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Bachelorarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Pädagogik - Kindergarten, Vorschule, frühkindl. Erziehung, Note: 1,0, Universität Augsburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Bedeutung des Bilderbuches für die Sprachentwicklung im frühen Kindesalter Einleitung Ein Bilderbuch ist für eine Kinderstube ein ebenso wesentlicheres und noch unentbehrlicheres Meuble als eine Wiege, Puppe oder das Ste-ckenpferd. Diese Wahrheit kennt jeder Vater, jede Mutter, jeder, der Kinder erzogen hat, und von Locke an bis auf Basedow, Campe und Salzmann empfiehlt jeder vernünftige Pädagog, den frühesten Unter-richt des Kindes durchs Auge anzufangen, und ihm so viel gute und richtige Bilder und Figuren, als man kann, vor Gesicht zu bringen. (Friedrich Justin Bertuch 1790: 438, zitiert nach Niermann 1979: 7) Die vermittelnde und kommunikative Struktur der Bilderbücher geriet bereits im 17. Jahrhun-dert ins Blickfeld der Pädagogik. 1658 brachte Comenius das erste Bildwörterbuch der Welt, den „Orbis sensualium pictus“ mit dem Ziel heraus, den Kindern das Erlernen der lateinischen Sprache durch bildliche Vorstellungen zu einer Spielbeschäftigung zu machen und dadurch auf eine angenehme Weise zu erleichtern (vgl. Rosenfeld 1964: Nachwort). Dieser war der erste Best- und Longseller der Kinder- und Jugendliteratur und wurde für die Entwicklung des Bilderbuches im 17. und 18. Jahrhundert richtungsgebend (vgl. Doderer/Müller 1973: 43). In den nächsten Jahren entstanden zahlreiche Nachfolgewerke wie Johann Bernhard Basedows „Elementarwerk“ (1770–1774), Johann Siegmund Stoys „Bilder-Akademie für die Jugend“ (1780), Christian Gotthilf Salzmanns „Moralisches Elementarbuch“, bis hin zu Friedrich Jus-tin Bertuchs „Bilderbuch für Kinder“ (1790–1822) (vgl. Dierks 1965: 27ff.). Mit Bertuch wurde der Begriff Bilderbuch zum ersten Mal als Titel eines illustrierten Werkes für Kinder gebraucht (vgl. Minke 1958: 5). Auch das Familienbuch „Mutter- und Koselieder“ (1844) von Friedrich Fröbel darf nicht übersehen werden, das durch die Einheit von Bild, Text und Musik zum gemeinsamen Anschauen und Spielen, zu einer Begegnung mit Kunst und Dichtung anregt. All diese Werke wurden mit dem gleichen Anliegen geschaffen, den Kindern die Welt näher-zubringen – wenn auch zunächst mit mäßiger Qualität und nicht in systematischer Weise – und sie dabei mit allen Sinnen anzusprechen. Die gemeinsame Bilderbuchbetrachtung stellt eine der effektivsten Formen der Sprachförderung im frühen Kindesalter dar.
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Begriffsexplikation „Bilderbuch“
2 Worauf kommt es an?
2.1 Bilderbuchbetrachtung und Vorlesen als besondere Dialogform
2.2 Bilderbuchbetrachtung und Vorlesen als Basis für eine tragfähige Beziehung
3 Entwicklungspsychologische Forschungsperspektiven zur Bedeutung von Bildern
4 Bilderbucharten
4.1 Bilderbuchgattungen
4.2 Bildgestaltung
4.3 Text-Bild-Verknüpfungen
4.4 Allererste Bilderbücher
4.5 Nachfolgende Bücher
4.6 Ein Zwischenfazit
5 Spracherwerbstheorien
5.1 Lerntheoretische Konzeptionen
5.2 Nativistische Konzeptionen
5.3 Kognitivistische Konzeptionen
5.4 Interaktionistische Konzeptionen
5.5 Ein Zwischenfazit
6 Bedeutung des Bilderbuches für die kindliche Sprachentwicklung
6.1 Stadien der kindlichen Sprachentwicklung
6.1.1 Phonologische Entwicklung
6.1.2 Grammatisch-syntaktische Entwicklung
6.1.3 Wortschatzentwicklung
6.1.4 Entwicklung konversationeller und diskursiver Fähigkeiten
6.1.5 Phraseologieerwerb
6.1.6 Ein Zwischenfazit
6.2 Wie trägt das Bilderbuch zur kindlichen Sprachentwicklung bei?
6.2.1 Phonologische Entwicklung
6.2.2 Wortschatz und Grammatik
6.2.3 Die Entwicklung des Bewusstseins über Sprachstil und Textsorten
6.2.4 Konversationelle und diskursive Fähigkeiten
6.2.5 Phraseologieerwerb
6.2.6 Ein Zwischenfazit
7 Analyse des Bilderbuches von Anne Heseler „Der dicke fette Pfannkuchen“
7.1 Methodische Vorgehensweise und Zielsetzung
7.2 Analyse des Bilderbuches
7.3 Didaktische Handhabung
7.4 Fazit
8 Schlussbetrachtung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Ein Bilderbuch ist für eine Kinderstube ein ebenso wesentlicheres und noch unentbehrlicheres Meuble als eine Wiege, Puppe oder das Steckenpferd. Diese Wahrheit kennt jeder Vater, jede Mutter, jeder, der Kinder erzogen hat, und von Locke an bis auf Basedow, Campe und Salzmann empfiehlt jeder vernünftige Pädagog, den frühesten Unterricht des Kindes durchs Auge anzufangen, und ihm so viel gute und richtige Bilder und Figuren, als man kann, vor Gesicht zu bringen.
(Friedrich Justin Bertuch 1790: 438, zitiert nach Niermann 1979: 7)
Die vermittelnde und kommunikative Struktur der Bilderbücher geriet bereits im 17. Jahrhundert ins Blickfeld der Pädagogik. 1658 brachte Comenius das erste Bildwörterbuch der Welt, den „Orbis sensualium pictus“ mit dem Ziel heraus, den Kindern das Erlernen der lateinischen Sprache durch bildliche Vorstellungen zu einer Spielbeschäftigung zu machen und dadurch auf eine angenehme Weise zu erleichtern (vgl. Rosenfeld 1964: Nachwort). Dieser war der erste Best- und Longseller der Kinder- und Jugendliteratur und wurde für die Entwicklung des Bilderbuches im 17. und 18. Jahrhundert richtungsgebend (vgl. Doderer/Müller 1973: 43). In den nächsten Jahren entstanden zahlreiche Nachfolgewerke wie Johann Bernhard Basedows „Elementarwerk“ (1770–1774), Johann Siegmund Stoys „Bilder-Akademie für die Jugend“ (1780), Christian Gotthilf Salzmanns „Moralisches Elementarbuch“, bis hin zu Friedrich Justin Bertuchs „Bilderbuch für Kinder“ (1790–1822) (vgl. Dierks 1965: 27ff.). Mit Bertuch wurde der Begriff Bilderbuch zum ersten Mal als Titel eines illustrierten Werkes für Kinder gebraucht (vgl. Minke 1958: 5). Auch das Familienbuch „Mutter- und Koselieder“ (1844) von Friedrich Fröbel darf nicht übersehen werden, das durch die Einheit von Bild, Text und Musik zum gemeinsamen Anschauen und Spielen, zu einer Begegnung mit Kunst und Dichtung anregt.
All diese Werke wurden mit dem gleichen Anliegen geschaffen, den Kindern die Welt näherzubringen – wenn auch zunächst mit mäßiger Qualität und nicht in systematischer Weise – und sie dabei mit allen Sinnen anzusprechen. Auch heute hat diese Erkenntnis weder theoretisch noch didaktisch an Bedeutung verloren: Die gemeinsame Bilderbuchbetrachtung stellt eine der effektivsten Formen der Sprachförderung im frühen Kindesalter dar. Bilder zeigen, erzählen und weisen auf etwas hin. Durch den Aufforderungscharakter dieser Bildsprachlichkeit wird das Kind zum Fragen, Erzählen und Kommunizieren angeregt (vgl. Näger 2005: 48).
In der Spracherwerbsforschung gibt es leider kaum wissenschaftliche Studien, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Kinderliteratur und Spracherwerb im frühen Kindesalter befassen. Die meisten von ihnen beziehen sich auf die Analyse der ausgewählten Bilderbücher, in denen nur einzelne Komponenten der Sprache am Rande untersucht werden. Dabei handelt es sich um Fallstudien mit kleinen Korpora, so dass kein Anspruch auf Repräsentativität erhoben werden kann. Zur Bilderbuch-Rezeptionsforschung liegen bisweilen keine Untersuchungen vor. Somit stellt dieser Bereich ein dringendes Desiderat in der Spracherwerbsforschung dar.
Die vorliegende Bachelorarbeit soll diese Lücke füllen und verfolgt das Ziel, auf Basis der dargestellten theoretischen Grundlagen und der Analyse des ausgewählten Bilderbuches von Anne Heseler „Der dicke fette Pfannkuchen“ die Rolle des Bilderbuches für die Sprachentwicklung bzw. -förderung im frühen Kindesalter aufzuzeigen. Hierfür wird folgenden zentralen Fragen nachgegangen:
1. Wie kann die Arbeit mit dem Bilderbuch zur Sprachentwicklung bzw. -förderung beitragen? Welche Aspekte der sprachlichen Entwicklung können damit unterstützt bzw. gefördert werden?
2. Welche Bilderbücher eignen sich besonders dafür?
3. Welche didaktischen bzw. spracherwerbstheoretischen Konsequenzen können daraus abgeleitet werden?
Diese drei Fragen liefern den Handlungsrahmen für die vorliegende Arbeit und werden implizit abgehandelt. Zur Beantwortung dieser Fragen wurden drei Hauptthesen erstellt:
1. Das Bilderbuch stellt einen besonderen, spezifischen Input im Spracherwerb dar und birgt in sich großes Potenzial zur Unterstützung und Förderung der kindlichen Sprachentwicklung.
2.Für einen erfolgreichen Spracherwerb bedarf das Kind unterstützende Informationen, die Bilderbücher ihm in vielfältiger Weise bieten.
3. Die interaktive Kommunikationssituation, die zwischen dem Kind und dem Vorlesenden beim Betrachten und Vorlesen entsteht, ist ein guter Weg, Sprache zu erwerben bzw. zu fördern.
Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Zunächst erfolgt in Kapitel 1 die Begriffsexplikation des Mediums Bilderbuch. Im darauffolgenden Kapitel 2 werden Formen der Arbeit mit dem Bilderbuch sowie deren Relevanz für den Aufbau und die Entwicklung einer tragfähigen Beziehung zum Kind dargestellt. Die Bedeutung von Bildern aus entwicklungspsychologischer Sicht wird in Kapitel 3 aufgezeigt. Kapitel 4 gibt einen Überblick über verschiedene Bilderbucharten. Angesichts unterschiedlicher Klassifikationen und Ansätze, die in der einschlägigen Literatur zu finden sind, soll dabei ein Versuch unternommen werden, die verschiedenen Bilderbucharten nach bestimmten Kriterien einzuordnen. Danach erfolgt in Kapitel 5 eine Auseinandersetzung mit den Spracherwerbstheorien, die bestimmte Erkenntnisse für den Einsatz des Bilderbuches liefern. Kapitel 6 befasst sich mit der Frage, welche Rolle das Bilderbuch für die frühkindliche Sprachentwicklung spielt. Hierzu werden die grundlegenden Aspekte der sprachlichen Entwicklung – wie phonologische Bewusstheit, Wortschatz und Grammatik, Bewusstsein über verschiedene Sprachstile und Textsorten, konversationelle und diskursive Fähigkeiten sowie Phraseologieerwerb – in den Blick der Diskussion genommen. Wie die genannten Aspekte und Dimensionen der frühkindlichen Sprachentwicklung von Bilderbuchautoren berücksichtigt werden, wird in Kapitel 7 am Beispiel des Bilderbuches von Anne Heseler „Der dicke fette Pfannkuchen“ analysiert. Abschließend erfolgt in Kapitel 8 eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse.
Das Bilderbuch ist ein narratives Medium. Thiele (2003: 71f.) bezeichnet es als „eine spezielle Gattung der Kinderliteratur, die in der Regel 30 Buchseiten nicht überschreitet und sich durch eine enge Wechselbeziehung von Bild und Text auszeichnet“. Ein signifikantes Merkmal ist die Dominanz der Bilder, die nach der Altersstufe variiert. Es gibt eine Vielzahl von Bild- und Textvariationen. Somit kann ein Bilderbuch entweder textfrei sein, einen geringen Textanteil oder genauso viel Text wie Bilder haben. Sobald der Text in einem Buch überwiegt, verliert es den Charakter des Bilderbuches und wird zu einem bebilderten bzw. illustrierten Buch (vgl. Ries 1986: 10).
Im Mittelpunkt der nachfolgenden Kapitel steht die spezielle Dialogform, die beim Bilderbuchvorlesen und -betrachten entsteht, sowie deren Bedeutung für die Entwicklung der Beziehung zum Kind.
Das Bilderbuch kann auf verschiedene Art und Weise genutzt werden: zum Vorlesen, um Dargestelltes zu benennen oder um Geschehnisse und Handlungen frei zu erzählen. Eine entscheidende Rolle für die Sprachentwicklung spielt dabei die Interaktion zwischen der vorlesenden Person und dem Kind. Betrachten und Vorlesen implizieren ein gemeinsames Gespräch auf der Basis eines Bilderbuches mit vielfältigen Möglichkeiten der Entwicklung und Förderung. Dialoge und Gespräche stehen somit im Vordergrund und intensivieren das Sprachhandeln. Je nach Alter und Entwicklungsstufe des Kindes sowie abhängig vom Inhalt des Bilderbuches können diese Prozesse sehr unterschiedlich und variationsreich ablaufen (vgl. Seidl 2008: 13ff.):