Die 14 Tage von Hasle - Carl Harry Kirkeby - E-Book

Die 14 Tage von Hasle E-Book

Carl Harry Kirkeby

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Beschreibung

Die Leiche des erfolgreichen Geschäftsmanns Jesper Olsen schwappt zu Füßen der Burgruine Hammershus in der Ostsee hin und her. Dieser hatte jüngst eine Kette kleiner Lebensmittelläden auf Bornholm eröffnet und dabei einige Mieter mit nicht ganz sauberen Methoden vertrieben. Hat einer von ihnen Olsen in seinem Zorn umgebracht? Was ist mit seinen früheren Geschäftspartnern in Vollsmose, dem Problemviertel in Odense auf Fünen? Welche Rolle spielt seine Frau, die nicht mit nach Bornholm gezogen ist? Und welchen Sinn macht sein teures Hobby, die Gründung des Fußballvereins Stjernen IF? Fragen über Fragen, die die vier Bornholmer Ermittler Jan Kofoed, Karen Rasmussen, Ditte Holm und Christian Dam beantworten müssen.

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Die Leiche des Geschäftsmanns Jesper Olsen schwappt vor Hammershus in der Ostsee hin und her. Dieser hatte jüngst eine Kette kleiner Lebensmittelläden eröffnet und dabei einige Mieter mit nicht ganz sauberen Methoden vertrieben. Hat einer von ihnen Olsen deshalb umgebracht? Was ist mit seinen früheren Geschäftspartnern in Vollsmose, dem Problemviertel in Odense auf Fünen? Welche Rolle spielt seine Frau, die nicht mit nach Bornholm gezogen ist? Und welchen Sinn macht sein teures Hobby, die Gründung des Fußballvereins Stjernen IF? Fragen, die die Ermittler Jan Kofoed, Ditte Holm und Christian Dam sowie ihre Chefin Karen Rasmussen beantworten müssen.

Carl Harry Kirkeby betrat 1967 mit seinen Eltern und seiner Schwester erstmals Bornholm. Seitdem ist er fast jedes Jahr wieder dort gewesen und das zu allen Jahreszeiten. So ist die Insel zu seiner zweiten Heimat geworden. Er verfasste Reiseführer über Bornholm, Jütland, Kopenhagen und Dänemark. 2022 bekam er die Idee für eine Krimireihe auf Bornholm, deren Auftakt „Die 23 Tage von Listed“ war.

In seinem deutschen Leben arbeitet der gebürtige Lübecker Jan Scherping alias CHK als Personalberater und Coach in Schwerin und veröffentlicht auf seiner Website u.a. regelmäßig Blogs zu seinem Berufsalltag.

www.nord-coach.de

Inhaltsverzeichnis

Personenverzeichnis

Tag 1

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Tag 2

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Tag 3

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Tag 4

Kapitel 13

Tag 5

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Tag 6

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Tag 7

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Tag 8

Kapitel 30

Kapitel 31

Tag 9

Kapitel 32

Kapitel 33

Tag 10

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Tag 11

Kapitel 38

Kapitel 39

Tag 12

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Tag 13

Kapitel 44

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Tag 14

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Personenverzeichnis

Ermittler auf Bornholm

Christian Dam, jung, aufstrebend und ehrgeizig

Ditte Holm, studierte Psychologin und lieber vor Ort als am Schreibtisch

Jan Kofoed, erfolgreich und landesweit bekannt, für die letzten Dienstjahre wieder auf Bornholm tätig

Karen Rasmussen, Chefin der Bornholmer Polizei, verheiratet mit dem Bibliothekar Tom

Bornholmer(A-Z)

Anton Andersen, vielversprechender Fußballer des Stjernen IF

Thorvald Christensen, Elektrohändler in Rønne, verheiratet mit Gerda

Lærke Dam, Grundschullehrerin und verheiratet mit Christian

Julius Frederiksen, Bauer in Olsker, verheiratet mit Lis

Gustav Hansen, Neffe der Christensens

Lone Holm, Mitarbeiterin im Bauamt (Byg og Miljø) und mit Ditte verheiratet

Kris Krøyter, Künstler in Listed

Katerine Mikkelsen, ambitionierte Öko-Bäuerin in Rutsker

Søren Mikkelsen, ehemaliger Tätowierer in Hasle, verheiratet mit Katerine

Aage Munch, Chef der Bornholmer Polizeibehörde, inklusive der Verwaltung und der Anklage

Martin Mylius, Reise- und Sportjournalist in Hasle

Jesper Olsen, erfolgreicher Geschäftsmann, Mordopfer

Sonja Skovgaard, Witwe (Jens-Ole † 2018) und jetzt Partnerin von Jan Kofoed

Pia Thorsen, Café-Besitzerin in Gudhjem und ehemals in Sandvig

Nicklas Troelstrup, Fußballer bei Stjernen IF

George Westwood, Mann von Nhi, Mitbesitzer der Boutique und jetzt Lehrer

Nhi Westwood, ehemalige Boutique-Besitzerin in Snogebæk, jetzt Fischverkäuferin

Dennis Aalling, Mitarbeiter in der Großschlachterei Danish Crown

Dänen(Festland, A-Z)

Steffen Bjergsø, Experte für Wirtschaftskriminalität bei der Rigspoliti

Tommy Bundgaard, Chef der Polizei in Køge (Seeland)

Bülent Gürcan, besser als Baba bıçağı bekannt, der Pate des Wohnviertels Vollsmose (Odense/Fünen)

Allan Klint, Rocker in Høje Taastrup (bei Kopenhagen)

Nikolaj Mortensen, Immobilieninvestor in Kopenhagen

Alica Radic Olsen, Ehefrau von Jesper Olsen, getrennt wohnend

Burak Yüksel, Geschäftspartner von Jesper Olsen in Odense

Tag 1

1

Der leblose Körper lag auf dem Wasser, die Hände waren zusammengebunden, das andere Ende des Seils führte nach oben und war als Schlaufe um den Kamelkopf geworfen worden. So konnte der Tote nicht in die Ostsee treiben.

Die Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse der Kopenhagener Sølvgades Skole waren die ersten Besucher der Burg Hammershus an diesem Septembermorgen. Sie befanden sich auf Klassenfahrt. Am Rande der Burg konnten sie auch einen Blick auf die bekannte Felsformation Kamelhovederne werfen. Als die Ersten begriffen, was sie an den Kamelköpfen sonst noch sahen, brach das Chaos aus. Die einen schrien, die anderen weinten, die Nächsten verstummten, und natürlich gab es auch die, die ihr Handy zückten, um alles zu fotografieren oder zu filmen. Die Klassenlehrerin und die beiden Begleitpersonen hatten genug damit zu tun, die Schüler von der Aussicht wegzubekommen. Noch bevor einer der Erwachsenen die Chance hatte, die Polizei zu verständigen, waren erste Aufnahmen vom auf der Ostsee hin- und herschaukelnden Toten schon in den sozialen Medien zu sehen. Die Klassenlehrerin hatte den landesweiten Notruf 112 gewählt, Standort und Vorkommnis benannt. Daraufhin war in der Zentrale der Bornholmer Polizei in Rønne Alarm ausgelöst worden. Wie üblich, sollte zunächst eine Streife zum Tatort fahren, um zu entscheiden, ob noch jemand hinzugerufen werden musste und wenn ja, wer.

Sanne Kjøller und Noah Madsen, beide Bereitschaftspolizisten, rasten die breite Straße mit deutlich mehr Geschwindigkeit als den auf Bornholm maximal erlaubten 80 km/h außerhalb nach Hasle hinauf. Die anderen Verkehrsteilnehmer hatten alle Mühe, noch schnell nach rechts auszuweichen. In Hasle wählten sie den direkten Weg durch die Stadt statt über die Umgehung. Zwei ältere Fahrradfahrer fielen auf Höhe des SuperBrugsens vor Schreck fast vom Rad. Weiter ging es Richtung Norden bis zum Abzweiger nach Hammershus. Nun wurde es kurvig, zu allem Übel kam ihnen auf der engen Strecke auch noch ein Bus entgegen. Sanne musste deutlich abbremsen. Kurz darauf hatten sie endlich den Parkplatz erreicht. Nicht den offiziellen, sondern den alten, der viel dichter zur Burg lag.

Sie nahmen ihr Absperrband aus dem Wagen und eilten in Richtung der mächtigen Burgruine. Laufen verbot sich, zu uneben war der Weg und zu groß somit die Sturzgefahr. Die minütlich größer werdende Besucherzahl schaute verwundert auf die Polizisten. Weshalb liefen die so hektisch zur Burg?

Kurz vor dem Burgeingang stand schon die Lehrerin: „Hej, ich bin Mia, die Klassenlehrerin, ich habe euch angerufen.“ Sie zeigte auf den Fußweg zu den Kamelköpfen. „Wenn ihr den Weg hier hinunter zu den Köpfen nehmt, seht ihr einen Mann auf dem Wasser. Meine Klasse hat ihn entdeckt. Die stehen jetzt alle oben auf der Burg und weinen, ein paar sind natürlich ganz cool.“

Sanne und Noah nickten und eilten auf dem holprigen Weg hinunter zu den Kamelköpfen.

Ein sehr blasser Männerkörper schaukelte auf dem Wasser hin und her, aber er konnte nicht weg, weil er mit einem Seil an einen Kamelkopf gebunden war. Sanne nickte Noah nur kurz zu, der rief sofort in der Polizeizentrale in Rønne an und bestellte das Großaufgebot: Bereitschaft und Ermittler, Krankenwagen und Rechtsmediziner, die Spurensicherung, psychologische Betreuung für die Kinder. Dann hatten die beiden Polizisten alle Hände voll zu tun, die Schaulustigen von Weg und Mauer wegzuhalten. Ab und an ließ sich eine Möwe auf den benachbarten Löwenköpfen nieder und schaute neugierig auf das, was da im Wasser wippte. Ob das eventuell schmecken würde?

Es dauerte, bis alle Angerufenen eintrafen. Die Polizisten kümmerten sich sofort um die Räumung des Geländes sowie weitere Absperrungen, nun konnte erst einmal niemand Richtung Hammershus gehen. Auch die Wege unterhalb der Burg wurden abgesperrt. Natürlich versuchte der eine oder andere, von irgendeiner Stelle doch einen Blick zu erheischen oder gar mit dem Handy ein paar Aufnahmen zu schießen. Aber die Polizisten waren aufmerksam und unterbanden dies sofort. Die Spurensicherung arbeitete sich vorsichtig zum Tatort vor, um unterwegs nicht Hinweise zu zerstören. Betreuer gingen auf die Schüler zu, von denen manche sehr verstört wirkten. Rechtsmediziner Knud Rømer wurde von einer Streife in den nahen Hafen Hammerhavn gefahren, um dort in ein Boot zu steigen, das ihn näher an den Leichnam bringen sollte. Das Boot hatte ein Hobbyfischer zur Verfügung gestellt, der an diesem Morgen am Kai stand und eigentlich gleich hinausfahren und ein paar wenige Netze einholen wollte. Er hoffte „auf den einen Dorsch, den ich am Tag fangen darf, die anderen werfe ich natürlich zurück“, wie er verlegen angemerkt hatte, aber das hatte in dieser Situation niemand wissen wollen.

Von der Bornholmer Polizei waren außerdem noch die Chefin Karen Rasmussen sowie ihre Mitarbeiter Ditte Holm und Christian Dam mitgekommen. Jan Kofoed, Leiter der Ermittlungsabteilung und legendärer Mordermittler, war gerade in Schweden im Kurzurlaub. Die drei standen oben auf der Treppe und betrachteten den Schauplatz.

„Will uns der Täter damit etwas sagen, dass der Tote an dem Felsen hängt?“, murmelte Christian vor sich hin.

„Vielleicht“, antwortete Ditte, „aber darüber zu spekulieren ist jetzt etwas zu früh.“

„Ja“, ergänzte Karen, „wir kennen ja noch nicht einmal seinen Namen.“

Sie sahen, wie Rømers Boot neben dem Leichnam hielt. Das Meer war etwas unruhig, aber der Hobbyfischer hielt sein Boot nahe am Toten. Der Arzt untersuchte dessen Haut, drehte ihn etwas. Er meldete sich per Funk bei Karen: „Ein Mann, schätzungsweise Mitte bis Ende 40, Todesursache dürfte ein Kabelbinder um den Hals sein. Mehr kann ich erst nach der Obduktion sagen. Ich bringe die Leiche jetzt an Bord und fahre zurück.“

Karen nickte und hob den Daumen. Dann gab sie der Spurensicherung das Zeichen weiterzumachen.

Ditte schaute Karen fragend an: „Brauchen wir Jan?“

„Nein, wir gönnen ihm seine kleine Auszeit. Wir müssen den Mann erst einmal identifizieren und dann schauen, ob wir bereits etwas über ihn wissen.“

Sanne kam auf Karen zu: „Karen, einer der Kollegen unten sagt, der Tote sei Jesper Olsen, der Typ mit den neuen Lebensmittelläden.“

Karen, Ditte und Christian schauten sich an. Der Name sagte ihnen allen etwas, aber viel mit ihm verbinden konnten sie nicht.

„Danke, Sanne, das prüfen wir. Wenn das stimmt, hätten wir ja schon den ersten Schritt geschafft.“

Sie gingen hinunter zu den Kamelköpfen und näherten sich gemeinsam dem Fundort der Leiche so weit wie möglich. Blickten hoch zu den Mauern von Hammershus. Es war frisch hier unten.

„Die Spurensicherung sollte vielleicht auch nach Hammerhavn fahren und da suchen. Der Täter muss ja ein Boot genutzt haben, so wie Knud eben“, schlug Ditte vor.

Karen nickte: „Stimmt, daran habe ich gerade gar nicht gedacht. Ich sage es denen gleich. Vielleicht auch noch südlich, also in Vang. Obwohl das vielleicht etwas zu weit ist. Ich vermute, dass derjenige gerudert ist, ein Motorboot wäre nachts wohl zu sehr aufgefallen.“

Der Krankenwagen war vom Hammerhavn zurückgekehrt und hatte oben am Parkplatz gehalten. Die drei Polizeibeamten schauten sich den Leichnam in dem Wagen an. Knud Rømer stand neben ihnen, erklärte die verschiedenen Flecken am Hals: „Ich vermute, er hat sich gewehrt, als der Täter nach dem Hals gegriffen hat. Aber letztlich ist es dem gelungen, den Kabelbinder um den Hals zu legen und zuzuziehen. Ob er vorher noch anders verletzt wurde, weiß ich tatsächlich erst nach der Obduktion.“

„Wie lange hat der Mann im Wasser gelegen?“, wollte Christian wissen.

„Ich schätze seit ungefähr zwei Uhr heute Nacht. Auch das kann ich euch später genauer sagen.“ Ditte machte noch zwei Fotos von dem Toten, dann fuhr der Krankenwagen weiter.

„So, wir fahren zurück nach Rønne und schauen, ob der Tote tatsächlich dieser Jesper Olsen ist oder ein anderer“, gab Karen den nächsten Schritt vor. Die drei waren zusammen in einem Auto gekommen. Auf der Fahrt schlug Christian vor, ob sie nicht bei einem der Läden einmal halten sollten. Doch Karen verwarf diese Idee. Sie wollte erst sicher sein. Während die beiden darüber noch diskutierten, googelte Ditte bereits Jesper Olsen: „Man muss etwas nach unserem Olsen suchen, auf den Seiten erscheint erst der gleichnamige Fußballer.“

„Der mit dem unseligen Rückpass?“, fragte Karen. „Ja, ich erinnere mich. 1986 gegen Spanien.“

Christian schaute sie mit offenem Mund an. Er interessierte sich zwar sehr für Fußball, insbesondere für den englischen und da intensiv für Liverpool. Und von Jesper Olsen hatte er natürlich auch schon gehört. „En rigtig Jesper Olsen“ (ein richtiger Jesper Olsen) war in Dänemark zum festen Sprachgebrauch für einen fürchterlichen Fehler geworden, nachdem Olsen bei der WM 1986 sein Land zwar zunächst in Führung gebracht hatte und Dänemark das Spiel beherrschte. Kurz vor der Halbzeit hatte Olsen aber einen katastrophalen Rückpass zum Torhüter gespielt, den sich ein Spanier erlief und zum 1:1 verwandelte. Am Ende gewannen die Spanier 5:1, und Olsen war die traurige Gestalt. Dass seine Chefin eine solche Fußballexpertin war, wusste Christian nicht.

Sie lachte: „Ja, da staunst du, oder? Da warst du noch nicht einmal geboren. Ich bin eigentlich auch nicht so an Fußball interessiert. Aber das hat damals jeder in Dänemark gesehen, das ließ sich nicht vermeiden. Zigfach wurde das im Fernsehen gezeigt.“

Ditte, deren Leidenschaft einst dem Handball gehörte, unterbrach den Ausflug in die Fußballwelt: „Also, unser Jesper Olsen, wenn er es wirklich ist, hat auf Bornholm acht Läden mit dem Namen Olsen evig. Das evig bezieht sich auf die Öffnungszeit rund um die Uhr. Personal ist dort aber nur vier Stunden anwesend. Die restliche Zeit kommt man nur mit einer Kundenkarte hinein.“

Karen bat Ditte und Christian, sich zunächst um die Verifizierung zu kümmern. Sobald klar war, dass der Tote Jesper Olsen war, mussten seine Angehörigen gefunden und informiert werden. Und dann sollten die beiden in der Datenbank der Rigspoliti nach Olsen schauen, vielleicht kannte man ihn dort. Natürlich im Archiv von „Bornholms Tidende“, der Bornholmer Tageszeitung. Und auch auf den ersten Google-Seiten. Anschließend würde sie sich Gedanken über die nächsten Schritte machen. Jan würde am Montag, also in fünf Tagen, wieder im Büro sein, bis dahin würden sie drei das schon schaukeln.

2

Ditte und Christian warteten auf die Rückmeldung von Knud Rømer. Der hatte den Toten hoffentlich schon auf dem Obduktionstisch und die Fingerabdrücke in den Zentralrechner in Kopenhagen gegeben. Nachdem sie die Bilder aus dem Web mit denen des Toten verglichen hatten, waren sie beide sicher, dass es sich um Jesper Olsen handelte.

Deshalb war Christian bereits jetzt im Archiv der „Bornholms Tidende“ unterwegs. Die Zeitung hatte der Polizei einen direkten kompletten Zugang ermöglicht, sodass Christian vom Büro aus stöbern konnte. Auf seine Eingabe „Jesper Olsen“ bekam er deutlich mehr Ergebnisse, als er ohnehin schon befürchtet hatte. Das war kein seltener Name, auf Bornholm nicht und schon gar nicht in ganz Dänemark. Als er zusätzlich „Bornholm“ und „evig“ eingab, wurde das Ergebnis schon übersichtlicher.

Olsen war vor zwei Jahren nach Bornholm gekommen, er wohnte in einem Haus mitten in Hasle. Die Zeitung hatte ihm damals in einer Wochenendausgabe ein ausführliches Porträt gewidmet. Anscheinend war er unverheiratet und hatte keine Kinder, denn von beidem war im Artikel nicht die Rede. Er hatte zuvor in Kopenhagen gelebt und dort eine Buchhandelskette besessen. „KBB – Kun billige bøger“ (Nur billige Bücher) hieß diese Kette. Laut „Bornholms Tidende“ gab es Filialen in Aalborg, Aarhus, Odense, Kolding und Randers, sogar drei in Kopenhagen. Sie handelten ausschließlich mit preislich stark reduzierten Büchern, CDs und DVDs. Ob sich das rechnete, fragte sich Christian. Aber das konnte er nicht beurteilen, er war nicht vom Fach. Tatsache war, dass es diese Kette nicht mehr gab, der Nordjysk Supermercato Konzern hatte sie übernommen.

Vermutlich hatte Olsen gutes Geld bekommen und war damit nach Bornholm umgezogen. Hier eröffnete er in kürzester Zeit kleine Läden in von Touristen gerne frequentierten Orten. Diese nannte er Olsen evig, weil sie rund um die Uhr geöffnet hatten, wie Ditte ja bereits im Auto erwähnt hatte. Sie hatten ein Sortiment aus ungefähr 800 Artikeln, frisches Obst und Gemüse ebenso wie fertige Suppen, Marmelade, Ketchup oder alkoholische und nicht-alkoholische Getränke. Für den Zugang brauchte man eine kostenlose Olsen evig-Karte oder die App, mit denen öffnete sich die Tür. Dann stellte man seinen Einkauf zusammen, scannte den selbst und zahlte mit Mobile Pay oder Kreditkarte. Personal war nur von 8–10 und 16– 18 Uhr im Laden. Kameras überwachten jeden Raum.

Christian kratzte sich am Kopf. Brauchte das wirklich jemand auf der Insel? Er las, dass es diese Läden in Rønne und Nexø gab, in Svaneke und Gudhjem, in Sandvig und Hasle, in Snogebæk und Dueodde. Gerne mitten im Ort oder nahe an Jugendherberge oder Campingplatz, sofern vorhanden. Er verstand von all diesen Geschäften nichts, musste Christian sich eingestehen. Aber ob genug Leute in solche Läden gingen? Brugsen, Netto und Kvickly hatten doch lange genug auf. Er glaubte das nicht.

Er ging hinüber zu Ditte ins Büro: „Und, wie sieht es bei dir aus?“

Ditte stöhnte auf: „Die Datenbank der Rigspoliti kennt ihn gut. Scheint ein bunter Hund zu sein. Und sehr undurchsichtig. Der kommt aus Odense, genauer aus Vollsmose, dem berüchtigten Problemviertel. Er hat wohl einiges auf dem Kerbholz, es gab diverse Verfahren, aber so richtig nachweisen konnte man ihm nie etwas. Der konnte sich immer wieder herauswinden. Außerdem hat er wohl einige Firmen gegründet. Das dauert noch, bis ich da Klarheit habe. Was hast du herausgefunden?“

Christian erzählte es ihr kurz, als plötzlich Rømer anrief: „Eure Vermutung war richtig, das ist Jesper Olsen, die Rigspoliti kennt ihn gut, die haben seine Finger öfter archiviert. Im Rechner ist als sein letzter Wohnsitz die Storegade in Hasle angegeben.“ Ja, Letzteres wussten sie bereits.

Ditte bedankte sich und schaute Christian an: „Dann lass uns erst einmal zurück nach Hasle fahren.“ Sie erhoben sich, als Karen hineinstürzte: „Ditte, ich brauche dich. Wir haben eine Geiselnahme oben in Olsker. Ein Bauer weiß nicht mehr weiter, er hat seine Frau als Geisel genommen, droht, sie und sich umzubringen. Und will den ganzen Hof abbrennen. Du musst uns unterstützen.“ Ditte Holm war ausgebildete Polizeipsychologin, fühlte sich aber im Operativen wohler und hatte sich gegen eine Karriere als Psychologin entschieden. In solchen Fällen wie diesem war ihre Kompetenz natürlich gefragt.

„Aber wir wollten gerade zu seinen Angehörigen nach Hasle“, warf Christian ein.

„Das musst du allein machen“, lautete Karens kurze Antwort.

„Aber es geht um Mordermittlungen, die kann ich nicht allein durchführen“, flehte ein leicht hilfloser Christian.

„Nein, ich hoffe, dass sich diese Geiselnahme schnell erledigt. Sicherheitshalber rufe ich gleich Jan an, der muss ohnehin zurückkommen. Sonja wird mich dafür hassen, aber es hilft nichts.“ Dann verließ sie schnellen Schrittes mit Ditte im Schlepptau das Büro.

3

Christian fuhr die gut elf Kilometer nach Hasle. Dort parkte er in der Storegade, zog seine Windjacke über und schaute nach der Hausnummer von Olsen. Auf der Klingel stand nur sein Name. Er hatte eine unscheinbare Doppelhaushälfte bewohnt. In den Fenstern waren ein paar Kleinskulpturen aus Glas aufgestellt. Ein Kenner hätte sofort die Marke erkannt, aber Christian war frei von jeglichen Vorkenntnissen. Das war jetzt aber auch nicht wichtig. Die Fenster waren leider nicht auf Augenhöhe angebracht, sodass er nicht ins Innere schauen konnte.

Er ging zur Tür der anderen Haushälfte. Vielleicht hatte der Nachbar einen Wohnungsschlüssel, dann musste nicht der Schlüsseldienst kommen. „Martin Mylius“ stand an der Tür. Aber besagter Mylius war nicht daheim. Nun gut, er rief den Schlüsseldienst an, der versprach, in vermutlich 45 Minuten vor Ort zu sein. Christian schaute auf die Uhr. Er ging die ca. 70 Meter zurück zum SuperBrugsen, um sich dort eine Flasche Wasser zu kaufen. Mit der ging er hinauf zur Kirche. Er ging aber nicht hinein, sondern schlenderte über den Friedhof mit seinen wenigen Grabsteinen. Er blickte auf das Grab und die Büste von Vilhelm Herold. Ein berühmter Opernsänger, das wusste er. Er las die Daten auf dem Sockel: 1865 in Hasle geboren, 1935 in Kopenhagen gestorben. Gehört hatte er ihn noch nie, aber Opern waren auch nicht seine Musik. Rapper wie Nik & Jay, Gilli und Natasja konnte er gut leiden. Im Gegensatz zu Lærke, die sich immer freute, wenn die Stereoanlage ausblieb. Sie meinte, sie müsse in der Schule schon genügend Lärm ertragen. Er las den kurzen Text unter den Daten und schaute ungeduldig nach der Uhrzeit. Jetzt musste der Schlüsseldienst doch da sein.

Der stand schon vor dem Haus: „Na endlich. Hallo, ich bin Torben. Ich dachte schon, du bist wieder abgehauen. Ich mache dir mal auf.“ Dann setzte er kurz an dem Schloss an, es knackte und schon war die Tür auf. Torben trat zurück, Christian zog seinen Schutzanzug an, dann die Schuhe, schließlich die Handschuhe und stieß die Tür auf. Er blickte auf das blanke Chaos. Alles war durchwühlt und umgeschmissen, Pokale lagen herum, der Fernseher würde nie wieder ein Bild zeigen.

Christian blieb im Türrahmen stehen und rief bei der Spurensicherung an. Die mussten hier zuerst hinein. Er schaute Torben an, der immer noch erstarrt hinter ihm stand: „Wir schließen nachher die Tür und versiegeln sie. Du musst nicht wiederkommen. Und kein Sterbenswörtchen über das, was du hier gesehen hast, verstanden? Danke.“ Torben nickte und verschwand.

Die Spurensicherung war eine Stunde später da. Zentimeter für Zentimeter durchkämmten die zwei Frauen und der eine Mann das Haus. Der Geruch hier drinnen war unangenehm, es war wohl die Mischung aus umgestürztem Cognac, Wodka, Whisky und Tulpenwasser. Die Doppelhaushälfte bestand aus zwei großen Zimmern, einem kleineren Schlafzimmer, einem normal großen Bad und einer sehr teuren Küche, die größtenteils heil geblieben war.

Die Spurensicherer ebneten Christian eine Schneise durch alle Räume. Aber schlauer wurde er durch seinen Rundgang nicht. Alles war dermaßen demoliert, dass er sich schwer vorstellen konnte, wie es hier einmal ausgesehen hatte. Der Nachbar musste das alles gehört haben, wenn er in der Nacht dagewesen sein sollte. Die Spurensicherer fotografierten, nahmen Abdrücke und packten Gegenstände in Tüten. Eine von ihnen, Inger, kam auf Christian zu: „Ich habe Autoschlüssel gefunden, die gehören zu einem Skoda. Der müsste vermutlich irgendwo da draußen stehen.“

Christian nickte und bedankte sich. Er beschloss, morgen oder übermorgen nochmals hierherzukommen, heute machte seine weitere Anwesenheit keinen Sinn. Er verabschiedete sich und bat darum, später die Tür abzuschließen und zu versiegeln. Draußen standen ein paar Leute, blickten auf das Haus und unterhielten sich. „War Olsen der Tote von Hammershus?“, fragte eine ältere Dame. „Das kam nämlich in den Nachrichten.“ Christian hob die Schulter: „Ich darf dazu nichts sagen, vielleicht erzählt mein Chef in den Abendnachrichten später mehr.“

Er drückte auf den Schlüssel, doch nirgendwo öffnete sich ein Auto. Das wäre auch zu schön gewesen. Er ging gegenüber in die Havnegade, die Straße, die links vom SuperBrugsen hinunter zum Hafen führte. Vielleicht stand das Auto ja dort. Er drückte ständig auf den Schlüssel. An der Kreuzung mit der Vestergade entdeckte er einen Skoda. Und tatsächlich reagierte der auf den Schlüssel. Er näherte sich und sah auf den Vordersitzen zwei Skelette sitzen. Es waren nur aufblasbare Puppen, aber ihm stockte kurz der Atem. Er zog seine Handschuhe über und öffnete die Fahrertür. Die eine Puppe kippte ihm langsam entgegen. Er drückte sie vorsichtig zurück, stieß die Tür zu und verschloss den Wagen. Er ging zurück in die Storegade und bat Inger, sich später auch noch das Auto anzuschauen. Er war froh, als er in seinem Wagen saß. Erst diese Inszenierung an den Kamelköpfen, jetzt diese zwei gruseligen Plastikpuppen, was war hier los?

In Rønne stieg er in der Polizeizentrale am Zahrtmannsvej aus und ging in sein Büro. Er griff sich eine Flasche State, sein liebster Energydrink, aus dem Kühlschrank und begann seinen Bericht zu schreiben. Nach mühsamen 90 Minuten war er fertig. Er schaltete den PC aus und fuhr nach Hause. Lærke, seine Frau, hatte sich gerade einen Tee gemacht. Sie war Grundschullehrerin und hatte soeben die Mathearbeiten einer dritten Klasse korrigiert.

„Wie war dein Tag, Schatz?“, fragte er Lærke.

„Anstrengend“, antwortete sie. „Aber nicht die Schüler, sondern die Eltern sind es. Jeder ist überzeugt, er hätte ein Wunderkind. Und beschwert sich sofort über schlechte Zensuren. Und bei dir? Diese Sache da in Hammershus? Ich habe im Lehrerzimmer davon gehört.“

„Ja, die ist ganz merkwürdig. Mir brummt der Schädel.“ „Dann lass uns den Kopf frei bekommen und etwas laufen.“

Sie zogen sich Laufkleidung an und fuhren das kleine Stück zu Bornholms Golfclub hinaus. Dort parkten sie. Südlich des Blemmelyngvejen hatten sie sich kürzlich eine Laufstrecke auf kleinen Straßen zusammengestellt. Sie liefen los und genossen die kühle, aber frische Abendluft.

4

Jan hatte sich drei Tage freigenommen, er bummelte Überstunden ab. Mit Sonja, seiner Partnerin, war er am Mittwoch mit dem Schiff nach Ystad gefahren. Er wollte von dort gerne einen Tagesausflug nach Malmö unternehmen, aber Sonja hatte sich damit nicht anfreunden können. Malmö könnten sie auch noch in der Weihnachtszeit besuchen, meinte sie. Sie wäre mehr dafür, bei dem schönen Herbstwetter den Österlen genannten Südosten Schonens zu genießen. Gestern waren sie nach ihrer Ankunft in ihr kleines Hotel im Zentrum gefahren. Die Inhaberin war eine beeindruckende Frau, die ganz alleine den Betrieb mit den elf Zimmern nicht nur aufrechterhielt, sondern ihm eine wohlige Mischung aus schwedischem und englischem Stil verliehen hatte, ein ganz hervorragendes Frühstück aufdeckte und auch sonst den Gast sich zu Hause fühlen ließ. Nur die Treppe nach oben zu den Zimmern war arg steil.

Nachdem sie ihre Sachen dort ausgepackt hatten und in Ruhe durch Ystad gebummelt waren, waren sie heute nach dem Frühstück in Richtung Simrishamn gefahren, hatten jetzt das weite Apfelanbaugebiet von Kivik erreicht und wollten ihre Tour später in Kristianstad beenden. Die Straßen des Stadtkerns bildeten Quadrate, das allein war schon sehenswert. Aber noch genossen sie die Sonne bei einem mittäglichen Imbiss in Kivik.

Das Telefon klingelte. Karens Name erschien auf dem Display. Das verhieß nichts Gutes, denn Karen respektierte Freizeit und Urlaube über alle Maßen. Jan meldete sich. Karen berichtete ihm von dem Toten vor Hammershus und dass sie eigentlich die Ermittlungen erst einmal mit Ditte und Christian führen wollte. Es würde reichen, wenn er, Jan, am Montag dazukommen würde. Nun aber gebe es ein Drama in Olsker, zu dem Ditte und sie müssten, keiner wüsste, wie lange das anhalten würde. Es wäre großartig, wenn Jan sofort zurückkommen würde, um mit Christian am Mordfall weiterzuarbeiten.

Jan brodelte innerlich. Eine Mordaufklärung so langsam anzugehen war ein Ding der Unmöglichkeit. Weshalb hatte man ihn nicht umgehend informiert und gegebenenfalls per Hubschrauber abgeholt? Zeit war in so einem Fall alles, diese seine Überzeugung kannte Karen nur zu gut. Die ersten Stunden waren oft entscheidend. Da konnte man nicht fünf Tage warten, bis der wichtigste Mann zurückkam.

Er schaute zu Sonja hinüber. Natürlich ahnte sie den Anlass des Anrufes. Das würden gleich noch unangenehme Momente werden. Aber es half nichts. Er schaute auf die Uhr. Die Nachmittagsfähre würden sie nicht mehr erreichen, aber die Abendfähre schon.

„Ich spreche mit Sonja und schreibe dir“, sagte er.

Sonja schüttelte den Kopf: „Nein, wir fahren sofort zurück.“ Sie wusste nicht konkret, worum es ging. Aber sie ahnte es. Manchmal hasste sie seinen Job. Unregelmäßige Arbeitszeiten, Einsätze auch am Wochenende und gefährlich war der Beruf zudem. Na ja, auf Bornholm sicherlich nicht so wie in Kopenhagen. Aber trotzdem. Ihre Liebe zu ihm war allerdings größer. Sie wusste, dass er in dieser Aufgabe seit über 40 Jahren aufging. Wahrscheinlich brodelte er innerlich und fragte sich, weshalb man ihn nicht schon Stunden zuvor per Hubschrauber geholt hatte.

Als er das Gespräch beendet hatte, herrschte einen Moment Ruhe. Keiner von beiden wusste, was er sagen sollte. Sonja nickte: „Ist schon in Ordnung. Aber du musst versprechen, dass wir diese Tour nachholen. Bald, nicht irgendwann.“ Er gab ihr aus Dankbarkeit einen langen Kuss. Dann schickte er Karen das Okay und wendete den Wagen. Wenige Minuten später öffnete sich ihr neues Fährticket auf seinem Handy. Sie hielten in Ystad, zahlten der enttäuschten Inhaberin des Hotels auch die Nacht, die sie nicht blieben, und fuhren hinunter zum Ableger. Das Schiff lief gerade ein. Während sie warteten, fragte er Christian per WhatsApp, wie der Tote heißen würde. Christian antwortete ungefähr zehn Minuten später. Der Name sagte Jan etwas. Aus Kopenhagener Zeiten.

Auf dem Schiff versuchte er aber, möglichst nicht an den Fall zu denken. Er wollte Sonja nicht noch weiter verärgern. Die Fähre war gut gefüllt, obwohl es ein Donnerstag war. Aber für die Bornholmer lohnte sich ein Ausflug für Einkäufe, manches war in Ystad deutlich billiger. Und eine willkommene Abwechslung war es auch. Sonja beobachtete eine Bornholmer Schulklasse, die anscheinend von ihrer Klassenfahrt vom Festland zurückkam. Die Mädchen achteten schon sehr auf ihr Äußeres, kicherten und tuschelten, während die Jungs noch eher in ihrer rabaukigen Phase waren und sich gegenseitig durch das Schiff jagten.

„Wir sind damals für unsere Klassenfahrt nach Kopenhagen gefahren, ihr auch, oder?“, fragte sie Jan. Der war in ihre Parallelklasse gegangen.

„Ja“, nickte er. „Damals legte die Bornholmer Fähre doch noch mitten in Kopenhagen an. Dann ging es mit dem Bus hinaus zur Jugendherberge. Mann, ist das lange her.“

Sonja wusste, dass ihn in diesem Moment aber ganz andere Dinge beschäftigten: „Seit Christian dir den Namen des Opfers gegeben hat, rumort es in dir, oder?“

Jan schaute sich um, ob jemand in der Nähe saß. Seine Stimme wurde leiser, und sein Gesicht rückte näher an das von Sonja heran: „Ja, du kennst mich leider zu gut. Das ist dieser Typ, der überall diese Olsen evig-Läden aufmacht, die ohne Personal.“

„Ach herrje, der. Ja, gesehen habe ich die, aber ich war da nie drin. Stand nicht mal was in der Zeitung, dass der jemanden in Gudhjem sehr unfreundlich aus dem eigenen Geschäft vertrieben hat, weil er dort einen dieser Läden eröffnen wollte? Oder war das in Hasle?“ „Das erinnere ich nicht, aber es würde mich nicht wundern. Wenn ich das richtig im Kopf habe, dann war der mit irgendwelchen Geldwäschegeschäften unterwegs, aber man konnte ihm nie etwas nachweisen. Egal, damit werde ich mich ab morgen beschäftigen. Darf ich dir einen Kaffee bringen? Und dazu vielleicht ein Wienerbrød?“

Sonja schüttelte den Kopf: „Nein. Du darfst mich gleich in Rønne zum Essen einladen. Als Wiedergutmachung. Was hältst du von Det Røde Pakhus?“ Es war eines der besten Bornholmer Restaurants.

Jan lachte: „Oha, ja, wenn das dein Wunsch ist, kann ich dir den wohl nicht abschlagen. Aber deren Küche wird schon geschlossen sein, wenn wir einlaufen.“ Er rief an, dort kannte man ihn und versprach ihm, noch ein paar Kleinigkeiten und eine Flasche Wein servieren zu können. Er lächelte sie an, nahm ihre Hand und küsste sie. Er war glücklich. Glücklich darüber, mit Sonja wieder eine Frau gefunden zu haben, die seinen Job zumindest tolerierte. Ihn zu lieben, konnte man von keiner Partnerin verlangen. Mit Tove, seiner 2020 an Corona verstorbenen Frau, war es ebenso gewesen. Einmal abgesehen davon, dass Tove sich sicher mehr Sorgen gemacht hatte, weil Aarhus und später Kopenhagen ganz einfach gefährlicher waren als Bornholm.

Ihm fiel die Kugel ein, die von seiner Schutzweste abgefangen worden war. Damals, bei diesem Überfall auf einen Geldtransporter in Hellerup. Es war Alarm ausgelöst worden, und er war mit seinem Kollegen Otto zufällig im Kopenhagener Norden unterwegs. Also rasten sie an der Küste in Richtung Norden und mit ihnen eine ganze Armada an Blaulicht. Die Täter hatten einen roten Mercedes als Fluchtfahrzeug benutzt, nicht das unauffälligste Fahrzeug. Otto entdeckte den Wagen als Erster. Die Täter flüchteten zu Fuß weiter durch den Park von Charlottenlund Slot. Möglicherweise wollten sie zur S-Bahn-Station gelangen. Otto und Jan informierten die anderen Wagen und nahmen die Verfolgung auf. Jan stutzte kurz, weil nur ein Täter zu sehen war, angeblich sollten es zwei sein. Plötzlich trat ein Mann hinter einem Baum hervor und zielte auf sie beide. Otto stürzte nach vorne, Jan nach hinten. Otto war im Oberschenkel getroffen worden, Jan an der Brust, aber ihn hatte die Schutzweste gerettet. Die hatte er sich im Laufen noch angezogen. Er rannte zu Otto, der ihm aber sagte, dass er nur im Bein getroffen sei, Jan solle die Verfolgung wieder aufnehmen. Die beiden Täter liefen tatsächlich zur S-Bahn, dort aber wartete schon ein Großaufgebot der Polizei. Ja, hätte er sich damals nicht noch schnell die Weste gegriffen, würde er heute hier nicht sitzen, dachte Jan. In diesem Job waren Leben und Tod so verdammt dicht beieinander, und trotzdem liebte er ihn. Auf Bornholm würde ihm ein solches Erlebnis vermutlich erspart bleiben.

Wenig später erreichte ihn eine Nachricht von Karen. Die Beendigung der Geiselnahme erwies sich als sehr schwierig, der Bauer hatte wohl alles sorgfältig vorbereitet. Unmengen Heu lagen auf Trögen mit Schläuchen voller Brennspiritus, ein einzelnes Streichholz genügte, und die Hölle würde auflodern. Sie müsse mit Ditte wohl noch länger in Olsker bleiben. Das erinnerte ihn daran, dass er Christian noch schreiben musste. Er sei morgen um 8.30 Uhr im Büro, tippte er ins Handy, womit Christian wusste, wann er im Büro zu sein hatte.

Nachdem das Schiff angelegt hatte, gingen Sonja und Jan hoch zur Kirche und in Sonjas Haus. Sie machten sich kurz frisch und spazierten gleich weiter ins Røde Pakhus. Dort ließen sie es sich bei der versprochenen Auswahl kleiner Gerichte und einem Pinot Grigio gut gehen. Satt, müde und gut gelaunt gingen sie zurück. Bald lagen sie eng aneinander im Bett. „Die nächsten Tage werden ja wieder heiter“, dachte Sonja. Gerade in den ersten Tagen einer Ermittlung war Jan immer besonders angespannt. Dann schlief sie ein. Jan lag noch wach. Am liebsten wäre er nach dem Einlaufen des Schiffes direkt ins Büro gefahren. Eine Leiche an die Kamelköpfe zu hängen, das war schon eine starke Botschaft. Aber im Büro wäre eh niemand gewesen, um ihn auf den letzten Stand zu bringen. Das abendliche Essen hatte Sonja etwas versöhnt. Die nächsten Tage würden anstrengend werden, auch für sie. Er wusste, dass er sich dann wieder in einem Tunnel befinden würde. Jesper Olsen aus Vollsmose, was war noch mit ihm? Er grübelte. Und schlief darüber ein.

Tag 2

5

Christian wachte noch vor dem Wecker auf. Heute sollte er Jan den Stand der Dinge im Mordfall Jesper Olsen berichten. Da durfte er keinen Fehler machen, nichts vergessen. Schließlich wollte er in der Polizei Karriere machen, eines Tages zur Rigspoliti nach Kopenhagen gehen. Ein Jan konnte da ein guter Wegbereiter sein. Lærke lag friedlich neben ihm und schlief fest. Er ging den Text durch, den er sich gestern Abend noch überlegt hatte. Eigentlich war bisher noch nicht viel geschehen. Es hatte die Alarmmeldung gegeben, Karen, Ditte und er waren zum Fundort nach Hammershus gefahren, später hatte sich die Identität des Toten geklärt. Kurz nach der Rückkehr nach Rønne mussten Karen und Ditte zu einem Einsatz nach Olsker. Er selbst war allein zum Haus des Opfers gefahren. Dort war alles verwüstet worden. Und im Auto des toten Jesper Olsen saßen zwei aufgeblasene Gerippe.

Er stand auf und startete die Kaffeemaschine. Anschließend ging er ins Bad und in den Fitnessraum. Der war wohl einst vom Architekten als Kinderzimmer angelegt worden. Aber da sie noch keines hatten, standen hier Christians Fitnessgeräte. Lærke nutzte sie ab und an auch, aber sie war eher eine begeisterte Joggerin. Christian hörte, wie seine Frau ins Bad ging. Er ging den Text nochmals durch, während er die Hanteln hoch und runter bewegte. Und auch, als er das Seilspringen startete.

Ob er seine Übungen wie sonst auch absolviert hatte, wusste er schon nicht mehr, als er in die Küche kam und seiner Frau einen Kuss gab. Er nahm einen kräftigen Schluck von seinem Energydrink und sprang unter die Dusche. Zehn Minuten später setzte er sich endlich zu Lærke, die schon bei Kaffee sowie Skyr mit Müsli saß und die Nachrichten im iPad las.

Sie schaute kurz hoch: „Christian, alles okay? Du schaust etwas zerstreut aus.“

Er lächelte verlegen: „Na ja, der neue Fall geht mir schon durch den Kopf. Das ist alles sehr merkwürdig. Wieso bindet man jemanden an den Kamelköpfen fest?“

„Das darfst du mich nicht fragen. Das herauszubekommen ist dein Job. Ich muss in einer Stunde fragen, wie viel 12 plus 21 sind. Und zeigen, wie man einen Clown malt.“ Sie lachte. „Ich mache mich mal für die Schule fein.“ Ihr Mann nickte und ging nochmals seinen Text für Jan durch.

Eine Dreiviertelstunde später saß er Jan gegenüber: „Hej, das tut mir leid, dass du deinen Urlaub abbrechen musstest.“

Der zuckte nur mit der Schulter: „Das ist in unserem Beruf nichts Ungewöhnliches. Ich kenne das nur zu genau. Aber das wird mir nicht mehr oft passieren, im Gegensatz zu dir Nachwuchskraft. Vermutlich nicht auf Bornholm. Aber solltest du eines Tages in Kopenhagen oder Aarhus arbeiten, wirst du dich daran gewöhnen müssen. So, dann erzähle mir mal, was geschehen ist.“

Christian berichtete vom ersten Alarm bis zu seinem Besuch in Hasle detailliert die letzten gut 24 Stunden. Dazu gehörten auch die Abfragen in der Datenbank der Rigspoliti, in „Bornholms Tidende“ und im Handelsregister: „Laut Handelsregister hat er für jeden der acht Bornholmer Läden eine eigene Firma gegründet, wohl weil er somit das Risiko für die Gesamtgruppe minimiert, wenn eines der Geschäfte insolvent wird. Außerdem ist er noch Inhaber des neuen Fußballvereins Stjernen IF, dessen Hauptsponsor natürlich die Olsen evig-Kette ist.“ Jan fragte nicht nach, unterbrach ihn nicht, zeigte keinerlei Mimik. Als Christian fertig war, nickte Jan: „Danke, Christian, das war sehr klar dargestellt, sehr schön. Also wenn ich das richtig verstanden habe, ist der Mann unverheiratet?“

„Das dachte ich bis vorhin, habe aber dann entdeckt, dass er doch verheiratet und seine Frau woanders gemeldet ist. Alica Radic heißt sie, sie hat eine Adresse südlich von Kopenhagen.“ Er schaute in seine Unterlagen: „Genau, in Køge. Unter der Adresse war Olsen auch mal gemeldet, bis vor zwei Jahren. In erster Ehe war Olsen mit einer Uarwin Jawad verheiratet, einer gebürtigen Irakerin, das ist aber neun Jahre her, die wohnt jetzt in Malmö.“

„Dann haben diese Alica und Jesper sich vermutlich getrennt, und er ist hierhergezogen. Nun gut, wir lassen das mal prüfen. Ich rufe in Køge an, die Kollegen sollen mal bei der Frau vorbeifahren, ihr die Nachricht überbringen und sich mit ihr unterhalten.“

Christian jubelte innerlich, denn Jan war zufrieden. Er hatte also alles richtig gemacht.

„Jan, wie machen wir nun weiter?“

„Aus dem, was du berichtet hast, ergeben sich für mich zwei Möglichkeiten. Entweder hat er sich bei seinen alten Geschäften auf Fünen und in Kopenhagen einen Feind gemacht, der sich jetzt gerächt hat. Oder er hat bei der Eröffnung seiner Läden jemanden so verärgert, dass der ihn dafür an einen Kamelkopf gehängt hat.“

„Du meinst, er hat hier vielleicht jemanden aus seinem Laden vertrieben?“

„Wenn jemand gleich eine ganze Kette eröffnet, ist es eher unwahrscheinlich, dass gerade alle gewünschten Standorte frei sind. Da muss man hier und da schon nachhelfen. Mit Reden, mit Geld, vielleicht auch mit etwas Gewalt. Sonja meinte, sie hätte davon in der Zeitung gelesen.“

„Wie sollen wir uns aufteilen?“

„Der Fußballverein war sicherlich sein Hobby, den können wir erstmal vernachlässigen. Stattdessen suchst du dir die Geschäftsberichte der alten Firmen von Olsen heraus. Mit wem hat er die Geschäfte oder Lokale eröffnet, wer hatte Anteile? Wie war die Wertsteigerung, als er sie verkaufte? Wir müssen wissen, wer seine Partner waren. Vielleicht hat er die an einer Stelle übervorteilt. Und wenn du an den Zahlen und Bilanzen etwas nicht verstehst, dann wende dich bitte an Steffen Bjergsø, der ist drüben bei der Rigspoliti in der Abteilung Wirtschaftsdelikte Abteilungsleiter. Grüße ihn schön mir, dann wird er dich unterstützen.“ Christian musste schmunzeln. Er hatte vor knapp drei Jahren eine interne Fortbildung zum Thema „Bilanzen lesen und verstehen“ belegt. Sie sollte Ermittler darin schulen, genau in Fällen wie diesem schnell Zusammenhänge erkennen zu können. Er hatte das gemacht, weil dieses Wissen seiner Karriere sicherlich nicht schaden würde. Die Erinnerung an den Kurs war noch sehr frisch. Er würde vermutlich nicht in Kopenhagen anrufen müssen.

„Ich selbst werde gleich einmal in den Registern nachschauen, wer in den evig-Läden vorher Mieter war, und diese Leute besuchen. Mal sehen, was die von Olsen zu berichten haben.“ Mit diesen Worten stand Jan auf und ging in sein Büro.

Er suchte in seinem Handy die Nummer von Tommy Bundgaard und startete die Verbindung.

„Ist es dir auf Bornholm so langweilig, dass du schon deine Kollegen in Køge anrufen musst?“, begrüßte Bundgaard ihn lachend.

„Ja, und nachdem ich alle Kopenhagener Kollegen bereits genervt habe, habe ich gedacht, ich wecke mal den guten alten Tommy in Køge.“

„Das ist nett von dir. In der Tat ist es bei uns gerade recht friedlich. Im Gegensatz zu Bornholm. Ihr hattet ja vor einem halben Jahr so einen richtig spektakulären Fall. Das ging doch bis nach Schweden und Polen, oder?“

„Ja, richtig, da hatte sich ein Fischer etwas überschätzt und mit den falschen Leuten angelegt.“

„Und dann hast du die halbe Insel verhaftet.“

„Haha, ganz so dramatisch war es nicht. Aber den einen oder anderen Prominenten hat das die Karriere gekostet, richtig.“

„Und jetzt gibt es da einen ganz neuen Fall, wie ich las. Rufst du deswegen an?“

Tommy Bundgaard kannte Jan aus seiner Zeit in Kopenhagen. Wenn es Einsätze in Brøndby oder anderen Stadtteilen im Kopenhagener Süden gab, rief man bevorzugt die Kollegen aus Køge hinzu. Und die unterstützten gerne. Das lag auch an Bundgaard, der bei seinem Team äußerst beliebt war und für den sie durchs Feuer gingen. Bundgaard war nicht mehr zu 100 % einsatzfähig. Er war einst in Odense stationiert gewesen und bei einem Einsatz gegen Drogenhändler durch einen Messerstich lebensgefährlich verletzt worden. Tagelang rang er mit dem Tod. Und besiegte ihn. Nach einer längeren Reha bot man ihm die Leitung in Køge an. Er war ohnehin für eine Führungsposition vorgesehen gewesen, und in Køge war gerade eine Stelle frei geworden. Da konnte er sich auch mit etwas Verwaltungsarbeit beschäftigen und musste nicht ständig auf die Straße. Ihn quälten regelmäßig Schmerzen im Bauchbereich, und er zog das rechte Bein ganz leicht nach. Das sah man aber nur, wenn man es wusste. Organisatorisch unterstand Køge der Midt- og Vestsjællands Politi in Roskilde. Damit konnte er gut leben, denn so hielt sich die Bürokratie in Grenzen, das meiste mussten die Kollegen dort erledigen.

„Ja, deswegen rufe ich an. Wir haben hier einen Ermordeten. Das Opfer war mit einer Frau verheiratet, die in Køge wohnt. Alica Radic Olsen. Das Merkwürdige ist, dass unser Opfer, Jesper Olsen, nur auf Bornholm gemeldet ist und seine Frau bei euch. Er war dort früher gemeldet. Sind die getrennt oder was ist der Hintergrund? Vielleicht könnt ihr die schlechte Nachricht überbringen und sie zu dieser Konstellation befragen?“

„Das bekommen wir hin, selbstverständlich. Ich weiß natürlich nicht, ob und wo sie arbeitet. Oder zu Hause ist. Aber sobald ich etwas weiß, melde ich mich bei dir.“

„Danke, bis später.“

Jan erinnerte sich, dass Jesper Olsen mehrfach der Geldwäsche verdächtigt worden war. Wie er richtig behalten und Christian bestätigt hatte, kam Jesper Olsen aus dem Odenseer Stadtteil Vollsmose. Eine verrufene Gegend mit hoher Kriminalitätsrate. Später hatte er mehrere Lokale eröffnet und wieder verkauft. Er hatte bei seinen Unternehmungen immer Mitinhaber, die vermutlich so Geld aus Drogengeschäften und anderen Unternehmungen wuschen. Die entsprechende Abteilung der Rigspoliti hatte Olsens Deals mehrfach unter die Lupe genommen, aber nichts Anstößiges gefunden. Der Mann war clever gewesen.

Nun wollte Jan, dass Christian in Ruhe die Fakten zusammentrug. Mit weiteren Fragen konnten sich die Bornholmer dann immer noch an die Kopenhagener wenden. Er schaltete seinen Computer an und gab die Adressen der Läden nacheinander ein. Wer hatte die Olsen evig-Läden vorher gemietet? Das hatte er schnell herausgefunden. Auch die Hausbesitzer ließen sich problemlos ermitteln. In dem in Rønne war zuvor lange Jahre ein Elektrogeschäft untergebracht gewesen. Das gehörte dem Hausbesitzer, der selbst aber im Rønner Norden wohnte. In Hasle war zuvor ein Tattoo-Studio gewesen, der Inhaber schien jetzt im nahen Rutsker zu wohnen. In Sandvig war zuvor ein Café gewesen, die Frau besaß auch in Gudhjem noch eines. In Gudhjem war Olsen evig allerdings Nachmieter einer Modeboutique geworden. Die Häuser gehörten verschiedenen Eigentümern in Kopenhagen. Jan ging kurz auf Det Centrale Personregister (CPR), schrieb die aktuellen Adressen der ehemaligen Mieter auf und griff seine Jacke. Auf dem Weg zum Auto informierte er kurz Christian, dass er nun unterwegs sei.

Er fuhr das kleine Stück zum Snellemark, stieg aus und schaute auf das Ladenschild Olsen evig. Die Lage an der Straße vom Markt zum Hafen war eigentlich ideal. Von außen sah das Geschäft ordentlich aus. Der große Kvickly ein Stückchen weiter hinunter zum Hafen würde an dieser Konkurrenz sicherlich nicht zerbrechen. Aber für Olsen war es ohne Zweifel von Vorteil, dass der Coop-Konzern die Öffnungszeiten von Kvickly und Brugsen etwas gestutzt hatte. Zum einen aus Kostengründen, zum anderen, weil man kein Personal fand. Jan machte einen Schlenker hinüber zur anderen Straßenseite und ging an Olsen evig vorbei. Er blickte kurz in den Laden, ein Kunde war drin, immerhin. Es wirkte alles sehr aufgeräumt und sauber. Vermutlich musste er sich so eine Zugangskarte besorgen und sich einen der Läden mal von innen anschauen. Es begann leicht zu nieseln.

Jan steuerte in den Rønner Norden und klingelte an einem Einfamilienhaus. Über der Tür bewegte sich eine Kamera. Er hielt seinen Ausweis nach oben. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Ein grimmig dreinblickender Mann stand Jan gegenüber: „Ja, was gibt´s?“ Jan stellte sich kurz vor und ergänzte: „Ich nehme an, du bist Thorvald Christensen. Du bist der Inhaber eines Geschäftshauses am Snellemark. In dem hattest du ein Geschäft, jetzt ist da ein Olsen evig drin. Jesper Olsen, der Inhaber, ist heute Nacht umgebracht worden. Oben bei Hammershus. Du hast vermutlich davon gehört. Ich würde gerne von dir mehr über ihn wissen.“