Knight Angel - Alexa Kim - E-Book

Knight Angel E-Book

Alexa Kim

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Beschreibung

Lauren wird von seltsamen Träumen geplagt, in denen sie von einem Fremden verführt wird; und auch das Interat, in dem sie als Lehrerin arbeitet, scheint ein dunkles Geheimnis aus ihrer Vergangenheit vor Lauren zu verbergen. Als sie sich einem Priester anvertraut, wird Lauren schließlich nach Cornwall verschleppt. Doch der Wächterengel Azazel hat bereits ihre Spur aufgenommen - Lauren ist seit ihrer Geburt Luzifer bestimmt. Azazel zieht jedoch den Zorn Luzifers auf sich, als er verbotene Gefühle für Lauren entwickelt …

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Alexa Kim

Knight Angel

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Bisher erschienen von Alexa Kim

Impressum neobooks

Prolog

Fackelschein tanzte an den Wänden und Gewölbedecken. Er tauchte den vergessenen Ort in düsteres Licht. Alles hier atmete die Geschichte einer längst vergessenen Zeit - auch die Gestalten, die auf das schwarze Wasser des unterirdischen Flusses starrten. Ihre Gesichter waren nicht zu erkennen, da sie unter Kapuzen verborgen waren. Sie trugen Kutten aus blutrotem Samt.

„Es hat nicht funktioniert … alles war umsonst.“

„Halt endlich dein blödes Maul, Brockstone. Du gehst mir auf den Sack!“

Sie wagten kaum zu atmen, während sie auf das brodelnde Wasser starrten, das unter dem Kuppeldach des Gewölbes die vier Flussläufe zu einem gewaltigen Strudel vereinigte; er gurgelte und grollte, als wolle er etwas ausspeien, das er zwar verschlungen, aber nie verdaut hatte.

Einer der Sechs senkte die Fackel, um besser sehen zu können. Ein feurig rotes Glühen breitete sich unter der Wasseroberfläche aus. „Es beginnt ...“, flüsterte er.

Wie aus einem Mund begannen sie einen monotonen Singsang in einer uralten Sprache ...

Derjenige, der sich aus dem Wasser erhob, verstand jedes ihrer Worte. Seine Ohren waren außergewöhnlich gut, ebenso seine Augen und seine Nase. Die Sprache, in der sie ihn begrüßten, hatte er lange nicht mehr gehört. Als der Strudel ihn freigab, atmete er so tief ein, dass seine Lungen schmerzten. Wie lange hatte er nicht mehr frei atmen können? Zuerst hatte er die Jahre gezählt, später die Jahrzehnte, bis er es irgendwann ganz aufgegeben hatte.

Während er aus dem Wasser stieg, sah er sich die Gestalten in den roten Kutten genau an. Ihr Anblick ließ ihn ahnen, wie lange er fort gewesen war. Die Welt um ihn herum hatte sich verändert - sie roch anders, als in seiner Erinnerung.

„Azazel von den Grigori, Erster Lord und Krieger unseres Fürsten ... die Nachkommen der Nephilim heißen Euch willkommen.“ Die Gestalten senkten feierlich die Köpfe.

Azazel öffnete den Mund und entließ einen triumphierenden Schrei, der von den Wänden des Gewölbes zurückhallte. Die Finsternis hatte ihn freigegeben … endlich!

Wasser perlte in Rinnsalen über seine Schultern, Brust und den Bauch, an dem es keinen Nabel gab. Er überragte die anderen um fast zwei Köpfe, und jeder Muskel an seinem Körper zeichnete sich ab, wie an einer griechischen Statue.

Als könnten die Sechs nicht glauben, was sie sahen, starrten sie auf seinen nabellosen Bauch. Azazel spürte die Fremdheit dieser ihm unbekannten Welt. War die Erinnerung an seine Art in den Jahrtausenden seiner Gefangenschaft so sehr in Vergessenheit geraten? Enttäuscht betrachtete er das hohe Gewölbe. Seine Stimme klang unaufgeregt; doch der Eindruck täuschte. Alle seiner Art hatten eine angenehme Stimme. „Wo ist der Garten geblieben?.“

„Das ist der Garten, Euer Lordschaft. Die Nachfahren der Nephilim mussten das Tor schützen ... um die Rückkehr des einzig wahren Fürsten vorzubereiten.“

Er konnte ihre Ehrfurcht riechen, ebenso, wie den scharfen Geruch ihrer Angst. Die Grigori waren von Ihm perfekt erschaffen worden. Stark, schön … unsterblich! Die Menschen hingegen waren unvollkommen. Trotzdem hatte Er sie ihnen immer vorgezogen.

Der Wortführer der kleinen Gruppe wagte kaum, ihn anzusehen. „Die Rückkehr unseres Fürsten steht kurz bevor. Ihr seid der Erste, den wir befreit haben, Lord Azazel. Ihr habt den Krieg in den Sieben Himmeln angeführt … Ihr seid der Erste Krieger unseres geliebten Fürsten. Wir brauchen Eure Hilfe, um die Feuer Geborene ihrer Bestimmung zuzuführen. Es ist nur noch ein Monat bis zur passenden Sternenkonstellation.“

Azazel sah auf ihn herab. „Wo ist die Feuer Geborene?“

Der andere senkte den Kopf „Sie lebt in einem Kloster. Nicht nur wir kennen ihre Bestimmung, die andere Seite auch. Sie ist in der Obhut des Ordens der Schwestern der Heiligen Luzia. Wir kommen nicht an sie heran.“

Azazel wurde wütend. Was war aus den Nachkommen der Grigori geworden? Sie waren einmal stark gewesen … Titanen unter den Menschen. Aber die hier hatten kaum noch Ähnlichkeit mit den Kindern, die sie gezeugt hatten. Er packte den Mann an der Kehle, sodass dieser ein gurgelndes Geräusch von sich gab. „Sie lebt in einem Kloster?“

Einer der anderen Kuttenträger kam seinem in den Schwitzkasten genommenen Freund zur Hilfe. „Eigentlich ist es eine Schule für Mädchen. Ein Internat. Sie ist dort Lehrerin; und sie weiß nicht, wer sie ist. Keinen einzigen Tag haben wir sie aus den Augen gelassen ... das schwöre ich Euch!“

Azazel ließ sein Opfer los. Der Mann fiel auf die Knie und rieb sich den Hals. Dann stammelte er: „Wenn Ihr es wünscht, werden wir sie holen.“

Erneut schnellte Azazels Hand vor - er packte die Schulter des Mannes und drückte so fest zu, dass der andere aufschrie. Dann riss er ihm die Kapuze vom Kopf.

Ängstliche braune Augen starrten ihm aus einem blassen Gesicht mit strubbelig kurzem Haar entgegen – wie er es erwartet hatte: ein farbloses Abbild. Es war vielleicht an der Zeit für frisches Blut … es war Zeit für die Rückkehr des Fürsten Luzifer.

Nachdenklich berührte Azazel das kurze Haar des jungen Mannes. „Ich kümmere mich selbst darum. Ihr werdet mich zu ihr bringen.“ Er ließ ihn los und trat an das Wasser, um sein Spiegelbild zu betrachten - Augen wie ein grauer Sturmhimmel und ein Gesicht mit hohen Wangenknochen. Die Jahrtausende in der Finsternis hatten ihm nichts anhaben können. Er fasste sein langes Haar zu einem Zopf. „Ein Messer“ gab er knappe Anweisung.

Zitternd reichte einer der Männer ihm ein Klappmesser, und Azazel trennte mit einem einzigen Schnitt den Zopf ab. Er gab dem ehrfurchtsvoll dreinblickenden Mann das Messer zurück und fuhr sich mit der Hand durch das nur noch kinnlange Haar.

„Wie lange war ich in der Finsternis gefangen?“

Der Andere räusperte sich. „Jahrtausende … Euer Lordschaft.“

„Dann muss ich viel lernen in sehr kurzer Zeit. “ Er musterte den schmächtigen Jungen mit der blassen Haut. „Und du wirst mir alles von dieser neuen Welt zeigen, was ich wissen muss.“

Kapitel 1

Ich öffnete die Augen, als die Feldwebelstimme von Schwester Benice mich aus meinem Traum riss. Schwer atmend, als hätte ich einen Marathonlauf hinter mir, sprang ich aus dem Bett. Schweißperlen standen mir auf der Stirn, obwohl es kühl im Zimmer war. Wie immer, wenn ich diesen Traum hatte, fühlte ich mich danach seltsam fremd und zerrissen ... dieser verdammte Traum! Er verfolgte mich und ließ mir einfach keine Ruhe ...

Ich konnte hören, dass Schwester Benice die Mädchen aus ihren Zimmern scheuchte. „Los, ... aufstehen ... nicht Trödeln, wer zu spät kommt, fährt ohne Frühstück nach London.“

Ich beeilte mich, in meine Sachen zu schlüpfen, weil ich keine Lust auf die vorwurfsvollen Blicke von Benice hatte. Ich war unter ihrer Obhut aufgewachsen und nach meinem Studium als Lehrerin in das Klosterinternat zurückgekehrt. Das hatte zwar den Vorteil, dass ich schnell eine Anstellung gefunden hatte – doch es hatte auch den Nachteil, dass die älteren Schwestern mich noch immer als ihr Mündel sahen und mich auch so behandelten.

Als ich kurze Zeit später die Tür meines Zimmers hinter mir schloss, konnte ich sehen, dass Sarah noch immer nicht wach war. Alle Mädchen liefen eilig über den Flur, doch ihre Tür war noch immer geschlossen. Sie hatte jetzt schon das dritte Mal diese Woche verschlafen. Wenn Benice das erfuhr, wäre der Ausflug nach London für Sarah gestrichen. Ich ging zu ihrer Tür und klopfte.

„Eine Minute noch … verflucht ...“, antwortete Sarah genervt.

„Sarah … du sollst nicht fluchen. Wenn Schwester Benice dich hört, bekommst du Ärger.“

„Ach, du bist es, Lauren. Komm rein … ich dachte, es wäre einer der Pinguine.“

Ich schlüpfte ins Zimmer. Sarah drückte sich das Kopfkissen auf ihr Gesicht. Das frühe Aufstehen fiel ihr schwer.

Schwester Benices runder Kopf mit dem dunklen Schleier erschien plötzlich in der Tür. Sie war streng und unfreundlich, doch im Gegensatz zu Schwester Eugenie, die bei den Mädchen als hinterhältig und boshaft galt, harmlos. „Sarah, mach schon … sonst bleibst du hier“, polterte sie ungehalten. „Und ich erzähle der Äbtissin, dass du schon dreimal in dieser Woche verschlafen hast.“

Sarah sprang aus dem Bett, und Benice nickte zufrieden. „Wenn ich dich in fünfzehn Minuten nicht im Refektorium sehe, gibt es für dich keinen Ausflug nach London.“ Sie warf mir einen tadelnden Blick zu. „Sie sollten ein wenig mehr Distanz zu den Mädchen halten, Lauren. Sie sind keine Schülerin mehr.“ Dann war sie verschwunden.

„Diese Kuh!“ Ein paar derbe Flüche murmelnd, suchte Sarah ihre Sachen zusammen. „Warum lassen uns die Schleierschwitzer nicht wenigstens ab und zu ausschlafen? Nicht einen einzigen Tag ... noch nicht einmal sonntags!“ Sie redete sich in Rage, und ich ließ sie. Immerhin wurde Sarah so endlich wach. Sie war fast achtzehn und konnte den Tag nicht erwarten, an dem sie das Internat endlich verlassen konnte. Ihre Eltern hatten Sarah vor gut einem Jahr hier abgeliefert – sie kamen mit ihr nicht mehr klar, weil Sarah ihnen zu rebellisch war. Seltsamerweise hatten Sarah und ich ab dem ersten Tag einen Draht zueinander gehabt. Sie war respektlos, dreist, rauchte heimlich und trank Alkohol, wenn sich ihr eine Gelegenheit dazu bot. Kurz gesagt … Sarah war so, wie ich in ihrem Alter gerne gewesen wäre. Aber die Erziehung, die ich von frühester Kindheit im Kloster erhalten hatte, war schwer abzulegen. Meine Studienzeit hatte mich zwar das ein oder andere ausprobieren lassen … doch so unbekümmert wie Sarah würde ich nie werden.

„Wenn ich achtzehn werde, bin ich weg. Ehrlich … Lauren … ich kann nicht verstehen, warum du nach deinem Studium zurückgekommen bist. Hier bist du doch lebendig begraben! Du hättest nach London gehen können und dir einen oder mehrere hübsche Lover suchen ...“

Ich ging zum einzigen Fenster des Zimmers, während Sarah sich anzog. Die Fenster im Mädchenwohnheim stammten mindestens aus den 1970er Jahren und waren undicht, sodass sich Kondenswasser auf der Scheibe bildete, wenn es regnete. So war es auch heute. Mit dem Finger malte ich die Silhouette eines Vogels an die beschlagene Scheibe. Wäre es doch so einfach gewesen. Wie gerne wäre ich meinen Träumen oder dem Internat entkommen. Aber mir fehlte einfach der Mut. Ich sah hinauf in den trüben Himmel. Es war Anfang August, doch der Sommer war verregnet.

„Wenn du weiter vor dich hinträumst, wirst du nie hier raus kommen. Dann haben dich die frommen Schwestern bald genauso weit wie Anne. Du trittst ihrem Orden bei und verrottest als Eiserne Jungfrau.“

Ich musste lachen. „Wie kommst du darauf, dass ich noch Jungfrau bin?“

Gespielt entsetzt riss Sarah die Augen auf. „Etwa nicht? Oh Gott … lass das ja nicht die frommen Schwestern wissen. Wer war es? Der pickelige Paul? Sonst gibt es doch hier keine Männer.“

Sarah zog mich gern auf. Meine alte Zimmergenossin, Anne, hatte sich tatsächlich im letzten Jahr dazu entschlossen, Nonne zu werden, obwohl sie nie gläubig gewesen war. Aber so etwas passierte gar nicht so selten. Wenn man zu lange in dieser abgeschlossenen Welt lebte, fürchtete man, in der richtigen Welt nicht mehr zurechtzukommen. Dann blieb man einfach und ergab sich in sein Schicksal.

Während Sarah in die gehasste Internatstracht schlüpfte – blickdichte Strumpfhosen, ein überknielanger Rock, Wollpulli und flache Schuhe ... alles in Dunkelblau gehalten, band ich mir mein Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. „Paul … um Himmels Willen. Im Studium hatte ich einen Freund … Phil ...“

Sarah trat hinter mich, mit ihrer eigenen Lockenmähne kämpfend. „Du hast es gut mit deinem Haar und deiner Schneewittchenhaut.“ Sie nahm eine Strähne meines Haar und hielt sie gegen das Licht. Dann ließ sie die kastanienbraune Strähne durch ihre Finger gleiten. „Einen Stich Rot ... allein dafür hätten dich die guten Schwestern und der Bischof von London früher als Hexe gehenkt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt.“ Sie seufzte, während sie ihr krauses Blondhaar gegen meine leuchtende Strähne hielt. „Wenn wir wenigstens Make-up benutzen dürften. Ich sehe aus, wie ausgekotzt!“

„Stimmt doch gar nicht. Blondes Haar ist beliebt bei Männern, rotes Haar nicht.“

„Hm, meinst du?“ Sarah klang etwas versöhnlicher, und ich beeilte mich, zu nicken. Sarahs respektloses Gerede war ihre Art, gegen die Erziehungsmaßnahmen der Schwestern zu rebellieren. Eigentlich war sie viel zu jung, um mit ihr befreundet zu sein – aber das hatte weder sie noch mich je gestört. Vor den Schwestern und im Klassenzimmer mussten wir Lehrerin und Schülerin sein. Das war nicht immer einfach. Aber bisher hatte es ganz gut funktioniert.

Als Sarah fertig angezogen war, machten wir schnell ihr Bett, räumten ihr Zimmer auf, und liefen dann über den Flur des Wohnheims Richtung Kreuzgang, wo der mittelalterliche Klostertrakt begann. Niemand begegnete uns, die anderen Mädchen saßen längst beim Frühstück.

Auf dem Kosterhof gingen wir langsamer. Hier verbrachten wir gerne Zeit - vor allem jetzt, wo der Hibiskus und die alten englischen Duftrosen blühten. Vor allem ich liebte den Klosterhof und hatte nicht wenig Anteil daran, dass er sich im Laufe der letzten Jahre vom schmucklosen Hof in einen blühenden Garten verwandelt hatte. Immer wenn die Äbtissin sich darüber beschwerte, dass der Garten zu unzweckmäßig für ein Kloster sei, konterte ich mit dem Argument, dass der Garten Eden ja schließlich auch nur schön und nutzlos gewesen sei. Meist schwieg die Äbtissin dann verärgert, betrachtete den Garten aber andächtig. Jeder neue Rosenstrauch, den ich pflanzte, gab der Diskussion über den angeblich nutzlosen Garten neuen Zunder. Doch hier setzte ich mich seltsamerweise immer durch. Ich war stolz auf meinen kleinen Paradiesgarten.

Sarah hatte an diesem Morgen weder einen Blick für die Rosen noch für die Hibiskussträucher übrig. „Bin ich froh, wenn ich endlich volljährig bin.“ Sie zog die Lippen kraus und sah mich mit einem ihrer typischen Ich versteh dich einfach nicht-Blickean. „Was hält dich eigentlich hier? Doch nicht der Garten?“

„Ich weiß nicht ...“ gab ich ihr ausweichend zur Antwort. Ich ärgerte mich selbst über meine Unentschlossenheit. Eigentlich wäre ich lieber heute als morgen gegangen und hätte mir in London einen Job gesucht. Ich besaß überdurchschnittlich gute Qualifikationen. Da ich ein Überflieger in der Schule gewesen war, hatte der Bischof einem Lehramtsstudium zugestimmt – natürlich mit dem Hintergedanken, dass ich nach meinem Studium im Internat unterrichten würde. So weit so gut – doch in der letzten Zeit versuchte mich die Äbtissin zu überreden, die Gelübde abzulegen. Das wäre ein Grund mehr gewesen, mich endlich nach etwas anderem umzusehen. Ich ertappte mich immer wieder bei der Ausrede, dass ich einfach warten würde, bis Sarah das Internat verließ.

Die Wahrheit war, dass ich eben kaum etwas anderes kannte, als das hier. Meine Eltern waren gestorben, als ich noch ein Baby gewesen war. Es war ein Unglück gewesen. Ein Feuerwehrmann hatte mich als Einzige aus dem brennenden Haus gerettet; ich hatte als Einzige das Flammeninferno überlebt … sogar ohne große Verbrennungen. Das Wunder meiner Rettung war sogar durch alle Londoner Zeitungen gegangen – Familie stirbt bei Hausbrand – sechs Monate altesBaby überlebt!Ein münzgroßes Feuermal über dem Bauchnabel war das Einzige, was mich an das Unglück meiner frühen Kindheit erinnerte.

Als Kind hatte ich mir manchmal gewünscht, ich wäre mit meiner Familie gestorben. Es war schwer gewesen, in dem Wissen aufzuwachsen, dass es außerhalb dieser Klostermauern niemanden gab, zu dem ich gehörte oder der auf mich wartete. Ich war so allein auf der Welt, wie man nur sein konnte. Als ich dann Phil während des Studiums traf, hatte ich gedacht, dass mein Leben sich ändern könnte … dass ich nicht mehr alleine sein müsste … leider hatte die Sache zwischen Phil und mir nicht funktioniert.

Das war der eigentliche Grund, weshalb ich noch hier war ... hier gab es die Nonnen, auch wenn ich sie nicht als Familie bezeichnet hätte. Doch sie gaben mir Sicherheit ... vor allem, seit diese Träume mich verfolgten, über die ich mit niemandem reden konnte … noch nicht einmal mit Sarah! Es war immer der gleiche Traum. Ich stand nackt an einem Fluss, orientierungslos, überall um mich herum war Wasser. Dann tauchte ein Mann auf; und ich wollte ihn so sehr, wie ich noch keinen gewollt hatte!

Er war groß, fast ein Riese, mit ungewöhnlich dunklen Augen und einem männlichen Gesicht … und er trug hüftlanges Haar! Welcher Mann trug sein Haar hüftlang? Ich hatte noch nie eine Vorliebe für Männer mit langen Haaren – warum also träumte ich ständig von einem?

Eigentlich geschah dann immer das Gleiche. Er packte mich – wir fielen zusammen auf den harten Boden. Er beugte sich über mich, ich schlang meine Schenkel um seine Hüften … und dann hörte ich seine Stimme nah an meinem Ohr … sanft und verlockend. „Willst du mich, Lauren?“ Immer stand seine verlockende Stimme im Gegensatz zu dem Unbehagen, das mir dieser Mann bereitete.

Doch obwohl dieser Fremde mir Angst machte, antwortete ich immer mit „Ja!“ Und dann wachte ich auf ...

Ich hatte gehofft, die Träume würden irgendwann verschwinden, aber in der letzten Zeit träumte ich immer öfter von diesem fremden Mann ...

Wir waren am Refektorium angekommen. Es gab eine winzige, wenn auch unrealistische Chance, dass Sarah Schwester Eugenie entkam, wenn sie möglichst unauffällig zu ihrem Platz ging. „Ich versuche, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken“, schlug ich vor.

Wir betraten den Speisesaal. Dreihundert Mädchen in dunkelblauer Tracht saßen leise flüsternd beim Frühstück. Schwester Eugenie war nirgendwo zu sehen. Das ließ mich hoffen.

„Oh nein ...“, stöhnte Sarah, als Schwester Eugenie plötzlich direkt auf uns zukam. Sie war so hager, wie Schwester Benice rund war. Sie musterte zuerst Sarah, dann mich. „Etwas spät, oder Miss Brown?“

Sarah senkte den Blick. Ich wollte mich für sie einsetzen, doch Sarah kniff mir in den Arm. Also sagte ich nichts. Doch anstatt sich auf Sarah zu stürzen, wandte Schwester Eugenie sich an mich. „Lauren … die Äbtissin wünscht Sie noch zu sprechen, bevor wir nach London aufbrechen.“

Mir stieg ein Klos in den Hals. Ich konnte mir gut vorstellen, was die Äbtissin wollte … Haben Sie über meinen Vorschlag nachgedacht? Wäre es nicht das Beste für Sie, wenn sie die Gelübde ablegen?

„Ich gehe gleich zu ihr … vielen Dank, Schwester“, antwortete ich. Eugenie nickte und ging zurück zu den anderen Schwestern.

„Du hast mich gerettet … auch wenn die Rettung auf deine Kosten geht“, gab Sarah seufzend zu. Wir verabschiedeten uns – sie ging zu ihrem Platz und ich machte mich auf den Weg zur Äbtissin. Es wäre besser, den unangenehmen Besuch so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.