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Du hast mich getötet.
Jeden Tag aufs Neue. Stück für Stück hast du alles in mir zerstört.
Innerlich. Seelisch. Emotional.
Es gibt nur noch eines, das ich mir in diesem Moment wünsche.
Ich möchte sterben.
Ich möchte, dass du dem allen hier ein Ende bereitest und ich endlich nicht mehr diesen Schmerz spüren muss. Schmerz, den ich nicht mehr aushalte, weil ich ihn nicht mehr ertragen kann. Schmerz, der nie, nie wieder vergehen wird.
Ich möchte nur noch sterben.
London
Als der zwanzigjährige Elay auf einem Spielplatz ein altes Tagebuch findet, ahnt er nicht, welch grausame Entdeckung er dort gemacht hat.
Er taucht ein in das Schicksal eines jungen Mädchens, das detailliert ihre Hölle in Gefangenschaft eines Psychopaten beschreibt und Elay diese mit jedem einzelnen Wort miterleben lässt.
Verzweifelt versucht er, die Geschehnisse nicht zu nah an sich heranzulassen, doch diese, sowie das junge Mädchen, wollen ihm einfach nicht aus dem Kopf.
Ist sie vielleicht schon tot? Oder ahnt Elay nur nicht, dass ihm das Opfer viel näher ist, als es zunächst scheint?
Achtung!!! Aufgrund von Gewalt und sexuellen Übergriffen ist dieses Buch nur für Leser über 18 Jahren geeignet!!!
Der Roman umfasst circa 98000 Worte. Dies entspricht in etwa 336 Taschenbuchseiten.
Zusätzlich enthält dieses Buch eine XXL-Leseprobe von dem Roman "Painful affection", welcher im Sommer 2016 erscheinen wird.
Teile dieser Reihe:
1 - Diary of pain: Elay & Heaven
2 - Diary of pain: Scott & Hope (erscheint im Sommer 2016)
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Schwerfällig öffne ich meine Augen.
Es ist hell. Viel zu hell.
Das Licht der Straßenlaternen blendet mich schmerzhaft und zwingt mich erst einmal dazu, die Lider wieder zu schließen.
Mein Kopf dröhnt. Meine Augen sind träge.
Wo bin ich? Was ist in den letzten Stunden nur passiert? Hat er mich tatsächlich gehen lassen oder bin ich schon längst tot, und dies hier ist nur die lang ersehnte Erlösung?
Schützend halte ich den Arm vor mein Gesicht, damit das einfallende Licht in meinen Augen nicht so wehtut. Schmerz durchströmt meinen Körper. Schmerz, den ich in den letzten Tagen kaum mehr gespürt habe, doch jetzt scheint er stärker denn je. Meine Arme, meine Beine, alles fühlt sich so schwer an. Ich kann mich kaum mehr bewegen. Jede einzelne Regung scheint unmöglich.
Es dauert eine ganze Weile, bis meine Augen sich an das Licht gewöhnt haben und ich erkennen kann, wo ich mich gerade befinde. Ich kenne diese Stelle nur zu gut. Es ist dieselbe Stelle, an der er mich überfallen und verschleppt hat. Die Stelle, an der mein Unglück seinen Lauf genommen und an der er mir nach Tagen der Hölle und Qual endlich wieder die Freiheit geschenkt hat.
Elay
Ein Jahr später …
Mit einem Lächeln im Gesicht stehe ich an diesem Tag sehr früh auf. Die ganze Woche über freue ich mich schon darauf, denn heute darf ich endlich, nach zwei verdammt langen Wochen, meine kleine Tochter wiedersehen. Meine kleine, süße Elena. Drei Jahre alt und ein richtig kleiner Sonnenschein mit kurzen, blonden Haaren und strahlend braunen Augen. Seit ich mich vor ein paar Monaten von ihrer Mutter getrennt habe, sehe ich sie nur noch selten. Jasmin, meine Ex, hält sie mir, so gut sie kann, vor und besteht darauf, dass es nur die vom Jugendamt vorgeschriebenen Termine gibt, zu denen ich sie sehen darf. Zwar habe ich sie dann das ganze Wochenende über, aber wenn man bedenkt, dass ich sie sonst jeden einzelnen Tag um mich hatte, scheint diese Zeit fast schon verschwindend gering zu sein. Manchmal glaube ich, es wäre besser gewesen, wenn Jasmin niemals schwanger geworden wäre. Aber wenn ich dann in die leuchtenden Augen meines kleinen Engels sehe, weiß ich, dass alles gut ist, wie es ist. Ich möchte die kleine Maus unter keinen Umständen mehr missen. Auch wenn ich mit meinen damals erst siebzehn Jahren noch viel zu jung für ein Kind gewesen bin. Aber heute, drei Jahre später, versuche ich ihr der beste Vater zu sein, den man sich nur vorstellen kann, und das, obwohl mir Jasmin so manches Mal Steine in den Weg legt.
Mein Herz macht einen Sprung, als es gegen 9:00 Uhr an der Wohnungstür klingelt. Sie ist da. Endlich.
„Hey kleine Maus.“ Ich nehme sie in meine Arme und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. „Stand die Haustüre schon wieder offen?“
„Nein, mir kam nur wieder dieses komische Weib entgegen. Du weißt schon, dieses kleine Emo–Mädchen. Beängstigend. Ich hoffe nur, du passt auf, dass Elena nicht in Kontakt mit dieser … kommt“, antwortet Jasmin mir kühl, und schafft es mal wieder binnen Sekunden, dass ich sofort von ihr genervt bin.
Ich schüttle seufzend den Kopf, da ich ein weiteres Mal nicht glauben kann, dass sie so auf das Äußere eines Menschen bedacht ist. Ja, das Mädchen ist komisch, das kann ich nicht abstreiten, aber muss sie immer wieder aufs Neue darauf herumreiten? Schon vor zwei Wochen war sie ihr begegnet. Da war sie gerade mit so einem seltsamen Typen in die Wohnung unter mir gezogen. Natürlich muss ich zugeben, dass mir die beiden auch suspekt sind. Sie selbst redet mit keiner Menschenseele ein Wort, versteckt sich in der Kapuze ihrer täglich wechselnden Hoodies und sieht immer auf den Boden, wenn man ihr entgegenkommt. Er dagegen ist unglaublich freundlich und aufgeschlossen, grüßt immer, wenn ich ihm im Hausflur begegne. Keine Ahnung, was das für komische Leute sind, aber vom Prinzip her ist es mir auch vollkommen egal. Warum also muss sie jetzt wieder so ein Problem daraus machen?
„Keine Sorge. Elena und ich gehen gleich zusammen auf den Spielplatz im Park. Nicht wahr?“, frage ich sie lächelnd und bekomme ein aufgeregtes Quietschen als Antwort, bevor sie sich wild gestikulierend von meinem Arm herunterschlängelt und in die Wohnung rennt.
„Ich hole sie am Sonntagabend wieder ab. Punkt 18:00 Uhr und keine Minute später.“
„So wie immer also.“
Sie ist noch keine fünf Minuten hier und ich bin jetzt schon genervt von ihrer Art. Manchmal frage ich mich, was ich an dieser Frau überhaupt geliebt habe. Sie ist so oberflächlich und materiell eingestellt, dass es schon nicht mehr schön ist. Als ich ihr vor einem knappen halben Jahr erzählt habe, dass ich eine Ausbildung zum Bürokaufmann beginnen werde, anstatt mit einem Studium anzufangen, ist sie vollkommen ausgerastet. Hauptsächlich ging es ihr darum, dass man in so einem Job nicht viel verdient und ich doch lieber Medizin oder Jura studieren sollte. Ich meine, ist ja nicht so, dass ich es nicht gekonnt hätte, aber es kam für mich eben nicht infrage. Und ich glaube, das war der Punkt, an dem sie sich schlichtweg zum Negativen gewandelt hat. Urplötzlich ging es nur noch um Geld, ihr Äußeres und das, was Andere über sie denken. Das war letztendlich der Grund, warum ich mich von ihr getrennt habe. Es ging nun mal nicht mehr, auch wenn es mir für das Kind unendlich leidtut. Es ist immer besser, wenn so ein kleiner Zwerg beide Elternteile um sich herum hat. Doch in unserem Fall ist es wohl besser, wir leben getrennt voneinander, denn Elena hat genauso wenig etwas davon, wenn wir uns ununterbrochen streiten. Damit ist niemandem geholfen.
„Halt dich daran, ansonsten siehst du sie überhaupt nicht mehr.“
„Kannst du mal bitte aufhören, mir ständig zu drohen? Ich behandle sie doch gut. Was willst du denn von mir?“
„Dass du dich an die Regeln hältst, Elay. Ansonsten kann ich auch ganz anders.“
„Ich weiß, wie du kannst, Jasmin. Das musst du mir nicht ständig auf die Nase binden. Und jetzt gib mir ihre Tasche, ich möchte das schöne Wetter mit ihr ausnutzen.“
Sie hält mir die Tasche hin, die ich ihr genervt aus der Hand nehme. Ist es zu viel verlangt, dass sie nur ein einziges Mal verschwindet, ohne mir große Vorhaltungen zu machen?
„Wenn etwas ist, dann melde dich, und ich hole sie ab.“
„Es wird schon nichts sein. Ich bin ihr Vater und ich weiß, wie ich mit ihr umgehen muss. Bis dann, Jasmin.“
Ohne auf ihre Antwort zu warten, schließe ich die Türe und gehe zurück in meine Wohnung. Meine eigenen vier Wände, die ich mir in den letzten Monaten mühevoll aufgebaut habe und in denen ich mich mehr als nur wohlfühle. Ich weiß selbst, dass ich nicht allzu viel habe, doch ich habe mir zumindest das möglich gemacht, was mit meinem mickrigen Ausbildungsgehalt möglich gewesen ist. Eine kleine Zweizimmerwohnung auf gerade einmal fünfzig Quadratmetern. Ein kleines Schlafzimmer, Wohnzimmer mit integrierter Küche und ein Mini–Bad nenne ich mein Eigen – und ich bin verdammt stolz darauf. Auch wenn mein Wohnzimmer mehr einem Kinderzimmer gleicht als etwas Anderem. Ich liebe es so, wie es ist.
Genau wie meine kleine Elena, die gerade freudestrahlend vor mir steht und mich mit ausgestreckten Ärmchen auffordert, sie hochzunehmen.
„Mami weg?“, fragt sie mich mit quietschender Stimme.
„Ja, Mami ist weg. Aber weißt du, was wir beide jetzt machen?“ Sie schüttelt ihren kleinen Kopf und schmeißt dabei lustig ihre Haare durch die Gegend. „Wir beide gehen jetzt gleich in den Park auf den großen Spielplatz. Was hältst du davon?“
„JAAA!“, schreit sie laut und springt mir förmlich vom Arm, nur um zurück zu ihren Spielsachen zu laufen und ihren kleinen Eimer samt Schaufel zu holen, den sie immer mit dorthin nimmt.
Es ist schön immer wieder zu sehen, wie man dieses Kind mit Kleinigkeiten glücklich machen kann, und ich finde, so sollte es bei jedem Menschen sein.
* * *
Gute zwanzig Minuten später sitze ich auf einer kleinen Parkbank vor dem Spielplatz und lasse mich von der Sonne wärmen. Ich sitze gerne hier, genieße die Ruhe und lasse die Seele baumeln. Warum auch immer, es kommt kaum jemand hierher, dabei ist der Spielplatz wirklich wunderschön und mitten im Park auch noch weit abgelegen vom nervigen Alltagslärm. Dennoch sind nur vereinzelte Kinder hier, toben mit Elena über das kleine Klettergerüst oder spielen mit ihr im Sand. Sie fühlt sich wohl hier, und das ist für mich das Allerwichtigste.
„Elena? Schatz, kommst du? Wir gehen wieder nach Hause.“
Mittlerweile sind wir seit über zwei Stunden hier und es wird Zeit, dass wir zurückgehen, damit die Kleine ihr Mittagessen bekommt. Dass sie natürlich nicht einverstanden sein wird, damit habe ich durchaus schon gerechnet.
„Will nicht!“, gibt sie böse zurück, womit sie mich mit sofortiger Wirkung zum Schmunzeln bringt.
Es ist so süß, wenn sie ihren Lippen zu einem Schmollmund verformt und ihre Händchen in die Hüften stemmt. Kombiniert mit ihrem frechen Bobhaarschnitt, sieht sie unendlich urig aus.
„Was hältst du davon, wenn wir heute Nachmittag noch einmal hierherkommen? Aber erst essen wir beide Spaghetti mit Tomatensoße und machen einen kurzen Mittagsschlaf. Okay?“
„Aber ich habe was gefunden …“
„Das kannst du mir doch später auch noch zeigen, Süße“, versuche ich ihr liebevoll zu verstehen zu geben, was sie aber natürlich nicht interessiert.
„Nein, jetzt!“, sagt sie bestimmt und dreht sich von mir weg, rennt in die andere Ecke des Spielplatzes.
Lachend laufe ich ihr hinterher, schnappe sie und drehe sie ein paarmal wie ein Flugzeug in der Luft. Schreiend lacht sie auf, wedelt wild mit den Füßen in der Luft herum.
„Was hast du denn gefunden, kleine Maus?“, frage ich sie sanft und stelle sie zurück auf den Boden.
„Da, guck!“ Sie zeigt mit ihren kleinen Händen in Richtung des Grabens, der auf dieser Seite des Spielplatzes verläuft, und eilt direkt zu der Stelle, an der sie ihr Fundstück hat liegen lassen. „Ein Buch, Papi.“
Aufgeregt kommt sie tatsächlich mit einem Buch zu mir zurückgerannt. Ein Buch, in eine durchsichtige Plastikhülle verstaut, vermutlich, damit es nicht dreckig wird. Beim näheren Betrachten muss ich feststellen, dass es sich weniger um ein richtiges Buch als um einen Notizblock handelt. Nur langsam ziehe ich es aus der Hülle, weil ich das Gefühl habe, hier nicht irgendetwas Belangloses in meinen Händen zu halten. Warum, das kann ich nicht einmal genau sagen. Doch mein Gefühl soll sich wenige Sekunden später bestätigen.
Es ist ein Tagebuch, eingebunden in schwarzem Samt, mit vielen kleinen Steinchen drauf.
Ich öffne die letzte Seite und lese die verfassten Sätze. Mit jedem Wort, das ich erblicke, weiten sich meine Augen immer mehr vor Entsetzen. Geschrieben am 11. Juli 2013. Also vor fast einem ganzen Jahr.
Du hast mich getötet.
Jeden Tag aufs Neue. Stück für Stück hast du alles in mir zerstört.
Innerlich. Seelisch. Emotional.
Es gibt nur noch eines, das ich mir in diesem Moment wünsche.
Ich möchte sterben. Ich möchte, dass du dem allen hier ein Ende bereitest und ich endlich nicht mehr diesen Schmerz spüren muss. Schmerz, den ich nicht mehr aushalte, weil ich ihn nicht mehr ertragen kann. Schmerz, der nie, nie wieder vergehen wird.
Ich möchte nur noch sterben …
* * *
Erschöpft lasse ich mich an diesem Abend auf meine geliebte Couch fallen. Ich lehne meinen Kopf nach hinten und schließe einen Moment lang die Augen, muss erst einmal durchatmen. Elena und ich waren den ganzen Tag draußen und das nicht nur auf dem Spielplatz. Eis essen, Fahrradfahren, Ballspielen. Das sind nur wenige Dinge von denen, die heute auf dem Programm standen, und wenn ich ehrlich bin, dann bin ich froh, dass sie nun endlich zufrieden in ihrem Bettchen liegt und schläft. Es macht mir nichts aus, mich um sie zu kümmern, aber es gibt da noch etwas Anderes, was mir den ganzen Tag über keine Ruhe gelassen hat - Dieses Tagebuch!
Seit Stunden starre ich immer wieder darauf, hätte es am liebsten sofort, nachdem wir wieder zu Hause waren, in meine Hände genommen und gelesen. Doch ich wollte warten, bis Elena schläft, da ich nicht weiß, was mich überhaupt erwartet. Aber wenn ich ehrlich bin, dann ist nach den letzten Sätzen wohl nichts Gutes zu erwarten, und das bereitet mir unglaubliche Bauchschmerzen.
Ich setze mich ein Stück weit auf, nehme es vom Tisch und lehne mich wieder nach hinten an die Couch. Sanft streichle ich mit der flachen Hand über das weiche Samt, das das Buch umhüllt und ihm irgendwie etwas Geheimnisvolles gibt. Es ist erstaunlich, wie gut es noch aussieht. Aber das liegt vermutlich daran, dass es in diese Plastikhülle eingewickelt war. Zum Glück.
Ich bin gespannt, welche Geheimnisse dieses Buch in sich trägt. Aber auf der anderen Seite keimt in mir eine Abscheu auf, die mich fast davon abhält, es aufzuschlagen. Die letzten Sätze haben mir einen kalten Schauer über den Rücken gejagt und ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich wissen möchte, was dem- oder derjenigen tatsächlich zugestoßen ist.
Dennoch siegt nach einer ganzen Weile meine Neugier, die mich mit zitternden Händen die erste Seite aufschlagen lässt. Schon die ersten Worte lassen meinen Atem stocken und nur ansatzweise erahnen, was mich auf den nächsten Seiten Grauenvolles erwartet.
Tag 1
Angst.
Ich habe solche Angst.
Angst, die ich nicht in Worte fassen kann, genauso wenig wie das, was gerade in mir vorgeht.
Ich wurde entführt. Von wem? Das weiß ich nicht.
Ich konnte dich nicht erkennen, da du mit einer schwarzen Sturmhaube maskiert warst, wie sie Bankräuber immer benutzen.
Alles, was ich weiß, ist, dass ich das, was du mir antust, in dieses Buch hier schreiben soll. Warum? Auch diese Frage kann ich mir nicht beantworten, dennoch habe ich das Gefühl, dass es besser ist, deinen Worten Folge zu leisten, und genau deswegen sitze ich jetzt hier vor diesem Buch und versuche, meine Gedanken wieder ins Reine zu bringen.
Es ist wie in einem schlechten Film.
Ich war doch nur auf dem Rückweg von meiner Geburtstagsfeier und dann … dann wurde ich plötzlich brutal zur Seite gerissen und mit dem Kopf auf den Boden geschlagen. Das ist das Einzige, was ich noch weiß, ansonsten ist alles schwarz, bis ich in diesem Raum hier aufgewacht bin.
Ein Raum, der mehr an ein Gefängnis erinnert alsan etwas Anderes.
Ein altes Klappbett steht in der hinteren Ecke des Raumes, auf dem einzig und allein eine ebenso alte Wolldecke liegt. Eine heruntergekommene Campingtoilette und ein alter, kaputter Holztisch befinden sich ebenfalls im Raum. Nicht einmal ein Fenster mit Tageslicht gibt es. Einzig und allein eine kleine Luke, durch die vermutlich ein wenig Luft gelangt, damit ich hier drin nicht ersticke.
Was willst du nur von mir?
Warum soll ich alles, was hier passiert, in dieses Buch schreiben?
Das macht doch alles keinen Sinn.
Ich meine, warum sollte man mich entführen? Ich habe nicht einmal mehr Eltern, denen man eine große Summe Lösegeld abnehmen könnte. Wozu also das Ganze?
Du bist so beängstigend.
Mindestens eineinhalb Köpfe größer als ich, muskulös, breit.
Selbst wenn ich versuchen würde, mich gegen dich zu wehren, hätte ich absolut keine Chance.
Ich habe solche Angst.
Angst davor, du könntest wieder gewalttätig werden, und ich bin mir fast sicher, dass du es wirst.
Doch die größte Angst ist, nicht zu wissen, was als Nächstes passieren wird. Nicht zu wissen, warum ich hier bin und was du als Nächstes mit mir vorhast. Das ist alles … MIST!
* * *
… Tränen tropfen auf dieses Stück Papier, während ich versuche, mit zitternden Händen diese Worte zu verfassen.
Mir ist schlecht. Mein Herz schlägt mir immer noch bis zum Hals.
Nachdem du eine ganze Weile lang nicht mehr hier gewesen bist, bist du plötzlich und unerwartet doch wieder aufgetaucht.
Du standest vor mir, und obwohl ich bis auf deine Augen nichts von dir erkannte, konnte ich unter der Maske dein hämisches Grinsen erahnen. Kein Wort hast du herausgebracht, sahst mich eine ganze Weile lang einfach nur an, bevor du plötzlich anfingst, deinen Gürtel und die Knöpfe deiner Hose zu öffnen.
Automatisch rückte ich nach hinten an die Wand. Ich wollte das nicht. Nein, du durftest das nicht tun.
Brutal hast du an meinen Haaren gerissen und mich mit einem Ruck zu dir zurückgezogen. Mittlerweile hattest du dich vor mir entblößt und ich wusste genau, was du von mir wolltest.
Dein Schwanz stand wie eine Eins.
Es erregte dich anscheinend, dass ich Angst vor dir hatte.
Es fällt mir so unendlich schwer, diese Worte hier zu schreiben. Denn ich weiß, dass es mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen sein wird, dass du es versuchst. Dass du versuchst, mich dazu zu zwingen, dir einen zu blasen. Denn genau das hast du getan. Immer und immer wieder hast du mein Gesicht an deinen Schritt gedrückt. Mir wurde auf der Stelle schlecht. Fest presste ich meinen Mund und meine Augen zusammen, versuchte mein Gesicht wegzudrehen. Ich flehte dich an, mich in Ruhe zu lassen, doch das löste nur das Gegenteil in dir aus. Grob hast du erneut an meinen Haaren gerissen und mich mit einem Mal brutal mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen. Ich fiel zurück aufs Bett, hielt mir den Kopf vor Schmerzen und wimmerte, aber es interessierte dich nicht. Stattdessen hast du mir einen erneuten Schlag mitgegeben und mir mit der Faust mit voller Wucht in den Bauch geschlagen. Erst dann hast du von mir abgelassen und den Raum verlassen.
Hemmungslos fing ich an zu weinen, während mich der Schmerz komplett in die Knie zwang.
Warum nur tust du mir das an?
Warum machst du das mit mir?
Ich habe Angst. Solch verdammte Angst.
Und ich weiß ganz genau - Du wirst schon bald wiederkommen.
Mit klopfendem Herzen klappe ich das Buch zu, muss erst einmal tief durchatmen. Das ist … Scheiße! Wenn das, was in diesem Buch steht, genauso passiert ist, dann weiß ich nicht, was ich tun soll. Ich bin so aufgewühlt, durcheinander und zu kaum einem Gedanken mehr fähig. Es geht mir so nah, dennoch kann ich es jetzt nicht einfach zur Seite legen. Ich muss wissen, was als Nächstes geschieht.
Tag 2
Ich will hier raus.
Bitte, hol mich jemand hier raus.
Du warst da. Natürlich warst du das und das gleich zweimal.
Beim ersten Mal hast du mir nur ein Glas Wasser gebracht, aber dann …
Ich will es nicht aufschreiben.
Ich will es nicht noch einmal durchleben müssen, aber ich muss. Ich habe keine andere Wahl.
Das hast du mir mehr als nur deutlich gemacht.
Ich habe solche Angst vor dir.
Ich weiß nicht, wie spät es war, als du das zweite Mal aufgetaucht bist. Mittlerweile weiß ich ja nicht einmal mehr, ob wir Tag oder Nacht haben, doch wen interessiert das schon.
Du hast mich so sehr gedemütigt, wie man es sich wohl kaum vorstellen kann. Du zerbrichst mich immer mehr, doch mir ist bewusst, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein wird, dass du mir dies antun wirst.
Du hattest ein Messer bei dir.
Ein Messer, das du mir bedrohlich an den Hals gehalten und in die Haut gedrückt hast.
Schmerz, der aber nichts war im Vergleich zu dem, was du mit mir gemacht hast.
Meine Hände hast du mit Kabelbindern am Metallrahmen des Bettes festgebunden und zwangst mich vor dir auf die Knie. Ich wusste genau, dass es kein Zurück mehr gibt, und ich wusste ebenso, dass ich dir jetzt das geben musste, was du von mir verlangen würdest.
„Und wage es nicht, auf irgendwelche dummen Gedanken zu kommen!“, flüstertest du mir bedrohlich entgegen, während du, wie schon am Vortag, den Gürtel und die Knöpfe deiner Jeans geöffnet und sie nach unten gezogen hast.
Schon allein bei dem Geruch, der mit entgegenkam, musste ich gegen den Würgereiz kämpfen, der in mir aufstieg. Doch was dann kam, übertraf meine schlimmsten Alpträume und alles, was ich in meinem bisherigen Leben erlebt hatte.
Brutal hast du deinen Schwanz in meinen Mund gestoßen. Meinen Kopf hast du so fest an dich gedrückt, dass ich dich komplett in mir aufnehmen musste. Mein Magen zog sich zusammen. Ich war kurz davor, mich zu übergeben. Tränen liefen mir stumm über die Wangen, während du fest an meinen Haaren gezogen hast, um mich in Position zu halten.
Du hast meinen Mund gefickt.
Immer und immer wieder.
Brutal. Grob. Ohne Rücksicht.
Fest kniff ich meine Augen zusammen, verharrte und bewegte mich kein Stück mehr.
Ich wollte nur noch, dass es vorbei wäre. Ich wollte auf der Stelle sterben.
Meine Knie waren kaum mehr in der Lage, mich zu halten. Ich drohte ununterbrochen zusammenzubrechen. Doch die Angst vor dir und dem, was du noch mit mir tun könntest, war zu groß, um irgendetwas gegen dich zu unternehmen.
Ich ließ es über mich ergehen. Gefühlte Stunden, bis du schließlich stöhnend und keuchend, mit festen Stößen in mir kamst. Du hast mich gezwungen zuschlucken und dachtest gar nicht erst daran, mich wieder loszulassen. Gewaltsam hast du mich immer wieder gegen dich gepresst. So lange, bis ich selbst den letzten Tropfen in mir aufgenommen hatte. Dann hast du von mir abgelassen.
Mein Kopf sank kraftlos zu Boden, während ich mich im nächsten Moment unaufhaltbar übergeben musste. Ich vernahm noch dein leises Lachen, bevor ich nicht nur seelisch sondern auch körperlich vollkommen in mir zusammenbrach.
Ohne mich von meinen Fesseln zu lösen, verließt du den Raum. Du hast mich einfach auf dem kalten Boden sitzen gelassen wie ein benutztes Stück Fleisch, und mit den Folgen deiner Tat hast du mich zurückgelassen.
Verzweifelt. Verletzt. Gedemütigt. Am Ende.
Elay
Schweißgebadet und mit Herzrasen wache ich an diesem Morgen vollkommen erschöpft auf. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich überhaupt eine Stunde am Stück geschlafen habe. Zu sehr haben mich die Zeilen dieses/dieser Unbekannten berührt. Zu sehr haben sie mich selbst verletzt. Es war, als hätten mich die Worte in dieses Buch gezogen und mich selbst dabei sein und leiden lassen. Ich war gestern Abend nicht mehr in der Lage, auch nur noch ein einziges Wort daraus zu lesen. Ich wollte, aber ich konnte nicht.
Was muss dieser Mensch durchgemacht haben? Wie sehr muss er gelitten haben? Es ist für mich nicht vorstellbar, was in einem Menschen, der solch große Demütigung erlebt, vorgeht, und wenn ich mir ausmale, was ich auf den nächsten Seiten vermutlich zu lesen bekomme, wird mir auf der Stelle schlecht. Was geht nur in dem kranken Kopf eines Menschen vor, der so etwas tut? Warum tut jemand so etwas überhaupt? Niemand kann so viel verbrochen haben, dass er dies auch nur ansatzweise verdient hat. Ich kann und will das alles nicht verstehen. Es ist nicht zu begreifen.
Am liebsten würde ich mich schon jetzt wieder ins Wohnzimmer setzen und weiterlesen, doch es geht nicht. Elena ist bereits wach. Ich höre sie schon seit gut zwanzig Minuten in ihrem Bettchen vor sich herbrabbeln. Ein süßer Grund, um zumindest ein kleines Lächeln im Gesicht zu haben und mit ein wenig Motivation aufzustehen.
Das Tagebuch muss leider bis heute Abend warten.
„Papi?“
„Ja, Süße?“
„Hab Hunger.“
In diesem Moment wird mir bewusst, dass ich gestern vollkommen vergessen habe, Brot einzukaufen. Mist! Ich bin ein Trottel.
„Papi hat auch Hunger. Vorschlag. Wir beide machen uns jetzt hübsch, laufen dann hinunter zum Bäcker und du bekommst ein großes Schokocroissant. Einverstanden?“
„Jaaaaaaa! Schokolade!“, gibt sie vergnügt zurück und ich muss automatisch grinsen.
„Gut. Papi zieht sich eben an, und dann machen wir dich fertig.“
Trotz allem bin ich todmüde, quäle mich nur langsam in meine hellblaue Jeans und ein schwarzes, eng anliegendes Shirt. Ein Blick in den Badezimmerspiegel zeigt mir die Folgen der letzten Nacht. Ich habe Ringe unter meinen braunen Augen und sehe aus, als hätte ich die Nacht komplett durchgemacht. Na ja, irgendwie stimmt das ja sogar, denn selbst wenn ich geschlafen habe - Schlaf an sich konnte man das nun wirklich nicht nennen.
Fast unmerklich schüttle ich den Kopf. Schon lange hat mich nichts mehr so sehr berührt wie die Zeilen aus diesem Buch. Die Zeilen eines Menschen, der mir vollkommen unbekannt ist und trotzdem werfen sie mich so dermaßen aus der Bahn.
* * *
Eine gute Dreiviertelstunde später sind Elena und ich auch schon auf dem Weg zum Bäcker. Im Haus ist es noch vollkommen ruhig, was vermutlich auch daran liegt, dass wir erst kurz nach halb Acht haben.
Ich mag diese Stille, vor allem weil es sonst in diesem Haus alles andere als leise ist. Aber was will man in einem Haus mit knapp zwanzig Familien groß erwarten. Viele Kinder, und noch viel mehr laute Eltern, tummeln sich jeden Tag hier herum. Manchmal ist das echt anstrengend. Gerade wenn man selbst eher einer der ruhigeren Sorte ist. Aber zum Glück hat man immer noch seine eigenen vier Wände. Tür zu und man ist weit weg von alldem hier, und das ist vermutlich manchmal auch besser so.
Gedankenverloren, mit Elena auf dem Arm und mit meinem Kopf immer noch bei diesem Tagebuch, laufe ich den letzten Flur hinunter. Nur noch ein einziger Treppenaufgang trennt uns von der Eingangstüre und entlässt uns in die jetzt schon wundervoll scheinende Sonne.
Doch ich bin noch nicht ganz um die Ecke gelaufen, da knallen wir auch schon mit jemandem zusammen. Ich kann gar nicht so schnell reagieren, wie ich gerne möchte, da fällt mein Gegenüber rückwärts die letzten vier Stufen herunter und knallt mit voller Wucht auf dem harten Steinboden auf.
„Scheiße!“, sage ich zu mir selbst und setzte Elena auf die Treppe, sehe sie eindringlich an. „Schön sitzen bleiben. Papa schaut, ob etwas passiert ist.“
„Ist gut“, gibt sie leise zurück.
Sie hat sich vermutlich auch ganz schön erschreckt.
„Ist alles in Ordnung?“, frage ich total aufgeregt und erkenne erst jetzt, dass es sich um keine Andere handelt als das zurückhaltende Mädchen aus der Wohnung unter mir.
Sie hockt auf dem Boden, die Kapuze ihres schwarzen Hoodies hat sie wie immer über ihren Kopf gezogen. Ihr schwarzer, kinnlanger Pony hängt herunter, genau wie ihr Kopf. Mit der rechten Hand hält sie sich angestrengt ihr linkes Handgelenk fest, starrt ununterbrochen darauf.
Mein Herz rast in diesem Moment wie verrückt und mein schlechtes Gewissen steigt ins Unermessliche. Hoffentlich hat sie sich nichts gebrochen.
„Entschuldige bitte. Ich habe dich nicht gesehen. Tut es sehr weh? Kann ich dir vielleicht helfen?“, fange ich einfach an draufloszuplappern und hocke mich vor sie, greife automatisch nach ihrem Handgelenk.
Als hätte ich weiß Gott was gesagt oder getan, zuckt sie augenblicklich zurück. Sie hebt ihren Kopf und sieht mir mit zwei weit aufgerissenen, tiefblauen Augen in die meinen. Augen voller Angst, Panik und Leere, wie ich sie noch niemals zuvor gesehen habe. Ihre Lippen zittern, genau wie der Rest ihres schmächtigen Körpers, der selbst unter dem weiten Hoodie und der breiten Jogginghose so unglaublich zerbrechlich wirkt.
„Habe ich dir wehgetan?“, frage ich sanft und rücke ein Stück näher an sie heran, was sie aber nur dazu veranlasst, immer mehr in Panik auszubrechen.
Mit ganzer Kraft drückt sie sich nach hinten an die Wand, zieht ängstlich und fest ihre Beine an ihren Körper.
Ich bin überfordert. Mit der ganzen Situation und auch mit mir selbst. Was ist denn mit ihr los? Ich möchte ihr doch nur helfen.
Wieder strecke ich meine Hand nach ihr aus. Ich möchte sie beruhigen und ihr zeigen, dass ich ihr nichts Böses will. Doch wieder reagiert sie voller Angst, zieht sich mit der rechten Hand die Kapuze weit übers Gesicht und dreht dieses von mir weg. Im letzten Moment kann ich noch erkennen, dass ihr eine einzelne Träne über die Wange rinnt, was mich dazu veranlasst, mich ein Stück weit von ihr zu entfernen.
Dieses Mädchen hat Angst vor mir, aber ich verstehe absolut nicht, warum.
„Hat Mädchen Aua gemacht?“
Plötzlich steht Elena neben mir und sieht mich mit ihren großen, rehbraunen Augen traurig an.
„Ja, sie ist auf ihre Hand gefallen, aber ihr geht es bestimmt gleich wieder gut“, versuche ich sie zu beruhigen und streichle ihr über die Wange.
„Elena Küsschen geben“, sagt sie entschlossen und läuft auf das Mädchen zu.
Ich will sie noch festhalten, als ich allerdings sehe, dass sie im selben Augenblick ihren Kopf hebt und Elena anschaut, halte ich mich abrupt zurück. Gespannt und ebenfalls mit leichten Bauchschmerzen, beobachte ich, wie Elena langsam auf sie zuläuft und sie sich genau in diesem Moment wieder zu beruhigen scheint. Genau wie bei mir ruhen ihre Augen ununterbrochen auf dem kleinen Geschöpf vor ihr, das ohne große Überlegung ihre Hand in die ihren nimmt.
Ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht, da sie natürlich nicht nach der Hand greift, an der sie sich verletzt hat. Dennoch ist es ein unglaublich süßes Bild, das ich so schnell wohl nicht vergessen werde. Sie lässt Elena gewähren, ebenfalls, als sie ihr einen sanften Kuss auf den Handrücken drückt.
Mein Herz klopft wie wild und ich bin so wahnsinnig erleichtert, dass Elena, ohne groß etwas zu tun, dieses verzweifelte Mädchen aus ihrer Schockstarre holen kann. Es ist wirklich unglaublich.
„Wieder gut?“, fragt sie sie erwartungsvoll, lässt ihre Hand aber keine einzige Sekunde lang los.
„Ja“, haucht sie ihr leise entgegen und mir ist, als würde ich sogar ein kleines Lächeln auf ihren Lippen erkennen. „Danke …“
„Was ist denn hier los?“
Unser aller Blicke gehen automatisch nach oben und Richtung Eingangstür. Dort steht dieser Typ, der mit ihr zusammen hier wohnt, und sieht uns eindringlich an. Ich weiß auch nicht, aber sein Blick macht mir im ersten Moment sogar richtig Angst. Und es scheint nicht nur mir allein so zu gehen, denn auch Elena lässt wie auf Kommando die Hand des Mädchens los und rennt zu mir zurück in meine Arme.
„Sie ist die Treppen hinuntergestürzt. Ich wollte …“
„Es geht mir gut“, kommt es knapp, aber in vollkommen normaler Lautstärke plötzlich von ihr und mein Blick geht erneut zu ihr zurück.
Mittlerweile ist sie aufgestanden, wirkt aber immer noch so unendlich zerbrechlich. Man spürt genau, dass ihre Angst keinesfalls von ihr gewichen ist. Ihre Hände zittern unmerklich, dennoch fällt es mir sofort auf. Dieses Mädchen ist … Man möchte sie am liebsten beschützend in die Arme ziehen und nie wieder loslassen. Ihre Stimme ist so weich und zart, genau wie sie selbst und sie wirkt wie ein kleines, verschüchtertes Mädchen. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass sie nicht viel jünger sein dürfte, als ich es bin, auch wenn sie nach außen hin absolut so wirkt.
„Hast du dir was getan?“
Er geht auf sie zu, zieht sie unglaublich liebevoll in seine Arme und streichelt ihr, genauso wie ich vorher Elena, zärtlich über die Wange. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass der Kleinen das so ganz und gar nicht recht ist. Sie macht unmerklich ein paar kleine Schritte nach hinten und löst sich von ihm.
„Ich … Es tut ein bisschen weh, aber es ist bestimmt nur verstaucht. Mehr nicht.“
„Gut. Dann komm, wir gehen nach oben und ich sehe mir das mal genauer an.“ Die Kleine nickt, während der Kerl sich noch einmal zu mir und Elena umdreht und uns aufrichtig anlächelt. „Danke für deine Hilfe.“
„Kein Problem“, gebe ich knapp zurück. „Allerdings, wäre es nicht besser, das würde sich ein Arzt ansehen? Ich weiß nicht, ob …“
„Ich bin selbst Arzt. Das sollte also kein Problem darstellen. Aber danke, dass du dich um sie sorgst“, erwidert er freundlich und wendet sich von mir ab.
Ich nicke, bin aber immer noch vollkommen verwirrt.
Wer ist dieser Typ? Und vor allem, was ist nur mit diesem Mädchen los? Es ist doch nicht normal, dass man so reagiert, wenn jemand einem helfen möchte. Kein Mensch reagiert ohne Grund so voller Panik, nur weil ein Anderer ihm zu nahe kommt. Das ist alles so merkwürdig, genau wie alles Andere, was mir in der letzten Zeit passiert ist. Angefangen bei diesem Tagebuch und jetzt dieses Mädchen.
Was zur Hölle ist denn hier nur los?
* * *
Gegen 18:00 Uhr werde ich endgültig komplett wehmütig. Ich weiß, dass Jasmin gleich Elena abholen wird und ich sie für ganze zwei Wochen erst einmal nicht mehr sehen werde. Eine Tatsache, die mir unendlich wehtut. Ich liebe die kleine Maus, die vorhin wieder eindrucksvoll bewiesen hat, was für ein unglaublich tolles Kind sie ist.
Wie sie zu diesem Mädchen hingegangen ist … Wie sie ihre Hand geküsst und sie gefragt hat, ob alles wieder gut ist … Das war so schön und so süß, das werde ich so schnell mit Sicherheit nicht vergessen. Es war ein wunderschönes Bild und ich finde es bemerkenswert, dass Elena absolut keine Angst vor ihr hatte.
„Papi?“
„Ja, kleine Maus?“
„Vorlesen …“
Elena steht mit ihrem Lieblingsbuch vor mir, hält es mir entgegen. Sofort greife ich danach, setze den Zwerg auf meinen Schoß.
„Na klar, komm her“, sage ich sanft und klappe das Buch auf.
Allerdings klingelt es im selben Moment an der Tür, sodass ich sie wieder behutsam auf den Boden zurücksetze und aufstehe.
„Mami da?“, fragt sie quietschend und entlockt mir damit ein kleines Lächeln.
„Ja, die Mami ist da.“
Sie rennt sofort zur Tür und öffnet diese, springt ihrer Mama freudestrahlend in die Arme. Ich bin froh, dass Jasmin sich wenigstens gut um Elena kümmert und sich nicht so bescheuert verhält, wie sie es mir gegenüber tut.
„Hey“, sagt sie nur knapp und lächelt schwach.
Ich bemerke sofort, dass sie etwas bedrückt. Immerhin waren wir lange genug zusammen.
„Hey, Sachen sind gepackt. Wir waren viel draußen, auf dem Spielplatz, Eis essen. Wir hatten ein schönes Wochenende. Nicht wahr, Elena?“
„Ja. Hab ein großes Eis gegessen“, führt Elena meine Erzählungen fort.
„Das ist schön, meine Süße.“
Sie streichelt ihr über das Köpfchen, schaut sie wehmütig an. Der Punkt, an dem ich sie fragen sollte, was mit ihr los ist. Auch wenn es mich eigentlich überhaupt nichts mehr angeht.
„Alles okay bei dir?“
Nur schwerfällig hebt sie ihren Kopf, schaut mir mit Tränen in den Augen in die meinen. Ich hebe meine Hand, streiche ihr aufmunternd über den Oberarm.
„Was ist los, Jasmin?“
„Ich muss dich um etwas bitten, Elay.“
„Und um was?“
„Ich muss nächste Woche Montag ins Krankenhaus. Ich muss operiert werden. Zwar darf ich danach wieder nach Hause, aber ich darf nicht schwer heben und soll die Tage danach Bettruhe halten. Wenn es also irgendwie möglich wäre … Könntest du Elena diese Zeit über zu dir nehmen?“
„Natürlich kann ich. Ich werde das morgen auf der Arbeit direkt klären. Ist es schlimm?“
„Nein, mach dir keine Sorgen. Aber ich möchte sie ungern bei mir haben, wenn ich mich nicht richtig um sie kümmern kann. Und auch, wenn ich es nur ungern zugebe, … du bist und bleibst meine erste Wahl, was diese Sache betrifft.“
Lächelnd nehme ich meine kleine Tochter auf den Arm, drücke ihr einen Kuss auf die Wange.
„Hast du gehört, Schatz? Du und ich wir, machen nächste Woche zusammen Urlaub. Was hältst du davon?“
„Jaaaaaaaaa! Ganz viel Eis!“
Sie umarmt mich und ich gebe ihr einen weiteren Kuss auf die Wange. Ein beiläufiger Blick zu Jasmin verrät mir, dass sie diese Entscheidung wohl tatsächlich bewusst und gern getroffen hat – sie lächelt ebenfalls.
„Na dann komm, Süße, wir fahren nach Hause.“
Ihre kleinen Hände greifen nach Jasmin und ich lasse sie im nächsten Augenblick los, setze sie in ihre Arme. Es fällt mir schwer, meinen kleinen Engel jetzt gehen zu lassen. Doch es bleibt mir ja nichts Anderes übrig. Das Schöne ist, dass ich sie die komplette nächste Woche für mich haben werde. Auch wenn der Grund dafür nicht unbedingt der beste ist.
Tag 3
Es wird schlimmer.
Immer und immer schlimmer.
Ich bekomme kaum etwas zu Essen.
Das Einzige, was du mir heute Morgen gebracht hast, war ein trockenes Stück Brot. Meine Kräfte sind schon jetzt, nach nur drei Tagen, vollkommen am Ende. Ich bin erschöpft, meine Hände zittern ununterbrochen und mir ist schlecht. Alles scheint so aussichtslos und ich habe jetzt kaum mehr die Hoffnung, dass ich noch einmal lebend hier herauskomme. Ich weiß immer noch nicht, was du von mir willst. Geschweige denn, wer du bist.
Ich kann nicht mehr schlafen, weil ich jede einzelne Minute befürchte, du könntest zurückkommen. Zurückkommen und mir das antun, was du mir bereits gestern angetan hast. Zurückkommen und mir noch viel schlimmere Dinge antun.
Jedes Mal, wenn ich irgendein Geräusch höre, zucke ich zusammen, verkrieche mich in meinem Bett und ziehe fest die Decke über meinen Kopf. Nur unter dieser ist es mir möglich, überhaupt in dieses Buch hier zu schreiben. Hier fühle ich mich einigermaßen sicher. Wie ein kleines Kind, das Schutz sucht, so bescheuert das vielleicht auch klingen mag. Natürlich weiß ich, dass ich auch hier nicht vor dir sicher bin. Dennoch gibt es mir einen gewissen Halt. Halt, den ich dringend brauche und den ich mir einzureden versuche. Ich versuche, an zu Hause zu denken. An meinen geliebten Freund, der mir so wahnsinnig fehlt. Wie gern würde ich jetzt in seinen Armen liegen und mich an ihn kuscheln. Einfach nur bei ihm sein. So sehr fehlt mir seine Nähe, sein Geruch, seine Wärme … Was würde ich dafür geben, wenn er jetzt hier bei mir wäre und für mich da sein könnte. So lange, bis das alles hier ein Ende findet. Er würde mich beschützen. So wie er es damals schon getan hat, als meine Eltern bei diesem schrecklichen Autounfall gestorben sind. Ein Autounfall, an dem ich mehr als nur schuld bin, weil ich so ein verdammter Idiot war. Ich weiß noch genau, wie dieser Abend abgelaufen ist, und es ist, als wäre es gestern gewesen. Als ich den größten Fehler meines Lebens begangen habe.
Es war der 13. September 2012. Der Tag, der mein ganzes Leben von jetzt auf gleich vollkommen verändert hat. Und das lag nicht daran, dass es ein Freitag, der 13., war.
Meine Eltern wollten an diesem Tag, so wie jedes zweite Wochenende, ins Theater fahren. Ich wusste genau, dass diese Abende immer sehr lange dauerten, und so lud ich mir den Menschen nach Hause ein, der mir alles im Leben bedeutete – Joshua. Joshua und ich waren noch nicht lange zusammen, dennoch waren wir ein Herz und eine Seele. Und obwohl er bereits fünfundzwanzig und somit acht Jahre älter war als ich, lagen wir von Anfang an auf einer Wellenlänge. Wir verstanden uns so unglaublich gut. Es hat eben sofort gepasst zwischen uns.
Wir hatten es uns gemütlich gemacht, uns einen DVD–Film eingelegt und gemeinsam auf die Couch gekuschelt. Es war so ein wunderschöner Abend. Bis mein Vater plötzlich und unerwartet mitten im Raum stand. Ich weiß es noch genau. Sein Blick, seine Art sich zu bewegen, und dann legte er auch schon los. Ich glaube, ich habe meinen Vater noch niemals so wütend gesehen wie in diesem Moment. Er beschimpfte uns, machte mich nieder. Selbst, als meine Mutter dazukam und versuchte, ihn zu besänftigen, wollte er nicht einsehen, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er schmiss mich sozusagen raus und wollte, dass ich verschwunden war, bis er und meine Mutter aus dem Theater zurückkamen. Er konnte Joshua noch nie leiden und das nicht zuletzt, weil er so viel älter war als ich. Er meinte immer, Joshua wäre nicht gut für mich, und untersagte mir den Kontakt zu ihm jeden Tag aufs Neue. Doch ich habe mich dem widersetzt, weil ich Joshua geliebt habe und trotz der Umstände mit ihm zusammen sein wollte. Und genau deswegen musste ich damit leben, dass meine Eltern nichts mehr von mir wissen wollten.
Das war das letzte Mal, dass ich die beiden lebend gesehen habe. Im Streit waren wir auseinandergegangen. In Streit und in Hass. Meine Eltern starben an den Folgen eines Autounfalls, weil ich meinen Vater zutiefst enttäuscht hatte. Wäre ich nicht gewesen, hätte ich Joshua nicht mit zu uns nach Hause genommen - Sie würden noch leben. Sie würden, verdammt noch mal, noch leben!!!
Noch während ich diese Worte schreibe, breche ich unweigerlich in Tränen aus. Mein Magen, und vor allem mein Herz ziehen sich schmerzhaft zusammen, schnüren mir die Luft ab.
Ich vermisse euch alle so sehr …
Mama, Paps … Es tut mir alles so unendlich leid.
Wenn ich könnte, dann würde ich …
SCHEISSE!
* * *
Ich hasse dich!
Ich hasse dich!
Du elendes, VERDAMMTES ARSCHLOCH, ICH HASSE DICH!!!
WARUM TUST DU MIR DAS AN???
WARUM???
WARUM NUR???
Geilst du dich daran auf, wie sehr ich unter deinen Demütigungen leide?
Natürlich tust du das, sonst würde das alles hier nicht passieren.
Du liebst es, mich zu erniedrigen und mich dazu zu zwingen, genau diese Erniedrigungen auf Papier zu bringen. Damit du immer und immer wieder nachlesen kannst, was du mir angetan und wie du mich Stück für Stück getötet hast. Jeden Tag aufs Neue. Jeden Tag ein bisschen mehr.
* * *
Ich kann nicht mehr. Ich fühle mich wie der letzte Dreck, benutzt, ekelhaft, schmutzig. Ich finde kaum mehr die richtigen Worte dafür.
Alles in mir ist leer, mehr tot als lebendig. Manchmal glaube ich, dass es genau das hier ist, was ich in meinem Leben verdient habe. Vielleicht ist es Rache … Rache dafür, dass ich meine Eltern in den Tod geschickt habe. Dafür, dass ich … Nein … Ich hasse nicht nur dich, den Kerl, der mir das alles hier antut. Ich hasse mich selbst noch viel, viel mehr. Für das, was ich war, und für das, was ich bin.
Als du vorhin ein weiteres Mal zu mir zurückkamst, da wusste ich genau, dass ich mich erneut auf das Schlimmste einstellen musste. Du hattest einen Eimer Wasser in der Hand, ein Handtuch und einen Waschlappen.
Automatisch rückte ich nach hinten, drückte mich mit dem Körper fest gegen die Wand. Ich fing an zu zittern, mein Herz raste wie wild. Du solltest mich nicht berühren. Du DURFTEST mich nicht berühren. Doch ich wusste genau, dass du dich nicht davon abhalten lassen würdest.
Dicht vor meinem Bett bliebst du stehen und hast mich eine ganze Weile lang einfach nur eindringlich angesehen. Diese Augen - Sie machten mir Angst. Sie waren so voller Hass. So etwas hatte ich noch niemals vorher gesehen.
Ich zog die Decke fester an meinen Körper. So, als wollte ich mich mit ihr beschützen. Als würde es etwas bringen, um dich von mir fernzuhalten. Doch natürlich tat es das nicht. Langsam beugtest du dich zu mir herunter, streicheltest mir mit der Hand über die Wange. Hilflos saß ich nur da, ließ es über mich ergehen. Mit klopfendem Herzen und der Angst, die in diesem Augenblick wieder ins Unermessliche stieg. Schon fast zärtlich berührtest du meine Haut, was sich im nächsten Moment allerdings schlagartig änderte, als du mit der Hand fest mein Kinn umgriffst. Grob hast du mein Gesicht zu dir hinübergezogen, was mich automatisch die Augen schließen ließ.
Mein Herz pochte wie verrückt gegen meine Brust.
Mein Atem wurde schwerer, unregelmäßiger und der dicke Kloß in meinem Hals ließ mich fast ohnmächtig werden.
Du fordertest mich auf, mich auszuziehen, bevor du mich schroff nach hinten gegen die Wand gedrückt hast und wieder aufgestanden bist. Wie von selbst zog ich die Decke erneut über meinen Körper. In der Hoffnung, dass du unverrichteter Dinge wieder verschwinden würdest.
„DU SOLLST DICH AUSZIEHEN, HABE ICH GESAGT!“, sagtest du erneut laut fordernd, ließest mich zusammenzucken.
Du hast nach der Decke gegriffen und sie mit einem Ruck von mir weggezogen. Fest hast du um mein Handgelenk gefasst und mich brutal zu dir herübergezogen, sahst mir intensiv in die Augen.
„Tu, was ich dir sage, oder du wirst es bereuen!“
Deine Stimme war ruhig, und dennoch so bedrohlich, dass ich, ohne großartig zu zögern, anfing, meine Jeans aufzuknöpfen. Mit zitternden Händen zog ich mir erst mein Shirt und dann meine Jeans samt Panty aus. Stand dir nun vollkommen nackt gegenüber.
Ausgeliefert.
Ich war dir so was von ausgeliefert.
Schützend schlang ich meine Arme um meinen Körper. Naiv wie ein kleines Kind glaubte ich, mich schützen zu können.
Mich vor dir zu retten.
Du machtest einen Schritt auf mich zu, streicheltest mir langsam über meine rechte Halsseite, meine Schulter entlang über meinen Arm und wieder hoch zu meiner Brust. Deine Finger brannten wie Feuer auf meiner Haut, sie ekelten mich an.
Der Moment, in dem ich versuchte, dieser Hölle zuentkommen.
Ich wollte nur noch weg.
Weg von dir.
Weg von dieser Qual, diesem kranken Menschen.
Was auch immer ich mir dabei gedacht hatte … Was ich mir erhofft hatte … Ich weiß es nicht. Dennoch rannte ich unmittelbar zur Tür und wollte diese öffnen. Aber ich hatte keine Chance. Sie war verschlossen. Was hatte ich eigentlich erwartet? Dass ein Typ wie du noch so dumm ist und vergisst, das wichtigste Element, um mich hierzuhalten, abzuschließen?
Es dauerte keine zehn Sekunden, da standst du hinter mir. Fest hast du mich mit meinem nackten Körper gegen die kalte Tür gepresst und deine Arme rechts und links neben mir abgestützt. Deine Lenden an meinem Hintern. Deine Lippen an meinem Ohr. Es trieb auf der Stelle die Übelkeit wieder in mir hoch. Es fiel mir schwer, mich auf den Beinen zu halten und nicht zusammenzubrechen. Doch ich wusste, ich musste stark sein. Ansonsten hättest du mir vermutlich noch viel mehr wehgetan.
„Wann lernst du, dass du besser tust, was ich dir sage?“, hauchtest du mir widerlich ins Ohr und jagtest mir einen kalten Schauer über den Rücken.
Ich antwortete nicht, schluckte hart.
Du begannst meinen Nacken zu küssen, hattest also die Sturmhaube zumindest über deinen Mund gezogen.
Es ekelte mich an.
ICH ekelte mich an.
Dann hast du plötzlich um meine Handgelenke gegriffen, meine Arme brutal nach hinten gezogen. Ich stöhnte auf, beugte automatisch meinen Oberkörper nach unten. Grob hast du mich zurück zum Bett gedrängt, während du meine Hände hinter meinem Rücken fest mit einem Kabelbinder zusammenbandest.
Erneut stöhnte ich auf.
Das tat so verdammt weh!
„Hinlegen!“, fordertest du laut und hast mich aufs Bett geschmissen.
Nicht nur, dass ich mit dem Kopf ans Bettgestell knallte. Auch mit meinen Knien stieß ich unsanft gegen die Seite, zog sie mit schmerzverzerrtem Gesicht an mich. Wie ein Baby kugelte ich mich ein.
Ich hatte so unendliche Angst.
„Auf den Rücken!“
Ich tat, was du verlangtest, obwohl ich mich dir damit vollkommen auslieferte. Meine Arme waren gefesselt, zudem lag ich noch auf ihnen. Ich hatte keinerlei Chance gegen dich.
Eine ganze Weile standst du nur vor mir, hast mich beobachtet und eindringlich gemustert. Dann hast du wieder nach dem Eimer gegriffen und den Waschlappen hineingetaucht, um diesen nass zu machen. Kurz darauf hast du dich zu mir ans Bett gesetzt, fingst an, meinen Oberkörper zu waschen. Wie von selbst drehte ich mich weg, was dich nur dazu veranlasste, meinen Körper mit aller Gewalt wieder nach unten zu drücken.
„Verdammt noch mal!“ Du holtest aus, schlugst mir mitten ins Gesicht. Ich stöhnte auf und du hast nur gelacht. „Du bist so erbärmlich, wie du daliegst. Wie ein Stück Dreck. Ein Nichts, ein Niemand. Du solltest froh sein, dass du hier bei mir bist und mir das geben darfst, was ich brauche. Für etwas Anderes bist du nämlich nicht nutze.“
Du hattest diese Worte noch nicht ganz ausgesprochen, da fuhrst du mit dem Waschlappen fest nach unten, griffst in meine Mitte. Ich stöhnte auf. Nicht vor Erregung, sondern vor Scham. Es war mir unangenehm, dass du das getan hast, und es demütigte mich zutiefst. Doch das sollte noch nicht alles gewesen sein.
Mit festen Bewegungen bist du immer wieder über meine Mitte gefahren.
Wieder ekelte ich mich vor mir selbst.
Ich wollte das alles doch gar nicht.
Ein Blick in deine Augen verriet mir, dass du mehr als nur zufrieden warst. Genau das war es, was du wolltest. Und du wolltest noch viel mehr.
Immer und immer wieder hast du über meine Scham gerieben. Über die Innenseite meiner Oberschenkel und meinen Hintern, den du mit der anderen Hand angehoben hast, um darunterzugelangen. Doch dann bist du plötzlich aufgestanden. Im ersten Moment hoffte ich, dass du vielleicht von mir ablassen und mich alleinlassen würdest. Aber weit gefehlt! Stattdessen zogst du zwei weitere Kabelbinder aus deiner Tasche, drehtest dich zu meinen Beinen. Automatisch zog ich diese fest an meinen Körper. Ich flehte, du solltest dies nicht tun, sagte dir, dass ich alles tun würde, was du von mir verlangtest. Doch damit brachte ich dich nur noch mehr in Rage.
Ein erneuter Schlag in mein Gesicht, ohne ein einziges kleines Wort, sollte mir zeigen, dass ich keine andere Wahl hatte. Mit einem Ruck nahmst du mein rechtes Bein, hast es nach vorn gezogen und mit dem Kabelbinder am Bettgestell festgebunden Genauso wie kurz darauf das andere. Ich versuchte mich zu wehren. Meine Beine aus diesen Schlingen zu befreien. Doch ich hatte keine Chance. Die Fesseln bohrten sich in meine Haut, ließen mich vor Schmerzen aufstöhnen.
Mein Herz raste wie wild, als du plötzlich über mich krabbeltest. Deine Hände hast du rechts und links neben meinem Kopf abgestützt und ich versuchte mich hilflos in die Matratze zu drücken, um dir zu entkommen.
„Was hast du vor? Du kannst mit nicht entkommen, Süße. Du gehörst jetzt mir. Mir ganz allein!“
Deine Worte gingen mir durch und durch. Sie machten mir Angst. Und das tun sie immer noch.
Ich will dir nicht gehören.
Ich möchte doch nur hier raus!
Was du mir danach angetan hast, möchte ich am liebsten gar nicht aufschreiben. Ich möchte es nicht noch einmal durchleben, es am liebsten nur noch vergessen.
Doch ich muss.
Denn du zwingst mich dazu.
Ich habe keine andere Wahl.
SCHEISSE!
Was ist das für ein kranker Mist?
Meine Hände beben, mein Herz rast. Ich bin kaum mehr in der Lage, überhaupt einen klaren Gedanken zu fassen.
Das, was sich in diesem Buch abspielt, was dieses arme Ding dort in Worten versucht zu verarbeiten … Das geht so unglaublich an die Nieren. Ich kann und will mir gar nicht vorstellen, was sie körperlich und vor allem seelisch mitmachen muss und wie sie sich fühlt. Ich glaube, wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich nur noch sterben wollen. Welcher Mensch kann solch Demütigung und Misshandlung ertragen? Wer würde nicht daran kaputtgehen?
Wohl niemand.
Während ich lese, gibt es immer wieder Momente, in denen ich am liebsten in dieses Buch hineinkriechen und diesen perversen Kerl umbringen würde. Das Mädchen beschützen und ihr helfen, sie aus ihrem Elend befreien. Teilweise ist es, als würde ich danebenstehen. Danebenstehen und hilflos dabei zusehen, wie er ihr wehtut, wie er sie zutiefst verletzt und Stück für Stück auseinanderreißt.
Ich weiß selbst nicht genau, warum mich das alles so tief berührt. Warum es mich quält und in eine Achterbahn der Gefühle stürzt. Natürlich leidet man auch mit den Figuren in Büchern mit. Aber das hier, das ist etwas komplett Anderes und ich kann es nicht einmal erklären. Das Schicksal dieses Mädchens nimmt mich so sehr mit, und das jetzt schon. Obwohl ich nicht einmal weiß, wie schlimm es tatsächlich noch werden wird.
Du senktest deinen Kopf, hast langsam die Sturmhaube nach oben geschoben und deine Lippen freigelegt. Ich konnte sie nicht sehen. Doch ich spürte deinen warmen Atem auf meiner Haut, der mir auf der Stelle eine Gänsehaut über den ganzen Körper jagte. Du fingst an, über meine Brust zu küssen, an meinen Nippeln zu saugen. Fest presste ich meine Lippen aufeinander, hoffte nur noch, dass es aufhören würde.
Doch du hörtest nicht auf. Im Gegenteil. Du wolltest mich quälen, und das ist dir gut gelungen.
Langsam fuhren deine Lippen über meine Haut. Nicht einmal grob, sondern verdammt zärtlich. Aber genau das war es, was mich wahnsinnig gemacht hat. Ich wollte es nicht. Aber du hast einfach weitergemacht. Du hast dich über meine Brust und meinen Bauch immer weiter nach unten geküsst, und ich wusste genau, was du mit mir vorhattest. Ich stellte mich auf das Schlimmste ein. Auf das Schlimmste, was du mir in diesem Augenblick hättest antun können.
Du hast dich zwischen meine Beine versenkt und deine Zunge in mich gestoßen.
Tief. Fest.
Und dann hast du mich mit deinem Mund gefickt.
Du hast es einfach getan.
Ohne zu fragen, ob ich es überhaupt wollte.
Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, wie sehr ich in diesem Augenblick weinte.
Ja, ich weinte. Ich weinte. Ich wimmerte. Ich flehte. Aber du wolltest nicht hören und ich bin mir sicher, dass dich mein Verhalten nur noch mehr aufgegeilt hat. Du hast es genossen, mich leiden zu sehen. Zu sehen, wie ich innerlich mehr und mehr zerbrach.
Deine Zunge drang immer wieder in mich ein, während du mit der rechten Hand über meine Brustwarzen streicheltest. Ein Gefühl, das ich kaum ertragen konnte. Es war eine Art Schmerz, obwohl es nicht wehtat. Dennoch durchdrang es meinen Körper, zwang mich mehr und mehr in die Knie.
Deine Bewegungen wurden schneller, härter. Ununterbrochen war ich damit beschäftigt, mich gegen meinen aufkommenden Orgasmus zu wehren. Doch ich wusste, dass er früher oder später kommen würde. Vielleicht war es sogar besser, so schnell wie möglich zu kommen, denn dann hättest du schneller von mir abgelassen. Aber mein Kopf wehrte sich permanent dagegen.
Es wäre nicht richtig.
Es wäre definitiv nicht richtig.
Dennoch konnte ich mich einige Zeit später nicht mehr dagegen wehren. Ich verkrampfte und kam. Schmerzhaft. Gedemütigt. Meine Augen und Lippen fest aufeinandergepresst, ertrug ich die letzten Wellen dieses verfickten Orgasmus‘.
Wie widerlich muss ein Mensch sein, dass er sich von einem Kerl wie dir in so einer Situation zum Orgasmus bringen lässt? Ich kann definitiv nicht normal sein.
„Und morgen werde ich dir noch ganz andere Sachen zeigen, meine Liebe.“
Das war das Letzte, was du zu mir sagtest, bevor du gegangen bist. Bevor du mich erneut wie ein Stück Fleisch hast liegen lassen. Nicht einmal die Fessel hast du von mir gelöst. Ich musste so liegen bleiben. Gefesselt an Armen und Beinen und mit der Angst, die von Minute zu Minute größer wurde. Mein ganzer Körper zitterte und unwillkürlich liefen mir die Tränen über die Wangen. Waren nicht mehr zu stoppen.
Leere.
Schmerz.
Verzweiflung.
Wut.
Angst.
Das sind die Dinge, die du in mir auslöst. Dinge, die mich zerbrechen lassen. Ich wünschte, du könntest mir wenigstens sagen, warum. Warum du mir das antust. Warum du mich so sehr verletzt.
Was habe ich dir getan?
Was habe ich verbrochen, dass ich so etwas verdient habe?
Doch diese Frage hast du mir ja vorhin schon deutlich genug beantwortet. – Ich bin ein Stück Dreck. Ein Nichts. Ein Niemand.