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Drei Krimi-Kurzgeschichten, in denen es um unauffällige, eher zurückhaltende Mörder geht. Um alltägliche Menschen, die sich entschließen, jemanden zu töten.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Armin Herzel war nicht zu übertrumpfen. Auf keinem Gebiet. Er sah blendend aus, immer braun gebrannt, war erfolgreich und durch verschlagene Tüchtigkeit schon in jungen Jahren vermögend. Natürlich war er modisch und teuer gekleidet, aber das war noch nicht alles: er konnte sich beim Singen von Schlagern auf der Gitarre begleiten, Golf und Tennis spielen. Er fuhr einen Porsche und tanzen konnte er wie ein Turniertänzer. Kein Wunder, dass die Frauen verrückt nach ihm waren und ihn anhimmelten. Ich konnte das alles hinnehmen bis zum dem Tage, als er mir meine Vicki so nebenbei ausspannte. Ich hatte sie vor ein paar Monaten kennen gelernt und war richtig verrückt nach ihr. Sie hatte meine künstlerische, aber noch erfolglose Ader als Maler toleriert. Ich war verliebt wie ein Mann, der glaubt, endlich die Richtige gefunden zu haben. Die wenigen Liebschaften, die ich vorher hatte, waren alle von der Sorte „Ich habe heute Kopfschmerzen“. Hübsche, nette Frauen, aber im Bett doch sehr asketisch. Ganz anders Vicki. Sie stöhnte unter mir, warf den Kopf hin und her und keuchte: „Stoß doch!“ Ich beglückwünschte mich selber zu diesem Treffer. Wir verlebten schöne Tage und Nächte an den Wochenenden.
Dann machte ich den Fehler, eine Einladung zu einer Feier anzunehmen, auf der auch Armin erschien. Vicki war ihm gleich verfallen, sie himmelte ihn an. Armin nahm sie im Sturm wie die vielen anderen Frauen vor ihr und ich stand mit leeren Händen da. Da reifte in meinem verbitterten Herz der Plan, mich an beiden zu rächen. Ich hatte noch keine konkreten Vorstellungen, doch die Absicht glich einem Samen, der in fruchtbarer Erde aufging und keimte. Natürlich machte ich Vicki anfangs Vorwürfe, dass sie mich verlassen hatte. Ich appellierte an unsere Liebe, Anstand, Treue und den ganzen Blödsinn. Vicki erklärte mir ihren Wandel: „Ich mag dich schon, Fridolin, keine Frage! Aber du bist eben nur ein liebenswürdiger und brotloser Möchtegern-Künstler. Du kannst mir nicht das bieten, was mir Armin ermöglicht. “
„Aber wir waren doch zusammen glücklich an den Wochenenden!“
„Du meinst im Bett? Fridolin, ich mache mir eigentlich herzlich wenig aus diesem Gerammel. Wie die meisten Frauen. Es ist für mich nur das notwendige Übel, einen Mann meiner Wahl an mich zu binden. So wie man Gymnastik macht, um gelenkig zu bleiben. Im Grunde finde ich es öde und anstrengend, aber man bleibt nun mal länger gesund und fit dabei. Aber hätte ich die Wahl, ich würde in den meisten Fällen ein Essen beim Edel-Italiener vorziehen oder shoppen gehen.“
„War etwa alles nur gespielt, auch deine Leidenschaft?“
„Was hat eine Frau wie ich schon zu bieten, um ein angenehmes Leben führen zu können? Ich muss meinen Busen, meinen Hintern und meine Muschi ins Spiel bringen, - das sind meine einzigen Trümpfe! Und mein Stöhnen, das hat dir doch auch gefallen, du warst doch gut bedient damit!“
„Ich habe das für Leidenschaft gehalten.“
„Armin fährt auch auf mein Stöhnen ab. Ich habe die Technik mal von einer Frau gelernt, die damit ihr Geld verdient.“ Sie hob geziert ihre linke Hand und präsentierte einen protzigen Ring wie zu einem Handkuss. „Armin und ich sind so gut wie verlobt!“
Es war auf einer weiteren Feier. Ich wurde hin und wieder als exotischer Boheme aus einer niederen Kaste zu diesen Feiern eingeladen, damit der Aufmarsch der Reichen und Erfolgreichen aufgelockert wurde. Ich wusste, dass Vicki und Armin auch kamen, doch ich wollte mir keine Blöße geben und ging hin. Ich machte einen auf locker, obwohl mir nun weiß Gott nicht danach zumute war. Vicki hatte sich völlig verändert. Sie war zu Armin in seine Penthouse-Wohnung gezogen und zu einem mondänen Luxus-Weibchen mutiert. In dieser Runde erzählten alle, wo es diesmal in Urlaub hingehen sollte. Neuseeland, Argentinien, Malediven, Hawaii. Armin wollte mit einem Geländewagen einen Teil der Traumstraße in Südamerika abfahren.
„Und du?“ fragte er mich mit seinem strahlenden Lächeln, „wieder mit „Last Minute“ nach Malle zum Ballermann?“
Das Gelächter war groß.
„Nein“, antwortete ich möglichst gelassen, „ich will wieder mal nach Varanasi in Indien. An den Ganges!“
„In dieses Drecksloch“, meinte entsetzt eine ältere gefärbte Blondine im orangefarbenen Fummel, „da war ich mal in meinen Hippie-Zeiten! Aber jetzt, - um Gottes Willen, nie wieder!“
„Ich habe nun mal einen starken Hang zum Hinduismus“, erklärte ich, „Varanasi in Indien ist für den Hinduismus, was Jerusalem für das Christentum und Mekka für den Islam ist. Wenn man in Varanasi verbrannt und die Asche in den Ganges gestreut wird, so sagt man, wäre das der Austritt aus dem Rad der Wiedergeburten. Nichts wünscht sich ein Hindu mehr, als dort am Ganges verbrannt zu werden. Varanasi soll auch die älteste Stadt der Welt sein. Aber auch eine Hochburg der Seidenherstellung, das hat schon Buddha gewusst“, erklärte ich Armin, „da könntest du gute Geschäfte machen. Du kannst dort sehr günstig einkaufen.“
„Na, gut, vielleicht schaue ich mal ein paar Tage vorbei, wenn ich mit Südamerika durch bin. Simse mir einfach deine Adresse in Varanasi , wenn du da bist. Ich werde wohl dann so um den 20. Januar in Varanasi sein.
Mit dieser Zusage von Armin, vielleicht in Varanasi vorbei zu schauen, nahm meine Rache Gestalt an. Als ich drei Wochen später in Varanasi war, buchte ich wieder das preiswerte Guesthouse am Ganges in der Nähe der Verbrennungsstätte am Manikarnika Ghat, wo ich vor fünf Jahren schon einmal war. Es war ein einfaches Zimmer ohne Waschbecken und Toilette. Die zwei Toiletten mit Dusche lagen für weniger betuchte Gäste wie mich zwei Stockwerke tiefer im Atrium. Die teuren Zimmer hatten neben dem Badezimmer und Toilette sogar einen Fernseher. Ich konnte darauf verzichten. Ich wollte ja nur einen sauberen Raum zum Schlafen. Ich trieb mich tagsüber in Varanasi und an den Verbrennungsstätten herum. Ich fuhr auch nach Sarnath, wo Buddha nach seiner Erleuchtung seinen ehemaligen fünf Weggenossen im Gazellenhain die erste Predigt gehalten hat. Ich besuchte auch einige Tempel in Varanasi, aber meistens trieb ich mich am Ufer des Ganges in der Nähe der Verbrennungsstätten herum. Ich freundete mich mit einem der jungen Männer an, der vorgab, mit den Verbrennungen zu tun haben. „It’s my job!“, versicherte er mir in seinem holprigen Englisch. Er war von hündischer Freundlichkeit, von der ich wusste, dass sie augenblicklich in eine fordernde Maßlosigkeit mit einer bösartigen Fratze umschlagen konnte, wenn man seine hündisch vorgetragenen Bitten abschlug. Natürlich wusste ich, dass er log, doch durch seine Gier, die er nur schlecht kaschieren konnte, war er für mein Vorhaben genau der Richtige. Er hieß Avi. Ich steckte ihm einen Schein zu. Wir sprachen viel über Karma und die Wiedergeburten. Er sorgte dafür, dass ich einen Platz dicht an den Scheiterhaufen bekam, wenn ich erschien. „Das Leben ist für unsereins ein ständiger Kampf um das Überleben,“ erklärte er mir.
„Vielleicht können wir ins Geschäft kommen, Avi. Sind 500 €uro für dich viel Geld?“
„Ein Vermögen!“ Seine Augen leuchteten auf. „Erzähle mir bitte von diesem Geschäft!“
Ich legte ihm meinen Plan dar und er willigte ein. „Du musst aber noch die Kosten für das Holz drauf legen“, forderte er mit einem gerissenen Lächeln.
Er nannte den Preis und ich gab ihm die Hälfte des Geldes für das Holz vorab.
Am 20. Januar wählte ich wie verabredet die Nummer von Armin. „Na, du alter Schuster“, meldete er sich gut gelaunt, ich bin vor drei Tagen in Varanasi angekommen. Nimm dir ein „Tuk-Tuk und komme zu mir hier ins Hotel. Ich will mit dir hier in meinem Hotel die Speise- und Getränkekarte rauf und runter essen und trinken. Dein Tipp mit der Seide war goldwert, ich habe das Geschäft schon erledigt. Aber komm hier nicht in kurzen Shorts, zieh dir ein Hemd und eine lange Hose an. Und binde dir was um, was wie ein Schlips aussieht.“ Er nannte mir die Adresse.
Umgezogen mit langer Hose verließ ich die Altstadt durch die engen Gassen hinunter zu Hauptstraße. Ich winkte einem vorbeifahrenden „Tuk-Tuk“ zu. Ein „Tuk-Tuk“ ist eine dreirädrige Auto-Rischka, genau so wackelig wie eine Fahrrad-Rischka, aber eben etwas schneller in diesem chaotischen Verkehr von Varanasi. Der Fahrer erstarrte in Ehrfurcht, als ich ihm die Adresse von Armins Hotel nannte. Wir brauchten eine halbe Stunde, ehe wir die armen Viertel von Varanasi verlassen hatten und in eine Gegend mit Villen und gepflegten Gärten kamen. Mein Fahrer eierte sein Tuk-Tuk auf eine pompöse Auffahrt hinauf und hielt vor dem Hotel, in dem Armin wohnte. Ich versuchte möglichst unbefangen, als sei ich es gewohnt, in solchen Hotels zu verkehren, am uniformierten Portier vorbei zur Rezeption zu gehen. Eine indische Schönheit im traditionellen Sari fragte mich im besten Englisch nach meinen Wünschen. „Mein Name ist Keller. Ich bin mit Mr. Herzel verabredet, er hat das Zimmer 236“, antwortete ich. „Einen Augenblick“, sagte die Schönheit mit einem gewinnenden Lächeln und bediente das Tastentelefon. Mit einem „Yes, Sir!“ legte sie wieder auf. „Mr. Herzel bittet Sie, in unserem Restaurant an Tisch 17 Platz zu nehmen. Mr. Herzel wird in wenigen Augenblicken kommen!“ Sie winkte einem Boy zu, der mich durch die Marmorhalle zum Restaurant geleitete, wo er mit dem Oberkellner, der seriös wie der Vorstandsvorsitzende eines Industrie-Unternehmen aussah, ein paar Brocken Hindi sprach. Der Oberkellner neigte den Kopf in meine Richtung und brachte mich zu Tisch 17, rückte den Stuhl vom Tisch, damit ich Platz nehmen konnte. Ich zündete mir eine Zigarette an und blickte verstohlen um mich. Ich war noch nie in einem Restaurant dieser Klasse gewesen. Ich hatte meine Zigarette gerade im Aschenbecher ausgedrückt, als Armin strahlend mit ausgebreiteten Armen auf den Tisch zu kam, mir einen Klaps auf die Schulter: „Hallo, alter Knabe, nett dich zu sehen!“ Er musste schon vorher alles arrangiert haben, ein Kellner kam mit einem Sektkübel auf dem Arm an unseren Tisch, öffnete die gekonnt Flasche und füllte unsere Champagnerflöten. Ich erhaschte einen Blick auf das Etikett der Flasche, - es war Champagner. „Dein Tipp mit der Seide war goldrichtig, Fridolin. Wie gesagt, ich bin schon drei Tage in Varanasi und habe ausgezeichnete Geschäfte in Sachen Seide gemacht. Ich habe praktisch die ganzen Unkosten meiner Expedition nach Südamerika wieder drinnen und noch einen Batzen dazu. Die Ware ist schon unterwegs nach Europa. Das müssen wir feiern!“ Er hob das Glas und stieß mit mir an. Weltmännisch gab er dem Kellner ein Zeichen, als er das Glas absetzte und wenig später rollte die Vorsuppe auf einem Servierwagen an. „Stell dich auf ein opulentes Mahl ein, Fridolin. Also, schön langsam und wenig essen!“ Als wir später bei den Langusten aus Goa waren, plauderte Armin zwischen den einzelnen Bissen über Varanasi. „Großartige Stadt, habe mir einige Tempel angesehen usw. Einfach toll. Und die haben hier im Hotel einen Service, sage ich dir, du wärst begeistert. Ich meine damit natürlich Frauen, mein Junge! Das ganze Getue hier am Tisch kannst du mir schenken. Aber die Frauen! Die geben dir einen Katalog und du kannst dir da was aussuchen. Ich sage nur Kamasutra, wenn du weißt, was ich meine. Da kann sogar uns liebe Vicki nicht mithalten, obwohl sie sich ja große Mühe gibt!“ Er zwinkerte mit dem Auge wie ein Kenner. Wenn ich durch seine Gastfreundlichkeit fast ein wenig wankelmütig in meiner Rachsucht wurde, festigte diese geringschätzige Bemerkung über Vicki meine ursprünglichen Pläne wieder. Endlich hatten wir alle Gänge des Essens durch und Armin bestellte Cognac. „Eins solltest du dir noch ansehen hier in Varanasi, Armin“, sagte ich beim Espresso, „und zwar die Verbrennungsstätte . Ich habe Beziehungen zu einem Inder, der dort arbeitet. Wir bekommen einen Platz dicht am Feuer und du kannst sogar ein paar Fotos mit deinem Smartphone machen, wenn du es unauffällig bedienst. Vorher können wir uns noch die Feuer-Zeremonie am Ganges ansehen. Was meinst du?“
„Abgemacht, Fridolin!“
„Lass dich morgen gegen 20:00 Uhr zum Manikarnika Ghat kutschieren, Armin, ich warte dort an der Treppe auf dich.“
Wir waren beim fünften Cognac, als Armin sagte: „Ich muss jetzt Schluss machen, mein Guter. Ich habe noch was vor heute Abend, du weißt schon.“ Er zwinkerte wieder mit dem rechten Auge. Dann winkte er er den Kellner heran und bestellte für mich ein Taxi. Armin geleitete mich in die Halle bis zum Fahrstuhl. „Das Taxi ist bezahlt. Dann bis morgen um 20:00 Uhr“, sagte er noch und verschwand im Fahrstuhl.
Ich wartete am nächsten Abend schon früher als zur vereinbarten Zeit am Manikarnika Ghat und hielt Ausschau nach einem Taxi, das mit Armin vorfuhr. Vergeblich. Plötzlich hielt eine Fahrrad-Rischka neben mir und Armin stieg aus. Er gab dem schwer atmenden alten Fahrer mehrere Scheine, dass dieser sich mehrmals im Namaste tief vor ihm verbeugte. Ich sah gleich, dass Armin was getrunken hatte und in Stimmung war. Er trug einen Strohhut. Das passte ausgezeichnet in meine Pläne. Er legte einen Arm um meine Schultern und sagte: „Du hast ja so recht, Fridolin! Man muss auch mal die schmutzigen Ecken dieser Stadt kennen lernen und sich nicht immer nur im Luxus verstecken. Darum die Fahrrad-Rischka! Es war eine abenteuerliche Fahrt und ich habe mehrmals befürchtet, dass es mit mir zu Ende geht!“ Wie recht hatte er doch mit dieser Ahnung. „Also, was hast du auf dem Programm, mein Guter?“
„Ich schlage vor, wir sehen uns erst die Feuer-Zeremonie an. Danach gehen wir weiter zu den Verbrennungsstätten.“