerls war so tief, dass er in einem anderen Leben Opernbassist gewesen sein könnte.

Moti blätterte sich durch ein paar vollgekritzelte Zettel aus richtigem Papier, bis er einen fand, der noch unbeschrieben war. »Zaki, Stift!«

Zaki wirkte überhaupt nicht gekränkt, wie ich es von jemandem mit seiner Figur erwarten würde, wenn er so energisch angebrüllt wurde. Er griff in sein langes Haar hinter dem Ohr, brachte einen hellbraunen Stift zum Vorschein und rollte ihn über den Konferenztisch zu Moti hinüber, der ihn mit dem Zeigefinger stoppte und aufhob. »Wunderbar. Der Ursprung der geplanten Obsoleszenz«, sagte Moti und betrachtete das Schreibutensil. »Eine Schwäche für alte Dinge, vermute ich.« Er hielt inne, bevor er weitersprach. »Also, wohin waren Sie heute unterwegs?«

»Costa Rica.«

Er machte sich eine Notiz auf seinem Klemmbrett.

»Meine Frau Sylvia war bereits dort …«

»Ihre Frau?«, unterbrach er mich. »Also war es eine Vergnügungsreise?«

»Ja. Ich meine, eine Urlaubsreise mit meiner Frau.«

Wieder eine Notiz.

»Sie machte sich ein paar Stunden vor mir auf den Weg.«

»Ärger im Paradies?«, fragte Moti mit einem Augenzwinkern.

»Was?«, fragte ich verblüfft nach.

»Tut mir leid, wir Reiseverkehrskaufleute erleben viele Menschen, die in Urlaub fahren, und irgendwann bekommt man, sagen wir, ein Gefühl für solche Sachen.«

»Ja. Ich meine, nein. Ich meine … Scheiße, Mann, irgendwelche Leute wollen mich umbringen, und Sie fragen mich nach eventuellen Eheproblemen? Hören Sie, ich sollte jetzt mit meiner Frau in Costa Rica sein. Ich ging zum TC, nahm im Foyer Platz, und im nächsten Moment waren da Leute, die mich umbringen wollten!«

Neugierig legte er den Kopf schief. »Yoel, ich habe zwei Fragen an Sie. Erstens, wer will Sie töten?«

Also gut, Joel, konzentrier dich. Im Augenblick sind deine Bedürfnisse ganz einfach. Lass dich nicht töten. Finde Sylvia wieder. Je länger dieser Kerl dich ausfragt, desto mehr Zeit hast du, darüber nachzudenken, wie du das erreichen könntest. Aber denk schneller.

»Sie werden es mir nicht glauben.«

Moti nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette. Er blies den Rauch aus und sagte: »Stellen Sie mich auf die Probe. Ich höre viele verrückte Sachen.« Er trank seinen türkischen Kaffee aus und stellte die kleine Keramiktasse umgekehrt auf die Untertasse zurück. »Aber achten Sie darauf, dass die verrückten Dinge, die Sie sagen, der Wahrheit entsprechen«, fuhr er mit einem Lächeln fort, »denn ich werde es merken, wenn Sie lügen.«

Ich hatte das Gefühl, dass er damit nicht die Nanos im Raum meinte, die mich zweifellos scannten, während wir uns hier unterhielten. »Okay.«

»Also, erste Frage, Yoel Byram. Wer will Sie ermorden?«

»International Transport«, sagte ich und schluckte. »Genau die.«

Moti starrte mich mit sachlicher Miene an. Nach ein paar Sekunden machte er sich eine Notiz auf seinem Klemmbrett und fragte in gelassenem Tonfall: »Zweite Frage. Warum? Was glauben Sie, warum International Transport Sie umbringen möchte?«

Scheiße. Was sage ich jetzt? Am besten die Wahrheit. Ich habe sonst niemanden mehr, der mir helfen könnte.

»Das wird jetzt richtig verrückt klingen.«

»Yoel, wir haben doch bereits geklärt, dass ich kein Problem mit Verrücktheiten habe, solange es sich dabei um die Wahrheit handelt.« Er fasste mich genauer ins Auge. »Bitte verraten Sie es mir.«

Kalter Schweiß bildete sich in meinem Nacken. »Die Teleportation funktioniert nicht so, wie die Leute glauben. Ich kann es beweisen, und wenn ich es irgendjemandem sage, wenn die Leute es von mir erfahren, dann ist International Transport im Arsch. Deshalb wollen sie mich töten«, antwortete ich.

»Interessant«, sagte Moti, und sein Stift schien einen weiteren Punkt abzuhaken.

Moment, hat er ein Kästchen, neben dem »Große Verschwörung internationaler Konzerne« steht?

»Okay, Yoel. Ich glaube, dass wir Ihnen vielleicht helfen können.« Er strich mit der rechten Hand über den steifen weißen Kragen seines Button-down-Hemds, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schob die linke Hand in die Tasche seiner marineblauen Bügelfaltenhose. »Aber zuerst erzählen Sie mir mehr über diese Frau, diese Pema. Sie behaupten, sie hätte Sie zu uns geschickt? Was genau hat Sie zu Ihnen gesagt?«

Jetzt kann ich genauso gut bei der Wahrheit bleiben. Ich muss Vertrauen aufbauen. Dann kann ich vielleicht für einige Zeit allein in diesem Raum sein.

»Ich denke, wir sollten mit der Gottlieb-Frage anfangen.«

2 Der Replikationsdruck, ursprünglich als »Synthetische Produktion« bekannt, doch schon bald weniger präzise in »Organische Produktion« (OP) umbenannt, vermutlich wegen der besseren Vermarktungsfähigkeit, bezeichnete die verschiedenen Prozesse, die dazu benutzt wurden, Dinge scheinbar aus dem Nichts zu erschaffen. Nach allgemeiner Überzeugung leitete der Replikationsdruck das vierte industrielle Zeitalter ein, als molekulare Blaupausen eines beliebigen Produkts weltweit verschickt werden konnten, um dort von jedem Drucker mit »Kohlenstofftinte« perfekt reproduziert zu werden. Im Prinzip wurde alles überall verfügbar, sofern man die Druckdatei, den Drucker und die Tinte hatte. Die Replikation wertvoller oder patentierter Gegenstände wurde durch mehrfache Sicherheitsvorkehrungen verhindert, zum Beispiel spezifische molekulare Signaturen, Sperrlisten oder Devaluation. Wenn jemand es etwa geschafft hatte, illegal einen Goldbarren zu replizieren, hätte er die gleiche Signatur wie die »Originalvorlage«. Ein Goldbarren mit dieser Signatur konnte nur einmal verkauft werden, womit jede andere Kopie als Fälschung gebrandmarkt war.

3 Falls Sie sich zum Tauschhandel zurück- oder zu etwas anderem weiterentwickelt haben: Chits ist die elastische globale Blockchain-Kryptowährung, die unsere globale Ökonomie untermauert. Sie sind sicher konstruiert, lassen sich nicht fälschen und machen Wirtschaftskriminalität so gut wie unmöglich. Natürlich kann man jederzeit auf althergebrachte Weise um seine Chits betrogen werden – durch soziale Manipulation. Standard-Chits werden erzeugt und für erbrachte Leistungen an Individuen gebunden. Es gibt auch einmalige Sorten von Chits, die auf Nischenmärkten gehandelt werden. Sie entsprechen normalisierten Chit-Werten, aber zu anderen Raten als der Kurs der normalen Chits. Zum Beispiel können die lokalen Lebensmittel-Chits einer Gemeinde mit dem Faktor 0,8 (oder achtzig Prozent) gegenüber des Standard-Chit-Kurses gewertet werden, um lokale wirtschaftliche Verhältnisse auszugleichen und damit alle genug zu essen haben. Doch der Wert der meisten Arbeits-Chits steht in direkter Korrelation zum Verhältnis von Angebot und Nachfrage in einem bestimmten Wirtschaftszweig, genauso wie der Wert der Einheiten, die zum Erwerb von Waren nötig sind. Dahinter steht die Idee, dass der »Preis« einer Sache etwas Flexibles ist, das von der realen Nachfrage abhängig ist, vom Vermögen des Käufers und vom Prozentanteil der Transaktion am Vermögen des Käufers. Das klingt kompliziert, aber es gewährleistet, dass niemand hungern muss und keine Person und kein Unternehmen den Markt über seine natürliche Elastizität hinaus manipulieren kann.

Annähernd unendlich

ICHWACHTEAUFMEINERCOUCHAUF.

Schnell checkte ich mein Kom und stellte fest, dass es 21:12 Uhr am 27. Juni 2147 war. Scheiße. Es war unser zehnter Hochzeitstag, und Sylvia und ich hatten geplant, uns um halb zehn in unserer alten College-Lieblingsbar zu treffen. Ich war beim Videospielen eingedöst, was für einen Abend unter der Woche nicht ungewöhnlich war. Normalerweise spielte es keine Rolle, da Sylvia nicht vor Mitternacht nach Hause kam, aber selbst mir war klar, dass es keine nette Geste war, sich zur Aluminiumhochzeit zu verspäten.

Ich sprang von der Couch auf und wischte mit einer Handbewegung mehrere offene Spielefenster auf meinem Kom beiseite. Falls Sie sich in der Zukunft alle telepathisch verständigen oder so, ein Kom ist ein neurales Implantat, das praktisch jeder an seinem zweiten Geburtstag erhält. Das Ganze ist ein Hybridnetz aus Nervenstammzellen und Naniten, das von unserem Körper wie ein gutartiger Tumor behandelt wird und mit dem Hör- und Sehzentrum unseres Gehirns verknüpft ist. Auf diese Weise wird die Wahrnehmung unserer Ohren und Augen durch Audio- und Videodaten erweitert. Als Kom bezeichnen wir außerdem jede Fernkommunikation. Wir haben so viele Möglichkeiten, miteinander zu kommunizieren, dass wir einfach jede virtuelle Unterhaltung mit jemand anderem als Kom bezeichnen – und ja, manchmal ist es verwirrend, wenn wir eine Kom auf unserem Kom empfangen.

Die Videospiele verschwanden und erlaubten mir einen relativ unverstellten Blick auf mein ziemlich zugestelltes Apartment. Sylvia und ich hatten eine nette Drei-Zimmer-Eigentumswohnung in Greenwich Village – frei liegende Ziegel und Stahlträger, hübsch gefurchte Hartholzböden, drei Meter hohe Fenster mit Blick auf die Houston Street. In diesem Moment ignorierte ich das alles und marschierte zügig zum Schrank des Hauptschlafzimmers, wo ich nach einem einigermaßen sauberen Hemd suchte, das ich über mein T-Shirt mit der Aufschrift WASWÜRDETURINGTUN? ziehen konnte.

Während ich knöpfte und stopfte, verfluchte ich mich stumm dafür, dass ich kein Wecksignal aktiviert hatte. Nun gut, unsere Ehe war während des vergangenen Jahres tendenziell auf dem absteigenden Ast gewesen, aber ich wollte jetzt auf keinen Fall den Anlass für das »große Gespräch« geben. Und fairerweise musste man sagen, dass wir beide die Schuld am Niedergang unserer Beziehung trugen.

Sylvia war vor fast acht Jahren von International Transport – IT – angestellt worden. Sie war Quantenmikroskoptechnikerin, ein Fachgebiet, das ich nur sehr oberflächlich gegrokt hatte, und sie hatte sich fleißig in der Nahrungskette des Unternehmensmegalithen nach oben gearbeitet. Vor etwa einem Jahr war sie in eine neue, streng geheime Position befördert worden. Sie hatte mich gewarnt, dass es erheblich mehr Zeit im Büro bedeutete, aber der Einkommenssprung hatte es uns gleichzeitig ermöglicht, von unserer Zwei-Zimmerchen-Wohnung in der Vorstadt auf North Brother Island in die Innenstadt umzuziehen. Damals war es uns wie ein verspätetes Geburtstagsgeschenk der Götter vorgekommen. Doch während die Monate verstrichen, sahen wir uns immer seltener, und Sylvias neuer Job schien eher Fluch als Segen zu sein.

Erneut checkte ich mein Kom: 21:21 Uhr. Scheiße, scheiße, scheiße. Ich würde es auf gar keinen Fall rechtzeitig ins Mandolin schaffen, selbst wenn ich ein Auto nahm. Ich musste hinteleportieren. Um die kurzfristige Prasserei zu vertuschen, entschied ich, einen Salting-Job anzunehmen.4

Mit Salting verdiene ich meinen Lebensunterhalt. Das bedeutet nicht, dass ich meine Tage damit zubringe, Salz aus alten Gewässersedimenten zu ernten, auch wenn das ähnlich aufregend klingt. Die Aufgabe eines Salters ist es, verschiedene Künstliche Intelligenzen zu bereichern. Ich könnte mir vorstellen, dass Salting in Ihrer Zeit genauso ausgestorben sein wird wie der Beruf des Flussschiffkapitäns, des Chauffeurs oder des Lehrers, weil wir auf jede erdenkliche Weise durch Apps übertroffen und ersetzt wurden.

Aber in meiner Gegenwart gab es immer noch ein fundamentales Problem mit der Denkweise von Computern. Ohne jetzt zu fachlich zu werden – dabei ging es um etwas, das mit dem deutschen Begriff »Entscheidungsproblem« bezeichnet wird. Versuchen Sie mal, das dreimal ganz schnell hintereinander zu sagen (vor allem, wenn Sie kein Deutsch können).5

Aufgrund des Entscheidungsproblems können Computer keine eigenständigen Entscheidungen treffen. Bei jeder Entscheidungsfindung können sie nur von vorprogrammierten Daten und Algorithmen ausgehen. Das soll nicht heißen, dass Computer keine neuen Ideen entwickeln können, aber das geht nur, indem sie alte Ideen neu aufbereiten, oder durch externen Input von anderen Computern oder von Menschen – und an dieser Stelle komme ich ins Spiel.

Wir Salter verbringen unsere Tage damit, uns beliebige Rätsel einfallen zu lassen, die eine KI-Engine nicht groken kann. Jedes Mal, wenn das Gambit eines Salters von einer App nicht vorhergesehen war, wurde diese App intelligenter, indem sie diese unvorhergesehenen Zufallselemente ihrem Entscheidungsalgorithmus hinzufügte, und der Salter wurde bezahlt. Im Wesentlichen verdiente ich mein Geld, indem ich für die Apps den Klugscheißer spielte. In meinem Metier orientierte sich der Aufstieg innerhalb der Hierarchie an der Qualität der akzeptierten Salting-Jobs. Die Mine, für die wir arbeiteten, verfolgte unsere Akzeptanzquote auf einer öffentlichen Bestenliste. Je besser die Quote, desto begehrenswerter war man und desto mehr Kohle scheffelte man. Die meisten Salter verstanden den feinen Unterschied nicht, ob man für eine App ein Klugscheißer oder ein Idiot war, also neigten sie dazu, härter und länger zu arbeiten, um ein passables Einkommen zu erzielen. Wenn man berücksichtigte, dass ich von Natur aus faul war, kam ich ganz gut zurecht. Ich hatte eine Methode gefunden, die Kunst des Saltings in eine reproduzierbare Formel aus Menschlichkeit, Komplexität und Humor zu destillieren. Definitiv bin ich nicht der beste Salter aller Zeiten, aber in der weltweiten Bestenliste bewegte ich mich beständig unter den obersten fünf Prozent.

»Machst du heute schon deinen zweiten Job?«, begrüßte mich Adina, die Admin, nachdem ich mich eingeloggt hatte. »Seit wann bist du zum Workaholic geworden?«

»Was soll ich sagen? Ich liebe meine Arbeit«, erwiderte ich, während ich mir meine elegantesten Sneakers anzog. »Eigentlich bin ich mit einem Termin spät dran und brauche das Geld für ein Port-Ticket.«

»Eine Dose Mitleid für dich«, sagte Adina. »Wie auch immer, ich habe was Einfaches. Wieder jemand, der lernen will, witzig zu sein.«

»Ach Gott, wann lernen unsere Robotherrscher endlich, dass das einzig Witzige an ihnen ihre absolute Humorlosigkeit ist? Schieß es rüber.«

»Schon erledigt. Bis dann, Superhirn.« Adina lachte, als sie die Verbindung unterbrach.

»Hallo«, sagte eine nervöse Stimme. »Nur damit das klar ist: Ich bin ein er und kein es.«

Auf meinem Kom-Stream konnte ich nicht mehr sehen als einen schwarzen Kasten. »Wenn du nicht möchtest, dass die Leute dich als es bezeichnen, solltest du dir einen Avatar zulegen.«

»Ist das eine notwendige Voraussetzung?«, fragte er erwartungsvoll. »Um witzig zu sein?«

Ein Grünschnabel. Leicht verdientes Geld!

»Nein. Hör mal, ich hab es ein bisschen eilig. Machen wir etwas Elementares. Wann lebte Gottlieb von Bouillon?«

Mein Hund, ein dreizehn Jahre alter portugiesischer Wasserköter, blickte von der Matte vor der Eingangstür auf, wo er es sich bequem gemacht hatte. Für viele Menschen hatten digitale Assistenten ein Haustier ersetzt. Sie waren leichter sauber zu halten, und sie lebten ewig. Vielleicht lag es an meinem Beruf, aber ich war immer ein Hundetyp geblieben. Ich ging in die Knie und zog vorsichtig die Matte, auf der sich der alte Knabe ausgebreitet hatte, von der Tür weg. Einmal Bauch kraulen, dann verließ ich mein Apartment und ging zum Treppenhaus, während ich mein Kom auf den oberen rechten Quadranten meines Sichtfeldes minimierte, damit ich nicht stolperte und zu Tode kam.

»Ich vermute«, sagte die App nach kurzem Zögern, »du fragst nach Gottfried von Bouillon. Er wurde um 1060 geboren und starb im Jahr 1100 in Jerusalem.«

»Deine Aussage ist korrekt. Aber sie ist keine Antwort auf meine Frage.«

»Aufgrund der Namensähnlichkeit bin ich davon ausgegangen, dass du Gottfried und Gottlieb verwechselt hast. Menschen machen häufig solche Fehler.«

»Auch das ist richtig. Aber nun beantworte bitte meine Frage: Wann lebte Gottlieb von Bouillon?«

»Eine Suche in den mir zugänglichen Datenbanken ergibt keinen Treffer für ›Gottlieb von Bouillon‹. Falls eine solche Person tatsächlich existiert hat, wurden ihre Lebensdaten nicht dokumentiert.«

»Das mag sein. Trotzdem ist es möglich, eine Antwort auf meine Frage zu geben.«

»Ich fürchte, mit den mir zur Verfügung stehenden Informationen lässt sich diese Frage nicht beantworten.«

»Bereit für den Money Shot?«

»Was ist ein Money Shot?«

»Das ist das, was passiert, wenn ich dich salte und du mich bezahlst.«

»Ach so. Dafür bin ich bereit. Genau das ist der eigentliche Sinn dieser Interaktion.«

Diese arme App muss von einem blutigen Anfänger kompiliert worden sein.

»Gut. Also verrate ich dir jetzt, wann Gottlieb von Bouillon lebte. Immer dann, wenn er nichts anderes zu essen hatte.«

»Sehr clever«, sagte die App emotionslos. »Salt bewilligt.«

Ich nahm mir vor, meinem Hund ein paar Leckerlis extra zu geben, wenn ich wieder zu Hause war.

»Eine andere mögliche Antwort auf meine Frage wäre ›Nie‹.«

»Weil ein Gottlieb von Bouillon nie existiert hat? Oder weil ein bestimmter Gottlieb nie von Bouillon gelebt hat?«

»Sehr nahe dran. Mein Hund heißt Gottlieb.«

»Ein ungewöhnlicher Name für einen Hund, aber nun verstehe ich. Weil dein Hund nur von Hundefutter und nie von Bouillon gelebt hat.«

»Richtig. Und warum heißt mein Hund Gottlieb?«

»Ungewöhnliche Hundenamen sind häufig von Prominenten abgeleitet. Vielleicht ein Schauspieler namens Gottlieb? Oder ein Programmierer oder Mathematiker?«

»Du denkst in eine völlig falsche Richtung. Mein Hund Gottlieb ist ein schwarzer Mischling aus Cockerspaniel und portugiesischem Wasserhund. Als meine Frau ihn zum ersten Mal als Welpe sah, rief sie aus: ›Ach Gott, wie lieb!‹ Also nannte ich ihn Gottlieb. Meiner Frau gefiel der Name gar nicht, aber es war schließlich mein Hund. Außerdem hatte sie selbst die Anregung geliefert. Habe ich mir damit eine Extraprämie verdient?«

»Ich fürchte, das rechtfertigt keine zusätzlichen Chits.«

»Gut. Bye.«

Ich schloss das Kom-Fenster, als ich gerade die Tür zur Straße aufdrückte. Es war nicht mein schnellster Geldjob, aber es war nahe dran. In den frühen Tagen der kognitiven Programmierung bezeichnete man es als neurolinguistisches Hacking, und darin war ich einer der Schnellsten an der Ostküste.

Nun gut, ich trug nicht gerade zur Verbesserung der menschlichen Lebensverhältnisse bei. Aber Ihnen ist sicher bewusst, dass viele Dinge, die früher »Arbeit« waren, schon vor langer Zeit von der Technik übernommen wurden. Klar, man konnte etwas mit eigenen Händen erschaffen, statt es sich ausdrucken zu lassen, und manche Menschen taten das immer noch gern. Allerdings war es wahnsinnig kostspielig im Vergleich zu den Alternativen – also wozu sich die Mühe machen? Die meisten Leute im Jahr 2147 verbrachten ihre Zeit damit, auf unterschiedliche Weise mit KI-Engines zu interagieren, um ihre Chits zu verdienen. Dabei hatten sie nur selten eine klare Vorstellung, für welches System sie gerade Probleme lösten oder zu welchem Zweck – sie wussten nur, dass sie davon ihre Rechnungen bezahlen konnten. Ich glaube, die meiste Zeit wollten die Apps nur jemanden, mit dem sie sich unterhalten konnten.

Beunruhigte es mich, dass ich durch meine Arbeit im Prinzip die Apps intelligent genug machte, damit sie mich irgendwann nicht mehr brauchten? Ja. Aber in Wirklichkeit dachte ich nicht allzu viel darüber nach. Außerdem war es nicht die Technologie an sich, die mich in den Arsch getreten hatte, sondern International Transport.

Aber ich greife vor. An diesem Dienstagabend im Juni rannte ich die zwei Blocks von meiner Wohnung bis zum Washington Square Teleportation Center, kurz TC, in Rekordzeit. Mein Kom zeigte 21:29 Uhr an, als ich eintraf.

Überraschenderweise regnete es nicht. New York City erlebte eine der seltenen klaren Sommernächte, was bedeutete, dass nicht genug Kohlenwasserstoffe in der Luft waren, die von den Moskitos metabolisiert werden konnten.6 Normalerweise wurde die Skyline von Manhattan durch den Dunst der Schwärme aus Zillionen Moskitos verfinstert, die die Luftverschmutzung und schlechtes Wasser fraßen. Ein weiterer Teil des magischen Tanzes aus Chemie und Gentechnik, der uns Menschen am Leben erhielt, obwohl wir uns alle Mühe gaben, uns selbst zu vernichten.

Ich hoffe, wenn Sie dies lesen, haben wir eine elegantere Lösung für die Luftsynthese gefunden als lärmende, widerliche Insekten, die genetisch zu fliegenden Dampfreformern modifiziert wurden. Ich finde es in Ordnung, dass sie sich von Methan statt von Blut ernähren und Wasser ausscheiden, statt Krankheiten zu verbreiten, aber trotzdem sind sie verdammt nervig.

Ich überquerte die Straße zum Washington Square TC an der West Fourth Street. Im Gegensatz zu mehreren anderen Orten rund um die Welt, wo die TCs immer noch von einzelnen Demonstranten belagert wurden, die gegen die Umwälzungen in der Transportindustrie durch die Teleportation protestierten, oder von religiösen Verrückten, die die Menschen überzeugen wollten, dass diese Technologie Mord war, hatten die New Yorker sie wegen ihrer offensichtlichen Vorteile sofort akzeptiert. Davor waren die meisten religiösen Typen der Teleportation gegenüber zwiespältig eingestellt gewesen. Es war eine Art von »Verfrachtung« und kein Transport. Die bloße Vorstellung einer organischen Teleportation wurde bis 2109 als unrealisierbar betrachtet, als unmöglich wegen des Zappelproblems, weil Lebewesen ständig zappelig sind. Damals war ein gutes atomares Echtzeitmodell, das tatsächlich akkurat voraussagen und übermitteln konnte, was ein Lebewesen als Nächstes tun würde, noch ferne Zukunftsmusik.

Aber in meiner Zeit war dieses Problem vor zwanzig Jahren gelöst worden. Seit Kurzem war das Porten für manche viel zu beliebt geworden. Wer durch die Stadt teleportieren wollte, war wegen der Schlange vor dem nächsten TC häufig länger unterwegs als bei einem Drohnenflug oder einer Busfahrt. IT versprach immer wieder, dass die folgende Generation der TCs in der Lage sein würde, mehr als nur eine Person gleichzeitig zu befördern, aber man machte keine Angaben, wann dieses Versprechen Wirklichkeit werden sollte.

Die TC-Stationen, deren Eingangs- und Ausgangstüren mit dem markanten Schriftzug von International Transport verziert waren, konnte man kaum übersehen. Es waren kleine, rote, rechteckige Betongebäude, die wie eine Pockeninfektion auf dem Gesicht ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aus dem Boden schossen – direkt neben öffentlichen Toiletten. Warum befanden sich alle TCs in der Nähe von öffentlichen Toiletten? Es gab keine plausible physiologische Erklärung dafür, aber die Teleportation neigte dazu, seltsame Dinge mit der menschlichen Blase zu machen.

Als Wissenschaftler erstmals Lebewesen porteten, stellten sie fest, dass komplexe Organismen, angefangen mit Tieren in der Größe von Katzen oder Hunden, bei jedem Transportvorgang anscheinend ein paar Gramm Gewicht verloren. Interessanterweise war das nicht der Fall, wenn dieselben Tiere eingeschläfert und dann teleportiert wurden. Manche religiösen Typen sahen im Gewichtsverlust den Beweis für eine Trennung von der Seele, aber da die geporteten Lebewesen ansonsten nicht durch die Änderung beeinträchtigt schienen, gab es nur zwei mögliche Schlussfolgerungen.

Entweder konnte sich die Seele regenerieren, was bedeutete, dass allen Geschöpfen, die größer waren als Katzen, einfach eine neue wuchs. Oder – was wesentlich plausibler war – der Gewichtsverlust hatte gar nichts mit der Seele zu tun und ließ sich auf einen ganz gewöhnlichen Paketverlust zurückführen.7 Fast alle unterschrieben die Paketverlusttheorie.

Ich begab mich auf das Förderband, das mich in den Bauch der Station brachte und an grauen Betonvorsprüngen und gebürsteten goldenen Säulen vorbei bis zu den Kronjuwelen gleiten ließ. Während ich die graue Nebelbank passierte, spürte ich das vertraute Kitzeln schwebender Nanos auf meiner Haut. Ich war schon viele Male geportet, aber etwas an diesem Gefühl einer metallischen Meeresgischt aus winzigsten Robotern, die meinen Körper scannten, verursachte mir immer wieder eine Gänsehaut. Der Nanitennebel katalogisierte nicht nur jede Zelle, Kleidungsfaser und Molekülanordnung innerhalb einer Person, sondern sie suchte auch nach eventueller Schmuggelware. Die telemetrischen Berechnungen und biologischen Prüfsummen wurden dann in einer Datenbank zusammengeführt, um ein Back-up meines letzten bekannten vollständigen Meta-Images zu erstellen. Der gesamte Prozess beanspruchte etwa fünf Sekunden. Am Ende des Förderbandes wies mir ein kleiner Pfeil den Weg zur kürzesten Schlange. Da es ein Dutzend Teleportationskammern gab und die Rushhour vorbei war, warteten nur zwei Personen vor mir.

Keine drei Minuten später betrat ich die Kammer. Der TC-Konduktor hatte meine Reisedaten bereits eingegeben, synchronisiert und mit meinem Kom abgeglichen. Eine niedrige schwarze Barriere mit gelben Streifen senkte sich vor der kleinen Punch-Puffer-Kammer – das Zeichen für mich, dass ich eintreten konnte. Hinter der Barriere stand ein einzelner, magnetisch aufgehängter Stuhl, ähnlich dem Sitz in einer Passagierdrohne, aber von glänzendem metallischem Gold umrahmt. Ich vermute, der Überfluss an Gold überall in den TCs sollte einen Eindruck von Opulenz vermitteln.

Sobald ich mich gesetzt hatte, schob eine automatische Fördervorrichtung den schwebenden Stuhl in die benachbarte Punch-Puffer-Kammer. An der Wand prangte das universelle Symbol fürs Stillhalten: Das Piktogramm einer Person, die auf einem Stuhl saß, und daneben eine Uhr.

Die Punch-Puffer-Kammer selbst war komplett in einem hellen Beige gehalten, abgesehen von einer schwarzen Chalzedon-Wand, zu der sich mein Stuhl um neunzig Grad herumdrehte. Das Wort FOYER erschien auf der Wand. Der Startraum einer Teleportation ist als FOYER markiert und der Zielraum als VESTIBÜL.

Unter dem FOYER-Schriftzug erschien eine Bildübertragung des Konduktors, der erneut meine Identität und mein Reiseziel verifizierte. Er war ein kahlköpfiger Asiate, der den Eindruck erweckte, dass er die meiste Zeit seines Lebens auf einem Stuhl verbracht hatte und darüber nicht allzu glücklich war. Mit monotoner Stimme erinnerte er mich daran, das juristische Kleingedruckte zu lesen, das holografisch vor meinem Gesicht erschien, und dann auf das nickende Emoji darunter zu tippen.

Eine Teleportation war ein ziemlich abgefahrenes Erlebnis. Eben noch war man ganz allein in einem kleinen Raum an einem Ort, und dann war man plötzlich ganz allein in einem identischen Raum an einem anderen Ort. Von außen betrachtet sah es ungefähr so aus, wie die Leute es sich vorgestellt hatten, bevor es Wirklichkeit wurde, nur dass es in umgekehrter Reihenfolge passierte. Die zu teleportierende Person erreichte ihr Ziel etwa vier Sekunden, bevor sie verschwand. Das war schon recht hirnrissig.

Noch verrückter war, dass niemand wusste, wie es sich anfühlte, wenn man teleportiert wurde. Ich meine, klar, wir wussten, wie es sich anfühlte, irgendwo anzukommen, aber der eigentliche Reisevorgang lief so schnell ab, dass man überhaupt nichts davon spürte. Wir wussten nur, wenn das Licht wieder anging, waren wir bereits auf der anderen Seite.

Als die Personenteleportation eingeführt wurde, gab es viele Videos, die den Punch-Puffer-Prozess demonstrierten.8 In einem Moment saß jemand auf dem Stuhl, im nächsten war er nur noch Staub und Dampf. Es sah schockierend aus, aber es war völlig harmlos. IT zufolge war der kurze, geisterhafte Umriss des Teleportierten einfach nur die Staubschicht, die zurückblieb, wenn er weggebeamt wurde. Der Prozess ging so schnell vonstatten, dass die Wassermoleküle, die abgestorbenen Hautzellen und andere Partikel am Körper und an der Kleidung, die nicht zum Ziel gesendet wurden, noch einen Herzschlag lang in der Luft hingen, ungefähr wie die vogelförmige Staubwolke, die der Road Runner hinterließ, wenn er vor Wile E. Coyote in den alten Zeichentrickkurzfilmen von Warner Bros. aus den 1950ern die Flucht ergriff. Ich weiß, Sie halten mich wahrscheinlich für langweilig, weil ich mir zweihundert Jahre alte Zeichentrickfilme ansehe, aber was soll ich dazu sagen? Ich mag nun mal gute Sachen.

Ich war schon ziemlich oft geportet, also war ich mir nicht sicher, warum ich in diesem Moment an all diese Dinge dachte. Es ist, als würde man sich kurz vor dem Schlafengehen erinnern, dass es den plötzlichen nächtlichen Herztod tatsächlich gibt.

Manchmal ist mein Gehirn einfach nur ein Arschloch.

Schnell überflog ich das kleingedruckte juristische Geschwafel, das vor mir schwebte. Dann tippte ich auf das nickende Emoji – Ich bin einverstanden.

Der Raum wurde für etwa drei oder vier Sekunden völlig finster, dann gab es einen hellen weißen Blitz, und als das Licht anging, fand ich mich in einem identischen Raum wieder, jedoch mit einem Unterschied: An der Wand vor mir stand VESTIBÜL.

»Willkommen im Times Square TC«, sagte die neue Konduktorin in der Bildübertragung an der Wand. Vielleicht war sie erst vor Kurzem eingestellt worden, weil ihr apfelwangiges Gesicht mit dem aufrichtigen Lächeln wesentlich freundlicher war als der leblose Blick und die monotone Begrüßung des vorigen Konduktors. Oder vielleicht machte es einfach nur mehr Spaß, wenn man sah, wie Leute ankamen.

Der schwebende Stuhl zog sich in den Vorraum zurück. Die Barriere senkte sich, und ich trat in ein TC, das etwa zwei Kilometer von dem entfernt war, aus dem ich soeben verschwunden war. Diese Reise hatte mich fast ein ganzes Tagesgehalt gekostet, aber ich war dort, wo ich sein musste, und statt über dreißig kam ich nur sieben Minuten zu spät zu meiner Verabredung mit Sylvia.

Ich rannte aus dem TC auf den Times Square, wand mich durch die Horden der Selfies schießenden Touristen und die riesigen flirrenden Hologramme, dann bog ich in eine kleine Seitenstraße ab und fand mich vor unserem alten Collegetreff wieder, dem Mandolin.

Der Türsteher überprüfte mein Kom und winkte mich durch den Vordereingang. Der Laden hatte seinen Namen vom lackierten antiken Bartresen. Er bestand aus ausrangierten, kaputten Saiteninstrumenten, die im Lack eingefroren waren. Hauptsächlich Mandolinen und ein gelegentlicher Überrest einer Ukulele oder Gitarre dazwischengeworfen, um der künstlerischen Ausgewogenheit willen. Ansonsten hatte das Ganze das Flair einer Kleinbrauerei-Gaststätte aus dem frühen einundzwanzigsten Jahrhundert mit stilechten Bierzapfhähnen, handgemixten Cocktails und kuriosen handgeschriebenen Speisekarten auf echten Kreidetafeln.

Ich scannte den größtenteils leeren Innenraum. An einem Dienstagabend waren nur die ernsthaften Trinker anwesend. Als ich mir noch einmal die etwa zehn Gesichter ansah und mich darauf verließ, dass mein Kom Sylvia erkennen würde, selbst wenn sie gerade in eine andere Richtung blickte, arbeitete ich an einer geistreichen, aber plausiblen Erklärung für meine Verspätung.

Bedauerlicherweise brachte mein Gehirn keine zustande, bevor ich von hinten angegriffen wurde.

4 Der englische Begriff salting stammt aus der Kryptografie und bezeichnete ursprünglich einen Verschlüsselungsschutz durch Verlängerung und Erhöhung der Komplexität eines Passworts. Wenn der zum Knacken eines Passworts verwendete Computer nicht über die Länge oder Komplexität des »gesalzenen« Passworts verfügte, ließ sich das Passwort nicht ermitteln. Letztlich wurde das Salting von Passwörtern überflüssig, als Codeknacker ihre Bemühungen von Decodierungstechniken auf ausgeklügeltere Methoden des KI-unterstützten Phishings verlagerten (der Versuch, an ein Passwort zu gelangen, indem sich die KI als vertrauenswürdige Entität maskiert). Die Informationssicherung entwickelte sich schließlich zu einem Schlachtfeld weiter, auf dem hoch entwickelte KI-Engines gegeneinander antraten, während sich die Nutzer in KIs verwandelten, um sich vor Phishing zu schützen, und die Angreifer immer komplexere Algos erzeugten, um sie zu überlisten. Das führte dazu, dass die Sicherheit zur Basis unserer Währung wurde: der Anspruch des Eigentümers, seine Daten zu schützen, und der Anspruch des Angreifers, sie zu stehlen. Die Salt-Blockchain-Ökonomie wurde irgendwann zu dem, was heute als Chits bekannt ist, und aus dem Salting wurde die Auseinandersetzung mit KI-Engines, um ihre Fähigkeiten des Sicherns oder Täuschens zu verbessern. Weil wir so viele KIs hatten, wurde das Salting außerdem zu einer beständigen, einträglichen Beschäftigung. Oder auch nicht so einträglich, wenn Sie meine angeheiratete Familie fragen.

5 1928 konfrontierte ein Mathematiker namens David Hilbert die Mathematikergemeinschaft mit einer Herausforderung: Erstellen Sie einen Algorithmus, der die Frage, ob eine Behauptung der Prädikatenlogik erster Stufe universell gültig ist, mit Ja oder Nein beantworten soll. Wenn man einen solchen Algorithmus hätte, würde das bedeuten, dass es so etwas wie ein unlösbares Problem nicht gibt. Und das »Entscheidungsproblem« lautet nun: Existiert ein Algorithmus, der entscheiden kann, ob es für eine bestimmte mathematische Behauptung einen Beweis gibt oder nicht? Die Antwort ist: nein. Aber wenn Sie Computerwissenschaftler fragen, antworten sie möglicherweise mit »noch nicht«.

6 Im frühen einundzwanzigsten Jahrhundert ließen sich Wissenschaftler eines Unternehmens namens Oxitec einen Mechanismus patentieren, mit dem sich Zellen genetisch modifizieren ließen, damit sie ein Protein produzierten, das Moskitos daran hindert, normal zu funktionieren. Diese Technologie war ein Vorläufer moderner Genbearbeitungstechniken, die es schließlich ermöglichte, Moskitos, insbesondere die Spezies Aedes aegypti (vor ihrer genetischen Rehabilitierung als Gelbfiebermücke bekannt) in Impfstoffträger und in neuerer Zeit in lebende Dampfreformer umzuwandeln.

7 Der übliche Paketverlust während der Teleportation wurde durch das Teleportation Control Assurance Protocol (TCAP) kontrolliert. Das TCAP war ein Nullverlust-Schiebefensterprotokoll, das eine einfache Möglichkeit bot, zuverlässige Kompression, Übermittlung und Expansion der Pakete zu garantieren, damit individuelle TCs keine eigene Logik dafür implementieren mussten. »Nullverlust« war eigentlich eine unzutreffende Bezeichnung, weil das TCAP den Paketverlust im Grunde nur verschleierte. Falls irgendwelche Daten verloren gingen, wurden verschiedene inter- oder extrapolierende Algorithmen genutzt, um die Lücken auszufüllen. Mit anderen Worten, die fehlenden Teile wurden eingefügt, indem man das, was vor und nach der Lücke kam, mittelte. Die akzeptable Paketverlustrate lag bei weniger als 0,0000005 Prozent. Jede Teleportation, die diese Rate überstieg, wurde als Fehlschlag gewertet, worauf der Vorgang rückgängig gemacht wurde. Der Konduktor am Ursprungsort entschied dann, ob die Teleportation erneut versucht oder abgebrochen werden sollte. Die Wissenschaftler einigten sich schließlich darauf, dass der Paketverlust der Grund war, warum größere Organismen nach der Teleportation ein paar Gramm Masse verloren. Betrachten Sie es als sehr kostspielige Mini-Diät.

8 Der Punch-Puffer wurde von der umtriebigen Schweizer Versicherungsmathematikerin Corina Shafer erfunden und war eine patentierte, aktiv-aktive Sicherungsredundanz für den Teleportations-Workflow. Der Punch-Puffer ergänzt die Sache um zwei Prüfsummenräume, als »Foyer« am Startpunkt und als »Vestibül« am Zielpunkt definiert. Die Funktion dieser Kammern bestand darin, garantiert jedes Quark einer teleportierten Person im Foyer zu cachen, bis der Transport vom Vestibül als erfolgreich bestätigt wurde. Wenn das nicht der Fall war, blieb die Person im Foyer, ohne sich von der Stelle zu rühren. Mit anderen Worten, wenn während des Transports etwas schiefging, wurde man letztlich gar nicht teleportiert.

Situation

ZUMGLÜCKERWIESSICH der Angreifer doch nicht als Killer eines Todeskommandos, den meine Frau auf mich gehetzt hatte, weil ich zu spät gekommen war, sondern als Sylvia selbst. Sie schlang die Arme um meine Brust und legte das Kinn auf meine Schulter. »Rate mal, wer«, hauchte sie mir atemlos ins Ohr.

»Marie Curie?« Ich drehte mich um und versuchte einzuschätzen, wie groß die Schwierigkeiten waren, in denen ich steckte. Ich mochte voreingenommen sein, aber Sylvia sah gut aus – und damit meine ich nicht nur gut für eine Physikerin. Sie hatte ein blasses, herzförmiges Gesicht, eine kurvenreiche Figur und katzenartige haselgrüne Augen. Ihr langes, glattes Haar war kastanienblond – nicht dunkelblond, wie sie jedem erklärte –, und sie trug es wie immer in der Mitte gescheitelt. Jede ihrer Bewegungen wurde mit Bedacht und Selbstvertrauen ausgeführt. In der Hand hielt sie ein fast leeres Cocktailglas, das für ihren koketten Gesichtsausdruck verantwortlich sein mochte. Meine Frau war für gewöhnlich der Fröhlich-Betrunken-Typ.

»Beim wievielten Drink bist du?«, fragte ich, als wir uns zur Bar begaben.

Sie tat, als würde sie eine größere Zahl an den Fingern abzählen. »Irgendwo beim Logarithmus von achthundertvierundsechzig. Es wird Zeit, dass du aufholst.« Sie winkte dem Barkeeper Richard zu und sah mich dann an. »Gibt es irgendetwas, mein Ehemann, das du mir anlässlich unseres Jahrestages gern sagen möchtest?«

Sylvias Lippen zogen sich von Natur aus an den Mundwinkeln nach oben, was den Anschein erweckte, als würde sie ständig an etwas Lustiges denken. Aber im Moment war mir nicht nach Lachen zumute. Ja, ich war es, der sich verspätet hatte, aber ich wollte nicht darauf angesprochen werden. Ich wusste, dass ich ein Idiot war.

»Du kennst mich«, sagte ich leichthin. »Ich glaube nicht an Entschuldigungen. Ich glaube an Taten.« Der Spruch war ein alter Witz zwischen uns beiden. Unser Physikprofessor am College hatte das jedes Mal gesagt, wenn jemand zu spät zur Vorlesung kam.

»Aaaaalso gut. Richard«, sagte sie, als der Barkeeper kam, »könntest du meinem unentschuldigt verspäteten Gatten bitte ein Schmiermittel für seinen eingerosteten Anstand geben?«

»Gibson?« Richard sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, und sein Blick bestätigte meinen Verdacht, dass ich es richtig verkackt hatte. Ich zuckte mit den Schultern. Er wandte sich Sylvia zu.

»Etwas von der Saure-Trauben-Sorte wäre angemessen, wohingegen ich einen weiteren Lemon Drop nehme, diesmal jedoch on the Rocks, Richard«, sagte sie. »Schließlich möchte ich nicht alles doppelt sehen.«

Richard nickte – vermutlich mit dem Gedanken zu spät – und machte sich an die Arbeit. Sylvia lächelte mich an, und ihre Finger trommelten auf meinem Bein. »Ich habe gute Neuigkeiten. Es sieht danach aus, dass mein Projekt früher für die behördliche Genehmigung bereit sein könnte, als wir dachten. Und ich dachte mir, dass wir nun in der Lage wären, unser eigenes kleines Projekt zu starten. Die nächste Generation Byram?« Sie warf mir einen Seitenblick zu, während ihre Mundwinkel nach oben zuckten.