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Das Land Antaror besteht fast nur aus Wüste. Die Wasservorräte und Oasen werden von den Stadtfürsten verwaltet und sind nur Wenigen vorbehalten. Den Nomadenstämmen bleibt als Überlebensstrategie nur, Krieg gegen die Stadtfürsten zu führen oder sich mit dem Wenigen zu begnügen, was die Wüste ihnen bietet. Neyla, Tochter des Stadtfürsten Karbal, wurde von einem Wüstenstamm entführt und soll mit dem Stammesführer verheiratet werden, um ihrem Vater eine Familienallianz aufzuzwingen. Während Neyla und ihre Dienerin Gita Pläne schmieden, sich gegen die bevorstehende Hochzeit zu wappnen, kommt ihr zukünftiger Bräutigam überraschend ums Leben. Neyla hofft, nun endlich freigelassen zu werden, doch da kehrt Rafai zurück – der Sohn des Stammesführers. Er beansprucht das Erbe seines Vaters, zu dem auch Neyla gehört … Rafai kehrt mit gemischten Gefühlen zu dem Stamm zurück, den er vor zwei Jahren verlassen hat. Er und sein Vater waren sich selten einig, was die Zukunft des Stammes angeht. Doch Rafai ist entschlossen, den Menschen, die er nun anführt, eine bessere Zukunft zu bieten. Er will fruchtbares Land, um sesshaft zu werden. Da kommt ihm die verwöhnte Fürstentochter gerade recht – er plant, Neyle für Verhandlungen mit ihrem Vater zu benutzen. Doch schon bald geht Neyla ihm nicht mehr aus dem Kopf – Rafai redet sich jedoch ein, dass es nur sein Körper ist, der Neyla begehrt ...
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Seitenzahl: 154
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Alexa Kim
Desert Winds - Die Sklavenbraut
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1 - Ehefrau Nummer Achtzehn
Kapitel 2 - Ein neuer Anführer
Kapitel 3 - Hochzeit mit einem Wilden
Kapitel 4 - Durch die Wüste
Kapitel 5 - Der Sandsturm
Kapitel 6 - Wiedersehen
Kapitel 7 - Das Lied des Wüstenwindes
Kapitel 8 - Heimkehr
Kapitel 9 - Wüstenbraut
Epilog
Vorschau Band 2
Vorschau Band 3
Bisher erschienen von Alexa Kim
Impressum neobooks
Neyla
Ich bin eine Gefangene! Vor wenigen Tagen noch war ich Prinzessin Neyla ey Shanai am Jal bal'ii – Tochter des Stadtfürsten Karbal von Tigman. Aber ab dem heutigen Abend werde ich nur noch Frau Nummer Achtzehn des Anführers eines Wüstenstammes sein! Mein zukünftiger Mann ist ein unzivilisierter Barbar ... und er ist fast siebzig Jahre alt. Ich hingegen habe vor zwei Monaten erst meinen zwanzigsten Geburtstag gefeiert. Man hat mich nicht gefragt, ob ich ihn heiraten will. Ich wurde vor den Augen meines Vaters Karbal und des Prinzen Darjan entführt, dem ich als Braut versprochen bin.
Was für ein Unglück! Nur einen einzigen Tag später wäre ich Darjans Frau gewesen – aber die elenden Wüstenrebellen wussten von der Hochzeit und haben meinen Brautzug zum Tempel der Elegen-Priesterinnen überfallen. Ich war auf dem Rückweg nach Tigman und konnte die Tore meiner Heimatstadt schon sehen. Mein Vater und Prinz Darjan mussten mit ansehen, wie ich von den Rebellen in die Wüste verschleppt wurde – zusammen mit meiner Dienerin Gita.
Seitdem warte ich ... und hoffe ... Ich hoffe, dass mein Vater und Prinz Darjan mich befreien. Jeden Tag verlasse ich das Zelt, das ich mir mit Gita teile, und gehe in die Wüste hinaus. Jeden Tag starre ich nach Osten ... denn es ist der einzige Orientierungspunkt, den ich habe. Tigman liegt im Osten ... aber die Rebellen haben mich so tief in die Wüste gebracht, dass es mir unmöglich wäre, zu fliehen. Ich würde verdursten und mich verlaufen. Die Wüstenstämme haben gelernt, in der Wüste zu überleben, aber ich nicht. Deshalb lassen sie mich auch unbeaufsichtigt durch das Lager laufen. Sie wissen, dass ich nicht fliehen kann. Aber ich weiß - wenn Rettung kommt, dann aus dem Osten. Meine Entführer scheinen damit nicht zu rechnen. Sie lachen und scherzen, sprechen in ihrer barbarischen Sprache miteinander und beachten mich kaum. Aber ich weiß, dass mein Vater mich retten wird – ich bin seine Lieblingstochter. Prinz Darjan hat lange um mich geworben, und mein Vater hat sich im Gegenzug lange Zeit gelassen, einer Ehe zuzustimmen, obwohl er die Bindung an Darjans Familie gesucht hat. Darjan wird mich nicht aufgeben ... ich habe seine verliebten Blicke gesehen ... er konnte unsere Hochzeit kaum erwarten.
Die Elegen-Priesterinnen haben mich gut auf meine Hochzeitsnacht vorbereitet. So ist es bei uns Brauch. Einen Tag vor der Hochzeit bin ich mit meiner Eskorte in den Tempel der Elegen gezogen. Ich musste mich auf eine Liege aus schneeweißem Marmor legen. Meine Beine wurden gespreizt und fixiert, ein Seidentuch unter mir ausgebreitet. Einige Sklavinnen begannen, mich zu berühren ... zuerst meine Brüste, dann meinen ganzen Körper ... und schließlich auch die Perle zwischen den Schamlippen. Aber sie gingen nur soweit, bis genügend seidige Nässe zwischen meinen Schenkeln war, dass die Hohepriesterin mit einem Tak aus glattpoliertem Marmor in mich eindringen konnte; denn meine Lust darf allein Prinz Darjan stillen. Auf den kurzen scharfen Schmerz hatte Gita mich vorbereitet. Sie weiß viel mehr über die Dinge des Ehebettes als ich. Jede Braut in Tigman wird so auf ihre Hochzeitsnacht vorbereitet. Sie soll nur Süße und Glück empfinden, wenn ihr Mann das erste Mal mit seinem Tak in sie eindringt. Allerdings behaupten auch einige, dass das Ritual allein der Freude des Mannes dient – damit er sich in der Hochzeitsnacht nicht zurückhalten muss. Das Tuch mit meinem ersten Blut sollte Prinz Darjan vor unserer Hochzeitsnacht übergeben werden – als Beweis für meine Unberührtheit.
Ich seufze. Der Horizont bleibt leer. Meine Hoffnung, dass mein Vater und der Prinz mich befreien, bevor ich gegen meinen Willen mit dem Stammesführer verheiratet werde, schwinden langsam aber sicher. Nun soll die Vorbereitung meiner Hochzeitsnacht also einem alten Mann dienen, der mich mit seinen knotigen Händen betatschen wird!
Ich starre nach Osten, als könne ich so das bevorstehende Unglück abwenden. Nichts! Nur die grelle Sonne, die Dünen ... die Hitze ... und dieser nie endende Wind, der mich fast um den Verstand bringt. Überall ist Sand ... in meinen Schuhen, in meinen Kleidern. Das Einzige, was mich schützt, ist der verdammte Dinjhi, den ich tragen muss, seit ich das Lager der Rebellen betreten habe.
Der Dinjhi ist ein Brauch, den es nur bei den Wüstenstämmen gibt – in Tigman kennt man ihn nicht.
Bis ich verheiratet bin, muss ich den weißen Ganzkörperschleier tragen, dessen Stoff so durchsichtig ist, dass er kaum meinen Körper verdeckt. Unter dem Dinjhi wiederum darf ich nur ein schmales Band tragen, das die Brüste verdeckt und einen knappes Hüfttuch. Was dieser Brauch bezweckt, ist mir ein Rätsel. Ich stolpere ständig über den Stoff des Dinjhis – ein Teil von mir ist froh, wenn ich endlich verheiratet bin und das Ding loswerde! Aber der Preis dafür lässt mich schaudern. Denn es ist der Ehemann, der den Dinjhi in der Hochzeitsnacht entfernt.
Ich gehe zurück zu meinem Zelt. Die Blicke der anderen Frauen ignoriere ich. Sie sind misstrauisch und unfreundlich – für sie bin ich die Tochter des Stadtfürsten Karbal ... ihres Feindes. Aber indem ich ihren Stammesführer heirate, wollen sie meinem Vater eine Allianz aufzwingen. Unter meinem Dinjhi verziehe ich verächtlich die Lippen. Sie kennen meinen Vater nicht – sie sind unzivilisierte Barbaren! Er wird sie dafür bestrafen, dass sie mich entführt haben.
Ich schiebe die Matte von Gitas und meinem Zelt beiseite, und trete ein. Hier ist es etwas angenehmer als in der sengenden Hitze. Der Zeltstoff ist dick und isoliert gut gegen die Sonne. Auf dem Boden liegen dicke Teppiche, Kissen, und Matten. Die Rebellen reisen mit leichtem Gepäck. Sie ziehen ständig von einer Oase zur nächsten ... oder zu den fast ausgetrockneten Brunnen in der Wüste, wo sie nicht selten mit anderen Stämmen in blutige Kämpfe um das wenige Wasser verwickelt werden. Wegen der Hochzeit am heutigen Abend ist Okak, der Stammesführer und mein zukünftiger Ehemann, mit einigen Kriegern zum nächsten Brunnen geritten. Heute soll gefeiert werden, morgen wollen die Rebellen weiterziehen ... noch tiefer in die Wüste hinein.
Gita hilft mir, den Dinjhi abzulegen. Dann reicht sie mir einen Teller mit einem dünnen Fladenbrot und ein paar Früchten. Ich verziehe den Mund, als ich in das Brot beiße ... überall ist dieser verdammte Sand ... sogar im Brot!
"Du musst essen, Prinzessin. Niemandem nutzt es, wenn du verhungerst." Gita ist besorgt um meine Gesundheit.
"Wann wird mein Vater kommen, um mich zu befreien, Gita? Heute Abend ist es zu spät."
Gita sieht mich mit ihren dunklen Augen an. Sie hat ihre Jugend bei einem Wüstenstamm verbracht, bis ihre Mutter einen Kaufmann geheiratet hat. Gitas Blut ist das einer Wüstenrebellin, aber ihr Herz ist das einer Tochter von Tigman. Sie ist eine gute Reiterin und wäre sicher entkommen, als die Rebellen uns angegriffen haben. Aber sie ist an meiner Seite geblieben. Gita spricht die mir unverständliche Sprache dieser Menschen, und sie kennt ihre Bräuche ... ich bin froh, dass Gita bei mir ist. Ohne sie würde ich verzweifeln. Mein Vater schenkte mir Gita zum sechzehnten Geburtstag ... das war vor vier Jahren. Sie ist eine Sklavin, doch nicht für mich! Gita ist mir mehr Freundin als Dienerin.
Sie sieht mich ernst an. "Was habe ich dir gesagt, Prinzessin?"
Ich lege das sandige Brot zurück auf den Teller und seufze. "Solange ich nicht schwanger werde, ist die Ehe mit dem Stammesfürsten nicht bindend."
Gita nickt. Sie hat kaffeebraune Haut und dunkle Mandelaugen, wie die meisten Wüstenmenschen. Die Bewohner von Tigman und den umliegenden Städten sind heller von der Hautfarbe. Meine Haut hat die Farbe von dunklem Honig, und meine Augen sind grün wie die Oase, um die herum Tigman gebaut wurde. Mein braunes Haar ist von goldenen Strähnen durchzogen. Mein Vater hat behauptet, dass es schon bei meiner Geburt auffällig gewesen wäre. Deshalb lautet mein Name übersetzt: Der Stern, der aufgeht, wenn die Morgenröte die Wüste küsst
Aber Gita sagt, dass ich darauf nicht allzu viel geben soll. Der Name meiner Schwester Ladla bedeutet: Tau am Morgen, in dem sich das glitzerende Wasser spiegelt. Tatsächlich sieht sie aber eher aus, wie ein trüber Tümpel.
"Du machst es, wie wir es besprochen haben", beginnt Gita unsere Vereinbarung zum hundertsten Mal herunterzubeten. "Der Stammesführer ist ein alter Mann. Sein Tak wird nicht mehr so tatkräftig sein, wie der eines jungen Mannes. Außerdem hat er bereits siebzehn Frauen ... Okak ist satt und träge. Du musst dafür sorgen, dass er seine Munition verschießt, bevor sein Tak in dir ist. Mehr als einmal am Abend wird er das ohnehin nicht schaffen." Sie sieht mich ernst an. "Das verschafft uns ein paar Tage Zeit. Tue alles, was nötig ist ... aber auf keinen Fall darf er seinen Samen in dir verspritzen. Er wird es natürlich versuchen ... denn nur, wenn du sein Kind trägst, kann er deinem Vater eine Allianz abzwingen. Aber du darfst es nicht zulassen. Gib ihm viel Wein ... füttere ihn mit Essen, bis er müde wird. Alles, was nötig ist. Sobald du schwanger bist, wird Prinz Darjan seine Bemühungen um dich aufgeben."
Ich nicke. Ich bin nicht erfahren in den Dingen des Ehebettes; und ich habe Okak nur einmal gesehen, als ich ihm vorgeführt wurde. Er hat eine Hakennase und dünne Lippen. Bei dem Gedanken, dass diese Lippen versuchen, mich zu küssen, schaudert es mich! Doch ich hoffe, dass ich Okak zumindest eine Zeitlang auf Abstand halten kann - bis mein Vater mich befreit!
Gita richtet mein Schlaflager, und ich legte mich bäuchlings auf die dünne Matte. Sie massiert mir die Schultern, den Rücken und die Beine. Ich schließe die Augen. Gita ist eine wahre Zauberin. Obwohl ich nicht einschlafen will, gelingt es mir fast nie, wach zu bleiben, wenn sie mich massiert.
Als ich aufwache, bin ich allein im Zelt. Gita ist nicht da und draußen gibt es einen Tumult. Nervös werfe ich mir den Dinjhi über, um nachzusehen. Die Stimmen rufen aufgeregt durcheinander, und obwohl ich nicht verstehen kann, was sie sagen, klingen sie nicht, als bereiten sie sich auf ein Hochzeitsfest vor. Vielmehr scheint es, als wäre etwas geschehen. Sofort habe ich die Hoffnung, dass mein Vater gekommen ist, um mich zu befreien.
Ich ziehe die Zeltmatte beiseite und schaue hinaus. Tatsächlich sind Okak und seine Krieger zurück. Sie haben sich um etwas versammelt, das ich nicht sehen kann. Ich gehe langsam auf die aufgeregte Menge zu. Wenn ich doch nur ihre Sprache verstehen könnte. Dann kommen zwei von Okaks Frauen aus seinem Zelt gestürmt und werfen sich in den Sand. Sie schreien und kreischen, streuen sich dabei Sand in ihr Haar. Niemand hindert sie daran. Ich verstehe noch immer nicht, was vor sich geht. Doch im nächsten Moment ist mir klar, warum sie weinen. Im Sand liegt ein lebloser Körper ... seine Haut ist aschfahl, seine Augen weit geöffnet, ebenso, wie sein Mund. An seinem Kopf befindet sich eine große Wunde, der Schädel ist eingedrückt, wie von einem Keulenschlag. Es ist Okak ... er ist tot!
Beinahe vergesse ich, wo ich bin und will jubeln und in die Hände klatschen. Im letzten Augenblick besinne ich mich. Diese Wilden würden mich ganz sicher töten. Ich kehre lieber zurück ins Zelt. Ohnehin beachtet mich niemand. Der Tod ihres Anführers hat diese Menschen vollkommen aus der Bahn geworfen.
Im Zelt werfe ich den Dinjhi in die Ecke und warte auf Gita. Bestimmt ist sie im Lager unterwegs, um mehr herauszufinden. Die Menschen vertrauen ihr, obwohl sie meine Dienerin ist. Sie glauben, Gita ist auf ihrer Seite, weil sie vom gleichen Blut ist wie sie. Sie denken, eine Sklavin kann nie und nimmer etwas anderes als Verachtung für ihre Herrin empfinden. Sie kennen Gita schlecht. Tatsächlich nutzt Gita ihr Vertrauen aus, um sie auszuhorchen.
Je länger ich warte, desto nervöser werde ich. Was bedeutet Okaks Tod für mich? Darf ich jetzt nach Hause zurückkehren? Der Mann, der mich heiraten wollte, lebt nicht mehr. Wofür brauchen sie mich jetzt noch? Ich bin ihnen nur eine Last. Das Letzte, was diese Menschen gebrauchen können, ist Ärger mit Karbal von Tigman. Wasser hin oder her ... Innerlich frohlocke ich bereits.
Dann endlich kehrt Gita zurück. Sie ist ebenso aufgeregt wie ich, das kann ich an dem Funkeln in ihren dunklen Augen sehen.
"Er ist tot", flüsterte ich.
"Ja ... Okak und seine Krieger wurden von einem anderen Stamm angegriffen. Es gab Streit um das Wasser im Brunnen", bestätigt Gita.
"Aber was wird jetzt aus uns? Dürfen wir gehen?"
Gita zuckt mit den Schultern. "Vielleicht ... es ist noch nicht entschieden. Ein Teil der Ältesten ist dafür, der andere Teil dageben. Wir müssen abwarten."
Ich kann meine Enttäuschung kaum verbergen. "Wie lange?"
Gita schüttelt den Kopf. "Ein paar Tage. Sie werden Okak in der Wüste begraben ... und wenn sie zurückkommen, werden sie sich entscheiden."
Ich balle die Hände zu Fäusten ... warten ... schon wieder warten. Aber ich versuche, es positiv zu sehen. Immerhin werde ich heute Abend nicht Frau Nummer Achtzehn eines rebellischen Stammesführers werden. Das Schicksal scheint einen anderen Weg für mich vorgesehen zu haben.
Neyla
Das Warten macht mich fast genauso verrückt, wie dieser nie enden wollende Wind. Wie halten diese Menschen das nur aus? In Tigman ist der Wind lau und sanft – wie eine Liebkosung. Hier in der Wüste fühlt er sich an wie eine Ohrfeige. Nachts, wenn alles still ist, kann ich nicht schlafen. Ständig pfeift und säuselt er in mein Ohr - ein trauriges Lied in einem Meer aus Sand.
Gita hat weniger Probleme mit dem Leben in der Wüste. Aber auch sie wird zunehmend nervöser. Drei Tage sind die Ältesten nun bereits fort, um Okak in der Wüste zu verscharren. Gita hat die Frauen gefragt, ob ich den Dinjhi ablegen dürfte – nun, da ich keine Braut mehr bin. Aber sie haben nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, dass man abwarten müsste, bis die Ältesten zurückkehren. Die meisten der Rebellenkrieger sind mit ihnen in die Wüste geritten. Nur etwa fünfzehn Männer sind im Lager zurückgeblieben. Ich finde sie unheimlich in ihrer schwarzen Kleidung. Sie tragen Hosen und wadenhohe Stiefel, darüber einen knielangen Kaftan, der von einem breiten Gürtel aus Leder gehalten wird. An dem Gürtel hängen ein gekrümmtes Schwert und ein Dolch. Zwei weitere Ledergürtel tragen sie gekreuzt über der Brust. Die meisten der Waffen, die daran befestigt sind, habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Seltsame Scheiben, die sie mit Präzision werfen und die auch auf weite Entfernung fast nie ihr Ziel verfehlen. Das Schlimmste an diesen Kriegern ist jedoch das lange schwarze Tuch, das sie sich um Kopf und Gesicht winden, sodass nur ihre Augen zu sehen sind. Nie weiß ich, was sie denken, da ich ihre Gesichter nicht sehen kann.
Als ich die Wüstenkrieger das erste Mal sah, dachte ich, sie wären böse Geister. Mittlerweile weiß ich es besser … aber sie machen mir trotzdem Angst. Ich bemitleide die Frauen, die mit ihnen verheiratet sind. Diese Männer kennen nur Tod und Kampf. Ihre Frauen verhalten sich unterwürfig in ihrer Gegenwart.
„Gita?“, frage ich leise, doch sie schläft noch und hat sich auf ihrer eigenen Matte zusammengerollt. Es besteht kein Grund, sie zu wecken. Ich brauche nur etwas frische Luft … wenn man von so etwas wie frischer Luft in der Wüste überhaupt sprechen kann.
Ich werfe mir den verhassten Dinjhi über und verlasse das Zelt. Alles ist ruhig. Morgens hat die Wüste etwas Malerisches und lässt noch nichts von der Härte erahnen, die sie den Menschen, die mit ihr leben müssen, abverlangt. Deshalb habe ich mir in den letzten Tagen angewöhnt, morgens hinaus in die Wüste zu gehen.
Die meisten der Wüstenrebellen schlafen noch. Eine Frau wirft mir einen gelangweilten Blick zu, ein Krieger, der Nachtwache gehalten hat, starrt mich aus seinem Gesichtstuch heraus an. Ich sehe nur seine Augen, aber er hält mich nicht auf.
Ich gehe nur so weit, dass ich das Lager hinter mir noch sehen kann, dann setze ich mich in den Sand und lasse die feinen Körner durch meine Hände rieseln. Und wieder starre ich nach Osten! Wo bleibt mein Vater? Wo bleibt Prinz Darjan? Sie müssen doch gehört haben, dass Okak tot ist. Warum haben sie nicht längst Hilfe geschickt?
Unter meinem Dinjhi lasse ich meinen Tränen freien Lauf. Ich habe Heimweh nach Tigman, nach meinem Vater, nach Darjan … sogar nach meiner mürrischen Schwester Ladla, obwohl sie und ich uns nicht gut verstehen. Der Dinjhi ist nass von meinen Tränen. Ich blinzele, um sie fortzuwischen, da erkenne ich einen Punkt am Horizont. Ich springe auf und schirme meine Augen mit der Hand ab. Es sind sogar mehrere Punkte … Reiter! Mein Herz schlägt wild. Mein Vater und Darjan sind gekommen … endlich! Ich hebe meine Hand, um ihnen zuzuwinken, doch erstarre noch in der Bewegung. Was, wenn es nicht mein Vater ist? Der Wind presst den Stoff des Dinjhi eng an meinen Körper … und er trägt die Stimmen der Reiter an mein Ohr. Ich kann ihre Sprache nicht verstehen. Es sind die Ältesten, die zurückkehren . Alle Hoffnung ist in einem einzigen Augenblick zerschlagen!
Ich will nur noch zurück in mein Zelt. Doch als ich langsam zurück ins Lager gehe, bemerke ich, dass etwas nicht stimmt. Die Wache ist aufgesprungen und hat ihr Krummschwert gezogen. Warum sollte sie das tun, wenn die Ältesten mit den restlichen Kriegern zurückkehren? Ich werfe einen Blick zurück über die Schulter und sehe, dass die Reiter ihren Pferden die Fersen geben und mit wildem Galopp auf das Lager zureiten. Erst jetzt kommt mir der Gedanke, dass es vielleicht gar nicht die Ältesten und unsere Krieger sind. Was, wenn es dieser fremde Stamm ist, der Okak getötet hat? Sie wissen, dass Okaks Stamm führerlos ist! Ich raffe meinen Dinjhi und renne los. Ich muss Gita warnen!