Die Bedeutung der (sonder)pädagogischen Diagnostik für ein inklusives Schulsystem im Kontext der Lehrer/innenbildung - Christel Rittmeyer - E-Book

Die Bedeutung der (sonder)pädagogischen Diagnostik für ein inklusives Schulsystem im Kontext der Lehrer/innenbildung E-Book

Christel Rittmeyer

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Beschreibung

Fachbuch aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, , Sprache: Deutsch, Abstract: In diesem Beitrag geht es um die Frage, welche Bedeutung die Diagnostik in einem inklusiven Schulsystem hat. Des Weiteren geht es um die zukünftigen Aufgaben von Sonderpädagogik und SonsterpädagogInnen. Es wird dargelegt, dass Sonderpädagogik in Zukunft unverzichtbar ist, aber der Schwerpunkt ihrer Aufgaben sich verlagert. Außerdem wird aufgezeigt, dass und warum (sonder)pädagogische Diagnostik in inklusiven Schulsystemen eine wichtige und zunehmend bedeutendere Rolle spielt. Wie die Schwerpunkte der Sonderpädagogik ändert sich auch der Diagnoseauftrag. Dieser kann nur von einer Kompetenzenorientierten Diagnostik erfüllt werden. Eine solche Diagnostik liegt bisher erst in Entwürfen vor.

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Die Bedeutung der (sonder)pädagogischen Diagnostik für ein inklusives Schulsystem im Kontext der Lehrer/innenbildung

Summay:

In diesem Beitrag geht es um die Frage, welche Bedeutung die Diagnostik in einem inklusiven Schulsystem hat. Dabei wird zunächst auf den Stand der Inklusion in Österreich eingegangen und dieser mit dem der Bundesrepublik Deutschland sowie der Schweiz verglichen.

Danach geht es um die Rolle und Aufgaben der Sonderpädagogik und von Sonderpädagogen in inklusiv ausgerichteten Schulsystemen.

Es wird aufgezeigt, dass Sonderpädagogik und Sonderpädagogen in inklusiven Schulsystemen weiterhin benötigt werden, aber dass sich ihr Aufgabenschwerpunkt auf Beratung, Prozessdiagnose und das Erstellen von Förderplänen verlagert.

Danach wird nach der Bedeutung von Diagnostik für den Unterricht gefragt und aufgezeigt, dass diagnostische Kompetenz eine Schlüsselkompetenz von Lehrerinnen und Lehrern ist und deshalb von allen Lehrerinnen und Lehrern benötigt wird.

In inklusiven Schulsystemen nimmt die Bedeutung von Diagnostik zu. Es bedarf allerdings einer anderen als der oft noch vorzufindenden defizitorientierten Diagnostik, nämlich einer kompetenzenorientierten Diagnostik. Wie eine solche Diagnostik aussehen könnte, wird unter Verweis auf einen entsprechenden Entwurf von STÖRMER skizzenhaft aufgezeigt. Eine detailliertere Darstellung einer aus Sicht der Verfasserin inklusionstauglichen Diagnostik enthält das von ihr zusammen mit Holger SCHÄFER

Inhaltsverzeichnis

 

1. Zum Entwicklungsstand der schulischen Inklusion in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich

2. Die Bedeutung von Diagnostik in der Berufspraxis von Lehrerinnen und Lehrern

2.1. Diagnostische Kompetenz ist eine Schlüsselkompetenz

2.2. Die Bedeutung der Diagnostik in inklusiven Schulsystemen

2.3 Abschaffung der Sonderpädagogik oder Neudefinition der Sonderpädagogenrolle?

2.4 Aufgaben von Sonderpädagogen in inklusiven Schulsystemen

2.5 Vorbereitung auf die Arbeit in inklusiven Schulsystemen in der Rahmenvorgabe der Kultusministerkonferenz?

2.6 Konzeptionen für die Vermittlung sonderpädagogischer Kompetenz unter besonderer Berücksichtigung von Diagnostik in der Bundesrepublik Deutschland

2.7 Die Neugestaltung der Lehrerbildung in Österreich

3. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

 

1. Zum Entwicklungsstand der schulischen Inklusion[1] in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich

 

In Österreich begann die forcierte Entwicklung in Richtung Inklusion Mitte der 90er Jahre. In dieser Zeit hat der österreichische Gesetzgeber die inklusive Beschulung in Volks- und Hauptschulen sowie der AHS[2]-Unterstufe als wählbares Parallelsystem zum bestehenden Sonderschulwesen verankert. Bereits 2001/2002 wurden im österreichischen Durchschnitt etwas mehr als die Hälfte aller Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf integriert. Die Zahl der Sonderschulen hat sich von 1994/1995 bis 2006/2007 um 29,5 % verringert. 2009 wurden nur noch 1,57 % aller Pflichtschülerinnen segregativ beschult, in Deutschland dagegen 4,4 %[3].

 

Österreich weist damit im Vergleich zu Deutschland wie auch der Schweiz eine deutlich integrationsfreundlichere Entwicklung auf: Die Integration entwickelte sich hier vom engagierten Schulversuch zu einem flächendeckenden Angebot. Dabei sind jedoch starke regionale Unterschiede bei der konkreten Umsetzung festzustellen: von Bundesland zu Bundesland, von Schule zu Schule, von Klasse zu Klasse (FEYERER 2009, 3).

 

Diese unterschiedliche Praxis kann damit erklärt werden, dass derzeit in der österreichischen Schulgesetzgebung zwei Paradigmen gleichwertig nebeneinander gestellt werden: das Paradigma der Integration und das der Besonderung und dass gegenwärtig eine bildungspolitische Prioritätensetzung fehlt: „Das „neuere“ Paradigma der Integration/Inklusion hat die Besonderung nicht abgelöst, sondern hat sich als ergänzendes und/oder konkurrierendes System unterschiedlich etabliert.“ (FEYERER, NIEDERMAIR und TUSCHEL 5)

 

Die folgende Tabelle dokumentiert den gegenwärtigen Entwicklungsstand der Inklusion in Österreich im Überblick.

Segregationsquote (S-Qu), Integrationsquote (I-Qu) und SPF-Quote nach Bundesländern, Stufe 0-9, 2006/07 (Quelle: Statistik Austria, Bildungsdokumentation; Berechnung und Darstellung durch Autor)

 

 

Tabelle über den Entwicklungsstand der Integration in Österreich

 

(nach FEYERER 2009, 4)

 

Wie die Tabelle zeigt, schwankt die Integrationsquote zwischen 32 % in Niederösterreich und 82,4 % in der Steiermark. Zusammen mit der Steiermark und dem Burgenland kann Oberösterreich daher mit weniger als 1 % aller Pflichtschülerinnen, die noch in Sonderschulen beschult werden, als Land mit „one-track-approach“ bezeichnet werden.

 

Richten wir nun unseren Blick über die Grenzen von Österreich hinaus und betrachten wir den Entwicklungsstand im Bundesland Nordrhein-Westfalen, in dem ich lebe. Die dortige Situation der Inklusion ist nicht generalisierbar für die Situation der Inklusion in der BRD, spiegelt aber aktuelle Entwicklungslinien dort sehr treffend wieder.

 

In Nordrhein-Westfalen lag der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die integrativ unterrichtet werden, im Schuljahr 2008/2009 noch bei erst 13,8 Prozent (vgl. lehrer-online, Zugriff vom 4.07.2009).

 

Am 1. Dezember 2010, also vor nur einem Jahr, hat der Landtag in Nordrhein-Westfalen dann einstimmig mit Stimmenthaltung der FDP beschlossen, die seit dem 26. März 2009 in Deutschland gültige UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) „für alle Lebensbereiche“ umzusetzen.

 

In der Folge hat der Landtag von NRW die Landesregierung aufgefordert, zeitnah ein Konzept zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention vorzulegen.

 

Die Landesregierung beauftragte daraufhin die beiden Wissenschaftler KLEMM und PREUSS-LAUSITZ mit der Anfertigung eines Gutachtens, „zu zentralen damit zusammenhängenden Fragen der Akzeptanz, des wissenschaftlichen Kenntnisstandes, der demographischen, der finanziellen Rahmenbedingungen und der Implementation Analysen und Empfehlungen zu erarbeiten, die in einen Gesamtplan Inklusive Schule einfließen können.“ (KLEMM/PREUSS-LAUSITZ 2011, 5).

 

Im Juni diesen Jahres wurde ein sehr differenziertes und umfangreiches Gutachten vorgelegt (schon ohne Anhang 130 Seiten). Die darin ausgesprochenen Empfehlungen sind für einen Realisierungszeitraum bis 2020 angelegt. Bei Realisierung der Empfehlungen kann bis 2020 ein Inklusionsanteil von geschätzt 85 % erreicht werden.

 

Die pädagogische und sonderpädagogische Landschaft befindet sich seither in Nordrhein-Westfalen, so mein Eindruck, in einem grundlegenden Umbruch. [4]

 

In Österreich fehlt derzeit eine eindeutige Prioritätensetzung: inklusive Beschulung ist neben der Beschulung in Sonderschulen vorhanden. Und in NRW gibt es zwar ein politisches Bekenntnis zur Inklusion, die Umsetzung ist allerdings schleppend und schwierig. Sollte deshalb vielleicht nicht eher eine Koexistenz der beiden Formen des Unterrichts angestrebt werden? Die Antwort hierauf lautet nein: der Inklusion ist eindeutig der Vorzug zu geben. Die Entwicklung hin zur Inklusion ist trotz der in der Praxis damit verbundenen Probleme wie beispielsweise der enormen Reduktion der Personalressourcen[5] d e r Weg, den es zu beschreiten gilt.

 

Denn die Einführung der Sonder- bzw. damals Hilfsschulen war zwar historisch ein wichtiger Schritt, weil er dazu führte, dass heute das Recht von Kindern mit Behinderung auf Bildung und Erziehung nicht mehr in Frage gestellt wird (FEYERER u. a. 6). Dennoch ist eindeutig der Integration der Vorzug zu geben (vgl. FEYERER u. a. 7)

 

Für Integration sprechen die folgenden Gründe:

 

Integrativer Unterricht ist eine ethisch begründete und ethisch zu fordernde pädagogische Maßnahme (vgl. BLESS/KRONIG 2000, 6)[6].