Deutsche Thesen gegen den Papst und seine Dunkelmänner - Antikatholische Erzählungen - Oskar Panizza - E-Book

Deutsche Thesen gegen den Papst und seine Dunkelmänner - Antikatholische Erzählungen E-Book

Oskar Panizza

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Beschreibung

Dieses eBook: "Deutsche Thesen gegen den Papst und seine Dunkelmänner - Antikatholische Erzählungen" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: "Wer dem Dalai-Lama glaubt, ist verloren, er, sein Land, sein Kaiser, alles. Die armen, blöden Deutschen glaubten damals an den Dalai-Lama, und die Folge war: Bürgerkrieg, Entzweiung, Gegenkaiser, Mord und Plünderung auf dreißig Jahre (1076 bis 1106). Der gute Kaiser war wohl für seine Person aufgeklärt genug, über den Dalai-Lama in Rom zu lachen. Aber was halfs ihm? Seine Untertanen glaubten dem tibetanischen Gott in Rom. Und so mußte er selbst dran glauben. Er wurde förmlich geisteskrank; trotz Zusprache einer großen Anzahl Getreuer und Anhänger verlor er allen Mut, warf die Waffen von sich und winselte und weinte wie ein Geschlagener. So richtet der Wahn den Menschen zu Grund, der Glaube an eine eingebildete Gottheit!" Oskar Panizza (1853-1921) war ein deutscher Schriftsteller, Satiriker und Publizist. Panizzas Hauptwerk ist das 1894 erschienene satirische Drama Das Liebeskonzil - eine in der Literaturgeschichte beispiellose antikatholische Groteske.

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Oskar Panizza

Deutsche Thesen gegen den Papst und seine Dunkelmänner - Antikatholische Erzählungen

e-artnow, 2015
ISBN 978-80-268-3752-7

Inhaltsverzeichnis

Deutsche Thesen gegen den Papst und seine Dunkelmänner
Aus dem Begleitwort des Michael Georg Conrad
Eingang
Maria
Zölibat
Beichte und Ablass
Vom eisigheissen und süssbitteren Fegfeuer
Deutsche
Papst
Auskehr

Deutsche Thesen gegen den Papst und seine Dunkelmänner

Inhaltsverzeichnis

Leser, wenn dich an dieser Schrift etwas abstößt, so mußt du billigerweise bedenken, daß bei der Bedeutung dieser Sache nichts scharf genug gesagt werden kann.

—Hutten

Das Buch dient dokumentarischen und wissenschaftlichen Zwecken, sein Inhalt findet nicht die ungeteilte Zustimmung des Verlags.

Die erste Ausgabe dieses Buches erschien im Jahre 1894 unter dem Titel: Der deutsche Michel und der römische Papst – Altes und Neues aus dem Kampfe des Deutschtums gegen römisch-welsche Überlistung und Bevormundung in 666 Thesen und Zitaten.

Die vorliegende Ausgabe ist eine Auswahl aus den 666 Thesen und Zitaten. Die Veröffentlichung erfolgt ohne Zusätze und Ergänzungen nach der Originalausgabe von 1894.

Ich hab’s gewagt mit Sinnen und trage keine Reu’, mag ich nichts dran gewinnen – doch soll man spüren Treu’ mit der ich’s mein – nicht einem allein, wenn man’s doch wollt’ erkennen: dem Land zugut, wiewohl man tut, einen Pfaffenfeind mich nennen.

Will nun ihr selbst nicht raten, diese fromme Nation, ihres Schadens sich’s ergatten, wie ich’s ermahnet hon, so ist’s mir leid. Hiermit ich scheid.

Aus dem Begleitwort des Michael Georg Conrad

Inhaltsverzeichnis

Wahn, Wahn, überall Wahn

(Richard Wagners Hans Sachs)

Wenn mein Sohn in die Jahre gekommen, will ich ihm dies Buch in die Hand geben und zu ihm sagen:

Werde ein Mann, nimm und lies, denn hier ist Ehrlichkeit!

Beschaue dir diese Welt, überdenke sie!

Aus diesem Gedränge von Irrtümern soll die Wahrheit freie Bahn finden. Aus dieser Saat von Tollheiten soll reine Erkenntnis sprießen. Aus dieser Versammlung von Narren und Schurken, von Fratzenwesen und eingebildeten Halbgöttern, von Feiglingen und Helden soll eine geläuterte Menschheit wachsen. Aus diesem Erbe, bunt wie eine Trödelbude, sollst du dein Los ziehen. Aus diesem Tohuwabohu soll deine Seele nach eigenem Kontrapunkt Akkorde und Harmonien setzen. Aus diesem Chaos sollst du dir eine Welt zaubern, geordnet und schön, wert, deine Heimat zu sein und deines Geistes bleibende Statt. Aus dieser blutigen Verquickung von jahrtausendaltem kirchlichem Zwang soll deines Vaterlandes Freiheit erblühen.

Werde ein starker Mann, mein Sohn, der keine Furcht kennt. Du weißt aus Natur-und Geschichtsforschung, und dein schlichtes Gefühl bezeugt dir’s, woher wir Menschen stammen, wie in der Not und Trübsal des Entwicklungskampfes die Wissenschaften entstanden und die Künste und die Religionen, wie diese dann miteinander rangen, sich gegenseitig würgten und überholten in allerlei Offenbarungen und Testamenten, und wie heute, im Zeitalter der immer sieghafter hervorbrechenden Naturerkenntnis, alles Dogmatische nur noch als Überbleibsel längst vergangener Kulturzustände sein Dasein fristet.

Überdenke dies, wenn du zu Schriften, wie der vorliegenden, nicht gleich den Reim findest.

Jede Trennung der wissenschaftlichen Lehren und Erkenntnisse vom Leben, jeder Zwiespalt des Lebens mit der Allnatur stiftet Verwirrung und Unheil und verfälscht die Maßstäbe. Nur in der Einheit von Lehre und Leben, von Leben und Natur stehst du auf dem Grunde der Wahrheit, deiner Wahrheit, und bleibst deiner Menschenwürde und Willensherrlichkeit gewiß.

Daß keiner über dein Gewissen herfalle, keiner dich mit Wortkünsten und scholastischen Blendwerken täusche, keiner dich mit welschem Dunst umneble, keiner dich fremde Wege führe, keiner deinen Heimatboden entwerte – sieh dich vor! Nichts ist wahr, was dem Sinn deines Lebens widerspricht, nichts ist geheiligt, was gegen deine eigene Natur streitet, nichts ist sittlich – gestatte dies von allen Unterdrückungssüchtigen und Scheinheiligen so gottesmörderisch mißbrauchte Wort –, was Ausnahmen von natürlicher Ordnung und Gesetzlichkeit fordert. Es gibt nicht zweierlei Wahrheit, denn es gibt nicht zweierlei Natur.

Mit der Wucht der Einheit schlage sie nieder, die dir mit Dualismen und jenseitigen Regeln und Satzungen kommen wollen, den Mörderdolch wider Vernünftigkeit und Geistesfreiheit im heuchlerischen Gewande.

Mit der Wucht der Einheit. Wer in Diesseits und Jenseits scheidet, will herrschen über die Diesseitigen, wer Göttliches und Natürliches trennt, will schwächen, damit seine eigene Macht den Vorteil habe. Alles war seither darauf gestellt in der Geschichte: Wille zur Macht, aber Wille in dieser Ausschweifung: Millionen Erwerbender und Darbender für tausend Besitzende und Genießende, Millionen Untertanen für hundert Herren, die ganze Christenheit eine Herde für einen Hirten, den Vizegott im Vatikan.

Und damit diese Ausschweifung ihres Babylons froh werde und vor Zerstörung sicher sei, ward der Spruch erfunden: »Die Religion muß dem Volke erhalten bleiben.« Religion in diesem Sinne bedeutet aber nur: Kusch vor den Gewalthabern, kusch vor der Autorität der Priester, Wahrsager und Zeichendeuter.

Religion in diesem Sinne aber ist Irr-Religion, Bestialität in der Maske der Göttlichkeit. Merkst du den Spuk?

Wenn aber dereinst vom Vatikan kein Stein mehr auf dem andern sein wird und das mittelalterliche Rom toter als das antike, wenn es als unglaubliche Sage klingt das heute noch lebendige Märchen von der Unfehlbarkeit und den Verfluchungsbullen und den Himmelsschlüsseln und dem Pantoffel und dem Kastratengesang in der sixtinischen Kapelle: dann –

Aber zu dieser Stunde äfft und narrt uns noch so vieles, sogar das Ladenschild eines Barbiers im vatikanischen Viertel in Rom, worauf ich in lebhaftester Erinnerung heute wie vor zwanzig Jahren die Inschrift lese in verwaschenem pompejanischem Rot: »Hier wird zur Ader gelassen, geschröpft und kastriert.«

Heute noch –

Nimm dieses Buch und lies! Es wird zuerst dein Herz bedrücken wie ein Alp, es wird dein Gehirn pressen wie Schrauben aus mittelalterlichen Folterkammern, es wird dich grabesnächtig anwehen wie aus Inquisitionskerkern, es wird dich andünsten wie schmorendes Menschenfleisch von Ketzer-und Hexenscheiterhaufen und wie Leichen-und Pestgestank von hundertjährigen Glaubenskriegen. Aber dann wird eine große Freudigkeit über dich kommen, eine helle, jubelnde Entschlossenheit und ein neues Heldengefühl. Du überwindest, wie deine Väter überwunden haben, du bist in unbezwinglicher Stärke gewachsen, beides im Geist und im Gemüt.

Nun vollende, küsse den heiligen Boden deines Vaterlandes, erhebe den Blick zu seiner Sonne und hilf dein Volk zum Siege führen!

So will ich zu meinem Jungen reden.

München, 1894

Michael Georg Conrad

Eingang

Inhaltsverzeichnis

Werfen wir doch die Fesseln der Dunkelmänner ab! Befreien wir uns doch von ihrem Joch!

—(Hutten)

Ich weiß nicht, ob wir heute noch eine christliche Gesellschaft haben. Die übergroße Masse der deutschbewußten Menschen unserer Tage setzt ihren Stolz in ihre »Unchristlichkeit«.

Die Katholiken, die sich von wenigen Intellektuellen gängeln lassen, wiederholen, soweit sie Agitatoren sind, eine seit Jahrhunderten eingeübte und auswendig gelernte katholische Fluchformel.

Für einen geradlinigen Schriftsteller, wie den Verfasser, der nur den einen Anspruch erhebt: deutsch zu sein, könnte eine solche Betrachtung des zweifellosen Einschlafens des christlich-religiösen Interesses wenig Anlockendes bieten, wenn der unglückliche, religiös-politische Einfluß des Auslandes, des Vatikans – unglücklich, weil ausländisch –, sich entsprechend diesem weichenden Interesse vermindert hätte. Denn darüber kann heute kein Zweifel sein, daß das immer strengere Insichzusammenschließen der einzelnen Nationen jede ausländische Bevormundung, sei es in welcher Form nur immer, aufs bitterste empfinden muß.

Nun sind aber die Forderungen des Vatikans im Hinblick auf politische Beeinflussung der Staaten der Welt in den letzten Jahren entschieden im Wachsen begriffen. Der Papst dringt in die Parlamente und entscheidet über Abstimmungen. Er beansprucht das Recht der Entscheidung bei seinen Angehörigen in allen Gewissensfragen; und wo käme bei einem ehrlichen Deutschen nicht das Gewissen in Betracht? Noch mehr: eine eigene pfäffische Soldateska, die in seinem persönlichen Dienst steht, lehrt und erzieht ihre Angehörigen in dem Sinne, daß jede Betonung der Interessen des Vaterlandes, jede Zusammengehörigkeit zur Heimat, jede Vaterlandsliebe im Interesse des Apostolischen Stuhls und der katholischen Religion zu unterdrücken sei; und verlangt für die Ausbreitung dieser ihrer Ansichten das Recht der Errichtung öffentlicher Schulen in Deutschland. Und das alles angesichts der zweifellosen Verminderung des Interesses für die christliche Religion überhaupt.

Ein größerer Gegensatz läßt sich kaum denken: auf der einen Seite das immer entschiedenere Betonen der nationalen Zusammengehörigkeit; das Wachsen des Nationalstolzes; die Empfindung der Solidarität gemeinschaftlicher, vaterländischer Interessen. Auf der anderen Seite das Verlangen des Verzichtes auf jede Heimat, auf jedes Vaterland im Namen Gottes – wenigstens des jesuitisch-katholischen Gottes – und im Interesse der katholischen Religion. Und dies bei Deutschland, welches gerade durch den Zusammenschluß aller seiner so widerstrebenden Glieder seine überragende Stellung in Europa gewonnen, und durch seine nationale Einigung allen Gebieten, geistigen wie wirtschaftlichen, bei sich einen unvergleichlichen Antrieb gegeben hat!

Hierzu kommt noch ein anderes: das römische Papsttum, weit entfernt, der religiösen Gleichgültigkeit Rechnung zu tragen, hat mit einer gewissen Verzweiflung die tollsten und wahnwitzigsten Zumutungen an das Gewissen seiner Angehörigen gestellt. Es hat durch Aufstellung des Syllabus im Jahre 1864 zwischen dem mächtigen Bau der exakten Wissenschaft im Abendland in der katholischen Kirche eine für alle Zukunft nicht mehr zu beseitigende Scheidewand aufgerichtet. Es hat durch Verkündigung des Dogmas der unbefleckten Empfängnis Mariä zum Entsetzen aller höher stehenden Katholiken gezeigt, daß es sich mit seinen Lehren nunmehr an den kindlichen Glauben von Köchinnen und Dienstmädchen wenden werde. Und es hat schließlich durch das Vatikanische Konzil, auf dem es, einen einzelnen Menschen für des Irrtums unfähig, wenn auch nur oder vielleicht gerade im Denken, erklärt, das einstimmige Gespött von ganz Europa herausgefordert.

Und hierbei war es beachtenswert, daß eine immer gesteigerte Opposition von Seiten des Auslandes sich geltend machte: von den in einem Rundschreiben durch Pius IX. zu einem Gutachten über das zu verkündende Mariendogma aufgeforderten Bischöfen haben fast nur Vertreter aus Ländern des krassesten Aberglaubens und des Undeutschesten, was Welschland geboren, des Jesuitismus, sich zustimmend, und diese begeisternd, sich geäußert.

Aber Pius, der gern süße Sachen aß, und für die eben so lüsternen Mäuler seiner südländischen Glaubensgenossen zu sorgen hatte, verstand nicht die eindringlichen Warnungen der hervorragendsten und weitblickendsten Köpfe und veröffentlichte dieses Konfektdogma am 8. Dezember 1854, ohne, wie es auf den alten Konzilien Brauch war, darüber abzustimmen, oder gar regelrecht darüber beraten zu lassen. – Dies war die erste Etappe der gewaltsamen Verwelschung deutscher Gewissen gegen den ausdrücklichen Willen deutscher Bischöfe lediglich auf den Willen einiger Jesuiten hin. Die Gläubigen kuschten, weil sie es so gewöhnt sind.

Die nächste Etappe war die Enzyklika vom Jahre 1864 mit dem Syllabus, welche von der Wissenschaft, von der Politik, von der gesamten abendländischen Bildung, die in England, Frankreich und Deutschland vorzugsweise ihren Sitz hatten, blinde Unterwerfung unter die verfaulten Maximen der südromanischen Staaten, unter die Religions-Paragraphen einiger Jesuiten verlangte. Auch hier einmütige Frontmachung der bedeutendsten katholischen Köpfe im Norden Europas. Auf dem katholischen Kongreß in Mecheln, August 1853, hatte der berühmte Montalembert gesagt: »Von allen Freiheiten, die ich bisher verteidigte, ist die Freiheit des Gewissens nach meiner Ansicht die kostbarste, heiligste, berechtigste, notwendigste. Alle Freiheiten habe ich geliebt und ihnen gedient; aber ich rühme mich, der Streiter der letzteren zu sein. Ich erkläre: einen unüberwindlichen Abscheu empfinde ich vor allen Qualen und Gewalttaten, die man unter dem Vorwande, damit der Religion zu dienen, oder sie zu verteidigen, der Menschheit zugefügt hat. Die von einer katholischen Hand angezündeten Scheiterhaufen erregen eben so sehr meinen Abscheu wie die Blutgerüste, auf denen die Protestanten so viele Märtyrer hingeopfert haben. Der Knebel, welcher irgendeinem in den Mund gesteckt wird, redet aufrichtig für seinen Glauben; ich fühle ihn zwischen meinen eigenen Lippen und ich empfinde einen Schauder von Schmerz. Der spanische Inquisitor, der zum Ketzer spricht: die Wahrheit oder der Tod! ist mir ebenso verhaßt wie der französische Terrorist, der zu meinem Großvater sagte: die Freiheit, die Brüderlichkeit, oder der Tod! Das menschliche Gewissen hat das Recht zu fordern, daß man ihm nie mehr diese scheußliche Alternative stelle.«

Die Enzyklika Pius IX. aber hatte gesagt: »die Lehre, die Freiheit des Gewissens und des Kultus sei einem jeden Menschen eigenes Recht, welches durch das Gesetz ausgesprochen und in jedem wohleingerichteten Staat gesichert werden müsse, und die Bürger hätten Anspruch auf die volle Freiheit, ihre Meinungen, welche sie auch sein möchten, laut und öffentlich kund zu geben, durch das Wort, durch den Druck, oder in anderer Weise, sind verwegene Behauptungen und Wahnsinn!« Und die nun folgende Verdammung von Irrtümern ließ darüber keinen Zweifel, daß jeder Staat, der in diesem Geleise sich bewege, das Schicksal Spaniens, oder doch Österreichs haben werde.

Es kommt uns darauf an, hier zu zeigen, daß die Spaltung nicht zwischen Katholizismus und Protestantismus, nicht zwischen Katholizismus und der modernen Staatsrechtslehre, sondern zwischen Katholizismus und Katholizismus, zwischen südländischer, neapolitanisch-versumpfter Auffassung der Religion als eines Fatums, und nordischem Freiheit-Bewußtseins, zwischen verwelschter, käuflicher Jesuiten-Moral und germanischer Gewissens-Betonung, zwischen Unverantwortlichkeit und Verantwortlichkeit, eingetreten war.

Die dritte, und vorläufig letzte Etappe des Versuchs welscher Religions-Zentralisierung in Rom war das vatikanische Konzil 1869-1870 und die Unfehlbarkeits-Erklärung des Papstes. Hier haben die deutschen Katholiken sich am energischsten gewehrt. Die andern, die Protestanten, die Indifferenten, die hohe Politik ging die Sache schon gar nichts mehr an. Die wirklichen Geistesmächte des Abendlandes fanden es schon gar nicht mehr der Mühe wert, aufzubegehren. So groß war die Kluft zwischen modernem Bewußtsein und den kindischen Versuchen eines in weiße Seide gekleideten Greises, sich zu vergotten.

Auf dem Konzil selbst hielten sich die deutschen Bischöfe neben den französischen und ungarischen sehr wacker. – Der Papst selbst benahm sich in der kindischsten Weise: »Ich – sagte er zum Kardinal Schwarzenberg – ich, Giovanni Maria Mastai, glaube an die Unfehlbarkeit; zwinget Ihr den heiligen Geist, daß er Euch erleuchte!« – Und, wie das Tauschgeschäft und die merkantile Abwicklung in der katholischen Kirche bis in das Tiefste und Letzte, bis in das Bußsakrament, eingedrungen ist, läßt er sich vom Kardinal Patrizzi bei einem Empfang mit den Worten anreden: er, der Papst, »habe die Unfehlbarkeit redlich verdient als Belohnung für die große Ehre, die er der Jungfrau Maria erwiesen«, indem er ihre Unbefleckte Empfängnis proklamierte. Und heute? – Ist alles beim alten! – Warum? – Es fehlte an dem nationalen Widerstand, an dem sich die Bischöfe hätten anhalten können. Wir haben diese Orientierung vorausgeschickt, um zu der These zu gelangen, daß der Verwelschung des deutschen Gewissens, wie sie vom Vatikan aus seit einem halben Jahrhundert betrieben wird, nichts im Wege steht. Die Regierungen wollen nur um Gottes Willen Frieden; und lassen selbst die Jesuiten herein, wenn sie damit den Frieden mit Rom erkaufen können. Was Verwelschung des deutschen Gewissens heißt, sehen wir in Sitten und Gebräuchen in Tirol, sehen wir in Bayern, den Rhein hinauf und anderwärts. Und die ethische Forderung dieses katholischen Gewissens lautet auf den ultramontanen Versammlungen und in den Institutionen der Jesuiten: Du mußt den Papst höher stellen, als Dein deutsches Vaterland!

Für den deutschen Katholiken, der sein Vaterland höher stellt, als einen Kardinal im Vatikan, gibt es nur eines: Los von Rom. – Aber die Bewegung muß vom Volk ausgehen. Denn die Oberen sind schon seit 20 Jahren gebunden und gefesselt. – Wir haben im folgenden einige Kapitel der römisch-katholischen Lehre von diesem Standpunkt aus beleuchtet; nicht als Katholik, nicht als Protestant, sondern als Deutscher. Und nicht vom Standpunkt einer besseren oder schlechteren transzendentalen Anschauung; sondern vom Standpunkte einer drohenden sinnlich-religiösen Vergiftung des deutschen Gemüts. – Wir beginnen mit der großen, schlüpfrigen Göttin der Päpste, mit der Jungfrau Maria. –

Maria

Inhaltsverzeichnis

Groß ist die Diana der Epheser

(Apostelgeschichte 19, 24)

Keine christliche Göttin – die Drei-Einigkeit nicht ausgeschlossen – hat eine so rasche und glänzende Siegeslaufbahn genommen, wie die Maria. – Was habt Ihr, Papisten, nicht alles aus dieser simplen Jüdin gemacht? – An ihr herumgezerrt, sie geputzt, geziert, behangen, parfümiert, bis aus ihr die große Herrscherin im Himmel, die nicht zu umgehende Mittlerin, der große Unterrock der katholischen Kirche wurde, unter dem Euch so wohl ist?! Eure Religion ist eine Unterrock-Religion ! –

Die Geschichte begann auf dem Konzil in Ephesus im Jahre 431. Dieses nannte sie »Gottesgebärerin«, während der Patriarch von Konstantinopel, Nestorius, ein kluger und besonnener Mann, sie »Menschengebärerin«, im besten Fall »Christusgebärerin« nennen wollte. In der Religion geht es wie im Wahnsinn: der Tollste hat Recht! Der Vernünftige muß unterliegen. Es handelt sich nur darum, glücklich den Instinkt der Masse vorzuriechen. »Gottesgebärerin« ward die Jüdin auf diesem Konzil. Und gleich hier schloß sich der hübsche, hierarchische Zug an, daß sofort erklärt wurde: »Wenn einer Maria nicht als Gottesgebärerin annimmt, der ist getrennt von der Gottheit!« Es ist dasselbe Schema, welches auch später beibehalten blieb!

Und nun gibt es bald keine Grenzen mehr. Unbefleckte Taube wird sie jetzt genannt, Kleinod der Welt, unauslöschliche Lampe, Gefäß des Unerfaßlichen, Wegen welcher die Engel Reigen tanzen, die Erzengel aufspringen, furchtbare Hymnen austönend, der Festplatz des Erlösungsvertrags, das Brautgemach, die einzige Brücke Gottes zu den Menschen, der fruchtbare Webstuhl der Heilveranstaltung, auf welchem auf unsagbare Weise das Kleid der Vereinigung gewoben wurde, dessen Weber der heilige Geist, die Spinnerin die überschattende Kraft, die Wolle das alte Vließ des Adam, der Einschlag das unbefleckte Kleid der Jungfrau, die Weberlade die Gnade des Boten Gabriel. Wir befinden uns im Orient. Freilich! Aber die katholische Kirche befand sich stets im Orient. Ihre schwülstigen Gebärakte und brünstigen Sinnlichkeiten, mit denen sie die einfachen Christus-Lehren ausstaffierte, sind alles orientalische Arbeit. Orientalen waren ihre Liguori, ihre Sanchez, ihre Excobar, ihre Perrone, Malou und Pius IX. Treffliche Leute für ihre Kreise, für ihre Religion, für ihre Völker, die Welschen. Aber nicht für uns Deutsche. Seit Jahrhunderten wehren wir uns gegen diese wollüstigen Lehren, die im Vatikan fabriziert werden. Besonders gegen die Schlüpfrigkeiten im Marien-Kultus. Unser nordischer Sinn ist zu einfach und zu empfindlich für diese Sorte Religion. Und die Päpste wollen nicht begreifen, daß wir diesem pornografischen Kultus keinen Geschmack abgewinnen können. So wenig wir begreifen, daß man in den Händen fast jedes welschen Priesters gemeine Fotografien findet. Eines Tages werden sie es aber begreifen müssen. Die Nationen werden auch auf diesem Gebiet reinliche Scheidung vornehmen müssen.

Höre ich stundenlang und tausendfach die folgende unartikulierte Weise, rhythmisch, nicht dem Sinn, sondern der Bequemlichkeit nach, von deutschen Frauen betont: »Gägrüsst saist Du Maria, Du best voller Gnaden, der Härr ist mit Dir, Du best gebenedaiet unter den Waibern, und gebenedaiet ist die Frucht Daines Laibes, Jesus Christus, Amen. Heilige Maria, Mutter Gottes, bett’ für uns arme Sünder, jetzt und in där Stunde des Abstärbens, Amen.« – so wendet sich in mir das Geblüt, und ich schaudere über den Einfluß, welcher aus braven Menschen solche Puppen und Pagoden machen konnte.

Diese einfache Jüdin, die wie jede andere in Schmerzen ihr Kind geboren hat, habt Ihr mit dem Rosenöl Eurer extravaganten orientalischen Phantasie übergossen, und uns im Norden so unerträglich gemacht. Denn wir verachten penetrante Gerüche. Dieses Weib, welches ihr wie eine Boudoir-Königin geschminkt, geziert und behängt habt, stieg zuletzt in Eurer wahnsinnigen, von sexuellen Beimischungen nicht freien Verehrung bis über Gottes Thron hinaus, wurde, »Mittelpunkt des Weltalls«, Mittelpunkt der christlichen Religion. Wären Papst und Pfaffen, wie einmal vorgeschlagen worden ist, vor Beginn ihrer Amtstätigkeit in Konsequenz ihrer Gelübde kastriert worden, es wäre nicht so weit gekommen: Eine simple Jüdin an Stelle der Figur eines Christus getreten, eine x-beliebige an Stelle des Lehrers der Menschheit, und als »Erlöserin«, als »Sündenvergeberin«, die Euch »von ihrem Fleisch zu essen«, »aus ihren Brüsten zu saugen« gibt, – das ist das Resultat Eurer Jahrhunderte langen schmutzigen Arbeit, Papisten! –

Ich hätte nichts dagegen, wenn Ihr die Jüdin außer zum »Mittelpunkt der Erde«, zur »Ergänzung der Drei-Einigkeit«, zur »Mit-Erlöserin« und was Ihr ihr sonst noch angedichtet habt, endgültig zur Haupt-Gottheit des Christentums erhebt, wie es jetzt im Zuge ist, so daß sie die Sünden vergibt und uns den Himmel aufmacht. Statt dessen hat sie nur – geboren. Das haben die meisten übrigen Weiber auch. Ein Verdienst, recht groß, aber nicht groß genug, um zur Universalgöttin erhoben zu werden.

Wie die Sache jetzt liegt, habt Ihr sie zur göttlichen Puppe gemacht, mit Gold und Firlefanz behängt, ihr ein Lächeln angelogen, Schwerter und Schmerzen angedichtet, und sie mitsamt ihren Schmerzen so verzuckert, daß das Gericht, außer für welsche Weiber, gar nicht mehr zu genießen ist.

In der großen römischen Götter-Familie: Gott-Vater, Gott-Sohn, der heilige Geist, Maria, die heilige Anna und der Papst, sieht man sofort aus der Summe der Beinamen, aus den nach allen Seiten hin sich erstreckenden Beziehungen, wer eigentlich der Mittelpunkt des Systems, von welcher Richtung die meisten Strahlen ausgehen. Nur mit Grauen zitieren wir die folgenden Ehrentitel, die auf die merkwürdigen polytheistischen, blutschänderischen Beziehungen dieser katholischen Familie ein sattsames Licht werfen: Die heilige Anna ist Großmutter Gottes, Mutter der Maria, Schwiegermutter des heiligen Geistes. – Maria: Tochter Gott Vaters, Tochter der heiligen Anna, Gemahlin Gott Vaters, Tochter der Drei-Einigkeit, Mutter des Sohnes, Schwester des heiligen Geistes, Braut des heiligen Geistes, Gemahlin des heiligen Geistes, Vertraute der Drei-Einigkeit, Monstranz der Drei-Einigkeit, substantiell mit der Trinität vereinigt, die vierte Person der Drei-Einigkeit. – Gott-Vater: Vater des Sohnes, Vater der Maria, Gemahl der Maria. – Christus kommt mit zwei Beiworten weg: Sohn Gottes, Sohn der Maria. – Der Papst : Stellvertreter Christi, Gott auf Erden, Vize-Gott, kennt die Mysterien Gottes, bespricht sich familiär mit Christus, öffnet den Himmel, ist der Sohn Gottes, auf Erden allgegenwärtig. – Wir meinen, die Deutschen sollten mit diesem Rattenkönig von Verwandtschaften nichts zu tun haben, und Hände und Gewissen rein erhalten.

Wer in diesem göttlichen Bilderkreis die eigentliche Göttin ist, darüber kann wohl kein Zweifel bestehen. Und bald sorgten Spekulation, Sinnlichkeit, Phantasie und zölibatisches Denken dafür, ihr aus der katholischen Kirche ein bequemes Bett zu zimmern. Die schönsten Kirchen wurden ihr gebaut, die Hauptaltäre ihr geweiht, ihre Statue überall vorne hin gestellt, und eine eigene Gebetsformel und ein eigenes Gebets-Werkzeug für sie erfunden, der Rosenkranz. Ein Weib begnügt sich nicht mit der stillen Verehrung ihrer Anbeter; es mußte viel, fortwährend und laut gebetet werden; 150 Ave-Maria’s enthält ihr Gebets-Werkzeug; und jedes Ave bringt nach der Verordnung Benedict’s XIII. hundert Tage Ablaß. Das war eine lustige, bequeme, süße und sinnliche Religion.

»Was soll man dann allhie sagen von dem großen Geschmück in den Kirchen, der von Gold, Silber, Perlen, Edelsteinen und allerlei Geschmeide zusammengebettelt ist? Von den köstlichen Gemälden darinnen, von den Bildern und Tafeln, die unaussprechlich viel gekostet haben. In dem allen spüre ich gar keine Andacht, kann auch nicht denken, wie etwas Gutes von solchem Gezier kommen möge. Denn keine Buhlerin mag sich üppiger oder unschamhafter bekleiden oder zieren, als jetzund die Mutter Gottes, St. Barbara, Katharina und andere Heiligen.« – So heißt es im »neuen Karsthans« aus der Zeit Huttens.

Ritterorden werden zu ihrer Ehre gestiftet; Erzbruderschaften gegründet, die sich nur mit ihrer Person und der Rosenkranzarbeit beschäftigten, sie besiegt die Sarazenen in Palästina, die Mauren in Portugal; baut die Kirche zu Chartres; heilt alle Kranken, Lahmen, Taubstummen; ihr Wohnhaus wird von den Engeln aus Palästina nach Loretto in Italien getragen, und ist dort der Anlaß zum Zusammenströmen großer Geldsummen; der heilige Franziskus gründet ihr zu Ehren den sog. Portiunkula-Ablaß, der erste Fall des Sündenvergebens durch sie, an einem bestimmten Ort und gegen Bezahlung; sie macht unfruchtbare Weiber fruchtbar; der Ritter, der zu ihr hält, gewinnt die Schlacht und die Geliebte; einzelne Orden, wie die Franziskaner, ergeben sich ganz ihrem Dienst; andere Orden, wie den Jesuitenorden, gründet sie; Urban IV. stiftet den Orden der »Miliz der Jungfrau«; drei italienische Edelleute den Orden der »Miliz der unbefleckten Empfängnis«; andere Orden, die sich ihren Dogmen oder ihrer göttlichen Verehrung entgegenstellen, wie die Dominikaner, verfolgt sie mit heftigem Zorn; sie besiegt die Engländer gegen die Franzosen; hunderte ihrer Bilder wirken auf wundertätige Weise, verdrehen die Augen oder schwitzen Blut; sie erscheint in zahllosen Visionen, unterhält mit einzelnen Heiligen und Asketen familiären Verkehr, wird im ganzen Abendland auf Bäumen, Wiesen, bei Quellen, in der Luft sichtbar; Mann, Weib und Kind tragen ihre Medaille; und diese Medaille heilt die schwersten Krankheiten wie Aussatz, Pest, Hundswut – und Protestantismus. Die Sorbonne in Paris ernennt niemanden zum Doktor, der nicht vorher einen Revers zugunsten ihrer unbefleckten Empfängnis unterzeichnet hat. Kaum aber hattet Ihr Eure Göttin spekulativ sichergestellt, und ihr als »Mittlerin zwischen Gott und Menschen« die Stelle Christi in den Herzen Eurer Anhänger angewiesen, so stürzten sich die Jesuiten, diese Maulwürfe in der katholischen Kirche, auf den jungfräulichen Leib ihrer Auserwählten und durchschnüffelten, durchbohrten, durchsaugten und durchrochen ihn, wie Ratten ihr Kellernest, bis jede Faser von ihr dogmatisch-sensualistisch verwertet war. Den ganzen Leib der Maria habt Ihr, wie Anatomen die Leiche zur besonderen Erklärung, in Regionen eingeteilt, und bis auf den Unterleib keine vergessen; und jede derselben besonderer Verehrung überwiesen; mit ihren Sekreten schlüpfrig-symbolischen Unfug getrieben und alles als »Offenbarungen Gottes« der staunenden Welt verkündigt. Solcher Dreck paßte für die geilen Welschen, die auch die Religion nicht ohne haut-gout genießen können; es war aber kein Gericht für die gesunden Deutschen.

Schon bei dem Mönch Damiani im 11. Jahrhundert, dem zelotischen Helfershelfer von fünf Päpsten, finden wir die deutliche Absicht der katholischen Kirche, durch brutalste Vorführung der Geschlechtsvorgänge bei der Geburt das Interesse der Gläubigen für die Maria zu erwecken. So sagt er u. a.: »Gott selbst sei durch die Schönheit der Maria in sinnlicher Liebe zu ihr entbrannt, und solcherweise die Befruchtung der Maria zustande gekommen; sie fühlte den in ihre Eingeweide hineingefallenen Gott und dessen in der Enge des jungfräulichen Bauches eingeschlossene Majestät.«

Der Dominikaner Alanus de Rupe erzählt »eines Tages sei die Jungfrau Maria in seine Zelle gekommen, habe aus ihrem Herzen einen Fingerring geflochten und sich mit demselben ihm verlobt; sich auch von ihm küssen lassen, und ihre Brüste ihm zum Berühren und daran zu Saugen hingereicht; nicht anders, als wie es zwischen Braut und Bräutigam geschieht«!! Was ist das aber alles gegen die Leistungen der Jesuiten: Einer dieser Schlecker lehrte: Maria gebe den mit dem Teufel Ringenden von dem süßen Inhalt ihrer Brüste zu kosten!

In München wurden von den Jesuiten 1559 in der Michaeliskirche »allerley Haarbüschel« der Maria, ihr Schleier und ein Stück ihres Kammes gezeigt, und eigene Andachten für diese Gegenstände eingerichtet. – »Praecellus Uterus« – »Ausgezeichnete Gebärmutter« – beginnt der Jesuit Pontan einen Triumphgesang auf die verschiedenen Körperteile der Maria unter Hervorsuchung solcher, die mit dem Geschlechtsleben zu tun haben; ein Poem, das, auch nur lateinisch, hier mitzuteilen, zu anstößig sein dürfte.

Wir schreiben das Jahr 1764. Während solches in München als höchste Leistung katholischer Frömmigkeit und jesuitischer Fingerfertigkeit produziert wurde, dichtete Klopstock als Ausdruck tiefster Verinnerlichung protestantischer Frömmigkeit hoch im Norden an seinem »Messias«. So hatte sich damals Deutsch und Katholisch geschieden. Ich frage Dich, Leser, auf welcher Seite war damals der deutsche Geist? Und wenn die Antwort hierauf nicht zweifelhaft sein kann, so frage ich weiter: Kann jemals Deutsch und Katholisch in alle Zukunft hin sich decken?

Doch wir müssen im Dreck, d. h. in der katholischen Mariologie, weiterfahren. Etwa um die gleiche Zeit, etwas vorher, läßt sich der Jesuit Suarez in eine langwierige Untersuchung ein, ob Maria Christus mit oder ohne Nachgeburt auf die Welt gebracht habe; und entscheidet sich für letzteres.

Ohne einen Kursus in Frauenkrankheiten durchgemacht zu haben, dürfte es für einen Professor der Dogmatik in einem Priesterseminar heute kaum mehr möglich sein, in dieser Materie das Wort zu ergreifen. Bände werden darüber verschmiert, ob die Erzeugung der Maria durch ihre Eltern Anna und Joachim mit oder ohne Wollust-Empfindung einhergegangen sei. Und Maria d’Agreda bestätigt in ihrer »Biographie« der Mutter Gottes, die diese ihr selbst in die Feder diktiert habe: »die heilige Anna und der heilige Joachim hätten keine sexuelle Lust empfunden, der Erzengel Gabriel habe ihre, der Maria, unbefleckte Empfängnis ihrer Mutter, der heiligen Anna, vorher angezeigt; sie habe dann an einem Sonntag stattgefunden, und Anna und Joachim hätten sozusagen auf Befehl des Engels gehandelt«.

Bei Maria selbst, sagt Oswald, muß unterschieden werden: Maria als Mensch, und Maria als Weib; als Weib war Maria fleckenlos; als Mensch mit Sünden behaftet. Ferner: Die Sündlosigkeit der Seele, wie sie die Taufe bringt, sagt Oswald, muß genau unterschieden werden von der Begierlichkeit, die im Fleisch steckt; nur um die erstere handelt es sich bei der unbefleckten Empfängnis Mariä; von letzterer war sie zwar auch frei; aber unterschieden müssen beide doch werden. – Genau muß schließlich unterschieden werden zwischen der rein fleischlichen Sinnlichkeit, dem sexuellen Verlangen, und dem nur auf Erzeugung von Nachkommenschaft hinzielenden Begehren. Die erstere hatte Maria überhaupt nicht; die zweite wohl; sie wurde aber ausgelöscht; hatte sie also auch nicht. Trotzdem müssen beide unterschieden werden.

Nun bei den Herrn Geistlichen ist es jedenfalls umgekehrt: bei ihrem Verkehr mit ihren Beichtkindern (s.u. »Zölibat«) sind sie jedenfalls von der Absicht auf Nachkommenschaft frei; während die Sinnlichkeit – ich schätze – vorhanden ist.

Doch wir müssen weiter in unserem Gebär-Kursus: Die »jungfräuliche Empfängnis« wird weiterhin auf fünf Seiten abgehandelt: a) Mariens Leib ist bei der Überschattung durch den heiligen Geist von außen nicht beschädigt worden: »das Siegel der Jungfrauschaft an ihrem Fleisch ist nicht verletzt worden.« – b) »wir müssen die jungfräuliche Empfängnis als einen Vorgang im Innern des leiblichen Organismus betrachten«; dabei hören wir die erstaunliche Tatsache, »daß Maria bei der Empfängnis nicht das gemeine, unsaubere Menstruationsblut verwendete, sondern statt dessen das reinste, lauterste Herzensblut. – c) »die Überschattung durch den heiligen Geist ging ohne jede lüsterne Regung vor sich; aber ein körperliches Gefühl hatte Maria doch; eine geistige Ekstase, ein Verschlungensein des Fleisches durch den Geist.« Hm!

Nach der »Empfängnis« die »Schwangerschaft«. Wir erfahren: »Die inneren Gefäße ihres heiligen Leibes sind nicht verletzt, zerrissen, gequetscht oder durchbrochen worden; da nun die jungfräulichen Organe ohne jede Verletzung das Gotteskind fassen konnten, so muß ein gegenseitiges Durchdringen des Fleisches Christi und des jungfräulichen angenommen werden, d. h. daß beider Leib in derselben Raumstätte anwesend waren«. Ich begreife nur nicht, warum der liebe Gott, statt die anatomischen und physiologischen Einrichtungen des menschlichen Körpers so fürchterlich zu mißhandeln, der Maria nicht lieber das Christuskind hinten am Kragen oder vorne beim Fürtuch herausgezogen hat. Ähnlich wie Minerva fix und fertig aus dem Kopf Jupiters heraussprang.

Wie seid Ihr aber auch mit den drei Personen der Drei-Einigkeit umgegangen! Hier ist es wirklich schwer, keine Satire zu schreiben: Den »heiligen Geist«, überall habt Ihr ihn beseitigt, niemals ist er »komplett« (Nicolas); er ist zwar der »Bräutigam der Maria« (Liguori), sogar der »Gemahl der Maria« (Nicolas); trotzdem darf er nicht zur Ausübung seiner Rechte schreiten, denn »er ist nicht das Prinzip einer persönlichen Zeugung« (Nicolas); er darf nur »überschatten«, oder, »in Maria wohnen«, trotzdem muß er »operieren« (Laforet); und erst durch diese »Operation« wird er, der heilige Geist, »in der Jungfrau Maria und durch sie komplett« (Nicolas). Die Wirkung dieser »Operation« ist die Befruchtung Maria’s; aber nicht er ist der Erzeuger dieser Frucht, sondern Gott; denn er, der heilige Geist, ist nur der »Repräsentant des zeugenden Prinzips« (Nicolas). – Kein Wunder, wenn ein so beschaffener heiliger Geist, der nie komplett, sondern nur halb ist, und erst von Maria in seiner Vollständigkeit abhängig ist, eines Tages ganz verschwindet.

Nicht viel besser habt Ihr’s mit Christus gemacht. Ihn, den Mittelpunkt der christlichen Lehre, habt Ihr dogmatisch zur Puppe degradiert, nur um Maria, Euren großen Unterrock, zu steifen und zu stärken: Nicht, weil er Christus, sondern weil er der »Sohn der Maria« ist, wird er verherrlicht: »Von Maria nimmt der Sohn Gottes diese wunderbare Verherrlichung an, die glorreicher ist denn die als Sohn Gottes« (Nicolas). – »Christus wurde nicht der Sohn Maria’s, um in die Welt zu kommen, sondern er kam in die Welt, um der Sohn Maria’s zu sein«!!! (Nicolas). Infolgedessen besitzt sie »Autorität« über ihn (Nicolas) Sie »weist ihm gegenüber auf ihre Verdienste hin« (Oswald) Sie ist »das wahre Bindemittel des Diesseits mit dem Jenseits«, »im eigentlichen Sinn die Mittlerin«, »sie ist uns die Nächste«, »alle Gnaden, welche vom Himmel auf die Erde herniedersteigen, gehen durch ihre Hände« (Oswald) und »ist als Erlöserin der Menschheit ihrem Sohne gleich«.

Nicht anders seid Ihr mit dem alten Herr-Gott umgesprungen: »Maria verleiht Gott Vater eine unendliche Größe, die Er nicht in der Welt hatte, indem sie ihm seinen Sohn unterwirft: und in diesem Sinn erhöht und vervollständigt sie seine Majestät um den ganzen Unterschied des Wertes« (Nicolas); »Gott ist zu Pflichten Maria gegenüber gezwungen« (Guillou). Und Nicolas fügt hinzu: »Wir sagen hier nichts, was ein Katholik, ein Christ, ein Protestant sogar, nicht unterschreiben dürfte«

Und jetzt, lieber Leser, lies einmal eines der ersten drei Evangelien, in denen doch Alles steht, was wir über Maria wissen, und dann erwäge die große Schwindelfabrik der Päpste. Aus der Vergessenheit habt Ihr diese einfache Jüdin hervorgezerrt, sie aufgeschmückt und aufgeputzt, und sie vergrößert, und zuletzt aus ihr den großen Unterrock der katholischen Kirche gemacht, unter dem Ihr Euch alle gläubig versammelt, und dann freilich nichts anderes als Unterrocks-Dogmen und Gebär-Vorgänge erblickt und konstruiert.