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Die Desert Wind Reihe endlich als Gesamtausgabe in einem Buch!
Romance und Leidenschaft unter heißer Wüstensonne!!!
Die Wüstenbraut
Die Geliebte des Windes
Die Gefangene der Wüste
inkl der bisher nur über Kindle veröffentlichten Bonusstory
Das Herz des Wüstenkriegers
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Das Land Antaror besteht fast nur aus Wüste. Die Wasservorräte und Oasen werden von den Stadtfürsten verwaltet und sind nur Wenigen vorbehalten.
Den Nomadenstämmen bleibt als Überlebensstrategie nur, Krieg gegen die Stadtfürsten zu führen oder sich mit dem Wenigen zu begnügen, was die Wüste ihnen bietet.
Neyla, Tochter des Stadtfürsten Karbal, wurde von einem Wüstenstamm entführt und soll mit dem Stammesführer verheiratet werden, um ihrem Vater eine Familienallianz aufzuzwingen.
Während Neyla und ihre Dienerin Gita Pläne schmieden, sich gegen die bevorstehende Hochzeit zu wappnen, kommt ihr zukünftiger Bräutigam überraschend ums Leben.
Neyla hofft, nun endlich freigelassen zu werden, doch da kehrt Rafai zurück – der Sohn des Stammesführers. Er beansprucht das Erbe seines Vaters, zu dem auch Neyla gehört …
Rafai kehrt mit gemischten Gefühlen zu dem Stamm zurück, den er vor zwei Jahren verlassen hat. Er und sein Vater waren sich selten einig, was die Zukunft des Stammes angeht. Doch Rafai ist entschlossen, den Menschen, die er nun anführt, eine bessere Zukunft zu bieten. Er will fruchtbares Land, um sesshaft zu werden.
Da kommt ihm die verwöhnte Fürstentochter gerade recht – er plant, Neyle für Verhandlungen mit ihrem Vater zu benutzen.
Doch schon bald geht Neyla ihm nicht mehr aus dem Kopf – Rafai redet sich jedoch ein, dass es nur sein Körper ist, der Neyla begehrt ...
Ehefrau Nummer Achtzehn
Neyla
Ich bin eine Gefangene! Vor wenigen Tagen noch war ich Prinzessin Neyla ey Shanai am Jal bal'ii – Tochter des Stadtfürsten Karbal von Tigman. Aber ab dem heutigen Abend werde ich nur noch Frau Nummer Achtzehn des Anführers eines Wüstenstammes sein! Mein zukünftiger Mann ist ein unzivilisierter Barbar ... und er ist fast siebzig Jahre alt. Ich hingegen habe vor zwei Monaten erst meinen zwanzigsten Geburtstag gefeiert. Man hat mich nicht gefragt, ob ich ihn heiraten will. Ich wurde vor den Augen meines Vaters Karbal und des Prinzen Darjan entführt, dem ich als Braut versprochen bin.
Was für ein Unglück! Nur einen einzigen Tag später wäre ich Darjans Frau gewesen – aber die elenden Wüstenrebellen wussten von der Hochzeit und haben meinen Brautzug zum Tempel der Elegen-Priesterinnen überfallen. Ich war auf dem Rückweg nach Tigman und konnte die Tore meiner Heimatstadt schon sehen. Mein Vater und Prinz Darjan mussten mit ansehen, wie ich von den Rebellen in die Wüste verschleppt wurde – zusammen mit meiner Dienerin Gita.
Seitdem warte ich ... und hoffe ... Ich hoffe, dass mein Vater und Prinz Darjan mich befreien. Jeden Tag verlasse ich das Zelt, das ich mir mit Gita teile, und gehe in die Wüste hinaus. Jeden Tag starre ich nach Osten ... denn es ist der einzige Orientierungspunkt, den ich habe. Tigman liegt im Osten ... aber die Rebellen haben mich so tief in die Wüste gebracht, dass es mir unmöglich wäre, zu fliehen. Ich würde verdursten und mich verlaufen. Die Wüstenstämme haben gelernt, in der Wüste zu überleben, aber ich nicht. Deshalb lassen sie mich auch unbeaufsichtigt durch das Lager laufen. Sie wissen, dass ich nicht fliehen kann. Aber ich weiß - wenn Rettung kommt, dann aus dem Osten. Meine Entführer scheinen damit nicht zu rechnen. Sie lachen und scherzen, sprechen in ihrer barbarischen Sprache miteinander und beachten mich kaum. Aber ich weiß, dass mein Vater mich retten wird – ich bin seine Lieblingstochter. Prinz Darjan hat lange um mich geworben, und mein Vater hat sich im Gegenzug lange Zeit gelassen, einer Ehe zuzustimmen, obwohl er die Bindung an Darjans Familie gesucht hat. Darjan wird mich nicht aufgeben ... ich habe seine verliebten Blicke gesehen ... er konnte unsere Hochzeit kaum erwarten.
Die Elegen-Priesterinnen haben mich gut auf meine Hochzeitsnacht vorbereitet. So ist es bei uns Brauch. Einen Tag vor der Hochzeit bin ich mit meiner Eskorte in den Tempel der Elegen gezogen. Ich musste mich auf eine Liege aus schneeweißem Marmor legen. Meine Beine wurden gespreizt und fixiert, ein Seidentuch unter mir ausgebreitet. Einige Sklavinnen begannen, mich zu berühren ... zuerst meine Brüste, dann meinen ganzen Körper ... und schließlich auch die Perle zwischen den Schamlippen. Aber sie gingen nur soweit, bis genügend seidige Nässe zwischen meinen Schenkeln war, dass die Hohepriesterin mit einem Tak aus glattpoliertem Marmor in mich eindringen konnte; denn meine Lust darf allein Prinz Darjan stillen. Auf den kurzen scharfen Schmerz hatte Gita mich vorbereitet. Sie weiß viel mehr über die Dinge des Ehebettes als ich. Jede Braut in Tigman wird so auf ihre Hochzeitsnacht vorbereitet. Sie soll nur Süße und Glück empfinden, wenn ihr Mann das erste Mal mit seinem Tak in sie eindringt. Allerdings behaupten auch einige, dass das Ritual allein der Freude des Mannes dient – damit er sich in der Hochzeitsnacht nicht zurückhalten muss. Das Tuch mit meinem ersten Blut sollte Prinz Darjan vor unserer Hochzeitsnacht übergeben werden – als Beweis für meine Unberührtheit.
Ich seufze. Der Horizont bleibt leer. Meine Hoffnung, dass mein Vater und der Prinz mich befreien, bevor ich gegen meinen Willen mit dem Stammesführer verheiratet werde, schwinden langsam aber sicher. Nun soll die Vorbereitung meiner Hochzeitsnacht also einem alten Mann dienen, der mich mit seinen knotigen Händen betatschen wird!
Ich starre nach Osten, als könne ich so das bevorstehende Unglück abwenden. Nichts! Nur die grelle Sonne, die Dünen ... die Hitze ... und dieser nie endende Wind, der mich fast um den Verstand bringt. Überall ist Sand ... in meinen Schuhen, in meinen Kleidern. Das Einzige, was mich schützt, ist der verdammte Dinjhi, den ich tragen muss, seit ich das Lager der Rebellen betreten habe.
Der Dinjhi ist ein Brauch, den es nur bei den Wüstenstämmen gibt – in Tigman kennt man ihn nicht.
Bis ich verheiratet bin, muss ich den weißen Ganzkörperschleier tragen, dessen Stoff so durchsichtig ist, dass er kaum meinen Körper verdeckt. Unter dem Dinjhi wiederum darf ich nur ein schmales Band tragen, das die Brüste verdeckt und einen knappes Hüfttuch. Was dieser Brauch bezweckt, ist mir ein Rätsel. Ich stolpere ständig über den Stoff des Dinjhis – ein Teil von mir ist froh, wenn ich endlich verheiratet bin und das Ding loswerde! Aber der Preis dafür lässt mich schaudern. Denn es ist der Ehemann, der den Dinjhi in der Hochzeitsnacht entfernt.
Ich gehe zurück zu meinem Zelt. Die Blicke der anderen Frauen ignoriere ich. Sie sind misstrauisch und unfreundlich – für sie bin ich die Tochter des Stadtfürsten Karbal ... ihres Feindes. Aber indem ich ihren Stammesführer heirate, wollen sie meinem Vater eine Allianz aufzwingen. Unter meinem Dinjhi verziehe ich verächtlich die Lippen. Sie kennen meinen Vater nicht – sie sind unzivilisierte Barbaren! Er wird sie dafür bestrafen, dass sie mich entführt haben.
Ich schiebe die Matte von Gitas und meinem Zelt beiseite, und trete ein. Hier ist es etwas angenehmer als in der sengenden Hitze. Der Zeltstoff ist dick und isoliert gut gegen die Sonne. Auf dem Boden liegen dicke Teppiche, Kissen, und Matten. Die Rebellen reisen mit leichtem Gepäck. Sie ziehen ständig von einer Oase zur nächsten ... oder zu den fast ausgetrockneten Brunnen in der Wüste, wo sie nicht selten mit anderen Stämmen in blutige Kämpfe um das wenige Wasser verwickelt werden. Wegen der Hochzeit am heutigen Abend ist Okak, der Stammesführer und mein zukünftiger Ehemann, mit einigen Kriegern zum nächsten Brunnen geritten. Heute soll gefeiert werden, morgen wollen die Rebellen weiterziehen ... noch tiefer in die Wüste hinein.
Gita hilft mir, den Dinjhi abzulegen. Dann reicht sie mir einen Teller mit einem dünnen Fladenbrot und ein paar Früchten. Ich verziehe den Mund, als ich in das Brot beiße ... überall ist dieser verdammte Sand ... sogar im Brot!
"Du musst essen, Prinzessin. Niemandem nutzt es, wenn du verhungerst." Gita ist besorgt um meine Gesundheit.
"Wann wird mein Vater kommen, um mich zu befreien, Gita? Heute Abend ist es zu spät."
Gita sieht mich mit ihren dunklen Augen an. Sie hat ihre Jugend bei einem Wüstenstamm verbracht, bis ihre Mutter einen Kaufmann geheiratet hat. Gitas Blut ist das einer Wüstenrebellin, aber ihr Herz ist das einer Tochter von Tigman. Sie ist eine gute Reiterin und wäre sicher entkommen, als die Rebellen uns angegriffen haben. Aber sie ist an meiner Seite geblieben. Gita spricht die mir unverständliche Sprache dieser Menschen, und sie kennt ihre Bräuche ... ich bin froh, dass Gita bei mir ist. Ohne sie würde ich verzweifeln. Mein Vater schenkte mir Gita zum sechzehnten Geburtstag ... das war vor vier Jahren. Sie ist eine Sklavin, doch nicht für mich! Gita ist mir mehr Freundin als Dienerin.
Sie sieht mich ernst an. "Was habe ich dir gesagt, Prinzessin?"
Ich lege das sandige Brot zurück auf den Teller und seufze. "Solange ich nicht schwanger werde, ist die Ehe mit dem Stammesfürsten nicht bindend."
Gita nickt. Sie hat kaffeebraune Haut und dunkle Mandelaugen, wie die meisten Wüstenmenschen. Die Bewohner von Tigman und den umliegenden Städten sind heller von der Hautfarbe. Meine Haut hat die Farbe von dunklem Honig, und meine Augen sind grün wie die Oase, um die herum Tigman gebaut wurde. Mein braunes Haar ist von goldenen Strähnen durchzogen. Mein Vater hat behauptet, dass es schon bei meiner Geburt auffällig gewesen wäre. Deshalb lautet mein Name übersetzt: Der Stern, der aufgeht, wenn die Morgenröte die Wüste küsst
Aber Gita sagt, dass ich darauf nicht allzu viel geben soll. Der Name meiner Schwester Ladla bedeutet: Tau am Morgen, in dem sich das glitzerende Wasser spiegelt. Tatsächlich sieht sie aber eher aus, wie ein trüber Tümpel.
"Du machst es, wie wir es besprochen haben", beginnt Gita unsere Vereinbarung zum hundertsten Mal herunterzubeten. "Der Stammesführer ist ein alter Mann. Sein Tak wird nicht mehr so tatkräftig sein, wie der eines jungen Mannes. Außerdem hat er bereits siebzehn Frauen ... Okak ist satt und träge. Du musst dafür sorgen, dass er seine Munition verschießt, bevor sein Tak in dir ist. Mehr als einmal am Abend wird er das ohnehin nicht schaffen." Sie sieht mich ernst an. "Das verschafft uns ein paar Tage Zeit. Tue alles, was nötig ist ... aber auf keinen Fall darf er seinen Samen in dir verspritzen. Er wird es natürlich versuchen ... denn nur, wenn du sein Kind trägst, kann er deinem Vater eine Allianz abzwingen. Aber du darfst es nicht zulassen. Gib ihm viel Wein ... füttere ihn mit Essen, bis er müde wird. Alles, was nötig ist. Sobald du schwanger bist, wird Prinz Darjan seine Bemühungen um dich aufgeben."
Ich nicke. Ich bin nicht erfahren in den Dingen des Ehebettes; und ich habe Okak nur einmal gesehen, als ich ihm vorgeführt wurde. Er hat eine Hakennase und dünne Lippen. Bei dem Gedanken, dass diese Lippen versuchen, mich zu küssen, schaudert es mich! Doch ich hoffe, dass ich Okak zumindest eine Zeitlang auf Abstand halten kann - bis mein Vater mich befreit!
Gita richtet mein Schlaflager, und ich legte mich bäuchlings auf die dünne Matte. Sie massiert mir die Schultern, den Rücken und die Beine. Ich schließe die Augen. Gita ist eine wahre Zauberin. Obwohl ich nicht einschlafen will, gelingt es mir fast nie, wach zu bleiben, wenn sie mich massiert.
Als ich aufwache, bin ich allein im Zelt. Gita ist nicht da und draußen gibt es einen Tumult. Nervös werfe ich mir den Dinjhi über, um nachzusehen. Die Stimmen rufen aufgeregt durcheinander, und obwohl ich nicht verstehen kann, was sie sagen, klingen sie nicht, als bereiten sie sich auf ein Hochzeitsfest vor. Vielmehr scheint es, als wäre etwas geschehen. Sofort habe ich die Hoffnung, dass mein Vater gekommen ist, um mich zu befreien.
Ich ziehe die Zeltmatte beiseite und schaue hinaus. Tatsächlich sind Okak und seine Krieger zurück. Sie haben sich um etwas versammelt, das ich nicht sehen kann. Ich gehe langsam auf die aufgeregte Menge zu. Wenn ich doch nur ihre Sprache verstehen könnte. Dann kommen zwei von Okaks Frauen aus seinem Zelt gestürmt und werfen sich in den Sand. Sie schreien und kreischen, streuen sich dabei Sand in ihr Haar. Niemand hindert sie daran. Ich verstehe noch immer nicht, was vor sich geht. Doch im nächsten Moment ist mir klar, warum sie weinen. Im Sand liegt ein lebloser Körper ... seine Haut ist aschfahl, seine Augen weit geöffnet, ebenso, wie sein Mund. An seinem Kopf befindet sich eine große Wunde, der Schädel ist eingedrückt, wie von einem Keulenschlag. Es ist Okak ... er ist tot!
Beinahe vergesse ich, wo ich bin und will jubeln und in die Hände klatschen. Im letzten Augenblick besinne ich mich. Diese Wilden würden mich ganz sicher töten. Ich kehre lieber zurück ins Zelt. Ohnehin beachtet mich niemand. Der Tod ihres Anführers hat diese Menschen vollkommen aus der Bahn geworfen.
Im Zelt werfe ich den Dinjhi in die Ecke und warte auf Gita. Bestimmt ist sie im Lager unterwegs, um mehr herauszufinden. Die Menschen vertrauen ihr, obwohl sie meine Dienerin ist. Sie glauben, Gita ist auf ihrer Seite, weil sie vom gleichen Blut ist wie sie. Sie denken, eine Sklavin kann nie und nimmer etwas anderes als Verachtung für ihre Herrin empfinden. Sie kennen Gita schlecht. Tatsächlich nutzt Gita ihr Vertrauen aus, um sie auszuhorchen.
Je länger ich warte, desto nervöser werde ich. Was bedeutet Okaks Tod für mich? Darf ich jetzt nach Hause zurückkehren? Der Mann, der mich heiraten wollte, lebt nicht mehr. Wofür brauchen sie mich jetzt noch? Ich bin ihnen nur eine Last. Das Letzte, was diese Menschen gebrauchen können, ist Ärger mit Karbal von Tigman. Wasser hin oder her ... Innerlich frohlocke ich bereits.
Dann endlich kehrt Gita zurück. Sie ist ebenso aufgeregt wie ich, das kann ich an dem Funkeln in ihren dunklen Augen sehen.
"Er ist tot", flüsterte ich.
"Ja ... Okak und seine Krieger wurden von einem anderen Stamm angegriffen. Es gab Streit um das Wasser im Brunnen", bestätigt Gita.
"Aber was wird jetzt aus uns? Dürfen wir gehen?"
Gita zuckt mit den Schultern. "Vielleicht ... es ist noch nicht entschieden. Ein Teil der Ältesten ist dafür, der andere Teil dageben. Wir müssen abwarten."
Ich kann meine Enttäuschung kaum verbergen. "Wie lange?"
Gita schüttelt den Kopf. "Ein paar Tage. Sie werden Okak in der Wüste begraben ... und wenn sie zurückkommen, werden sie sich entscheiden."
Ich balle die Hände zu Fäusten ... warten ... schon wieder warten. Aber ich versuche, es positiv zu sehen. Immerhin werde ich heute Abend nicht Frau Nummer Achtzehn eines rebellischen Stammesführers werden. Das Schicksal scheint einen anderen Weg für mich vorgesehen zu haben.
Ein neuer Anführer
Neyla
Das Warten macht mich fast genauso verrückt, wie dieser nie enden wollende Wind. Wie halten diese Menschen das nur aus? In Tigman ist der Wind lau und sanft – wie eine Liebkosung. Hier in der Wüste fühlt er sich an wie eine Ohrfeige. Nachts, wenn alles still ist, kann ich nicht schlafen. Ständig pfeift und säuselt er in mein Ohr - ein trauriges Lied in einem Meer aus Sand.
Gita hat weniger Probleme mit dem Leben in der Wüste. Aber auch sie wird zunehmend nervöser. Drei Tage sind die Ältesten nun bereits fort, um Okak in der Wüste zu verscharren. Gita hat die Frauen gefragt, ob ich den Dinjhi ablegen dürfte – nun, da ich keine Braut mehr bin. Aber sie haben nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, dass man abwarten müsste, bis die Ältesten zurückkehren. Die meisten der Rebellenkrieger sind mit ihnen in die Wüste geritten. Nur etwa fünfzehn Männer sind im Lager zurückgeblieben. Ich finde sie unheimlich in ihrer schwarzen Kleidung. Sie tragen Hosen und wadenhohe Stiefel, darüber einen knielangen Kaftan, der von einem breiten Gürtel aus Leder gehalten wird. An dem Gürtel hängen ein gekrümmtes Schwert und ein Dolch. Zwei weitere Ledergürtel tragen sie gekreuzt über der Brust. Die meisten der Waffen, die daran befestigt sind, habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Seltsame Scheiben, die sie mit Präzision werfen und die auch auf weite Entfernung fast nie ihr Ziel verfehlen. Das Schlimmste an diesen Kriegern ist jedoch das lange schwarze Tuch, das sie sich um Kopf und Gesicht winden, sodass nur ihre Augen zu sehen sind. Nie weiß ich, was sie denken, da ich ihre Gesichter nicht sehen kann.
Als ich die Wüstenkrieger das erste Mal sah, dachte ich, sie wären böse Geister. Mittlerweile weiß ich es besser … aber sie machen mir trotzdem Angst. Ich bemitleide die Frauen, die mit ihnen verheiratet sind. Diese Männer kennen nur Tod und Kampf. Ihre Frauen verhalten sich unterwürfig in ihrer Gegenwart.
„Gita?“, frage ich leise, doch sie schläft noch und hat sich auf ihrer eigenen Matte zusammengerollt. Es besteht kein Grund, sie zu wecken. Ich brauche nur etwas frische Luft … wenn man von so etwas wie frischer Luft in der Wüste überhaupt sprechen kann.
Ich werfe mir den verhassten Dinjhi über und verlasse das Zelt. Alles ist ruhig. Morgens hat die Wüste etwas Malerisches und lässt noch nichts von der Härte erahnen, die sie den Menschen, die mit ihr leben müssen, abverlangt. Deshalb habe ich mir in den letzten Tagen angewöhnt, morgens hinaus in die Wüste zu gehen.
Die meisten der Wüstenrebellen schlafen noch. Eine Frau wirft mir einen gelangweilten Blick zu, ein Krieger, der Nachtwache gehalten hat, starrt mich aus seinem Gesichtstuch heraus an. Ich sehe nur seine Augen, aber er hält mich nicht auf.
Ich gehe nur so weit, dass ich das Lager hinter mir noch sehen kann, dann setze ich mich in den Sand und lasse die feinen Körner durch meine Hände rieseln. Und wieder starre ich nach Osten! Wo bleibt mein Vater? Wo bleibt Prinz Darjan? Sie müssen doch gehört haben, dass Okak tot ist. Warum haben sie nicht längst Hilfe geschickt?
Unter meinem Dinjhi lasse ich meinen Tränen freien Lauf. Ich habe Heimweh nach Tigman, nach meinem Vater, nach Darjan … sogar nach meiner mürrischen Schwester Ladla, obwohl sie und ich uns nicht gut verstehen. Der Dinjhi ist nass von meinen Tränen. Ich blinzele, um sie fortzuwischen, da erkenne ich einen Punkt am Horizont. Ich springe auf und schirme meine Augen mit der Hand ab. Es sind sogar mehrere Punkte … Reiter! Mein Herz schlägt wild. Mein Vater und Darjan sind gekommen … endlich! Ich hebe meine Hand, um ihnen zuzuwinken, doch erstarre noch in der Bewegung. Was, wenn es nicht mein Vater ist? Der Wind presst den Stoff des Dinjhi eng an meinen Körper … und er trägt die Stimmen der Reiter an mein Ohr. Ich kann ihre Sprache nicht verstehen. Es sind die Ältesten, die zurückkehren . Alle Hoffnung ist in einem einzigen Augenblick zerschlagen!
Ich will nur noch zurück in mein Zelt. Doch als ich langsam zurück ins Lager gehe, bemerke ich, dass etwas nicht stimmt. Die Wache ist aufgesprungen und hat ihr Krummschwert gezogen. Warum sollte sie das tun, wenn die Ältesten mit den restlichen Kriegern zurückkehren? Ich werfe einen Blick zurück über die Schulter und sehe, dass die Reiter ihren Pferden die Fersen geben und mit wildem Galopp auf das Lager zureiten. Erst jetzt kommt mir der Gedanke, dass es vielleicht gar nicht die Ältesten und unsere Krieger sind. Was, wenn es dieser fremde Stamm ist, der Okak getötet hat? Sie wissen, dass Okaks Stamm führerlos ist! Ich raffe meinen Dinjhi und renne los. Ich muss Gita warnen!
Leider komme ich im Sand nur langsam voran. Ich stolpere mehr, als dass ich laufe. Das Schlagen der Hufe hinter mir ist nun deutlich zu hören. Als ich mich umdrehe, ist einer der Reiter direkt hinter mir. Er reitet einen weißen Hengst mit schwarzer Mähne. Ich werfe mich mit einem Schrei zur Seite, doch er zügelt sein Pferd so präzise, dass es keinen Meter von mir entfernt zum Stehen kommt. Der Krieger springt von seinem Pferd und kommt auf mich zu. In Panik laufe ich weiter. Er ruft mir etwas zu, aber ich verstehe ihn nicht. Ich weiß nicht, was er will, ich sehe nur seine wilden Augen, die mich aus dem Gesichtstuch heraus anstarren. Was, wenn er mich in ein Zelt schleift und über mich herfällt? Ich will nach Gita rufen, doch er bekommt meinen Arm zu fassen und hält mich fest. Ich zerkratze ihm das Gesicht. Er lässt mich los und flucht. Oder lacht er mich aus?
Erneut packt er mich. Ich will schreien, aber mein Stolz verbietet es mir – ich bin Neyla ey Shanai am Jal il bal'ii, Tochter des Stadtfürsten Karbal und Prinzessin von Tigman. Aber das ist mir in diesem Augenblick egal! Ich zittere vor Angst. Er beschimpft mich in seiner harten Barbarensprache. Ich verstehe ihn genau so wenig, wie er mich, doch am Funkeln seiner Augen kann ich erkennen, dass er ziemlich wütend ist. Wir starren uns an, und mir fallen seine ungewöhnlich hellen Augen auf. Normalerweise sind die Augen der Wüstenbewohner dunkel und glänzend wie schwarze Perlen. Doch seine Augen sind goldbraun.
„Mögen die Sanddämonen dich verschlingen, du unzivilisierter Barbar“, fauche ich ihn an, und er lässt mich endlich los, weil die anderen Krieger das Lager erreicht haben und sich mit unseren wenigen zurückgebliebenen Wachen anlegen. Sie haben ihrer Schwerter gezogen und stellen sich den Fremden entgegen. Ich weiß, dass sie keine Chance haben, aber es gibt mir fürs Erste die Gelegenheit, zu verschwinden.
Ich stürze ins Zelt, wo Gita in heller Aufruhr ist. „Bei Egil, dem Sandfresserdämon! Wo warst du? Was ist da draußen los?“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht!“ Dann erzähle ich ihr von den Fremden, die ins Lager eingefallen sind.
Gita kriecht zur Zeltmatte und zieht sie ein Stück weit zur Seite, damit sie hinausschauen kann.
„Was siehst du?“, flüstere ich mit klopfendem Herzen.
„Ich weiß nicht, aber sie scheinen sich geeinigt zu haben. Die Krieger sprechen miteinander.“ Sie dreht sich zu mir um. „Bleib im Zelt. Ich versuche, etwas herauszufinden.“
„Nein ...“, flüstere ich aufgeregt. „Warte lieber noch etwas.“
Gita hört nicht auf mich und schlüpft hinaus. Ich zittere noch immer am ganzen Körper.
Rafai
Als ich das Zelt meines Vaters betrete, spüre ich den gleichen Widerwillen, wie vor zwei Jahren, als ich zu Okak ging, um ihm zu sagen, dass ich den Stamm verlasse. Nichts hat sich verändert seitdem – nur, dass Okak tot ist und ich nun den Stamm anführe. In meinem Herzen suche ich nach einem Gefühl der Trauer für meinen Vater, doch tatsächlich ist da nichts – nur grollende Wut.
Mein Bruder Jiadir legt seine Hand auf meine Schulter und zieht sich das Gesichtstuch herunter. Er grinst zufrieden. „Willkommen zu Hause, Rafai. Das alles gehört nun dir!“
Ich sehe mich im Zelt meines Vaters um. Die Kissen, das Lager, auf dem er mich mit meiner Mutter gezeugt hat … ich balle die Hände zu Fäusten und sehe unwillig fort. „Lass das Zelt irgendwo am Rand des Lagers aufbauen. Die Ehefrauen meines Vaters sollen es behalten. Wie viele hatte er noch gleich?“
Jiadir zieht eine Braue hoch, als müsse er überlegen. „Siebzehn … Nummer Achtzehn hatte er vor zu heiraten, wie die Frauen mir erzählt haben.“
Ich mache ein verächtliches Geräusch. Dieser geile alte Bock! Jiadir kratzt sich am Kinn. „Du hast übrigens gerade Bekanntschaft mit Nummer Achtzehn gemacht.“
Ich sehe ihn an. „Das Mädchen mit dem Dinjhi?“
Er nickt. „Prinzessin Neyla, Tochter des Stadtfürsten Karbal von Tigman. Okak hat sie entführen lassen – vor den Augen ihres Vaters und ihres zukünftigen Bräutigams.“ Er klingt belustigt. „Diese Stadtmenschen sind solche Waschlappen! Lassen sich ihre Töchter vor der Nase stehlen. Die Frauen sagen, dass das Mädchen sehr schön sein soll.“
Ich bin nicht begeistert. Aber das ist typisch für meinen Vater. Wegen solcher idiotischen Einfälle haben wir uns immer wieder gestritten. „Okak ist ein Idiot gewesen! Entführt die Tochter eines Stadtfürsten. Wenn sie noch nicht entehrt wurde, sollte ich sie ihm zurückgeben und ein Stück fruchtbares Land für sie verlangen.“
„Keine schlechte Idee … leider hat Karbal bisher keine Bemühungen unternommen, seine Tochter wiederzubekommen. Er hat ja noch eine zweite. Es wäre riskant, auf seine Loyalität zu setzen.“
Ich seufze und fahre mit der Hand über die Armlehne des thronartigen Sessels, auf dem mein Vater Besucher in seinem Zelt empfangen hat. Der Sessel ist das Einzige, was ich behalten werde. Er wird von einem Anführer an den nächsten weitergegeben. Vom Vater an den Sohn.
Jiadir beobachtet mich nachdenklich. „Rafai … du bist jetzt Anführer. Es wird Zeit, dass du heiratest und Söhne zeugst.“
Ich drehe mich zu ihm um. „Ja … ich weiß.“ Jiadir ist mein Bruder, doch er wurde von einer Sklavin geboren, ebenso wie mein zweiter Bruder Altor. Sie sind nicht erbberechtigt. Wenn ich sterbe, ohne dass ich meine Nachfolge geregelt habe, würde es Krieg um die Führung des Stammes geben. Ich weiß, dass es meine Pflicht ist, für Nachkommen zu sorgen. Doch bisher konnte ich mich nicht dazu entscheiden, eine Frau an mich zu binden, indem ich meinen Samen in sie spritze. Natürlich hole ich mir Frauen auf mein Lager, wenn ich Lust darauf habe. Aber ich gehe nie bis zum Äußersten. Ich glaube nicht an die Liebe … denn ich habe gesehen, wie meine Mutter langsam aber sicher verlosch, weil sie meinen Vater liebte.
„Rafai ...“, holt Jiadir mich aus meinen Gedanken. „Du könntest eine der jüngeren Frauen deines Vaters als deine Ehefrau beanspruchen. Sicher würde das deine Stellung stärken.“
„Ich will nichts, was mein Vater in seinem Bett hatte“, presse ich hervor, und Jiadir seufzt. Er kennt meine sture Haltung. „Was ist mit Nummer Achtzehn? Dieser Fürstentochter von Tigman. Dein Vater hat sie noch nicht angerührt … genauso wenig wie der Prinz, dem sie versprochen war. Sie ist eine Blume, die noch nicht gepflückt wurde.“ Er grinst wieder.
Ich beneide Jiadir für die Leichtigkeit, mit der er sein Leben angeht. Das Herz meines Bruders strahlt ebenso hell wie seine ungewöhnlichen blauen Augen. Es ist gut, ihn an meiner Seite zu haben. Jiadir hat die Gabe, Verletzungen der Seele zu heilen mit seinem offenen Wesen.
„Eine Frau aus der Stadt? Und dann noch eine Fürstentochter? Bei allen Sanddämonen! Sie sind verweichlicht und kommen mit dem Leben in der Wüste nicht klar.“ Ich drehe mich zu ihm um. „Und sie kommen mit uns nicht klar, hast du das vergessen?“
Er zuckt mit den Schultern. „Du kannst sie nicht alle mit deiner Mutter vergleichen, Rafai.“ Er überlegt, ob er weitersprechen soll und entscheidet sich dafür. „Und ich habe gehört, dass sie eng sein sollen. Hast du nicht ihre schmale Taille unter dem Dinjhi gesehen? Komm schon, Rafai … ich weiß, dass dir so etwas besser gefällt, als die kurvigen Formen unserer Frauen - auch wenn ich nicht verstehe, warum. Aber das ist deine Gelegenheit, dir eine Frau zu nehmen, die deinen Schwanz glücklich macht.“
Ich funkele ihn an. Jiadir ist mein Bruder, aber er geht eindeutig zu weit. „Ja, bis sie im Kindbett bei der Geburt meines ersten Sohnes stirbt. Wir sind nicht gemacht für zierliche Frauen.“
„Deine Mutter ist nicht bei deiner Geburt gestorben, Rafai! Und wenn du sie nicht als Ehefrau willst, dann hol sie wenigstens auf dein Lager. Wie lange hast du keine Frau mehr gehabt?“
Ich hebe die Hand. Ich will nichts mehr davon hören. „Bring mir die Ehefrauen meines Vater und die unverheirateten Mädchen. Ich will schauen, ob mir eine von denen gefällt.“
Jiadir seufzt und gibt sich geschlagen. Als er geht, fällt mir noch etwas ein. „Jiadir?“
Er dreht sich zu mir um. „Ja, Rafai?“
„Als ich dieses Mädchen dort stehen sah … in der Wüste … ist alles zurückgekommen. Ist das nicht seltsam?“
Jiadir sieht mich mitleidig an. „Du brauchst eine Frau auf deinem Lager Rafai … eine die dein Herz und deinen Schwanz glücklich macht.“
Ich verziehe meinen Mund zu einem bitteren Lächeln. So eine Frau gibt es nicht - nicht für mich!
Neyla
Als Gita zurückkehrt, bin ich fast verrückt vor Angst. Sie macht ein ernstes Gesicht, das meine Stimmung nicht besser macht. „Was ist? Weißt du, was da vor sich geht?“
Sie antwortet nicht und setzt sich stattdessen zu mir. Ich kann sehen, dass sie auf ihrer Lippe kaut – das tut sie immer, wenn sie ein Problem beschäftigt. „Die Krieger, die ins Lager eingefallen sind, gehören zu Rafai, dem Sohn Okaks. Rafai ist gekommen, um das Erbe seines Vaters anzutreten.“
Ich runzele die Stirn. „Und dafür muss er gleich das ganze Lager überfallen?“
Gita zuckt mit den Schultern. „Es scheint wohl, dass Okak und sein Sohn zerstritten waren. Sie waren sich uneins über die Art, wie der Stamm zu führen ist. Rafai wollte Neuerungen einführen und sesshaft werden, aber sein Vater war dagegen. Vor zwei Jahren verließ Rafai mit einigen Anhängern den Stamm. Aber jetzt besteht er auf sein Erbe.“
Ich knete den Stoff des Dinjhis, bis er knittrig ist. „Und was bedeutet das für mich?“
„Es besteht Aussicht darauf, dass du freigelassen wirst. Rafai war immer dafür, Ärger mit den Stadtfürsten zu vermeiden … und indem er dich freilässt, hat er die Möglichkeit, deinem Vater seinen guten Willen zu zeigen. Er wird natürlich etwas dafür fordern … Land, auf dem er sich niederlassen kann, nehme ich an.“
Ich falle Gita um den Hals und wir halten uns fest und drücken einander. „Bald ist dieser Albtraum zu Ende. Wenn wir erst einmal zu Hause sind, wird mein Vater diese Wüstenbarbaren dafür bezahlen lassen, mich entführt zu haben!“
Rafai
Ich schaue in die Gesichter der Frauen, die Jiadir und Altor mir bringen. Es sind namenlose Mädchen mit dunklen Augen und vollem schwarzen Haar. Sie haben schwere Brüste und weiche weibliche Formen. Ich kann das Funkeln in Jiadirs Augen sehen. Einige von ihm gefallen ihm – er liebt kleine Frauen mit weiblichen Rundungen und großen Brüsten. Zwei oder drei von ihnen sind echte Schönheiten … ich bräuchte nur den Finger ausstrecken und eine von ihnen zu wählen. Sogar, wenn ich sie nur für eine Nacht auf meinem Lager haben will, könnte ich jede von ihnen einfordern. Aber Jiadir hat recht. Sie reizen mich viel weniger als ihn.
„Kilia … achtzehn Jahre … sie hat noch keine Kinder geboren. Dein Vater hat sie erst vor einem Jahr in sein Zelt geholt“, stellt Jiadir mir das Mädchen vor. Ich höre kaum zu, obwohl sie sich bemüht, mir zu gefallen. Sie hat einen Schmollmund, und ihre Lippen glänzen. Kurz stelle ich mir vor, wie diese vollen Lippen sich um meinen Schwanz legen, dann verdränge ich das Bild. Es wäre wie immer. Ein Vergnügen, das meinen Körper für kurze Zeit zufriedenstellt, mich aber unerfüllt lässt. Ich winke sie fort und kann einen enttäuschten Blick von Kilia auffangen. Soll Jiadir sie meinetwegen in sein Zelt holen, wenn sie ihm gefällt.
„Das waren alle“, höre ich Altor sagen. Ich sehe auf und bemerke, dass das Zelt leer ist. Ich kann mich an kaum eines der Mädchen erinnern, die mir gezeigt wurden.
Jiadir sieht mich fragend an. „Was jetzt, Rafai?“
Ich greife in die Armlehnen des Sessels und kämpfe mit mir. Nein! Der Gedanke ist absurd. Ich sollte ihn ganz schnell vergessen. Aber ich kann ihn nicht vergessen. Er setzt sich in meinem Kopf fest, wie schleichendes Gift. „Haben wir irgendetwas aus Tigman gehört? Hat Fürst Karbal irgendwelche Anstrengungen unternommen, seine Tochter zurückzubekommen?“
Altor schüttelt den Kopf. Er ist größer als Jiadir und ich und von uns Brüdern der Muskulöseste. Wo Jiadir heiter und freundlich ist, ist Altor ernst und verschlossen. Doch ebenso, wie mit Jiadir, verbindet mich mit Altor ein enges Band. Auch er ist der Sohn einer Sklavin. Ich kann mich erinnern, dass das Wesen seiner Mutter ebenso ernst und verschlossen war, wie seines.
„Rafai?“, fragt Jiadir. Ich sehe auf, und er schüttelt den Kopf. „Wo bist du nur mit deinen Gedanken?“
„Bei meiner Hochzeit“, antworte ich nachdenklich. „Bringt mir heute Abend diese Fürstentochter in mein Zelt. Ich werde sie heiraten.“
Jiadir und auch Altor sehen mich ungläubig an, aber es ist Jiadir, der zuerst seine Sprache wiederfindet. „Darf ich fragen, was dich umgestimmt hat?“
Ich zucke die Schultern. „Ich habe mich noch nicht entschieden, was ich mit ihr tun werde. Doch ich werde sie heiraten … vielleicht wird das ihren Vater endlich zu Verhandlungen mit uns bewegen.“
„Und wenn nicht?“ Jiadir sieht mich forschend an.
Ich lehne den Kopf an die Rückenlehne des Thronsessels und atme tief durch. „Wenn alles scheitert, gibt es immer noch die Möglichkeit, das zu tun, was mein Vater vorhatte … eine Allianz mit Karbal von Tigman zu erzwingen … indem ich seine Tochter schwängere.“
Neyla
Wieder warten wir. Rafai hat das Zelt seines Vaters, in dem nun die Witwen leben, am Rand des Lagers aufschlagen lassen. Die eine oder andere der jüngeren Frauen hatte wohl darauf gehofft, dass Rafai Anspruch auf sie erhebt. Doch er will scheinbar keine von ihnen. Ohnehin scheint Rafai nichts von dem zu wollen, was seinem Vater gehört hat. Das bestärkt Gita und mich in unserer Hoffnung. Bin ich nicht auch etwas, das Okak gehört hat – und damit uninteressant?
Sein eigenes Zelt steht nun an der Stelle, wo das seines Vaters gestanden hat - so lässt er jeden wissen, dass er der neue Stammesführer ist. Nach und nach treffen Frauen und Kinder in Begleitung weiterer Krieger im Lager ein. Rafai führt den gespaltenen Stamm wieder zusammen. Familien begrüßen sich weinend, Mütter und Töchter fallen sich in die Arme. Plötzlich ist es viel lauter und lebhafter im Lager als zuvor. Der Stamm ist innerhalb weniger Tage erheblich gewachsen, was allerdings auch das Wasserproblem vergrößert.
Kurz nach Rafai sind auch die Ältesten und die restlichen Krieger Okaks zurückgekehrt. Sie haben sich Rafai widerstandslos untergeordnet und ihn als neuen Anführer anerkannt. Die Stimmung unter den Menschen im Lager ist fröhlich, wie ich es noch nie erlebt habe, seit ich hier bin.
Alles wäre gut – doch ich sitze noch immer in meinem Zelt. Niemand kümmert sich um mich. Gita und ich sind uns selbst überlassen. Immer wieder versucht Gita zu erfahren, ob wir freigelassen werden … aber die Frauen wissen nichts und zucken nur mit den Schultern. Nach der kurzen Trauerzeit um Okak scheint neue Hoffnung unter den Rebellen zu herrschen. Ein junger Anführer verspricht frischen Wind. Leider scheint sich Rafai jedoch der Klatschsucht der Frauen im Lager bewusst zu sein. Während sie früher über alles Bescheid wussten, dringt nun nichts mehr aus dem Anführerzelt heraus. Das frustriert mich zunehmend und macht Gita nervös.
„Warum lässt er uns nicht endlich gehen?“, beschwere ich mich bei ihr, als hätte Gita eine Antwort darauf.
Dann endlich, am Abend des sechsten Tages nach Rafais Erscheinen, kommt Gita abends ins Zelt und hockt sich vor mich hin. „Rafai hat sich entschieden, dich zu seiner Frau zu machen.“
Ich starre Gita ungläubig an. Wenn das ein Scherz ist, dann ein schlechter. Aber Gita sieht nicht so aus, als würde sie scherzen. Ihr Blick ist besorgt … und sie kaut wieder auf ihrer Lippe!
„Aber … warum?“
Sie zuckt hilflos mit den Schultern. „Morgen Abend wirst du in sein Zelt gebracht und er nimmt den Dinjhi von deinem Gesicht.“
Ich kann nicht sprechen. Das ist absurd … vollkommen unmöglich! Warum sollte er das tun? Was gewinnt er damit?
Während ich noch stumm mein Schicksal beklage, ist Gita bereits einen Schritt weiter. „Wir müssen unseren Plan ändern. Bei Okak hätte er funktioniert … doch Rafai ist ein junger Mann, der gerade erst seinen vierundzwanzigsten Geburtstag erlebt hat. Sein Tak ist weder müde noch satt, und soweit ich weiß, ist er noch nicht verheiratet. Das heißt, er hat seine ganze Kraft für sein Ehebett zur Verfügung.“
Mit großen Augen sehe ich Gita an. Ich habe Rafai nur von Weitem gesehen. Er ist groß und schlank, dabei jedoch recht muskulös, und trägt wie alle anderen das Gesichtstuch und schwarze Kriegertracht. Mein schlimmster Albtraum wird wahr! Ein Wüstenkrieger wird über mich herfallen und Dinge mit mir anstellen, von denen ich nicht einmal eine Vorstellung habe. Ich muss an Prinz Darjan denken. Mit ihm hätte ich mir meine Hochzeitsnacht vorstellen können. Darjan ist zivilisiert, und er liebt mich. Täte er es nicht, hätte er nicht so lange und hartnäckig um mich geworben.
Ich breche in Tränen aus, und Gita nimmt mich in die Arme. „Nicht weinen, Prinzessin. Ich habe eine Idee, wie wir dir Rafai vom Hals halten.“
Ich beruhige mich und blinzele hoffnungsvoll durch meinen Tränenschleier. Gita hat immer gute Ideen.
„Wir müssen dafür sorgen, dass ihm die Lust auf die Hochzeitsnacht vergeht.“ Sie beginnt, die Tonschalen und Töpfe zu öffnen, die man ihr gegeben hat, damit sie mir Essen zubereiten kann. „Hier ist es ja … gut, dass ich mich mit solchen Dingen auskenne.“
Ich verstehe noch immer nicht, was sie vorhat. Gita zermahlt einige getrocknete Beeren und Wurzeln mit einem Stößel und lächelt verschlagen. „Wenn du das trinkst, ist dein Atem so schlecht, dass Rafai die Lust vergeht. Und wenn du die Beeren alleine kaust, färben sie deine Zähne gelblich-braun. Asche vom Kochfeuer in deine Haare gerieben und sie werden stumpf und spröde. Du wirst aussehen, als wüsstest du keinen Kamm zu benutzen.“ Zuletzt präsentiert mir Gita ein kleines Stoffsäckchen mit Pilzen. „Wenn ich einen Sud daraus koche, den du trinkst, bekommst du rote Pusteln.“
Ich hebe die Hände. „Auf keinen Fall verunstalte ich mich derart! Was ist, wenn mein Vater oder Prinz Darjan kommen, um mich zu befreien und ich rote Pusteln im Gesicht habe oder mein Atem riecht wie der eines Sanddämons?“
Gita stemmt die Hände in die Hüften. „Schlimmer wäre es, wenn Prinz Darjan dich befreit und du einen dicken Bauch hast. Dann kommst du nie wieder hier weg!“
„Aber wenn ich hässlich bin, will Darjan mich auch nicht mehr. Nein! Ich benutze nur Dinge, die schnell verschwinden.“
Gita gibt sich geschlagen. „Also gut … dann die Asche und die Beeren. Mit einmal Haare Waschen und einer Mundspülung bist du wieder hübsch wie vorher. Und wenn Rafai dich zu sich rufen lässt, kaust du einfach die Beeren und benutzt die Asche. Wobei ein schlechter Atem sicher hilfreich wäre … und in ein paar Tagen ...“
„Auf keinen Fall!“, entscheide ich. Vor meinem inneren Auge zeichnet sich das Bild ab, wie Darjan vor mir wegläuft.
„Dann lass uns mit den Vorbereitungen anfangen. Bis Morgen Abend ist es nicht mehr lange“, erinnert mich Gita. Ich flehe stumm, dass ein Barbar wie Rafai sich von schlechten Zähnen und ungepflegtem Haar abschrecken lassen würde. Immerhin ist er ein Wilder. Sicher sind die nicht besonders wählerisch.
Hochzeit mit einem Wilden
Neyla
Am Abend meiner Hochzeit warte ich nervös in meinem Zelt. Nie habe ich meinen Dinjhi so geliebt wie heute. Fast bedaure ich es, dass ich ihn nie wieder tragen werde. Unter dem Dinjhi kann ich mich wenigstens verstecken. Ich kratze mich am Kopf, weil die Asche in meinen Haaren juckt. Ein Blick auf meine Zähne lässt mich schaudern. Sie sind gelblich und sehen aus, als würden sie nie wieder weiß werden. Ich schließe die Augen. Ich darf jetzt nicht zimperlich sein. Hauptsache dieser Barbar lässt mich in Ruhe.
Kurz vor Sonnenuntergang werde ich von zwei Frauen geholt. Gita darf mitkommen – sie muss übersetzen. Mein Herz rast, während man mich zu Rafais Zelt führt.
Als die Zeltmatte geöffnet und ich ins Zelt geschoben werde, bin ich zunächst angenehm überrascht. Dieses Zelt hat nichts mit meinem schlichten Sklavenzelt zu tun. Überall liegen dicke Teppiche und Kissen mit aufwendigen Stickereien. Niedrige Tischchen auf denen Becher mit Getränken und Schalen mit Obst stehen, verbreiten eine gemütliche Atmosphäre. Die Stoffe und Decken sind bunt und farbenfroh.
Rafai thront auf einem erhöhten Stuhl, der mit dem gefleckten Fell irgendeines Wüstenraubtiers bezogen ist. Er trägt seine schwarze Kriegertracht sowie sein Gesichtstuch. Noch nicht einmal seine Waffen hat er abgelegt. Sein Blick ist unverwandt auf mich gerichtet, als begutachte er eine Ware, die ihm gebracht wird. Wenn ich dürfte, würde ich mich schütteln bei seinem Anblick! Und dieser Wilde wird mir den Dinjhi abnehmen. Allein der Gedanke, dass er mir so nah kommt, ist unerträglich.
Zunächst jedoch passiert nichts. Gita und ich dürfen an einem der kleinen Tische Platz nehmen. Dann werden Leckereien aufgetragen, von denen ich leider nicht essen kann, weil ich nicht wüsste, wie ich das mit meinem Dinjhi anstellen sollte. Mein Magen knurrt, ich sehe Gita neidisch zu, wie sie sich Früchte und Fleisch auf den Teller legt. Wenn ich schon nichts essen kann, will ich die Zeit nutzen, diesen Barbaren besser einschätzen zu können und beobachte Rafai durch den Stoff meines Dinjhis. Er spricht nicht viel, nur mit zweien der Krieger scheint er ein vertrautes Verhältnis zu haben. Er sieht mich auch nicht an – nicht ein einziges Mal, während er isst.
Als das Essen beendet ist, schickt er die Krieger fort. Nur seine zwei Vertrauten bleiben … und natürlich Gita und ich. Auch die anderen Frauen müssen gehen.
Rafai steht auf und kommt auf mich zu. Ich widerstehe dem Drang, aufzuspringen und wegzulaufen. Ich würde ohnehin nicht weit kommen. Rafai hält mir seine Hand hin … ich starre sie entgeistert an, bis mir klar wird, dass er will, dass ich aufstehe. Widerwillig gehorche ich, ohne jedoch die mir angebotene Hand zu ergreifen. Als ich vor ihm stehe, bemerke ich erstmals, wie beängstigend groß er ist. Rafai überragt mich mehr als einen Kopf. Während ich versuche, seinem forschenden Blick auszuweichen, beginnt er in seiner harten Sprache mit mir zu sprechen. Gita übersetzt für mich.
„Ich nehme dich zur Frau, weil dein Mann tot ist. Ab dem heutigen Tag sind wir wie Waashu … der Wind und Bawaa … die Sonne … unzertrennlich verbunden.“
Ich lasse mir mein Entsetzen nicht anmerken und sage nichts. Allerdings wird das scheinbar auch nicht erwartet. Alle sind sehr zufrieden … alle, außer mir und Gita, die scheinbar demütig nach unten sieht, während einer von Rafais schwarz gekleideten Freunden auf sie einredet. Erst, als er fertig ist, übersetzt Gita für mich.
„Ab heute wirst du im Zelt deines Mannes leben und die Aufgaben einer Ehefrau erfüllen.“
Durch den Stoff des Dinjhi kann ich das breite Bett sehen – ein Lager aus Decken und Kissen, das genügend Platz für all die Dinge bietet, die einem Wüstenbarbaren gefallen.
Gita räuspert sich und sieht mich mitleidvoll an. „Denk daran, worüber wir gesprochen haben“, raunt sie mir zu.
Als sie sich umdreht und geht, bin ich kurz davor, in Panik auszubrechen und ihr hinterher zu laufen. Ich beherrsche mich … ich bin die Tochter des Stadtfürsten von Tigman. Das halte ich mir immer wieder vor Augen.
Auch Rafais Freunde haben das Zelt verlassen. Ich konnte sehen, dass einer von Rafais engsten Vertrauten Gita interessierte Blicke zugeworfen hat, die Gita ihrerseits konsequent ignoriert hat. Vielleicht hätte sie selbst von ihren Beeren essen sollen. Rafai tritt vor mich, um mir den Dinjhi vom Kopf zu nehmen. Gleich wird er sein blaues Wunder erleben! Ich werde ihm sogar ein Lächeln schenken!
Ich hoffe, dass mein Lächeln nicht allzu künstlich wirkt – doch er ist ja nur ein Barbar und würde das ohnehin nicht bemerken. Meine gelben Zähne verfehlen ihre Wirkung nicht. Rafai sieht irritiert aus, soweit ich das durch seinen Gesichtsschleier beurteilen kann. Fast bereue ich es, mich nicht doch für die Pusteln und den üblen Atem entschieden zu haben.
Er macht ein unwilliges Geräusch, seufzt dann und öffnet schließlich seinen Gesichtsschleier. Mein Herz bleibt stehen. Das Gesicht, das mich ansieht, hätte ich hinter dem Gesichtstuch nicht erwartet. Ich dachte immer, dass die Rebellen hässlich sein müssten … mit Hakennasen und eng stehenden Augen. Aber tatsächlich sieht Rafai überhaupt nicht so aus, wie ich mir einen Wüstenbarbaren vorgestellt hätte. Er hat ein kräftig markantes Kinn, hohe Wangenknochen, schwarzes Haar, das ihm bis zum Kinn fällt. In seinem Ohr trägt er einen goldenen Ring, der ihn verwegen aussehen lässt. Vor allem aber fallen mir seine Augen auf – goldbraun … und die fast verheilten Kratzspuren in seinem Gesicht. Mein Kopf läuft rot an, als mir klar wird, dass es Rafai gewesen sein muss, dem ich in meiner Panik das Gesicht zerkratzt habe, als die Krieger in das Lager geritten kamen.
Plötzlich fühle ich mich gar nicht mehr so sicher. Meine gelben Zähne stören mich, das stumpfe Haar – nicht, dass ich mich in einen Wilden verlieben würde oder wert darauf lege, was er über mich denkt … aber es ärgert mich unglaublich, dass er mich für hässlich hält; und dass er es tut, kann ich deutlich in seinem Gesicht lesen.
Er sagt etwas in seiner unverständlichen Sprache, und ich zucke nur mit den Schultern. Stirnrunzelnd sieht er mich an, dann beginnt er plötzlich, sich auszuziehen. Ich weiß gar nicht mehr, wo ich hinschauen soll. Obwohl ich mir immer wieder vor Augen halte, dass er nur ein Wilder ist, starre ich ihn heimlich an. Er ist groß mit Muskeln an den richtigen Stellen. Seine Haut hat die Farbe von Karamell. Ich ertappe mich dabei, wie ich mir vorstelle, seine Haut zu berühren … gesetzt den Fall, er wäre kein Wilder und ich keine Gefangene! Sicherlich, wenn er gebildet wäre und in einer Stadt wie Tigman aufgewachsen … dann könnte er mir durchaus gefallen. Aber so finde ich ihn einfach nur abstoßend! Ich werde mir außerdem bewusst, dass ich ohne Dinjhi nur mein schmales Brustband und einen Schurz trage. Deshalb verschränke ich die Arme vor dem Oberkörper. Rafai sieht mich fragend an. Er ist jetzt vollkommen nackt. Es sieht allerdings nicht so aus, als könne er die Hochzeitsnacht kaum erwarten.
Ein Teil von mir jubelt darüber, ein anderer Teil ist unsinnigerweise beleidigt. Bin ich denn vollkommen verrückt? Ich kann froh sein, dass er nicht interessiert ist! Das ist doch genau das, was Gita und ich wollten!
Rafai macht keine Anstalten, mich ins Bett zu bekommen. Stattdessen legt er sich auf sein Lager, löscht das Talglicht und rollt sich zur Seite. Ich stehe allein im Dunkeln und weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Tatsächlich könnte ich einfach nur losheulen.
Rafai
„Wie war deine Hochzeitsnacht, Bruder?“, fragt mich Jiadir, während ich meinem Hengst Saltir den Hals klopfe. Ich habe das Zelt verlassen, während meine Braut noch geschlafen hat – auf dem Boden … zusammengerollt, wie ein ängstliches Kind.
„Sie hat gelbe Zähne und borstiges Haar wie ein Wüstenschwein.“
Jiadir runzelt die Stirn. „Wirklich? Davon haben die Frauen nichts gesagt. Sie meinten, sie wäre eine Schönheit.“
Ich brumme nur. Ehrlich gesagt ist mir egal, ob sie eine Schönheit ist. Als ich ihr gestern Abend den Dinjhi abgenommen habe und mein Blick auf ihren schlanken zierlichen Körper fiel, schoss mir sofort das Blut in den Unterleib. Der Gedanke, meinen Schwanz in ihr zu versenken, sie von hinten zu nehmen, während ich mit beiden Händen ihre schmale Taille umfasse, hat mich erregt.
Und ich kenne die Tricks der Frauen – es gibt Beeren, welche die Zähne gelb färben und viele Möglichkeiten, das Haar stumpf und hässlich wirken zu lassen. Doch allein der Gedanke, dass sie solche Mittel einsetzt, um mich ihr vom Leib zu halten, hat meine Lust schnell abkühlen lassen.
Aufmunternd klopft Jiadir mir auf die Schulter. „Vielleicht braucht sie nur etwas Zeit, um aufzutauen. Immerhin ist alles neu für sie. Du bist ein gut aussehender Mann. Die Frauen und Mädchen tun alles, um dir zu gefallen. Warum sollte es bei ihr anders sein, wenn sie dich erst einmal besser kennt.“
Ich gebe Saltir einen Schlag auf die Flanke und er galoppiert wiehernd davon. Ich weiß, er kann es nicht erwarten, weiterzuziehen. Das Gatter, in dem die Pferde stehen, während wir im Lager sind, ist nicht besonders groß … und Saltir ist ein junger kräftiger Hengst, der sich verausgaben will. Genau wie du …, verhöhnt mich eine böse innere Stimme.
„Mir gefällt ihre Dienerin … Gita“, sagt Jiadir plötzlich. „Ich würde sie gerne in mein Zelt holen.“
„Das geht nicht. Wenn wir mit Karbal von Tigman verhandeln wollen, kannst du nicht einfach ihre Dienerin besteigen. Es würde keinen guten Eindruck machen, meinst du nicht?“
Normalerweise zuckt Jiadir in solchen Momenten die Schultern und sucht sich ein anderes Mädchen für sein Zelt. Doch dieses Mal ist er ungewöhnlich ernst und still. „Sie gefällt mir wirklich, Rafai … sie hat Wüstenblut in sich. Sie sollte frei entscheiden können, oder?“
Ich bin viel zu sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, um zu bemerken, wie ernst es Jiadir zu sein scheint, deshalb zucke ich die Schultern. „Wenn sie bei dir bleiben will, kannst du sie haben … aber nur dann.“ Soll er sich doch ein wenig die Zähne an ihr ausbeißen. Zumindest beschäftigt das Jiadir eine Weile, sodass er mich nicht ständig an meine Pflicht erinnert, Söhne zu zeugen.
Neyla
Gita kommt ins Zelt und weckt mich. Ich habe mich irgendwann in der Nacht auf dem Boden mit einer Decke und ein paar Kissen zusammengerollt. Gita lächelt zufrieden.
„Dann hat es funktioniert“, flüstert sie.
Ich sollte Gita dankbar sein, doch tatsächlich hat ein Teil von mir schlechte Laune. Ich bin es nicht gewohnt, dass man mich ablehnt … mich nicht will! Nicht, dass ich Rafai wollte, aber … ach verdammt. Ich weiß selbst nicht, warum ich so wütend bin … auf Gita, auf mich … auf die ganze Welt! Wo bleibt mein Vater? Wo bleibt Prinz Darjan?
„Rafai hat sich heute Morgen mit einigen seiner Krieger besprochen. Es gibt hier nicht genug Wasser für einen großen Stamm. Heute Nachmittag will er das Lager abbrechen und weiter ziehen … Richtung Osten.“
Meine Laune verbessert sich schlagartig. „Richtung Osten? Dann kommen wir Tigman näher. Das ist gut, Gita. So wird mein Vater es leichter haben, mich zu befreien.“
„Hoffen wir es“, sinniert Gita und überreicht mir ein verknotetes Stoffbündel. „Jetzt, wo du keinen Dinjhi mehr trägst, brauchst du neue Kleider. Du kannst nicht mit einem Brustband und einem Schurz herumlaufen.“
Ich öffne das Bündel und finde eine weite Hose mit einem bestickten Gürtel, dazu ein Hemd. Die Hose ist gelb, wie der Wüstensand, das Hemd darüber weiß. Es ist die normale Stammestracht der verheirateten Frauen. Gita hat mir auch neue Schuhe mitgebracht. Halbhohe Stiefel aus weichem Leder. „Die sind wirklich schön“, stelle ich überrascht fest. Solch gute Handwerksarbeit hätte ich den Barbaren nicht zugetraut.
„Rafai hat die Sachen für dich ausgesucht. Ab heute Abend müssen wir reiten.“
Ich sehe Gita ungläubig an. „Ich bin keine gute Reiterin. Hast du das meinem Barbarenehemann nicht gesagt?“
Gita zuckt mit den Schultern. „Ich habe es versucht. Aber er sagt, dass alle Frauen reiten … und seine Frau auch.“
Meine Laune verschlechtert sich erneut. Was bildet dieser Wilde sich ein? Gita bemerkt meine schlechte Laune. Ich sehe, dass ihr eine Frage auf den Lippen brennt, sie sich aber nicht wagt, sie auszusprechen. Schließlich überwindet sie sich. „Wie sieht er eigentlich aus unter diesem Geschichtstuch? Ist er … hässlich?“
Ich spüre, wie ich drohe, rot anzulaufen. Trotzdem gebe ich mich überlegen. „Natürlich ist er das! Er ist ein Wilder.“
Gita nickt und steckt mir ein Beutelchen mit Beeren zu. „Du darfst nicht vergessen, dass du jetzt keinen Dinjhi mehr trägst. Also musst du ständig von den Beeren kauen.“
Ich nehme den Beutel an mich und nicke, obwohl ich ihn am liebsten fortwerfen würde. „Vielleicht solltest du selbst welche davon nehmen. Hast du nicht gesehen, wie der eine von Rafais Freunden dich angesehen hat?“
Gita verzieht die Augenbrauen verächtlich. „Seine Blicke waren kaum zu übersehen. Aber keine Angst … ich weiß, wie ich mich wehre.“
Ich nehme eine Handvoll Beeren aus dem Beutel und beginne, zu kauen. Gita hat recht. Ich darf kein Risiko eingehen. Erst recht nicht jetzt, wo wir nach Osten ziehen – vielleicht ergibt sich sogar eine Möglichkeit zur Flucht. Wenn wir nur nah genug an Tigman herankommen, könnten Gita und ich es sogar allein schaffen. Aber … so sage ich mir … das wird nicht nötig sein. Mein Vater wird mich befreien.
Durch die Wüste
Neyla
Wir reiten am späten Nachmittag los. Rafai will die Kühle der Nacht nutzen. Man hat mir eine brave Stute gegeben, die auch für einen schlechten Reiter leicht zu händeln ist. Trotzdem fühle ich mich unwohl. Ich muss mit Gita zusammen Rafais gesamten Hausrat verpacken und verschnüren. Gita wollte es alleine tun, doch Rafai bestand darauf, dass ich lerne, wie man ein Zelt zusammenpackt. Er hat scheinbar trotz seiner Abneigung vor, mich als Frau zu behalten. Ich stelle mich bewusst tollpatschig an, zerbreche zwei Schalen und einen Krug, bin langsam und ungeschickt. Rafai kommt zwischendurch vorbei, um meine Arbeit zu inspizieren. An seinem Gesicht kann ich sehen, was er davon hält – nicht besonders viel. Innerlich verspüre ich tiefe Genugtuung.
Er sieht mich an, als wolle er etwas sagen, überlegt es sich dann jedoch anders. Wahrscheinlich ist ihm endlich aufgefallen, dass ich seine Barbarensprache nicht verstehe.
Gita schüttelt den Kopf, als Rafai sich umdreht und geht. „Du sollst unsichtbar für ihn sein … uninteressant … stattdessen reizt du ihn und forderst ihn heraus.“
„Tue ich doch gar nicht“, maule ich, und lege im Schneckentempo weitere Decken zusammen. Ein paar Knoten lasse ich so locker, dass sie ganz sicher aufgehen werden. Ich freue mich auf Rafais Gesicht, wenn seine Decken und sein ganzer Plunder vom Packpferd in den Wüstensand fallen. Den Winddämonen sei's gedankt, dass Gita nichts von meinem kleinen gemeinen Plan mitbekommen hat.
Kurz bevor wir aufbrechen, kaue ich meine Beeren, damit ich sicher sein kann, dass mein aufgezwungener Barbarenehemann nicht doch noch auf den Gedanken kommt, die Hochzeitsnacht nachzuholen. Gita hilft mir auf mein Pferd – auch dabei stelle ich mich ungeschickt an. Allerdings dieses Mal nicht bewusst, sondern ich bin wirklich eine schlechte Reiterin!
Gottseidank legt Rafai keine Eile vor. Er reitet an der Spitze des Zuges, sodass ich die ganze Zeit nur seinen Rücken sehe. Er sitzt aufrecht auf seinem Pferd, einem weißen Hengst mit schwarzer Mähne. Ein stolzes Tier, das den Kopf so hoch trägt wie sein Reiter. Ich verziehe spöttisch die Mundwinkel, während ich Rafai beobachte.
Nachdem wir die halbe Nacht geritten sind, stoßen wir auf eine Höhle mitten in der Wüste. Rafai scheint diesen Ort zu kennen, denn er lässt ein provisorisches Lager aufschlagen. Wie tief die Höhle sein mag, kann ich nur schätzen. Irgendwo im Innern muss es Wasser geben, denn die Krieger gehen mit leeren Eimern hinein und kehren mit gefüllten Eimern zurück. Wir versorgen zuerst die Pferde, dann rollen wir uns mit Decken im Eingang der Höhle zusammen.
Ich liege wach, während neben mir alle recht schnell einschlafen – sogar Gita. Der Ritt durch die Wüste war anstrengend.
Als ich nach einer ganzen Weile noch immer nicht eingeschlafen bin, stehe ich leise auf und nehme mir eine der Fackeln. Rafai hat sie aufstellen lassen, um die Insekten, Skorpione und Schlangen fernzuhalten. Ich habe das Gefühl, dass in jeder Pore meiner Haut Sand sitzt. Aber wo es Wasser gibt, kann man sich auch waschen.
Gita wacht nicht auf und ich bemühe mich leise zu sein, während ich über die schlafenden Körper hinwegsteige. Selbst die Krieger sind so müde, dass sie nicht aufwachen.
Ich umfasse die Fackel fest mit beiden Händen und gehe tiefer in die Höhle hinein. Sie ist den Göttern sei Dank weder verzweigt, noch eng. Ich muss nur rechtzeitig zurück sein, bevor die Fackel ausgeht und ich in absoluter Finsternis die Orientierung verliere.
Tatsächlich muss ich nicht weit gehen. Die Höhle gabelt sich nach kurzer Zeit in zwei Gänge. Und aus einem der Gänge höre ich das Tropfen von Wasser.
Kurz darauf stehe ich in einer Grotte und staune mit offenem Mund. So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen. Die Grotte hat eine hohe Kuppel, und in ihrer Mitte ist ein natürliches Becken aus Stein, in dem klares Wasser glitzert. Das Tropfen kommt von langen Zapfen, die von der der Decke ragen. An ihnen fließt Wasser herab und tropft in das steinerne Becken, sodass es nicht austrocknet. Am Erstaunlichsten ist jedoch das Glühen, das aus dem Becken kommt. Als ich die Fackel nah ans Wasser halte, kann ich kleine Kristalle erkennen. In ihnen spiegelt sich das Licht meiner Fackel.
Ich tauche meine Hand ins Wasser – es ist herrlich kühl. Als ich einen Schluck davon koste, kommt es mir vor, als hätte ich nie etwas Besseres getrunken. Warum lässt Rafai uns dieses lauwarme abgestandene Wasser aus den Wasserschläuchen trinken, wenn es hier frisches Wasser gibt? Das Becken ist nicht besonders tief – das Wasser reicht mir kaum bis über die Brüste, aber es würden mindestens zwanzig Menschen darin Platz haben.
Ich stecke die Fackel in den Sand, steige aus meiner Hose und dem Hemd und wate in das Becken. Das Wasser spült den Sand aus meinen Poren, ich tauche meinen Kopf unter, entfilze mein Haar und spüle mir den Mund mit dem herrlich frischem Wasser aus. Dann schließe ich die Augen und lasse mich auf der Wasseroberfläche treiben. Wie lange ist es her, dass ich baden konnte? Bei den Wüstenrebellen muss eine Schüssel mit Wasser zum Waschen ausreichen – und manchmal ist noch nicht einmal das übrig! Im Palast in Tigman gibt es zwanzig Bäder und Wasserbecken. Es war mir eine Selbstverständlichkeit, jeden Tag zu schwimmen und zu baden. Ich hätte es mir nicht anders vorstellen können. Wieder überfällt mich Heimweh, aber ich tröste mich damit, dass ich bald zu Hause sein werde.