Die Andoria Chroniken - Im Feuer des Drachen - Franziska Kamberger - E-Book

Die Andoria Chroniken - Im Feuer des Drachen E-Book

Franziska Kamberger

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Beschreibung

»Wenn Tote kämpfen und Lebende aufgeben, erst dann ist diese Welt dem Untergang geweiht.« Aus Andorias verborgenen Chroniken. Unter Adas Herrschaft und neuen Bedrohungen ist Andorias Zukunft so ungewiss wie nie zuvor. Nia und ihre Verbündeten geben nicht auf, in diesem Kampf, dem sie schon so viel geopfert haben. Doch wie sollen sie gegen einen Feind bestehen, der stärker zu sein scheint, als der Tod?

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Beliebtheit




Copyright 2024 by

Dunkelstern Verlag GbR

Lindenhof 1

76698 Ubstadt-Weiher

http://www.dunkelstern-verlag.de

E-Mail: [email protected]

Coverdesign: J. Kropmanns

ISBN: 978-3-98947-009-5

Alle Rechte vorbehalten

Für Barbara, Regina, Cordula,

Sonja und Sabine.

Weil ihr die schweren Pflegetage

erträglich gemacht habt.

Inhalt

1. Gideon

2. Aiden

3.Graham

4. Gideon

5. Malenia

6. Graham

7. Gideon

8. Aiden

9. Graham

10. Malenia

11. Gideon

12. Malenia

13. Graham

14. Malenia

15. Gideon

16. Malenia

17. Gideon

18. Aiden

19. Graham

20. Malenia

21. Gideon

22. Graham

23. Malenia

24.Aiden

25. Malenia

26. Graham

27. Aiden

28. Malenia

29. Aiden

30. Malenia

31. Graham

32. Aiden

33. Malenia

34. Aiden

35. Malenia

36. Malenia

37. Gideon

38. Malenia

39. Malenia

40. Aiden

41. Graham

42. Malenia

43. Malenia

44. Aiden

45. Malenia

46. Graham

47. Malenia

48. Graham

49. Aiden

50. Malenia

51. Gideon

52. Aiden

53. Graham

54. Aus den Erinnerungen von jenen, die am Tag der Hoffnung kämpften

55. Malenia

56.Aiden

57. Aus den Erinnerungen von jenen, die am Tag der Hoffnung kämpften

58. Malenia

59. Aus den Erinnerungen von jenen, die am Tag der Hoffnung kämpften

Epilog

Danksagung

Was bisher geschah ...

Es ist faszinierend, wie schnell man vergessen wird, nur weil man stumm ist. Wie diese Stille es einem ermöglicht, alles zu beobachten, Gespräche zu belauschen und unentdeckte Schlüsse zu ziehen. Ich habe mich daran gewöhnt, habe es mir manches Mal zu Nutze gemacht. Dennoch wurde mein Wunsch, der Stille zu entfliehen und meinen Gedanken eine Stimme zu schenken, im Rahmen der letzten Ereignisse immer stärker. Auslöser dafür war Nia. Nia und ihre Gefährtin Shadow, die jetzt …

Fangen wir weiter vorne an. Vieles habe ich erst im Nachhinein erfahren, anderes selbst beobachtet. Ich versuche, es für euch zusammenzufassen.

Nia und Shadow gelang tatsächlich die Flucht in der Seelennacht. Sie mussten mich und die anderen Adler zurücklassen, aber Magie und einiger Rebellen sei Dank, wurden die Anderen gerettet. Unter anderem durch Elysa, das Mädchen, welches Nia einst aus ihrer Zelle befreit hat. Ich blieb vorerst in Adas Fängen zurück. Als Elysa und ihr Bruder Eli zu Hilfe kamen, hatte mich bereits einer von Adas Männern bewusstlos geschlagen. Ich erwachte irgendwann in einem dunklen Zimmer, was, wie ich erfuhr, in all den Jahren zuvor Adas Gefängnis gewesen war.

Aiden hat sich wohl ziemlich dumm verhalten und sich wegen Nias Magie aufgeregt, aber am Ende haben sie sich wieder vertragen. So hat Shadow es mir später zumindest erzählt. Elysa brachte die Anderen in das Rebellenversteck unter Wasser. Eine unterirdische Höhle, ein glitzernder See. Das hätte ich gerne gesehen. Das Interessanteste war allerdings Béla. Brams Bruder.

Wie sich herausstellte, hatte Bram allerdings nicht nur einen Bruder, sondern auch eine Schwester. Diese war keine geringere als Nias Mutter Rosa. Als würde das an schockierenden Wahrheiten nicht ausreichen, erfuhr Nia auch noch, dass Bram von ihrer Geburt an geplant hatte, sie für seine Rebellion gegen König Robert zu benutzen. Alles, was er ihr einst beigebracht hatte, diente nur dazu, sie auf diese Aufgabe vorzubereiten. Verständlicherweise war Nia ziemlich außer sich. Trotzdem war sie bereit, mit den Rebellen zusammenzuarbeiten, um gegen Ada vorzugehen. Vorher mussten die Rebellen ihr aber helfen, mich zu befreien. Ich weiß nicht, wie ich ihr je dafür danken kann. Sie hätte mich zurücklassen können, sie wusste ja nicht einmal, ob ich noch am Leben war. Einst hatten wir sie im Auftrag des Königs gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Dennoch ging sie jetzt dieses Bündnis mit den Rebellen ein, um mich zu retten, ohne zu wissen, was sie das eines Tages kosten würde. Nia ist erstaunlich. Gütig. Und wenn ihr mich fragt, stehen wir Adler nach der Seelennacht alle in ihrer Schuld.

Luan und Shadow wurden verletzt, während Nia und Aiden Roberts Tagebücher gesucht haben. Ach, Gideon, ihren Bruder, haben sie auch noch getroffen und erfahren, dass Esmera ebenfalls überlebt hat, aber sie konnten uns bei unserer Flucht nicht begleiten. Soviel ich weiß, haben sie aber einen neuen Freund und angeblich sogar einen Drachen gefunden.

Ich war ziemlich geschwächt nach den Tagen in Gefangenschaft, aber die Flucht verlief wohl trotz der Vorkommnisse viel einfacher als gedacht. Die Anderen ahnten ja nicht, dass es dafür einen guten Grund gab, und ich konnte es ihnen nicht verraten. Ada hatte mich mit Blutmagie belegt, die mich dazu zwang, Nia zu attackieren. Ich verbrachte Stunde um Stunde in einem dichten Nebel, getrieben von einem Hunger, den ich mir nicht erklären konnte. Ich lauerte wie ein Tier. Irgendwo hinter der Magie, die sich wie ein dicker und klebriger Schleier anfühlte, war noch mein wahres Ich. Aber so sehr ich es auch versuchte, ich kam nicht gegen die Blutmagie an. So versuchte ich in einer Nacht tatsächlich, Nia zu töten. Zum Glück ist es mir nicht gelungen, aber Aiden wurde schwer verletzt und wäre fast gestorben. Nia war natürlich am Boden zerstört und ist nicht von seiner Seite gewichen, während eine Rebellin die Blutmagie aus meinem Körper brannte und ich langsam zu mir zurückfand. Shadow war bei mir, als Scham und Reue mich zu erdrücken drohten. In ihrer Gegenwart fand ich endlich meine Stimme wieder. Ihr hättet mal die verdutzten Gesichter der Anderen sehen müssen. Allerdings kam es durch meinen Angriff auf Aiden zu Unstimmigkeiten zwischen Nia, den Adlern und den Rebellen. Ich glaube, Béla könnte eines Tages zum Problem für uns werden. Zumindest habe ich ein ganz schlechtes Gefühl in seiner Gegenwart, und das hat nichts damit zu tun, dass er mir wegen der Blutmagie nicht traut.

Duncan hat in den Tagebüchern des Königs gelesen und herausgefunden, dass dieser ein Seher war. Der einstige König von Andoria, der Begründer der Reinheitsgesetze - ein Magischer? Ich glaube, die Anderen wissen noch nichts davon, aber Shadow hat es mir verraten. Sie erzählt gerne Geschichten, wenn mich die Albträume wachhalten. Deswegen weiß ich auch, was noch in diesen Tagebüchern stand. Als wir schon am Hafen waren, um ein Schiff in Richtung des freien Landes zu betreten, gestand Shadow Nia, dass Robert sie als kleine Kätzin zu ihr geschickt und ein Seelenband zu der Pantherdame geflochten hatte, durch das er sie jederzeit finden konnte.

Und dann … ich war bei den Anderen, wir betraten gerade die Ruderboote, die uns zu dem großen Schiff bringen sollten. Da sprang Duncan plötzlich auf und schrie etwas von Nia, Shadow und einem Angriff. Er verwandelte sich in einen Bären, bevor einer von uns die Worte komplett verstanden hatte. Als er zurückkam, trug er Nia auf den Armen. Sie war bewusstlos. Später erfuhren wir, dass er ihr einen Schlag verpasst hatte, damit sie aufhörte zu schreien und die Verfolger nicht auf sie aufmerksam machte. Jene Männer, die Shadow mit einem Pfeil verwundet hatten. Shadow, von der nichts zu sehen war, als wir die Ruderboote bestiegen und auf das Schiff zu hielten. Die nicht am Strand auftauchte, während dieser langsam zu einem schmalen Streifen hinter schaukelnden Wellen verblasste. Denn ihre Stimme war längst verstummt, als der Pfeil sie im Wald tötete …

Teil 1

Kein Licht ohne

Dunkelheit

1. Gideon

»Sterben gehörte definitiv nicht zu meinem Plan.

Nicht heute.

Nicht so.

Aber wer fragt das wilde Tier schon, wann es sterben will?«

Aus Shadows Gedanken

»Und?«

Ungeduldig trat er von einem Fuß auf den Anderen. Dabei zog er den Umhang enger um sich. In den letzten Stunden war aus dem warmen, leicht windigen Spätsommertag ein kalter, von Nieselregen durchsetzter Herbstabend geworden und er erinnerte sich wieder, warum er diese Jahreszeit nicht mochte.

»Ein paar Stunden, mindestens. Vielleicht sogar länger.«

Rick erhob sich und strich sich das feuchte dunkle Haar aus der Stirn. »Wer auch immer es war, ist sicher längst über alle Berge.«

Skeptisch blickte Gideon hinab auf die Ansammlung undeutlicher Fußabdrücke, die durch den zunehmenden Regen immer mehr mit dem Rest des schlammigen Waldbodens verschmolzen. Nicht mehr lange und sie wären nicht mehr zu erkennen.

»Bist du sicher?«

Rick zog eine Augenbraue hoch. »Liest du schon dein ganzes Leben Spuren?« Er seufzte theatralisch und schlug sich eine Hand gegen die Stirn. »Ach nein, das war ja ich!«

»Schon gut«, murrte Gideon. Rick hatte natürlich recht. Er hatte keine Ahnung vom Spuren lesen. Im Gegensatz zu Nia hatte er sich nie sonderlich für Brams Lektionen interessiert. Andererseits hatte dieser ihm auch nie so viel Aufmerksamkeit geschenkt, wie seiner vermeintlichen Schwester.

»Was glaubst du, wie viele es waren?«

Gideon sah auf. Esmeras Blick glitt von ihm zu Rick, während sie sich die Kapuze ihres Umhangs über das dunkle Haar zog und den kleinen, gestreiften Affen enger an sich drückte. Das Tier vergrub das pelzige Gesicht im Stoff und versuchte, unter den Umhang zu kriechen.

Kaido, der kleine Drache auf Gideons Schulter, stieß einen beinahe spöttisches und von Rauchkringeln begleitetes Schnauben aus. Als wollte er sagen: »Stell dich nicht so an.«

»Schwer zu sagen.« Rick runzelte die Stirn und verfolgte mit seinen Augen die Spur, bis sie im dichten Unterholz verschwand. »Vielleicht ein halbes Dutzend.«

»Das gefällt mir nicht«, meinte Esmera und trat dichter an Gideons Seite. Er spürte die Wärme, die von ihr ausging, und hätte sich am liebsten an sie geschmiegt, um der kühlen Nässe um sie herum zu entfliehen. Irritiert runzelte er die Stirn.

»Wir sind auf dem Weg zur Küste. Nia ebenfalls?«, fragend sah sie Gideon an.

Er nickte bestätigend, auch wenn er es nicht sicher wusste. Aber es war die logischste Schlussfolgerung.

»Und diese Leute, wer auch immer sie waren, sind es ebenfalls?« Ihre Stimme rutschte etwas in die Höhe.

»Es könnte jeder gewesen sein«, versuchte Gideon sie zu beruhigen. »Niemand sagt, dass es Adas Männer waren. Vielleicht waren es Anwohner aus Dragoterra, die zu fliehen versuchen, solange sie noch können.«

»Bezweifle ich.«

Sie wandten sich Rick zu. Der duckte sich und hob etwas auf, das er ihnen dann vor die Nase hielt. »Meinst du, einfache Dragoterranier haben solche Waffen dabei?«

In der Hand hielt er eine eiserne Pfeilspitze. Sie war scharf geschliffen, glänzend und hatte eine münzgroße Prägung am dickeren Ende, an dem sich noch das abgebrochene Stück eines hölzernen Schafts befand. Ein Kreis aus Händen.

»Ada«, stieß Esmera angewidert hervor. »Sie muss ihr Wappen echt allem aufzwingen, was?«

Angst schwang in ihrer Stimme mit. Auch Gideon schluckte. Wenn Nia wirklich auf dem Weg zur Küste gewesen war, wenn Adas Männer sie verfolgt hatten ...

»Ihr Vorsprung war zu groß«, erwiderte er entschieden. Er musste sich selbst davon überzeugen. »Nia hat Dragoterra mehrere Tage vor uns verlassen. Wahrscheinlich war sie längst auf einem Schiff, als die Rebellen hier entlangkamen.«

Er wich ihren Blicken aus. Wusste er doch selbst, dass es nur eine Hoffnung war, an die er sich klammerte. Keine Tatsache.

Rick schaute nachdenklich auf die Pfeilspitze. »Sind es noch Rebellen, wenn sie treu zur Königin stehen?«

»Sie ist nicht die Königin.« Mit finsterem Gesichtsausdruck streckte Gideon die Hand nach der Waffe aus.

»Warte!«

Unerwartet packte Esmera seinen Arm und hielt ihn auf. »Sieh doch, die Spitze!«

Durch ihren Tonfall alarmiert, besah er sich das Eisen etwas genauer. Rick tat es ihm gleich und kam dem Pfeil dabei so nah, dass Gideon schon fürchtete, er würde sich die Nase daran stechen.

Ein feiner, heller Rand zog sich um die tödliche Spitze des Pfeils. »Sieht aus, als wäre dort etwas angetrocknet. Etwas anderes als Blut.«

Vorsichtig, ohne die unbekannte Substanz zu berühren, nahm er Rick den Pfeil ab. Sein Begleiter wischte sich eilig die Hand an seiner Hose ab.

»Gift?«, überlegte Gideon und schaute Esmera an. Dabei hatte er keine Ahnung, ob sie sich mit sowas auskannte. Aber sie hatte die Stirn gerunzelt, als würde sie konzentriert darüber nachdenken.

»Möglich«, sagte sie schließlich. »Ich denke, wir sollten…«

In dieser Sekunde richtete Kaido sich auf Gideons Schulter nervös auf. Er schnüffelte in die Luft, wobei sein roter Kopf leicht auf und ab wippte. Gideon brauchte nicht zu fragen, was mit ihm los war. Denn er hatte es auch wahrgenommen, als eine stärkere Windböe aufgekommen war. Sie hatte diesen Geruch mit sich gebracht. Ganz fein nur, als hätte der Regen ihn schon fast ausgewaschen. Und dennoch stechend. So vertraut, wie er es eigentlich nicht sein sollte. Aber Gideon kannte ihn.

Er tauschte einen besorgten Blick mit Rick und Esmera.

»Blut.«

2. Aiden

»Es heißt, Andoria erstand aus der Asche.

Von Drachen bevölkert und verbrannt,

erhob es sich neu und gestärkt, wie ein Phönix.«

Aus Andorias verborgenen Chroniken

»Was bei allen Geistern ist passiert?«

Aufgebracht schloss er die Tür hinter sich. Nur Nias verstörter Gesichtsausdruck, der sich tief in seine Erinnerung gegraben hatte und ihn wohl nie mehr loslassen würde, hielt ihn davon ab, sie lautstark zuzuknallen. »Das habe ich dir doch schon erklärt«, erwiderte Duncan ruhig.

Er schob die Füße etwas weiter auseinander, um das leichte Schwanken des Bodens auszugleichen. Aiden tat es ihm nach und stieß die Luft aus.

»Dann erkläre es mir eben nochmal!«

Für einen Moment sah Duncan ihn bloß schweigend an. Seine Augen zuckten nachdenklich.

»Ich hörte Shadows Stimme in meinem Kopf«, sagte er dann ruhig. So, wie er es vor einigen Minuten schon einmal getan hatte. Und noch etwas früher, als er mit der völlig aufgelösten Nia in seinen nackten Armen aus dem Wald gestürmt gekommen war.

»Sie rief mich um Hilfe. Ich verwandelte mich in einen Bären und rannte in den Wald. Dort fand ich sie.«

»Tot«, warf Aiden ein, aber Duncan schüttelte den Kopf.

»Nein, sie war noch nicht tot. Aber ein Pfeil steckte in ihrem Hals. Sie war sehr schwach. Und sie flehte mich an, Nia wegzubringen. Nia wusste nichts davon. Sie verstand es erst nicht. Ich glaube, im ersten Moment hat sie mich gar nicht erkannt.« Er runzelte kurz die Stirn, als wäre er sich da nicht ganz sicher. »Als ich sie erreichte, tauchten gerade die Männer auf.«

»Adas Männer?«, unterbrach Aiden ihn erneut.

»Vermutlich. Wer sonst sollte ein Interesse daran haben, sie zu töten?«

Aiden antwortete nicht darauf. Er wusste es nicht. Er wusste gar nichts. Nur, dass Nia in der kleinen Kajüte hinter ihm in einer ungemütlichen Koje lag und kaum reagierte, wenn man sie ansprach.

»Ich schnappte mir Nia. Und rannte mit ihr fort. Hierher.«

Langsam nickte er. »Und Shadow?«

Er musste einfach nochmal fragen. Weil er es nicht glauben konnte.

»Sie war verstummt«, erzählte Duncan mit gesenkter Stimme. »Der Pfeil steckte tief in ihrem Hals. Sie hatte die Augen geschlossen und ... Denkst du, sie hätte mich mit Nia weggeschickt, wenn sie noch gelebt hätte? Wenn sie geglaubt hätte, dass sie das überleben kann?«

»Sie hätte Nia niemals allein gelassen«, warf Luan mit kratziger Stimme entschieden ein.

Aiden hatte fast vergessen, dass er nicht mit Duncan allein war. Luan und sein Bruder Leif standen nur wenige Meter entfernt in dem schmalen Gang. Will direkt hinter ihnen. Stumme Tränen rollten über seine Wangen. Der Junge hatte sich von Anfang an gut mit der Pantherdame verstanden.

»Wahrscheinlich nicht«, stimmte Aiden zu. »Außer, um sie zu schützen.«

Er hatte gerade erst angefangen, die Beziehung von Nia und diesem Tier zu verstehen. Aber dessen war er sich sicher: Sie würden alles tun, um einander zu schützen. Alles.

»Du hättest dich vergewissern müssen«, schleuderte er Duncan entgegen. »Du hättest sie nicht einfach zurücklassen dürfen.«

Duncan blieb so gelassen, dass es in nur noch mehr aufbrachte. Dann verschränkte er die Arme und zog eine Augenbraue hoch.

»Und riskieren, dass Nia ebenfalls verletzt wird?«, fragte er ernst. »Oder sogar getötet? Wäre dir das lieber gewesen?«

Natürlich nicht. Aiden brauchte die Worte nicht aussprechen, Duncan kannte die Antwort. Stattdessen presste er nur die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.

In dieser Sekunde gab Leif ein leises Stöhnen von sich. Er war deutlich blass um die Nase geworden und verzog gequält das Gesicht.

»Ich glaube, ich brauche frische Luft«, murmelte er, bevor er sich abwandte und durch den Gang wankte.

»Schiffe sind nicht so sein Ding.« Luan sah seinem Bruder nach, wobei seine breiten Schultern gegen die hölzernen Wände stießen. Unter den Rebellen schien es keine Männer mit Luans Statur zu geben, sonst hätten sie andere Schiffe gebaut. »Ich geh‘ mal lieber mit.«

Will nickte Aiden bloß zu, bevor er sich ebenfalls umdrehte und den Brüdern folgte. Obwohl er kürzlich seine Stimme wiedergefunden hatte, sprach er nur selten. Vielleicht, weil er die stumme Art zu sehr gewohnt war. Vielleicht hielt er es aber auch einfach nicht für wichtig, jeden Gedanken laut auszusprechen.

»Wieso waren sie überhaupt allein im Wald?«, fragte Aiden und fuhr sich unruhig mit der Hand durchs Haar. »Was haben sie da getan? Wieso ist das niemandem von uns aufgefallen?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Duncan schlicht, woraufhin Aiden am liebsten aus der Haut gefahren wäre. »Wir waren alle erschöpft und ... ich weiß es nicht.«

»Weißt du überhaupt irgendwas?« Wütend stierte er Duncan an. Dieser reagierte natürlich mit kühler Ruhe. Er atmete sichtbar tief durch.

»Ich weiß, du bist aufgebracht. Ich weiß, was Nia dir bedeutet…«

»Das hat damit überhaupt nichts zu tun!«, erwiderte Aiden barsch.

Eine glatte Lüge. Es hatte nur damit zu tun. Mit dem Herzklopfen, das sie in ihm auslöste. Mit dem heftigen Bedürfnis, sie schützen zu müssen, das nichts mehr mit Pflichtgefühl zu tun hatte. Mit dem innigen Wunsch, er könnte ihr den Schmerz nehmen, den sie jetzt gerade fühlte.

»Aber all deine Fragen ändern nichts an einer Tatsache«, fuhr Duncan ungerührt fort. Er wartete, bis Aiden ihn ansah. Dieser hatte eine Hand am Schwert, als könnte er seine Sorge um Nia mit einer Klinge bekämpfen. Mit der Anderen nestelte er unruhig an einem Knopf seines halb geöffneten Hemdes herum.

»Shadow ist tot.« Duncan betonte jedes Wort einzeln. »Wenn sie es noch nicht war, als ich mit Nia geflohen bin, dann ist sie es jetzt. Wir haben sie verletzt im Wald zurückgelassen. Sie mag klug und magisch gewesen sein, aber sie konnte sich bestimmt nicht selbst heilen. Noch dazu waren da Adas Männer. Wenn Shadow nicht an der ersten Verletzung gestorben ist, haben sie sicher dafür gesorgt, dass es nicht die letzte war. Es tut mir leid, Aiden«, fügte er etwas sanfter hinzu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Aber all deine Fragen und deine Wut ändern nichts daran. Shadow ist tot. Nia trauert. Und irgendwie müssen wir das bewältigen.«

Aidens Kehle schnürte sich bei den letzten Worten zu. Voller Sorge blickte er hinter sich, auf die geschlossene Tür, hinter der Nia lag.

»Ich hab‘ sie noch nie so gesehen«, murmelte er leicht verzweifelt. »Shadow und sie, sie waren ...«, ihm fehlten die Worte, um die besondere Beziehung der beiden zu beschreiben. Schließlich seufzte er. »Was, wenn sie nicht darüber hinwegkommt?«

Er war mehr als erschrocken gewesen, als Duncan mit Nia auf am Schiff aufgetaucht war. Sie hatte geschrien und um sich geschlagen. Als er Duncan jetzt ansah, bemerkte er, wie sich dessen Wange bereits violett verfärbte, weil sie ihn dort mit ihrer Faust getroffen hatte. Duncan hatte sie dennoch die ganze Zeit fest umklammert gehalten, während sie das Beiboot zum Schiff lenkten und Aiden und die Anderen versuchten aus Nias Schluchzern, Schreien und Duncans Bericht schlau zu werden. Dann, mitten in Duncans Erzählung, während die Wellen ihr kleines Boot emporhoben, verstummte sie urplötzlich und sackte in sich zusammen. Seitdem hatte sie kein Wort mehr gesprochen. Sie war ihnen zu der Kajüte gefolgt, die Béla ihr mit wenigen Worten zugeteilt hatte - obwohl alle anderen in großen Schlafsälen schliefen - hatte sich in die Koje gelegt und sich seitdem nicht mehr bewegt. Seit Stunden starrte sie an die fleckige Holzwand. Zumindest tat sie das jedes Mal, wenn einer von ihnen die Tür öffnete.

»Gib ihr Zeit«, war alles, was Duncan ihm riet. »Es ist gerade erst geschehen. Sie verdient Zeit, es zu verarbeiten. Wie so vieles anderes. Überleg doch mal, was sie alles durchgemacht hat. Was sie erfahren und herausgefunden hat.«

Er zögerte, als wollte er etwas hinzufügen, dann drückte er aber nur erneut Aidens Schulter.

»Ruh dich aus.« Es klang beinah wie ein Befehl. »Das sollten wir alle tun. Bis unsere Reise auf diesem Schiff endet, können wir ohnehin nicht viel anderes machen.«

Er wartete Aidens knappes Nicken ab, bevor er sich abwandte und ging. Wahrscheinlich in Richtung des Schlafsaals, den sie sich mit einigen Rebellen teilten.

Aiden zog nicht eine Sekunde lang in Erwägung, ihm zu folgen. Stattdessen ließ er kurz seine Schultern kreisen, bevor er an der Wand hinabglitt und sich neben Nias Tür setzte.

Im Moment wollte sie vielleicht nicht sprechen. Sich nicht einmal bewegen. Sondern nur allein sein mit ihrer Trauer. Aber sollte sich das ändern, würde er für sie da sein. Egal, wann es so weit war.

Müde ließ er den Kopf in den Nacken sinken. Und wartete.

3.Graham

»Der Prinz wart im Schnee geboren.

Bestimmt dazu, im Frühling zu siegen

oder zu sterben.«

Aus Andorias verborgenen Chroniken

Auf nackten Füßen stahl er sich lautlos nach draußen. Dabei drückte er seine Kleider an seine verschwitzte Brust und wagte kaum zu atmen. Er konnte nicht riskieren, dass Darkin aufwachte. Darkin, der so viel Wärme ausstrahlte, dass er keine Decke benötigte, wenn sie ein Bett teilten. Eine Wärme, nach der er einst gesucht hatte, die ihn jetzt aber abschreckte, wie ein außer Kontrolle geratenes Feuer.

Er stieß den Atem aus, als er die Tür hinter sich schloss. Zum Glück war Darkin arrogant genug, um keine Wachen direkt vor seiner Tür positioniert zu haben. Sonst hätte Graham jetzt Schwierigkeiten und müsste erklären, warum er mitten in der Nacht und mit sichtbarer Erleichterung aus der Kajüte seines vermeintlichen Geliebten floh. Aber das konnte er nicht. Noch nicht. Darkin durfte nicht wissen, dass seine Berührungen, die er einst so genossen und die Nähe, die er einst gesucht hatte, ihn jetzt mit Ekel und Selbsthass erfüllten.

Graham stieg in seine Hose, wobei ein bekannter Schmerz durch sein rechtes Bein zuckte, und zog dann Tunika und Weste über. Ein kompliziertes schwarzes Ding, mit mehreren Laschen und Knöpfen, die er jetzt alle offen ließ. Er hatte seine Stiefel vergessen, aber das war egal. Er würde in Darkins Bett zurückkehren müssen, bevor dieser aufwachte.

Der Boden bewegte sich leicht unter seinen Füßen, aber er nahm es kaum noch wahr. Es war bereits die zehnte Nacht auf der Loelia. Das Auf und Ab der Wellen und die Art, wie sie das Schiff in die Luft hoben und kurz darauf in die Tiefe zu ziehen schienen, waren ihm mittlerweile so vertraut, wie die Bewegungen beim Ritt auf einem Pferd.

Er trat an Deck, hinaus in eine Nacht, die nach Eis und Salz roch. Das Holz unter seinen Füßen war von Frost überzogen. Ein kalter Wind wehte ihm vereinzelte Schneeflocken ins Gesicht und noch bevor er an die Reling trat, waren seine Zehen taub.

Der Winter kam schnell und hart. In anderen Jahren hatte er um diese Zeit noch in der Sonne gelegen. War nachts im nächsten See baden gegangen. Hatte den Geschmack der Pflaumen von Darkins Lippen geküsst.

Davor.

Jetzt sah er den plötzlichen Wintereinbruch als ein weiteres Zeichen dafür, dass sich alles geändert hatte. Möglicherweise würde ganz Andoria sich noch einmal verändern, bevor der Winter vorbei war.

Frierend umfasste er die Reling und starrte in das Schwarz vor sich. Die Nacht auf offener See, mit nichts als dem Himmel über und dem endlosen Wasser unter sich, war mit nichts zu vergleichen. So dunkel, so tief, so endlos schwarz, als würde es nie wieder hell werden. Er fühlte sich blind, und er genoss es. Für einen Moment nichts sehen. Vielleicht konnte er dann vergessen.

Nur, dass er nicht wusste, was er vergessen wollte. Das, woran er sich erst seit kurzem wieder erinnerte? Oder die Dinge, die er getan hatte, während diese Erinnerungen begraben gewesen waren?

Mit tiefen Atemzügen sog er die eisige Luft ein, bis sie in seiner Kehle brannte. Bald schon zitterte er, doch er ließ seine gefütterte Weste weiter geöffnet und klammerte sich an diese Kälte, bis er nichts anderes mehr spürte.

Wir werden unsterblich sein.

Die Stimme geisterte durch seine Gedanken. Er hörte sein jüngeres Ich lachen. Dann fragte er sich, wie er diesen Moment hatte vergessen können. Damals hatte er sich amüsiert zu Torin umgedreht, ihm das blonde Haar aus der Stirn gestrichen und gefragt: »Wer strebt schon nach Unsterblichkeit?«

Torins Augen hatten begeistert gefunkelt, bevor er ein Wort gewispert hatte: »Legenden.«

Es war eine traurige Ironie, dass sich niemand an ihn erinnerte, dass er nicht durch die immer wiederholende Erzählung der Blutnacht unsterblich geworden war, während Graham, der sich diese Art der Unsterblichkeit nie gewünscht hatte, als tot geglaubte Legende auf diesem Schiff stand. Noch dazu an der Seite des einen Mannes, der in der Lage gewesen wäre, Torin echte, wenn auch grausame, Unsterblichkeit zu schenken.

Er schluckte gegen die Wucht der Erinnerung an, gegen all die Gefühle, die so heftig waren, als wären sie nie verloren gewesen und schloss für einen Moment die Augen. Nur noch wenige Minuten, dann würde er zu Darkin zurückkehren müssen. Nach all den Monaten, die sie gemeinsam verbracht hatten, wusste er, dass der dunkle Prinz noch vor der Dämmerung aufwachte.

Plötzlich hörte er Schritte. Leise schleifend, fast untergehend im Rauschen der Wellen. Als versuchte sich jemand anzuschleichen. Seine Muskeln spannten sich an. Langsam und dabei wachsam lauschend nahm er die Hände von der Reling. Eine Hand schob er vorsichtig in die Innenseite seiner Weste, jetzt mehr als dankbar, dass er sie nicht geschlossen hatte. Sonst hätte er das verborgene Messer nicht so leicht erreichen können.

»Ihr braucht mich nicht zu fürchten, mein Prinz.«

Überrascht verharrte er mitten in der Bewegung. Er kannte diese Stimme. Er hatte sie lange nicht gehört und noch länger vergessen. Aber jetzt trat sie eine Kaskade an Erinnerungen in ihm los. Sein Herz raste. Das war unmöglich. Langsam ließ er die Hand sinken und drehte sich um.

Sie hielt eine Kerze in der Hand, die ihr Gesicht erleuchtete. Und während er älter, ja erwachsen geworden war und seine Züge von Narben gewandelt, hatte sie sich kaum verändert. Sie sah aus wie immer. Wie in all den Jahren, in denen sie ihn unterrichtet hatte. Wie ein Trugbild, ein Geist, der in der Dunkelheit auf ihn zukam. Er blinzelte ein paar Mal, doch sie verschwand nicht. Sie war immer noch da. Immer noch echt. Er schluckte und rang danach, seine Stimme wiederzufinden.

»Lady Libra. Was tut Ihr hier?«

4. Gideon

»Siehst du Nia?

Ich hab‘ doch sieben Leben.«

Aus Shadows Gedanken

Er hatte alles erwartet. Alles. Tote Soldaten. Hingerichtete Rebellen. Eine abgeschlachtete Armee. Sogar Überreste gejagter Tiere.

Alles.

Außer das.

»Ist das ein Panther?«

Noch bevor Rick die Worte ausgesprochen hatte, war ihm der schwarze, von Fell bedeckte Körper aufgefallen, der reglos im nassen Laub lag. Sein Herz blieb stehen. Esmera stieß einen schockierten Laut aus.

»Shadow!«

Zeitgleich mit Gideon rannte sie los. Er fiel förmlich auf die Knie, ignorierte die Zweige, die sich durch seine Hose und schmerzhaft in seine Haut bohrten.

Shadow rührte sich nicht. Von ihrem Hals aus ragte der Schaft eines Pfeils in die Luft. Unter ihrem Kopf hatte sich eine Blutlache gebildet, deren Geruch der Wind zu ihnen getragen hatte.

»Verdammt, Shadow« entfuhr es ihm gequält.

Das konnte einfach nicht sein. Nicht Shadow. Sie war immer da gewesen. Immer an Nias Seite. Auf gewisse Weise war die Pantherdame so sehr Teil seines Lebens gewesen wie ein Teil von Nia.

Langsam legte er eine Hand auf ihren bewegungslosen Körper. Seine Finger durchkämmten behutsam das mit Regentropfen bestickte Fell, während in ihm eine neue Frage erwachte und Angst mit sich trug. Wenn Shadow hier war - tot war - wo war dann Nia?

»Das ergibt keinen Sinn«, murmelte Esmera mit erstickter Stimme. Sie hatte ihre eigene Hand auf Shadows Stirn abgelegt.

»Ich weiß.« Er atmete tief durch und schluckte dann schwer. »Das dürfte nicht sein.«

Esmera runzelte die Stirn und setzte zu einer Erwiderung an. »Erklärt ihr mir, was hier los ist?«, fragte Rick hinter ihnen leicht verwirrt.

Natürlich. Er kannte Shadow nicht. Hatte vielleicht von ihr gehört. Vielleicht gesehen, wie sie in der Seelennacht aufgetaucht und von Nia beschützt worden war. Aber das reichte nicht, um die Verbindung zu dem Tier zu ziehen, das in diesem Moment getötet vor ihnen lag.

Gideon streichelte weiter durch Shadows Fell.

»Das ist…« Er keuchte auf.

Seine Finger gruben sich tiefer. Verharrten an Shadows Oberkörper, während er sich aufgeregt vorbeugte.

»Gideon?« Esmera lehnte sich vor, aber Gideon hob eine Hand und brachte sie zum Schweigen.

Da war etwas gewesen. Ganz sicher. Es war - da!

Er lachte auf. Erleichtert, schrill, hysterisch. Er lachte, und gleichzeitig liefen ihm Tränen über die Wangen, als er sich vorbeugte und sein Ohr auf die Stelle legte, an der er eben das zaghafte Klopfen gespürt hatte. Er lauschte und es kam ihm vor wie eine Ewigkeit. Dann hörte er es.

Poch.

Poch, Poch.

Unregelmäßig. Leiser, als dieser Laut sein sollte. Aber er war da.

»Ihr Herz schlägt!«, rief er aus. »Sie lebt noch!«

Rick trat neugierig näher, während Esmera ihre Hände auf die Stelle legte an die Gideon zuvor sein Ohr gepresst hatte. Ihre Augen weiteten sich.

»Ich hab‘ es doch gewusst!«

Er warf ihr einen Blick zu, der irgendwo zwischen Unglaube und Erleichterung lag.

»Das Blut«, erklärte sie aufgeregt, während sie vorsichtig Shadows Körper abtastete. »Es ist zu wenig Blut. Der Pfeil hat keine wichtige Ader getroffen. Und sie hat keine anderen Verletzungen.«

Sie hatte Recht. Die Blutlache wirkte im ersten Moment beeindruckend, aber nicht genug für den Tod. Nur was war dann mit ihr? Wieso war sie nicht bei Bewusstsein? Wieso schlug ihr Herz nur kraftlos in einem unregelmäßigen Takt?

»Erklärt mir mal jemand, was hier los ist?«, mischte Rick sich ein und trat auf die andere Seite des Panthers, um sie anzusehen. »Weshalb diese Aufregung wegen eines toten Tiers?«

»Sie ist nicht tot!«, zischte Esmera, und ihre Augen blitzten gefährlich. »Und sie gehört zu Nia!«

Gideon sah an Ricks Stirnrunzeln, dass ihm diese Erklärung nicht ausreichte, doch im Moment musste sie genügen.

»Was machen wir mit ihr?« Ratlos betrachtete er Shadows geschlossene Augen. Sie konnten sie nicht hierlassen. Aber sie konnten sie auch nicht tragen. Vielleicht konnten sie irgendetwas bauen, womit - irritiert sah er zu, wie Esmera eine Hand um den Pfeil schloss. Bevor Gideon sie davon abhalten konnte, zog sie ihn mit einem Ruck heraus.

»Verdammt!« Gideon presste eilig die Hände auf die Wunde, aus der frisches Blut quoll. »Bist du verrückt?«

»Das hört gleich auf«, erwiderte Esmera unbesorgt und besah sich den Pfeil genauer. Dann holte sie scharf Luft.

»So ein Mist.«

»Was?« Er verstärkte den Druck auf die Wunde, aber zu seiner Erleichterung ließ die Blutung bereits nach. Scheinbar hatte Esmera recht. Der Pfeil hatte die großen Adern verfehlt. Doch ihr ernster Gesichtsausdruck ließ nicht zu, dass sich Hoffnung in ihm ausbreitete.

»Deshalb ist sie bewusstlos.« Esmera sah ihn an. »Da war Gift an dem Pfeil.«

»Gift? Wie an dem Anderen, den wir gefunden haben?« Rick lehnte sich über Shadows Körper hinweg und streckte neugierig die Hand nach dem Pfeil aus. Esmera schlug ihm so fest auf die Finger, dass das Geräusch des Schlags durch den Wald hallte.

»Autsch, was soll denn das?« Beleidigt drückte er die Hand an sich.

»Was für Gift?«, fragte Gideon besorgt. »Woher weißt du das?«

»Seht euch das Blut mal genauer an.« Esmera hielt den Pfeil so, dass sie sich beide die Spitze ansehen konnten. Gideon runzelte die Stirn. Das Blut an der Pfeilspitze, Shadows Blut, war wie erwartet rot. Doch von grünen Schlieren durchzogen.

Rick stieß einen langgezogenen Pfiff aus.

»Sowas hab‘ ich schon mal gesehen. Dunkelkraut?«

Esmera nickte bloß.

»Was ist Dunkelkraut?« Gideon kam sich ziemlich dumm vor. Hätte er Bram oder Liz auch nur einmal richtig zugehört, wenn sie ihm mehr über den Wald und seine Pflanzen und Kräuter beizubringen versucht hatten, hätte er vielleicht gleich erkannt, dass Shadow vergiftet worden war. Dann würden sie jetzt nicht unnötig Zeit verlieren.

»Es zieht dich in die Dunkelheit«, erwiderte Esmera, als würde das alles erklären. Auf Gideons ratlosen Blick hin erklärte sie: »Du bist da, du bist wach, aber du kannst dich nicht rühren. Du siehst und hörst nichts. Kannst dich nicht bewegen. Als hätte man dich in deinem Körper eingeschlossen und dir all deine Sinne geraubt.«

Ein kalter Schauer durchlief seinen Körper bei dieser Vorstellung. Er schluckte und schaute auf Shadow hinab. »Dann ist es nicht tödlich?«

»Nun, das kommt drauf an.« Diesmal war es Rick, der antwortete. Er rieb sich über die hellen Wangen, auf denen die Bartstoppeln in den letzten Tagen immer länger geworden waren. »Das Gift selbst tötet dich nicht, aber es wirkt mehrere Tage. In dieser Zeit kannst du nichts tun. Nicht essen, nicht trinken, dich nicht schützen. Wenn du Glück hast, überlebst du das. Aber die meisten sterben. Verdursten, verhungern, werden von Tieren angegriffen. Und das Schlimmste daran: Du spürst es. Du spürst jede Sekunde, die du dem Tod näherkommst und…«

»Ist gut, hab‘ es verstanden«, schnitt Gideon ihm das Wort ab. Bei der Vorstellung, dass Shadow dies gerade durchmachte, wurde ihm ganz anders. Den Gedanken, dass Nia vielleicht ebenfalls von dem Gift getroffen worden war, ließ er gar nicht erst zu.

»Sie wird nicht sterben«, sagte er entschieden. »Wir sind hier, wir können uns um sie kümmern, sie wird nicht sterben.«

Eine schmale Hand legte sich auf seine, die noch in Shadows Fell ruhte. Er schluckte und sah auf. »Sie wird nicht sterben«, wiederholte Esmera und nickte bekräftigend. »Ich glaube nicht, dass sie - wer auch immer sie waren - diesen Pfeil für Shadow präpariert hatten. Wahrscheinlich ist die Dosis zu niedrig und die Wirkung hält nicht so lange an, wie gedacht. Außerdem«, ein zuversichtliches Lächeln schlich über ihre Lippen, »kenne ich das Gegengift.«

5. Malenia

»Eines Tages werden wir

auf unsere Geschichte zurückblicken

und uns fragen, wie wir so viele Fehler begehen konnten.

Dann werden wir verstehen,

dass all diese Fehler notwendig waren.«

Aus Andorias verborgenen Chroniken

Der Schmerz wollte kein Ende nehmen. Wie ein kalter, dunkler Ozean versuchte er, sie zu ertränken. Er war nicht langsam herangeflossen, sondern hatte sie hinterrücks überwältigt und unter sich begraben wie eine tosende Welle. Egal wie sehr sie es versuchte, sie schaffte es nicht an die Oberfläche, um Luft zu holen. Nia kämpfte, versuchte verzweifelt zu atmen. Dann gab sie auf. Und der Schmerz nahm ihr alles.

Sie wusste nicht, wie lange sie schon so dalag. In der Koje, die gerade so lang genug war, dass sie ihre Beine ausstrecken konnte. Auf einem Kissen, das nach Salz und Seetang roch, als hätte man es schon häufiger über Board geworfen und unter einer Decke, die kratzig war wie ein Kartoffelsack.

»Panthermädchen.«

Das Wort durchdrang die dumpfe Stille, in die sie sich eingehüllt hatte.

Sie schluckte. Ihre Kehle brannte. Hatte sie geschrien? Kam es vom Weinen? Als sie ihre Augen öffnete, bemerkte sie die leicht bläuliche Verfärbung ihrer Fingerknöchel.

»Panther…«

»Nicht!« Ihre Stimme klang heiser und sie spürte, wie trocken ihr Mund war. Aber das war egal. Alles war egal.

Nur das nicht. Dieses eine Wort. Sie ertrug es nicht mehr. Dieses Wort, anfangs spöttisch und dann freundlich, ja vielleicht sogar zärtlich aus seinem Mund. Sie hatte sich daran gewöhnt, es lieb gewonnen, und jetzt war ihr, als würde jede Silbe weitere Splitter aus ihrem Inneren brechen.

»Es tut mir leid.«

Holz knarzte unter Aidens Schritten, als er näherkam. Jede Bewegung von ihm wirkte unnatürlich laut. Nia sehnte sich nach der Stille zurück und schloss die Augen. Sie nahm wahr, wie Aiden neben der Koje stehen blieb. Sein Blick war wie eine Berührung, die sie am ganzen Körper spürte.

»Nia.«

Seine Stimme war ungewohnt leise. Zögernd. Als wüsste er nicht, was er tun sollte.

Das weiß ich auch nicht, dachte sie erschöpft. Ich weiß gar nichts mehr.

Ein leises Scharren verriet ihr, dass er noch einen Schritt näherkam.

»Bitte, rede mit mir.«

Worüber sollte sie reden? Über Shadow? Das konnte sie nicht. Sie konnte es nicht aussprechen, weil es dann real werden würde. Sie konnte Aiden nicht erzählen, wie sie sich zuvor gestritten hatten. Wie bitter der Selbsthass auf ihrer Zunge lag, weil dieser Streit das Letzte war, was Shadow und sie gemeinsam erlebt hatten.

Genauso wenig, wie sie ihm beschreiben konnte, wie es sich anfühlte, dass alles woran sie geglaubt und worauf sie vertraut hatte, eine Lüge gewesen war.

Liz. Robert. Bram. Sogar Shadow. Sie alle hatten sie angelogen.

Selbst ihre eigene Mutter hatte ihr, in dem einzigen Brief, den sie Nia je geschrieben hatte, nicht die ganze Wahrheit erzählt.

»Nia?«

Sie presste die Lider fester zusammen, schlang die Decke noch enger um sich und drehte Aiden den Rücken zu.

Bitte geh.

Er atmete scharf ein. Es wurde still. So still, dass sie schon dachte, er wäre gegangen, ohne dass sie es bemerkt hatte.

Dann jedoch hörte sie ihn tief Luft holen.

»Ich bin draußen. Vor der Tür«, sagte er leise. »Die ganze Zeit. Egal, wie lange es dauert.«

Dann ging er endlich. Und die Welle zerrte Nia wieder fort.

Es war dunkel, als sie aufwachte ohne eine Erinnerung daran, eingeschlafen zu sein. Ihre Muskeln fühlten sich schwer und kraftlos an, als wäre sie tagelang ohne Pause durch den Wald gestreift. In ihrem Kopf pochte es unangenehm und für einen Moment konzentrierte sie sich nur darauf. Vielleicht half ihr das ja, das Stechen in ihrem Herzen zu ignorieren, das jeden Atemzug begleitete.

Es dauerte einen Moment, bis sie erkannte, was sie aufgeweckt hatte. Das Geräusch eines abgehackten Atems.

Langsam drehte sie sich um und erblickte einen schmalen Schatten, der sich verschwommen von der grauen Nacht abhob.

Sie erinnerte sich gut daran, wie er das letzte Mal so plötzlich vor ihr gestanden hatte. Aber sie hatte keine Angst. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt noch Angst empfinden konnte.

»Will«, krächzte sie. »Was tust du hier?«

Er antwortete nicht. Natürlich nicht. Aber er trat näher und legte seine Hand auf ihre, die sich an der Decke festhielt. Sie hörte, wie zittrig sein Atem war und dann tropfte etwas auf ihren Handrücken. Da begriff sie, dass er weinte.

Der kleine, starke Will, der schon unbeschreibliches Leid in seinem Leben ertragen und allem getrotzt hatte, weinte um Shadow. Es schnürte ihr die Luft ab. Sein stummes Schluchzen war fast schwerer zu ertragen als ihr eigenes Leid. Dennoch schlang sie ihre Finger um seine und drückte sie ganz fest.

»Wie geht es deiner Hand?«

Das gleichmäßige Rauschen der Wellen hatte sie eingelullt und erneut in den Schlaf geschickt. Als sie diesmal aufwachte, wusste sie gleich, dass Will verschwunden war. Ihre Hand lag auf der Decke und fühlte sich kalt an, außerdem klang die Stimme viel zu tief für ihn.

Sie horchte in sich hinein, ob sie Wut unter all der Trauer empfand. Aber da war nichts.

»Ich hab‘ hier eine Salbe, die gegen den Bluterguss hilft.«

Ein leises Klappern erklang, als er etwas auf den kleinen Tisch neben dem Bett stellte. Das Geräusch schwerer Schritte.

»Duncan.«

Sie öffnete die Augen und erblickte den Gestaltwandler in das warme Licht der Öllampe gehüllt, die er neben einer kleinen Schüssel auf dem Tisch zurückgelassen hatte. Das Licht stach ihr in den Augen. Sie wünschte, es würde erlöschen. Sie wünschte, es würde sie verbrennen und alles mit sich nehmen. Für ein paar Atemzüge sahen sie einander nur an. Duncans Gesichtsausdruck war verschlossen, seine Stirn nur leicht gerunzelt. Nia wusste nicht, warum sie ihn aufgehalten hatte. Was sollte sie sagen? Sie wollte ihn erneut anschreien, sie wollte ihm danken, sie wollte ihm die Last der Schuldgefühle nehmen, die sie in seinen Augen zu erkennen glaubte.

Shadow hatte ihn gebeten, Nia fortzubringen. Sie hatte ihn gebeten, Nia zu retten und sie selbst zurückzulassen.

Es gab nichts, was Nia dazu sagen konnte. Nicht, nachdem Shadow für sie gestorben war.

»Ruh dich aus«, durchbrach Duncans tiefe Stimme das monotone Wasserplätschern. »Wir sind alle da, wenn du uns brauchst.«

Nachdem Duncan gegangen war, konnte sie nicht mehr einschlafen. Irgendwann zog sich die dumpfe Kälte in ihrem Innern zurück und sie wusste, dass sie etwas tun musste, um sich abzulenken. Sonst würden die dunklen Gedanken kommen. Nia wusste, dass sie unter der Oberfläche lauerten und sie hatte keine Ahnung, ob sie diese wieder zurückdrängen konnte, sobald sie sie einmal zuließ.

Deshalb setzte sie sich auf und stöhnte leise, als das Pochen hinter ihrer Stirn sich verschlimmerte und der kleine Raum um sie herum sich zu drehen begann. Nachdem der Schwindel sich gelegt hatte, griff sie nach dem kleinen Holzschälchen, das Duncan auf dem Tisch abgestellt hatte. Ihre Hand fühlte sich wund und empfindlich an. Die Hand, mit dem sie auf ihn eingeschlagen hatte, immer wieder. Er war nicht mal zusammengezuckt. Hatte jeden Schlag, jeden Stoß, jedes Kratzen ihrer Fingernägel klaglos eingesteckt. Zwischendurch murmelte er etwas und erst jetzt, Stunden - oder waren es Tage - später, verstand sie, welche Worte er gesagt hatte.

»Nicht noch einmal.«

Sie hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber die Erinnerung ließ ihre Kehle eng werden. Tränen brannten in ihren müden Augen.

Entschieden schüttelte sie den Kopf und tunkte einen Finger in die giftgrüne Salbe. Unter ihrer Haut kribbelte eine Spur der Magie. Sie hatte sie lange nicht mehr so wahrgenommen. Tosend, aufgewühlt durch ihre wirbelnden Emotionen. Genährt von ihrem Schmerz und angestachelt von der Wut, die darunter lag. Während sie die Salbe auf ihren schmerzenden Fingerknöcheln verrieb, schaute sie sich zum ersten Mal in der Kajüte um. Es war ein nahezu winziger Raum. Die Koje nahm eine komplette Wand ein. Ihr gegenüber standen eine Truhe, dazwischen der Tisch und ein leicht schiefer Schemel. Die Salbe linderte tatsächlich das unangenehme Ziehen und Pulsieren in ihrer Hand. Sie stellte die Schüssel zurück auf den Tisch und entdeckte dabei den Leinensack, der darunter lag und ihr vage bekannt vorkam.

Langsam, mit vom langen Liegen steifen Muskeln, ging sie in die Knie und zog ihn darunter hervor. Ohne großes Interesse, nur um ihre Gedanken abzulenken, öffnete sie ihn. Sie kannte jeden einzelnen Gegenstand darin. Die meisten davon hatten keine Bedeutung für sie. Kleidung, die einst jemand anderem aus dem Rebellenclan gehört hatte. Ein Wasserschlauch. Ein Stück nach Minze duftender Seife. Sie runzelte die Stirn, als ihr etwas Schmutzig-Gelbes ins Auge sprang, das dort nicht hingehörte. Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle, während ihre Finger sich um den Stoff schlossen. Ebenso verwirrt wie gerührt zog sie Leifs Halstuch heraus. Das gelbe, zerschlissene Tuch, von dem er behauptete, dass es ihm Glück brachte. Ihm sogar das Leben rettete. Er war wie besessen davon. Er trennte sich eigentlich nie davon - es sei denn er verlor es wieder einmal. Aber jeder der Adler wusste, wem dieses Halstuch gehörte. Niemand hätte es einfach zu Nias Sachen getan.

Sie schluckte gegen das Brennen in ihren Augen an und wickelte sich das Tuch um ihr Handgelenk. Mit einem kleinen Knoten fixierte sie es dort. Leif musste es ihr gebracht haben, während sie geschlafen hatte. Sie wusste nicht ganz, was sie davon halten sollte. Es war noch gar nicht so lange her, da waren sie und die Adler sich mit Misstrauen begegnet. Andererseits, dachte sie, hatte sie Leif vielleicht schon mal das Leben gerettet, als sie ihn davon abgehalten hatte, die Pflaume von einem mit Schlürfern befallenen Baum zu essen. Und Aiden hatte sie selbst gerettet, während die Irrlichter ihr die Sinne vernebelten. Weil Shadow ihm in diesem Moment vertraut hatte. Weil sie Aiden geweckt hatte. Weil sie ...

Nia presste sich eine Hand auf den Mund und drängte die Tränen zurück, die kommen wollten. Sie wollte nicht weinen. Sie wusste nicht, ob sie dann je wieder würde aufhören können. Ihr war, als würde ihre Seele in tausend Splitter zerschlagen in einem eisernen Rahmen festhängen. Bei dem kleinsten Rütteln an diesem Rahmen, würde alles zerfallen.

Die Splitter zitterten und klirrten bedrohlich, als der nächste Gegenstand in dem Leinensack ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.

Der Gegenstand, der ihr vertrauter war als alles Andere. Dessen Geruch, dessen kleinste Unebenheit und dessen Worte sich in ihr Gedächtnis gebrannt hatten. Das Buch, das so lange ihre zweite Heimat, ihr Trost und ihre wertvollste Erinnerung gewesen war.

Die Geschichten, deren Ursprung vielleicht nur Lügen waren.

Denn ihr Erzähler war ein talentierter Lügner gewesen.

Ein Verräter sogar.

Mit zitternden Fingern zog Nia das dicke Buch mit Brams vergessenen und verbotenen Geschichten hervor. Der abgenutzte Einband verrutschte dabei, denn er lag nur noch lose um die zusammengebundenen Seiten herum. Seit Nia die Karte gefunden hatte. Die Karte, die sie zwischen den Seiten fand und die so viele Zweifel in ihr angestoßen hatte. Langsam faltete sie das Papier auseinander, das kaum dicker war als ein Spinnenfaden. Empfindlich wie das durchscheinende Gerippe eines Blattes.

Die Magie bäumte sich in ihr auf, als sie die gezeichneten Länder, Gewässer und vor allem die Symbole ansah. Die Karte lag ausgebreitet auf dem kleinen Tisch, die Ecken hingen an den Seiten herab. Nias Herzschlag beschleunigte sich, je länger sie die Karte ansah. Als sie sie gefunden hatte, waren Verwirrung und Enttäuschung die vorherrschenden Gefühle gewesen.

Jetzt brodelte ihr Blut vor Wut.

Wie hatte Bram das tun können? Wie hatte er sie so belügen können? Sie für seine Pläne benutzen können? Warum hatte er ihr nicht genug vertraut, um sie in alles einzuweihen? Warum hatte er sie nicht gefragt?

Die Magie in ihr bäumte sich auf, und sie hielt sie nur mühsam zurück. Ihre Haut schien zu brennen vor Wut. Sie nahm das Buch zur Hand und blätterte blind durch die Seiten. Seiten voller Geschichten über Magie und Mut. Schicksal und Heldentum. Wahrheit und Lüge.

Bei der Zeichnung eines Drachen, wunderschön und eindrucksvoll, blieb sie hängen. Er spie Feuer und schien die Seiten in Brand zu setzen, so lebendig sah er aus. Feuer wie das, in dem Bram verbrannt war. Obwohl er es doch eigentlich beherrschte.

»Es ist alles deine Schuld«, murmelte sie kraftlos.

Sie runzelte die Stirn, über ihre eigenen Worte, die ihr nur rausgerutscht waren. Aber stimmten sie nicht?

Wenn Bram ihr nicht so viel verheimlicht hätte, wenn er sie nicht für seine Pläne missbraucht oder sie zumindest eingeweiht hätte, wäre nichts von dem, was in den letzten Wochen geschehen ist, je passiert. Sie wäre in Sicherheit und nicht in einen Krieg verstrickt, den sie unmöglich gewinnen konnten. Sie hätte gewusst, dass er nicht nur jemand war, der sie als Baby aufgenommen und den sie geliebt hatte. Nein. Sie hätte gewusst, dass er ihr Onkel gewesen war. Dass er der Bruder ihrer Mutter gewesen war. Dass sie eine Familie, eine richtige Familie hatte und nicht nur das aus Güte aufgenommene Kind einer Anderen gewesen war. Er hatte ihre Mutter gekannt, vielleicht besser als irgendwer anders, und er hatte ihr nie etwas von ihr erzählt.

Der Rahmen geriet ins Schwanken, und die Splitter lösten sich heraus, um auf dem dunklen Grund ihres Herzens zu scharfkantigen Staubkörnern zu zerbröseln. Doch entgegen ihren Erwartungen fand sie dort keine Trauer. Keinen Schmerz. Nur alles verzehrende Wut.

»Du Lügner!«

Sie schleuderte das Buch von sich, holte mit den Händen aus und zerschmetterte gleichzeitig die Barriere, die ihre Magie zurückhielt. Sie strömte heraus und sorgte dafür, dass das Buch lautstark gegen die nächste Wand klatschte. Noch während es daran herunterrutschte, stoppte ihre Magie es wie eine unsichtbare Hand.

»Es war alles gelogen!«

Das Buch flog gegen die nächste Wand, Seiten fielen im Flug heraus und segelten zu Boden.

»Es ist deine Schuld!« Heiße Tränen rannen über ihre Wangen, während das Buch von der niedrigen Decke abprallte, das Holz ächzte und Papier herabsegelte.

Weinend fiel sie auf die Knie. Ihre Kehle, ihre Brust, ihr Herz - alles stach und brannte. Ihr Atem war nur ein abgehacktes Keuchen.

Mit einem heiseren Aufschrei riss sie die Karte in die Höhe, zerknüllte sie in ihren Händen und ignorierte dabei die Trauer, die sich in ihr regte.

Die Magie wütete durch das Zimmer, der Stuhl kippte um, der Tisch drängte sich ächzend an die Wand. Die Tür flog auf.

»Nia!«

Hände griffen nach ihr. Sie schüttelte sie ab. Ein Fluch ertönte, als sie ihre Magie zur Hilfe nahm und die Gestalt hinter sich damit zurück zur Tür drängte.

»Nia, bitte hör auf!«

Das Flehen ließ sie aufschluchzen. Sie vergrub das Gesicht in den Händen. Sanfte Finger fassten sie behutsam an den Schultern. Mit einem Mal fehlte ihr die Kraft. Die Kraft sich zu wehren, die Kraft für noch mehr Magie, die Kraft auch nur aufzusehen.

Vage nahm sie den erdigen Geruch wahr, der ihr so vertraut geworden war. Die starken Arme, die sie von hinten in eine Umarmung zogen. Die Stimme, die an ihrem Ohr flüsterte: »Bitte, hör auf.«

Ihr Körper bebte unter den Tränen, die sich nicht mehr bändigen ließen. Sie hatte es doch gewusst.

»Es war alles gelogen«, wimmerte sie und ließ sich in die Umarmung sinken. Ihr fehlte die Energie, ihr etwas entgegenzusetzen. »Es war alles eine Lüge. Und Shadow ... Shadow ...«

Sie konnte es nicht aussprechen. Die Worte schnürten ihr die Luft ab, bis sie einen gepeinigten Laut ausstieß, der kaum noch menschlich klang. Sie sackte in sich zusammen, aber Aiden drückte sie an sich.

»Es tut mir leid«, wisperte er, und es klang beinahe gequält. »Es tut mir so leid, mein Herz.«

Die Worte brachten noch mehr Schmerz. Weil er ihr einen neuen Namen gab. Weil sie nicht mehr das Panthermädchen sein konnte. Und seine Worte so sanft waren, das Mitgefühl in seiner Stimme so echt, dass sie auch ihren letzten Widerstand brachen.

Weinend sank sie gegen ihn, vergrub das Gesicht an seiner Schulter. Aiden murmelte leise vor sich hin, aber die Worte drangen nicht zu ihr durch. Sie nahm kaum wahr, wie sie zusammen zu Boden gingen. Wie er sie auf seinen Schoß zog. Wie seine Lippen flüchtig ihre Stirn berührten und seine Hand über ihr Haar strich. Er wiegte sie leicht hin und her. Hüllte sie in Wärme. Hielt sie einfach fest. Immer wieder sprach er mit ihr, obwohl sie nicht antwortete. Kaum zuhörte. Nur wenige seiner Worte drangen zu ihr durch.

»Ich bin bei dir. Du musst das nicht allein ertragen.« Er drückte ihr einen sanften Kuss auf den Scheitel und schlang die Arme noch fester um sie.

»Ich lasse dich nie wieder allein.«

Nia weinte und zerbrach. Zerbrach unter der Trauer, der Verzweiflung und der bitteren Last von Lügen und Geheimnissen.

Sie ließ es zu und wollte zerbrechen, bis nichts mehr von ihr übrig blieb. Sie verstand nicht, warum Aiden noch da war. Warum er bei ihr war und alles tat, um sie zusammenzuhalten.

6. Graham

»Jede Erzählung hat mehrere Seiten.

Aber bedeutet das, dass die Wahrheit des einen

die Lüge des Anderen ist?

Oder können sie nur gemeinsam eine Wahrheit bilden?

Aus Andorias verborgenen Chroniken

Die Geschichte der Blutnacht war eine Lüge. Zumindest der bedeutendste Teil: Das Ende des Kriegs. Für Graham viel bedeutsamer war jedoch, dass auch sein Ende, sein angeblicher Tod, nur eine Lüge war. Eine Lüge, an die er sich selbst erst seit einigen Wochen erinnerte. Davor ... davor hatte er darüber gelacht. Über das armselige Ende des Prinzen von Andoria. Weil Darkin gelacht hatte. Weil niemand ihm erklärte, dass man nicht über den Tod eines Anderen lachte. Weil Darkin aus einem Land kam, in dem den Tod zu besiegen das größte Streben und Kämpfe, an deren Ende eine Leiche zurückblieb, gleichzeitig ein beliebtes Vergnügen waren.

Vielleicht hätte Graham nie herausgefunden, wer er wirklich war, wenn er nicht bei Thekandias Gladiatoren gelandet wäre.

»Gladiatoren«, echote Lady Libra ungläubig, als er diesen Teil seiner Geschichte erreichte. Der Geschichte, deren Beginn er vergessen, die er aber aller Widrigkeiten weitergeschrieben hatte.

»Nicht ganz freiwillig«, fügte Graham hinzu. »Sie fanden mich, als ich mich von dem Schiff stahl. Ein Schiffsjunge erwischte mich, griff mich an und ich hab mich verteidigt. Ich konnte mich zwar nicht daran erinnern, je Kampftechniken gelernt zu haben, aber meine Muskeln konnten es. Und das reichte, um die Gladiatoren zu beeindrucken.

»Und sie nannten sich die…«

»Silbernen Knochen.«

Lady Libra schürzte die Lippen.

»Seltsamer Name.«

Sie wurden leicht zur Seite geworfen und Graham spürte, wie sich das feuchte Holz der Schiffswand an seine Schulter drückte.

Nachdem er den Schock über das Auftauchen seiner alten Lehrerin verdaut hatte, hatten sie sich in eine kleine Kammer im Schiffsbauch zurückgezogen, um ungestört - aber vor allem ungehört - reden zu können. Sie hockten zwischen leeren Weinfässern, zerbrochenen Öllampen und fleckigem Pergament. Letztendlich wurde in dem winzigen Raum alles aufbewahrt, was der Crew nichts mehr nützte und am kommenden Hafen an den nächstbesten Mann verkauft. Graham hatte sie im Stillen immer bewundert. Diese Menschen, die aus kaputten, zerbrochenen Dingen etwas Neues und Wunderschönes herstellten. Darkin hingegen verspottete sie stets.

»Sieh sie dir an«, höhnte er immerzu. »Wie die Geier kreisen sie um den Müll.«

Er hatte sie ausgelacht, während Graham sich leise fragte, was sie wohl erschaffen würden.

»Wieso seid Ihr hier?«, fragte er und schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich hätte gedacht, Ihr seid tot.«

Sie legte den Kopf schief und lächelte leicht. Es war ungewohnt, sie so zu sehen. In einer weiten Tunika und rauen Stoffhose, ohne ihre übliche Vielzahl an bunten Tüchern und klimperndem Schmuck. Aus der unbesorgten Frau, die ihm einst von vielen aufregenden Reisen erzählt und seine Neugier zu den verschiedenen Arten der Magie befriedigt hatte, schien eine nachdenkliche, lebensgeprüfte ältere Dame geworden zu sein. Ihren Augen fehlte etwas Glanz, obwohl das auch auf das schwache Licht zurückzuführen sein konnte, das sie einem Kerzenstummel entlockt hatten. Die Falten, die ihr Gesicht durchzogen, wirkten tiefer, und ihr einst dunkles, lockiges Haar war einem silbergrauen Dutt gewichen. Aber das Lächeln fiel ihm jetzt auf, das Lächeln wirkte etwas ernster und war doch dasselbe. Dasselbe Lächeln, mit dem sie ihm immer bedacht hatte, wenn er in ihrem Unterricht eine Frage gestellt hatte, die über den Lehrplan hinausging, den sein Vater vorgeschrieben hatte.

»Wie kommst du darauf?«

»Na ja, ich ... weiß nicht.« Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Zuletzt sah ich Euch in der Blutnacht.«

»Und ich dich«, gab sie zurück und ihr Lächeln wurde eine Spur breiter. »Und dennoch sind wir beide hier.«

Er schluckte und unterdrückte den Impuls, ihrem Blick auszuweichen. Aber sie spürte es. Sie spürte, dass eine Geschichte hinter ihrer Feststellung steckte. Mit einem Mal lag ihre schmale Hand auf seiner.

»Was ist mit Euch geschehen, mein Prinz?«

Zögernd presste er die Lippen aufeinander. Die Geschichte der Blutnacht war eine Lüge. Nach allem, was er ihr erzählt hatte, von seinem Gedächtnisverlust, seiner Reise nach Thekandia und dem Weg zu den Gladiatoren, der ihn am Ende zu Darkin geführt hatte, ahnte sie es vielleicht. Aber wissen konnte sie es noch nicht. Denn jetzt, wo Robert tot war, gab es nur noch drei Menschen, die die Wahrheit kannten. Ada. Er selbst.

Und Torin.

Sein Herz klopfte etwas schneller. Gleichzeitig grub das schlechte Gewissen seine spitzen Zähne in sein Herz.

Lady Libra blickte in immer noch aufmerksam an. Er holte tief Luft.

»Und Euch?«, fragte er dann leise. »Was ist mit Euch geschehen?«

Ihre Augen verengten sich leicht, während sie sich vermutlich fragte, ob sie weiter nachhaken sollte.

Dann stand sie ruckartig auf. Sie ging in dem kleinen Raum auf und ab, was letztendlich bedeutete, dass sie jeweils nur einen Schritt in die eine und dann in die andere Richtung machte.

»Du hast eine Schwester«, eröffnete sie ihm dann völlig unerwartet. Der Boden unter ihren Stiefeln knarzte leise, als sie stehen blieb. »Hast du schon davon gehört?«

Er nickte knapp. »Ich hätte es nie erwartet.«

»Eine Schwester zu haben?«

»Dass mein Vater untreu war.«

So wie du, wisperte Torins Stimme in sein Ohr. Aber so war es nicht. Er hätte es nie getan, wenn er sich erinnert hätte.

»Ich auch nicht«, gab Lady Libra zu. »Was hast du von Malenia gehört?«

Er wiederholte ihren Namen stumm. Malenia. In Thekandia wurde sie stets nur Andorias Bastard genannt.

»Eigentlich nichts«, erwiderte er stirnrunzelnd. »Nur, dass sie dabei war, als Robert starb. Und, dass Ada ihren Kopf will. Darkins Mutter hat ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt, um ihre Unterstützung zu demonstrieren.«

Er erkannte seinen Fehler zu spät. Lady Libra zog eine Augenbraue hoch.

»Darkin?«

Graham versuchte, völlig ungerührt zu wirken, als er ihren Blick stumm erwiderte.

Sie seufzte. »Dann stimmt es also wirklich.«

Leicht mit dem Kopf schüttelnd, ließ sie sich wieder ihm gegenüber auf eines der Fässer sinken.

»Ich weiß nicht, was Ihr meint«, log er, obwohl es keinen Zweck hatte.

Wie erwartet, stieß Lady Libra einen unwirschen Laut aus. »Junge, das Einzige, was sich auf diesem Schiff so schlimm verbreitet wie Läuse, sind Klatsch und Tratsch.«

Graham wich ihrem Blick aus.

»Als ich dich an Thekandias Hafen mit dem dunklen Prinzen sah, dachte ich, du arbeitest für ihn.«

»Ich schütze ihn«, erwiderte er entschieden und ignorierte, dass sie die höfliche Anrede einfach wegließ. Er war kein Prinz mehr, und sie kannten einander zu lange, als dass es ihm wichtig gewesen wäre.

Wie von selbst wanderte seine Hand an seinen Rücken, wo er einen der feinen, tödlichen Dolche verbarg. »Deshalb hat er mich Darius abgekauft.«

»Darius?«

»Dem Gladiatorenmeister der Silbernen Knochen.«

»Mh.«

Er wusste nicht, wie er den Laut deuten sollte. Lady Libra rieb sich kurz das Handgelenk, als würde sie mit einem der unzähligen Armreife spielen, die sie sonst trug. Es konnte noch nicht lange her sein, dass sie sie abgelegt hatte, wenn sie noch nicht daran gewöhnt war.

»Du schützt ihn«, wiederholte sie und blickte ihn ernst an. »Und du teilst das Bett mit ihm.«

Ihren anklagenden Blick aushaltend, stritt er es nicht ab.

»Du dummer Junge«, stieß sie hervor.

Wut durchzuckte ihn. »Ihr habt doch keine Ahnung.«

Sie starrte ihn nur an. Daraufhin entschied er, dass er ihr zumindest einen kleinen weiteren Teil seiner Geschichte anvertrauen musste.

»Ich war allein«, erzählte er aufgebracht. »Ich hatte keine Erinnerung. An nichts. Ich wusste nicht, wer ich bin oder warum ich verletzt war. Ich erwachte mitten im Wald, überall an mir klebte getrocknetes Blut und ich hatte keine Ahnung, wem es gehörte oder ob ich dafür verantwortlich war. Da war nur dieses Gefühl. Dieses Gefühl, dass ich unbedingt dort wegmusste.«

Graham schluckte schwer. Seine Erinnerungen waren lange begraben gewesen. Jetzt fragte er sich, wie er all das hatte vergessen können. Ihm war, als wäre es gestern erst geschehen. Der Kupfergeruch des Bluts, die Schmerzen in seinem Bein und seinem Kopf, die Wunden aus denen Narben wurden. Und tief in ihm dieses Gefühl. Diese unbestimmte Furcht, die ihn dazu drängte, immer weiterzulaufen. Immer weiter. Und tief darunter die Sehnsucht. Sehnsucht, die ihn all die Jahre angetrieben hatte, auch wenn er nicht wusste, wonach er sich so verzehrte. Nach wem.

Fast sechzehn Jahre lang hatte er einen Traum gelebt. Einen Traum voller Kämpfe, Unsicherheiten, Intrigen und Todesangst. Nur um aufzuwachen und festzustellen, dass die Realität viel schlimmer war.

»Ich lief bis zum Hafen.« Er lachte rau auf. »Humpelte ist wohl das bessere Wort dafür.«

Mit einem Ruck zog er sein rechtes Hosenbein hoch und offenbarte die lange, wulstige Narbe, die sich über seine ganze Wade zog. Galle brannte in seinem Hals, als er daran dachte, wer ihm diese Wunde zugefügt hatte. Er wünschte, wenigstens dieser Teil der Blutnacht würde weiter im Nebel des Vergessens liegen.

Die Augen von Lady Libra hatten sich leicht geweitet, aber sie sagte nichts.

»Ich stieg auf das erstbeste Schiff, dessen Kapitän mich an Board nahm. Ich hatte wahrscheinlich Glück, dass ihn die Ereignisse der Blutnacht ebenso getroffen hatten wie viele andere und er Mitleid mit mir hatte. Das Schiff brachte mich nach Thekandia. Während der Reise heilten meine Wunden, aber meine Erinnerungen kehrten nicht zurück. Eines Tages sah ich die Gladiatoren kämpfen. Hinterher versuchte man mir das wenige, was ich besaß, in einer dunklen Gasse abzunehmen. Ich verteidigte mich und Darius sah es. Er nahm mich auf, ich wurde Gladiator und dann …«