Die Biogarten-Bibel - Eliot Coleman - E-Book

Die Biogarten-Bibel E-Book

Eliot Coleman

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Beschreibung

  • Das Lehrbuch zu Biolandwirtschaft, Vermarktung und Selbstversorgung vom großen Pionier des Ökolandbaus
  • Anleitung zu Anbauplanung und Optimierung von Anbautechniken
  • Infos zu Bodenfruchtbarkeit, Pflanzenernährung und Schädlingsbekämpfung bei unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen
    Überblick zu Geräten und Handwerkszeug und wie es selbst hergestellt werden kann
  • Auch für große Hausgärten geeignet
  • Ein unverzichtbares Grundlagenwerk für Einsteiger und Fortgeschrittene!

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Seitenzahl: 590

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ELIOT COLEMAN

Die

BIOGARTEN–BIBEL

Das Standardwerk der Selbstversorgung vom Pionier des Ökolandanbaus

Fotos von Barbara Damrosch

IMPRESSUM

Eliot Coleman

DIE BIOGARTEN-BIBEL -

Das Standardwerk der Selbstversorgung vom Pionier des Ökolandbaus

1. deutsche Auflage 2022

ISBN: 978-3-96257-278-5

© 2022, Narayana Verlag GmbH

Titel der Originalausgabe:

THE NEW ORGANIC GROWER

A Master‘s Manual of Tools and Techniques for the Home and Market Gardener

Copyright © 1989, 1995, and 2018 by Eliot Coleman

Narayana Verlag GmbH edition published by arragement with Chelsea Green Publishing Co, White River Junction, VT, USA

www.chelseagreen.com

Designed von Melissa Jacobson

Übersetzung aus dem Englischen: Elisabeth Möller-Giesen

Coversatz: © Narayana Verlag GmbH

Coverabbildungen: © Sam Contis

Herausgeber:

Unimedica im Narayana Verlag GmbH,

Blumenplatz 2, D-79400 Kandern

Tel.: +49 7626 974 970–0

E-Mail: [email protected]

www.unimedica.de

Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags darf kein Teil dieses Buches in irgendeiner Form – mechanisch, elektronisch, fotografisch – reproduziert, vervielfältigt, übersetzt oder gespeichert werden, mit Ausnahme kurzer Passagen für Buchbesprechungen.

Sofern eingetragene Warenzeichen, Handelsnamen und Gebrauchsnamen verwendet werden, gelten die entsprechenden Schutzbestimmungen (auch wenn diese nicht als solche gekennzeichnet sind).

Die Empfehlungen in diesem Buch wurden von Autor und Verlag nach bestem Wissen erarbeitet und überprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Weder der Autor noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

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Für Scott und Helen Nehring, in Dankbarkeit

 

 

 

 

Zu den immateriellen Vermächtnissen, welche die Shaker der Welt hinterlassen haben, gehört, dass sie die Möglichkeit vorgelebt haben, unsere Umwelt und Lebensweise so zu gestalten, wie wir es wollen, vorausgesetzt, dass wir es wirklich wollen. Wir haben die Wahl.

Die Shaker waren pragmatische Idealisten. Sie hatten keine vagen Träume von Bedingungen, die sie gerne verwirklicht sehen wollten; sie gingen an die Arbeit, um diese Bedingungen Wirklichkeit werden zu lassen. Sie verschwendeten keine Zeit damit, gegen die Konkurrenzgesellschaft zu wettern oder sich bitterlich zu beklagen, dass sie nicht die Macht hätten, etwas zu verändern; stattdessen schafften sie sich einen eigenen Wirkungsbereich, in dem sie ihr Leben nach ihren Vorstellungen gestalten konnten.

–MARGUERITE FELLOWS MELCHER, The Shaker Adventure

INHALT

Vorwort zur Jubiläumsausgabe

1. Die Rückseite des Wandteppichs: Eine Metapher für die konventionelle Landwirtschaft

2. Kurzer historischer Rückblick

3. Das Handwerk des Landwirts

4. Das Land

5. Größe und Finanzmittel

6. Arbeitskräfte

7. Vermarktungsstrategien

8. Planung und Beobachtung

9. Fruchtwechsel

10. Gründüngung

11. Bodenbearbeitung

12. Bodenfruchtbarkeit

13. Betriebseigene Erzeugung der Bodenfruchtbarkeit

14. Der autarke Bauernhof

15. Aussaat im Freiland

16. Vorziehen

17. Erdpresstöpfe

18. Auspflanzen der Setzlinge

19. Beikräuter

20. Krankheiten?

21. Schädlinge: Vorübergehende Notmaßnahmen

22. Ernte

23. Marketing

24. Saisonverlängerung

25. Das mobile Festmahl

26. Das Projekt Wintergärtnerei

27. Viehzucht

28. Informationsquellen

29. Das Abenteuer der Bio-Landwirtschaft

30. Schlussbemerkung

Anhang A: Von Artischocke bis Zucchini: Informationen zu bestimmten Kulturen

Anhang B: Karte der Winterhärte-Zonen

Anhang C: Ein schematischer Überblick über die Ökologische Landwirtschaft

Anhang D: Empfohlene Werkzeuge und Bezugsquellen

Kommentierte Bibliografie

Anmerkungen

Bildnachweise

Stichwortverzeichnis

Stimmen zu Eliot Coleman

Über den Autor

VORWORT ZUR JUBILÄUMSAUSGABE

Es sind die kleinen Bauernhöfe, auf denen der landwirtschaftliche Fortschritt gedeiht. Jeden Tag entstehen neue Ideen, um die Rätsel der Natur zu lösen. Seit ich das ursprüngliche Manuskript für dieses Buch vor Jahren eingereicht habe, bin ich viele Male nach Europa gereist, um zu sehen, was es dort Neues gibt. Während meiner beiden Reisen nach Australien, meines einmonatigen Aufenthalts in Chile und Argentinien sowie einer Woche in Mexiko habe ich viel Zeit mit Bio-Bauern verbracht und dabei mein Denken weiterentwickelt und verfeinert. Ich habe von den Vorschlägen meiner Leser und Leserinnen profitiert, die mehr Informationen zu bestimmten Themen wollten oder Daten zu Bereichen suchten, die ich in meiner ersten Ausgabe nicht abgedeckt hatte. Es gibt mittlerweile neue landwirtschaftliche Geräte, die importiert oder hier in den Vereinigten Staaten hergestellt werden. Und bei einigen Themen, bei denen ich zuvor unschlüssig war, konnte ich mir schließlich durch den Erwerb von zusätzlichen Informationen eine Meinung bilden.

KAPITEL EINS

Die Rückseite des Wandteppichs: Eine Metapher für die konventionelle Landwirtschaft

Dennoch scheint es mir, dass die Übersetzung von einer Sprache in eine andere […] wie das Betrachten von flämischen Wandteppichen von der Rückseite her ist; wo man die Figuren zwar erkennt, doch nur unter allerlei Fäden, die sie verschleiern, sodass sie nicht in der Klarheit und der Farbbrillanz wie auf der Vorderseite hervortreten.

–MIGUEL DE CERVANTES, Don Quijote Teil 2, Kapitel 26

Stellen Sie sich einen riesigen flämischen Wandteppich vor, der von der Decke einer großen Halle herabhängt. Er zeigt die natürliche Welt in ihrer ganzen Schönheit: alles, was sich in der Erde und darüber befindet – gepflügte Felder und grüne Wiesen, Gärten und Obstplantagen, Graslandschaften und Wälder, Täler und Berge, Meer und Himmel – ist klar und deutlich dargestellt. Es gibt große und kleine Lebewesen, Vögel und Fische, Bakterien und Pilze, Raub- und Beutetiere sowie das dynamische Gleichgewicht, das zwischen ihnen besteht.

Sie bemerken, dass neben Ihnen vor dem Wandteppich nicht sehr viele andere Betrachter stehen. Von der anderen Seite jedoch vernehmen Sie überraschenderweise ein starkes Rauschen. Wenn Sie ganz ans Ende der Halle gehen und um die Ecke spähen, können Sie die Rückseite des Wandteppichs sehen.

Diese vermittelt mit ihren undeutlichen Farben und losen Fäden, wie Cervantes es formuliert, nur ein vages Bild von dem, was wirklich dargestellt ist. Aber was man dort vorfindet, sind riesige Menschenmengen, die aktiv versuchen, das Gesehene zu entschlüsseln und Probleme zu lösen, die nur auf der Rückseite des Wandteppichs existieren. Sie haben keine Ahnung, dass es eine Vorderseite gibt, und wenn Sie es Ihnen sagen, stellen Sie fest, dass Ihnen niemand glaubt. Von dort, wo die anderen stehen, ist die Eleganz der natürlichen Welt nicht erkennbar. Die Unklarheit der Rückseite hat die dortigen Betrachter davon überzeugt, dass der Planet schlecht für die Nahrungsmittelproduktion ausgelegt und auf große Unterstützung seitens der Menschheit angewiesen ist, um wieder in Ordnung zu kommen.

Das Problem ist nicht, dass die Leute auf der anderen Seite dumm sind. Im Gegenteil, viele von ihnen sind brillant. Ihre Wissenschaftsdisziplinen – wie die der „Losen Enden“ und der „Hypothese zufallsbedingter Farben“ – sind hoch angesehen und werden ausgiebig erforscht. Der Lehrstuhl für „Lose Enden“ verzeichnet eine große Anzahl von Studenten, die auf diesem Gebiet Karriere machen wollen. In Fachzeitschriften werden zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen veröffentlicht. Riesige Industriekomplexe sind auf der Basis dieser Erkenntnisse entstanden, und jedes Jahr werden unendliche Mengen von wachstumsfördernden und kontrollierenden Mitteln produziert. Die Hintermänner sind überzeugt, dass alles gut wird, solange sie weiterhin enorme Anstrengungen unternehmen, um die Fehler der Natur zu kompensieren.

Wenn Sie sich jedoch wieder auf die Vorderseite des Wandteppichs begeben, werden Sie dort keine Fehler feststellen. Sie werden sich fragen, ob die Menschen auf der Rückseite durch ihr Verhalten die Aussage des Ökologen Frank Egler bestätigen: „Die Natur ist nicht komplizierter, als wir denken. Die Natur ist komplizierter, als wir denken können.“ Aber das ist auf der Vorderseite offensichtlich nicht der Fall. Wenn Sie diese eingehender studieren, beginnen Sie die Muster zu erkennen und bemerken, dass die landwirtschaftlichen Praktiken der Landwirte auf der Vorderseite so gestaltet sind, dass sie im Einklang mit der natürlichen Welt und ihrer Entwicklung stehen. Sie realisieren, dass diese Praktiken dazu dienen, die Funktionsweise der Natur, mit der sie interagieren, zu pflegen und zu verbessern. In der natürlichen Welt hat die Biologie das Sagen, und eine vernünftige Landwirtschaft ist eine biologische Landwirtschaft, die sich auf den Boden konzentriert – eine biologische Landwirtschaft, die so lange produktiv sein wird, wie die Erde besteht. Um das zu verwirklichen, müssen wir die Diskussion nur auf die Vorderseite des Wandteppichs verlagern.

KAPITEL ZWEI

Kurzer historischer Rückblick

Wenn das Wissen nicht adäquat ist, wird die Verwirrung umso größer sein, je mehr davon vorhanden ist.

–HERBERT SPENCER

Während der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts begann eine Gruppe besorgter Landwirte in Deutschland, Frankreich und England mit dem Versuch, eine rein „biologische“ im Gegensatz zur chemischen Landwirtschaft zu entwickeln. Sie waren zu dem Schluss gekommen, dass der Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft (sowohl lösliche Düngemittel als auch giftige Pestizide) schädlich ist – nicht nur für die Bodengesundheit, sondern auch für die Gesundheit des Viehs und der Menschen, die die in diesem Boden gewachsenen Produkte essen. Ihre Ideen wurden zur Inspiration für die heutige ökologische Landwirtschaft. Der neue oder vielmehr wiederentdeckte biologisch ausgerichtete Fokus in der Landwirtschaft entstand aus persönlichen Erfahrungen mit den negativen Auswirkungen von Chemikalien auf die Qualität der Grundnahrungsmittel. Diese „Bio-Bauern“ behaupteten, dass die Landwirtschaft auf dem falschen Weg wäre.

Die ersten Anzeichen für dieses alternative Verständnis tauchten im 19. Jahrhundert auf. Eine wachsende Zahl von Bauern, Wissenschaftlern und Naturphilosophen stellte die chemisch basierten Erkenntnisse für die Nahrungsmittelproduktion infrage, die seit den 1840er Jahren eine bedeutende Rolle spielten. In ihrem Streben nach einer natürlicheren Landwirtschaft wurden sie durch die Fortschritte in den Biowissenschaften gegen Ende des 19. Jahrhundert unterstützt. Dazu gehörten neue Entdeckungen, die die Funktionsweise der Stickstofffixierung, der mykorrhiziellen Assoziation, der Bodenmikrobiologie und der Allelopathie sowie den ökologischen Umgang mit Beikraut und die Beziehungen zwischen Pflanzen und Schädlingen erklärten. Die neuen Biowissenschaften ermöglichten ein tieferes Verständnis der natürlichen Prozesse und verwiesen auf die intuitive Weisheit uralter Praktiken wie Fruchtwechsel, Gründüngung, gemischte Tierhaltung und Kompostierung. Sie legten auch die wissenschaftliche Grundlage für eine moderne, biologisch basierte Landwirtschaft.

Die ersten organisierten Proteste gegen den Einsatz von Agrarchemikalien kamen aus der gesundheitsorientierten Lebensreformbewegung in Deutschland. Seit den 1890er-Jahren wurde zunehmend über die Verschlechterung der Lebensmittelqualität diskutiert, die man in Zusammenhang mit der übermäßigen chemischen Düngung brachte. Noch bedenklicher waren die giftigen Rückstände der damals so großzügig eingesetzten blei- und arsenhaltigen Pestizide. Als Antwort darauf betonte die Lebensreformbewegung die Vorteile von Lebensmitteln, die auf fruchtbarem Boden mit natürlichen Methoden angebaut wurden. Gustav Simons Buch „Bodendüngung, Pflanzenwachstum, Menschengesundheit“ aus dem Jahr 1911 war eines der ersten Bücher, die das wachsende Bewusstsein für den direkten Zusammenhang zwischen der Qualität des Bodens, der Qualität der angebauten Pflanzen und der Qualität der daraus resultierenden menschlichen Ernährung zum Ausdruck brachten.1

Wenn man auf die erste Phase der Verbreitung der ökologischen Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten in den 1940er-Jahren zurückblickt, wurden vor allem Namen wie die des Engländers Sir Albert Howard und des Amerikaners J. I. Rodale genannt, die jene Ideen publik machten, die bereits 50 Jahre zuvor ihren Anfang genommen hatten, nicht aber die Namen der eigentlichen Initiatoren. Angesichts der anhaltenden Propaganda, die versucht, den ökologischen Landbau als Wunschtraum darzustellen, ist es heute umso wichtiger zu betonen, dass dieser auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, die sowohl praktisch als auch wissenschaftlich fundiert ist.

Der Fokus des neuen biologischen Ansatzes lässt sich am besten durch die drei Fragen verdeutlichen, die die frühen Bio-Bauern zu beantworten hofften:

1. Wie kann eine lang anhaltende Bodenfruchtbarkeit erreicht und erhalten werden?

2. Wie kann der Nährwert von Nahrungspflanzen optimiert werden?

3. Wie können Schädlingsprobleme in der Landwirtschaft verhindert werden?

Wie wir im Folgenden sehen werden, sind die Antworten auf alle drei Fragen eng miteinander verbunden.

Bodenfruchtbarkeit

Der englische Arzt G. Vivian Poore schrieb 1893 in seinem Buch Essays on Rural Hygiene ein Kapitel mit dem Titel „The Living Earth“. Poore würdigte die unverzichtbare Rolle von organischem Material als Grundlage der Bodenfruchtbarkeit und die biologische Aktivität der Bodenlebewesen als entscheidende Energiequelle. „Landwirte und Kleinerzeuger werden Ihnen sagen, dass chemischer Dünger ‚keine verlässliche Grundlage bietet‘, dass ihr Einsatz quasi auf Spekulation beruht […] Bei organischen Abfällen ist der Fall jedoch völlig anders, und die Wirkung der Ausbringung von organischem Material […] auf den Boden ist über einen Zeitraum von drei oder vier Jahren deutlich zu erkennen […], bis diese organischen Stoffe schließlich zu fruchtbarem ‚Humus‘ werden, der die einzige dauerhafte Quelle des Reichtums jeden Landes ist.“2

Noch eindringlicher ist Robert Elliot, ein englischer Landwirt, dessen 1898 erschienenes Buch „Agricultural Changes“ als Grundstein für eine biologisch basierte Landwirtschaft großen Einfluss hatte. Elliot beklagte die Art und Weise, wie die Chemiekonzerne versuchten, eine funktionierende Landwirtschaft durch chemische Düngemittel zu ersetzen. „Lassen Sie mich nun kurz die andere Wirkweise von Humus erklären. Er liefert nicht nur Stickstoff, sondern macht bei seiner Zersetzung auch einen Teil des im Boden vorhandenen Phosphors und Kalis verfügbar. […] Luft, Feuchtigkeit und Wärme, die für die Keimung der Samen und das Wachstum der Pflanzen so notwendig sind, werden von den chemischen Komponenten des Bodens nur wenig beeinflusst, sie sind vielmehr von der physikalischen Eigenschaft des Bodens abhängig, auf die nur durch große Humusmengen wirksam Einfluss genommen werden kann. […] der Chemiker hat wirklich keine Ahnung von der Landwirtschaft […], denn sonst würde er sich zunächst einmal erkundigen, ob der Landwirt alle ihm zur Verfügung stehenden natürlichen Mittel auch wirklich voll ausnutzt.“

1910 veröffentlichte der amerikanische Agrarwissenschaftler Cyril Hopkins, damals Direktor der Illinois Agricultural Experiment Station, sein bekanntestes Buch „Soil Fertility and Permanent Agriculture“3 – ein sehr aktuell klingender Titel angesichts unserer Suche nach nachhaltigen Anbaumethoden. Seine Forschungen führten Hopkins zu folgendem Schluss: „Für alle normalen Böden […] gibt es nur drei Bestandteile, die zugeführt werden müssen, um Anbausysteme einzuführen, die bei kontinuierlicher Anwendung die Produktivität des Bodens erhöhen oder zumindest dauerhaft erhalten. Dies sind Kalk, Phosphor und organisches Material. […] Der Anteil an organischer Substanz muss erneuert werden, um durch den Zersetzungsprozess Stickstoff zu generieren und Kalium und andere essentielle Elemente, die im Boden reichlich vorhanden sind, verfügbar zu machen, sowie um Phosphor aus dem Rohstoff Phosphat freizusetzen, der natürlicherweise im Boden enthalten ist oder dem Boden zugesetzt wird.“4

Diese drei Beispiele verdeutlichen, dass sowohl Landwirte als auch Forscher seit den ersten Tagen der chemischen Düngemittel deren Mängel klar erkannten. Bedauerlicherweise war es den Chemiekonzernen durch ihre wirtschaftliche Macht und ihren politischen Einfluss möglich, ihre Produkte weiter zu vertreiben. Nichtsdestotrotz wurden die neuen biologischen Konzepte zur Bodenfruchtbarkeit im frühen 20. Jahrhundert in Europa eifrig erforscht und fanden immer mehr Anhänger. In den 1930er-Jahren begannen die beunruhigten Landwirte, eine aktualisierte, wissenschaftlich fundierte Version der biologisch basierten Landwirtschaft zu formulieren, die der chemisch-industriellen Invasion vorausgegangen war. Die Bemühungen von Heinrich Krantz und Ewald Könemann in Deutschland5, Hans und Maria Müller in der Schweiz6, Pierre Delbet7 und Raoul Lemaire8 in Frankreich sowie Lady Eve Balfour9 und Sir Albert Howard 10 in England führten zur Entwicklung erfolgreicher landwirtschaftlicher Systeme, die auf der kontinuierlichen Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit mit natürlichen Methoden basierten.

1946 wurden diese Ideen unter Landwirten bereits allgemein mit so großem Interesse diskutiert, dass die International Harvester Company, ein großer amerikanischer Hersteller von landwirtschaftlichen Geräten, die Veröffentlichung der 125-seitigen Broschüre von Karl Mickey, Health from the Ground Up, sponserte.11 Es war die Fortsetzung eines früheren Bandes zur Bodenerhaltung, Man and the Soil, ebenfalls von Mickey, aber diese zweite Veröffentlichung befasste sich „hauptsächlich mit dem Einfluss der Bodenqualität auf den Menschen“. Mickey äußerte sich sehr positiv über die Arbeit von Weston Price, Sir Robert McCarrison und Sir Albert Howard – Namen, die damals fast ausschließlich in der Welt der alternativen Landwirtschaft bekannt waren. Zum Thema Düngemittel schrieb er: „Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Zugabe eines Stickstoffdüngers zu einem Boden, der arm an anderen Nährstoffen ist, abnormales Wachstum und Krankheiten bei den Pflanzen verursacht […] übermäßiger oder unsachgemäßer Einsatz von Düngemitteln, die aus reinen chemischen Salzen bestehen, kann den Abbau einiger der lebenswichtigen sekundären Elemente im Boden beschleunigen. Diese können durch die Verwendung von Mist, das Unterpflügen von Leguminosen und andere Methoden zur Regeneration des organischen Gehalts des Bodens erhalten werden.“

Nährstoffqualität

Das zweite Thema, mit dem sich die frühen Bio-Bauern beschäftigten, die Auswirkung der Fruchtbarkeit des Bodens und der Anbaubedingungen auf die Nährstoffqualität der Produkte, hat eine wissenschaftlich weniger beachtliche, aber dennoch lange und enthusiastische Vorgeschichte. Im Laufe einer gründlichen Recherche alter Quellen tauchen die eher unbekannten Namen von Charles Northen, Julius Hensel, Albert Carter Savage, Sampson Morgan, Royal Lee und Weston Price auf. Ihre Hauptsorge war, dass, wenn der Boden nicht über alle Mineralien verfügt (sowohl Hauptmineralien wie Kalzium und Kalium als auch Spurenelemente wie Kupfer, Zink und Bor), die Nährstoffqualität der Lebensmittel und damit die Gesundheit des Verbrauchers beeinträchtigt werden. Die allgemeinen Vorschläge zur Verbesserung der Mineralienverfügbarkeit im Boden reichten von der Erhöhung des Anteils an organischem Material, um die biologische Aktivität zu steigern, über den Anbau von tiefwurzelnden Gründüngungspflanzen, die Mineralien aus tieferen Bodenschichten nach oben bringen würden, bis hin zur Zufuhr natürlicher Bodenmineralien durch die Ausbringung von fein gemahlenem Gesteinsstaub, der allgemein als Abfallprodukt der Steinbruchindustrie zur Verfügung stand. Als Reaktion auf das wachsende Interesse an diesem Thema entstand eine Reihe von relativ seriösen Berichten über natürliche Mineralienquellen, aber es war das eigentliche Bewusstsein für Mineralienmangel bei Menschen und Vieh, das schließlich die Aufmerksamkeit auf das Thema lenkte.

Dr. E. C. Auchter, der damalige Leiter des Bureau of Plant Industry of the United States Departement of Agriculture (USDA), schrieb 1939 einen Leitartikel für die Zeitschrift Science mit dem Titel „The Interrelation of Soils and Plant, Animal and Human Nutrition“. Er stellte fest, dass bisher „die Wechselbeziehung zwischen dem körperlichen Wohlbefinden des Menschen und der Bodenbeschaffenheit, die die Zusammensetzung und Entwicklung der Pflanzen beeinflusst, vernachlässigt wurde.“ Während man sich bisher nur auf große Erträge konzentriert hatte, „sollten wir der Erzeugung von Pflanzen mit höchster Nährstoffqualität für Mensch und Tier mehr Aufmerksamkeit schenken […] wenn beeinträchtigte Gesundheitszustände zum Teil auf minderwertigen pflanzlichen oder tierischen Produkten beruhen, die auf mangelhaften Böden erzeugt wurden, dann bedeutet dies für die Pflanzen-, Tier- und Bodenforscher eine Herausforderung und Verantwortung, der sie sich nicht entziehen können.“ In einem späteren Artikel folgerte Auchter: „Die Entfaltung dieser Beziehung kann möglicherweise die landwirtschaftliche Theorie und Praxis revolutionieren und unsere Vorstellungen von der Förderung des menschlichen Wohlergehens tiefgreifend verändern.“12

Zehn Jahre später formulierte Paul Sears von der Yale University in einer Rede vor der Ohio State Medical Association seine Gedanken zu diesem Thema. Er sprach über Gruppen, die das „wachsende Interesse der Bevölkerung an der Beziehung zwischen Boden und Gesundheit“ repräsentieren. Der Hauptgedanke dieser Gruppen sei, dass die Förderung der normalen biologischen Bodenprozesse und die Rückführung aller möglichen organischen Stoffe in den Boden zur Gesundheit von Pflanzen, Vieh und Menschen beitragen. „Manchmal übertreiben es einige der Enthusiasten. Aber im Allgemeinen sind sie einer sehr wichtigen Wahrheit auf der Spur.“

Die Rolle von Schädlingen

Fast zeitgleich mit der Bewegung, die für eine natürliche Bodenfruchtbarkeit eintrat, begann eine Gruppe von Forschern, die allgemeine Haltung gegenüber Schädlingen in der Landwirtschaft neu zu bewerten – und sie kam zu ganz anderen Schlussfolgerungen als die Pestizid-Verfechter. Gemäß der alternativen Denkweise waren Schädlinge keine Feinde, die es zu töten, sondern eher Indikatoren, die es zu beachten galt. Schädlinge, so behaupteten sie, könnten sich nur dann ausbreiten, wenn die Pflanze durch unzureichende Wachstumsbedingungen negative Voraussetzungen hatte. Sie betonten, dass die Lösung in einer Verbesserung der Wachstumsbedingungen besteht. Diese Idee gab es schon lange. Bereits 1793 schrieb Thomas Jefferson in einem Brief an seine Tochter: „Ich vermute, dass die Insekten, die dich plagen, durch die Schwäche der Pflanzen ermutigt wurden, die wiederum mit dem unzureichenden Zustand des Bodens zusammenhängt.“13

Erasmus Darwin, der Großvater von Charles Darwin, vermutete im Jahre 1800, dass die Blätter eines von Insekten geschädigten Obstbaumes „vorher nicht gesund waren, was dazu führte, dass sie den Insekten, die sie belästigen, eine geeignete Grundlage boten“.14 Thomas Green Fessenden, Autor des in den 1830er-Jahren enorm populären Gartenbuchs The New American Gardener, stellte fest: „Vorbeugende Maßnahmen sind die der besten Züchtung […] der Wahl des Samens bzw. der Pflanze, des Bodens, der Lage und des Klimas. Wenn diese sorgfältig berücksichtigt werden, wird es nur selten vorkommen, dass irgendeine Art von Insekten ernsthaften und dauerhaften Schaden anrichtet. Gemüsepflanzen, die kräftig sind und gedeihen, neigen nicht dazu, durch Würmer, Fliegen, Wanzen usw. geschädigt zu werden“.15

1870 schrieb Vincent Gressent, ein Gemüsebauer in Paris, Le potager moderne, ein Lehrbuch für Pariser Gemüsebauer: „Chemische Düngemittel bewirken im Gemüseanbau nicht immer das, was man will; sie regen die Pflanzen zum Wachstum an und bringen Quantität hervor, aber zum Nachteil der Qualität […] Im Prinzip befallen Schädlinge nur schwache, kränkliche Pflanzen, denen es an richtiger Ernährung fehlt. […] Als Beweis führe ich die Gärtnereien von Paris an, wo der Gemüseanbau zur Perfektion gelangt ist. […] Dort, wo reichlich Kompost verwendet und kluge Fruchtwechsel praktiziert werden, gibt es keine Schädlingsprobleme“ [meine Übersetzung].16

Bereits im frühen 19. Jahrhundert wurde das Auftreten von Pflanzenkrankheiten durch Pilz- oder Bakterienbefall mit der Autogenetischen Theorie erklärt. Den Vertretern dieser Theorie zufolge war die Wirkung von Umweltfaktoren auf die Pflanze die Hauptursache für Pflanzenkrankheiten; die sichtbaren Symptome waren äußere Manifestationen innerer Fehlfunktionen. Diese Theorie wurde Ende des 19. Jahrhunderts beiseitegeschoben, als die Landwirtschaft die Existenz von Bakterien und Pilzen, die mit Pflanzenkrankheiten in Verbindung gebracht wurden, durch die Arbeit von Pasteur, Koch und anderen anerkannte. Infolgedessen spielte die Betrachtung der Rolle von Umweltfaktoren als Ursache eine untergeordnete Rolle. Es gab jedoch eine Reihe von Forschern, die, obwohl sie die neuen pathogenen Theorien über die Funktion von Mikroorganismen anerkannten, immer noch den Einfluss der Wachstumsbedingungen für wichtig hielten. Sie behaupteten, dass Mikroorganismen nur dann Krankheiten auslösen könnten, wenn die Wirtspflanze zuvor durch ungünstige Umweltbedingungen (schlechter Boden, zu viel Feuchtigkeit, zu wenig Luft, zu niedrige Temperatur usw.) anfällig gemacht worden sei, was der aufmerksame Züchter durchaus kontrollieren könne.

Zwei der führenden Verfechter dieser Ideen, die als „Prädisposition der Pflanzen“ bekannt wurden, waren H. Marshall Ward (1854-1906) in England und Paul Sorauer (1839-1916) in Frankreich.

Mit Prädisposition ist gemeint, dass nicht-genetische Bedingungen (wie oben in der Klammer genannt), die bereits vor dem Befall wirksam sind, die Pflanzenanfälligkeit für Schädlinge bestimmen. Dabei gibt es einen unterschiedlichen Grad an Resistenz oder Anfälligkeit in Abhängigkeit von äußeren Ursachen. Ein wesentlicher Faktor ist die Qualität des Bodens. Sorauer schreibt in seinem Aufsatz „The Nature of Disease“ von 1905 (dt: Das Wesen der Krankheit), dass „für die Entstehung einer parasitären Krankheit nicht allein das Vorhandensein des Parasiten, sondern auch die Konstitution des Wirtsorganismus bestimmend ist. […] Der Zustand eines Lebewesens, den wir normalerweise als ‚gesund‘ bezeichnen, ohne ihn bisher exakt definieren zu können, bildet eine Schranke, die der Parasit unter normalen Bedingungen nicht zu überwinden vermag.“17 Ward fasste in seiner Croonian Lecture von 1890 die Argumente der Vertreter der Prädispositionstheorie wirkungsvoll zusammen. „Krankheit ist das Ergebnis eines mangelnden Gleichgewichts im Kampf ums Dasein, so wie normales Leben das Ergebnis einer unterschiedlichen Ausrichtung der Faktoren des Daseins ist.“18 Es ist eine Hommage an Wards scharfsinnige Gedanken zu diesem Thema, dass Baker und Cook 85 Jahre später in ihrem Werk Biological Control of Plant Pathogens dieselbe Idee in fast identischen Worten formulierten: „Das Auftreten einer Pflanzenkrankheit zeigt also an, dass irgendein Aspekt des biologischen Gleichgewichts nicht im Einklang ist.“19

1938 befasste sich der deutsche Forscher H. von Thiem mit der Existenz einer absoluten und einer relativen Immunität gegen Schädlinge. Erstere bezeichnete er als genetische Immunität, letztere als phänotypische Immunität. Er betrachtete Pflanzen als genetisch immun, wenn ihre Resistenz so beschaffen ist, dass sich ein bestimmter Schädling niemals auf ihnen ausbreiten und entwickeln kann. Phänotypisch immune Pflanzen hingegen sind solche, deren Resistenzgrad durch äußere Faktoren beeinflusst wird. Wenn die Resistenz einer phänotypisch immunen Pflanze erhalten bleiben soll, dann müssen die Anbaubedingungen wie Bodenart, Düngung, Feuchtigkeit usw. sorgfältig berücksichtigt werden. Von Thiem behauptete sogar, dass Monokulturen, die lange Zeit als ursächlicher Faktor für die Vermehrung von Insekten angesehen wurden, kein Problem darstellen würden, wenn die richtigen landwirtschaftlichen Praktiken die phänotypische Resistenz der Pflanze sicherstellen könnten.20

Der Einfluss von H. Marshall Ward in der Diskussion um eine natürliche Landwirtschaft wurde 1940 mit der Veröffentlichung von Sir Albert Howards Buch An Agricultural Testament wiederbelebt. Es stellte sich heraus, dass H. Marshall Ward in den Jahren 1896 bis 1898, als Howard in Cambridge sein Studium absolvierte, dessen maßgeblicher Professor war. Howards Frau bestätigte, dass Ward derjenige war, der Howard in die Theorie der Prädisposition eingeführt hatte.21 Howard integrierte das Konzept in seine eigenen Bestrebungen nach einer natürlichen Landwirtschaft und erklärte in An Agricultural Testament mit Nachdruck, dass „Insekten und Pilze nicht die eigentliche Ursache sind […], sondern dass sie nur ungeeignete Sorten oder unsachgemäß angebaute Feldfrüchte angreifen. Ihre wahre Rolle ist die eines Zensors, der auf die falsch gepflegten Feldfrüchte hinweist.“22

Die oben dargelegte Diskussion zeigt einige Hintergründe für die drei Denkrichtungen, die sich zu einem neuen biologisch basierten Landwirtschafskonzept zusammenschlossen, das in den 1940er-Jahren erstmals als ökologischer Landbau bezeichnet wurde:

1. Die Bodenfruchtbarkeit kann durch verschiedene Techniken auf ein Höchstmaß gesteigert werden, wie die Erhöhung des Anteils von organischen Substanzen im Boden, durch Fruchtwechsel und Tierhaltung sowie durch den Erhalt von Bodenmineralien durch natürliche Zugaben von Kalk und anderen fein gemahlenen Gesteinsmehlen.

2. Die Pflanzenqualität, die sich aus der korrekten Ausführung von Nr. 1 ergibt, liefert die nährstoffreichste Nahrung für die Erhaltung der Gesundheit von Mensch und Tier.

3. Die aus der korrekten Ausführung von Nr. 1 resultierende Pflanzenvitalität fördert das Immunsystem der Pflanzen und macht sie resistent gegen Schädlinge und Krankheiten.

Alle drei Aspekte beginnen mit der Bearbeitung des Bodens und hängen davon ab. Aber die Fruchtbarkeit dieses entscheidenden Faktors ist, in bester kleinbäuerlicher Tradition, keine Frage von kommerziellen Industrieprodukten. Sie entwickelt sich aus der intelligenten menschlichen Interaktion mit den lebendigen Bodenprozessen. Es sind Prozesse, die jedem Boden, der mit organischem Material gepflegt wird, innewohnen; Prozesse, die der Boden leistet.

Kritiker haben die biologisch basierte Landwirtschaft oft falsch dargestellt, als ob sie nichts anderes täte, als gekaufte rein chemische Zugaben durch gekaufte organische Zugaben zu ersetzen. Selbst wenn es Belege gäbe, die die Gründe für eine Substitutionsphilosophie dokumentieren, würden sie allein aus wirtschaftlichen Gründen an Aussagekraft verlieren. Sowohl Knochen- als auch Blutmehl, zwei beliebte „organische“ Düngemittel, sind in der Landwirtschaft unerschwinglich. Darüber hinaus ist ein solches Substitutionsdenken für das eigentliche Ziel einer biologischen Landwirtschaft – nämlich die Entwicklung nachhaltiger, landwirtschaftlicher Systeme zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit – nicht sachdienlich. Es geht nicht um das Ersetzen eines Düngers durch einen anderen, sondern um die langfristige praktische und wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der landwirtschaftlichen Methoden. Die Versorgung mit Knochen- und Blutmehl ist ebenso wenig gesichert wie die Versorgung mit chemischen Düngemitteln, die aus endlichen und schwindenden Ressourcen stammen. Landwirtschaftliche Systeme, die auf Beiträge aus einer der beiden Quellen angewiesen sind, können auf lange Sicht nicht zuverlässig funktionieren. Worauf man sich jedoch verlassen kann, ist ein biologisch ausgerichtetes Landwirtschaftssystem, das die Fruchtbarkeit auf bewährten Anbaupraktiken mit dem Zusatz von lokal verfügbaren Abfallprodukten aufbaut.

Zu diesen Anbaupraktiken zähle ich:

Fruchtwechsel. Dr. Firman Bear von der Rutgers Universität hat festgestellt, dass ein klug geplanter Fruchtwechsel 75 Prozent des Erfolgs von dem ausmacht, was der Landwirt sonst noch tut.

Gründüngung. Tiefwurzelnde Leguminosen binden nicht nur Stickstoff, durchdringen harte Bodenschichten und erhöhen die Durchlüftung des Bodens, sondern transportieren auch neue Mineralien aus den tieferen Schichten des Bodens nach oben.

Kompostherstellung. Von allen Systemen zur Unterstützung der biologischen Landwirtschaft ist der Kompost, der auf dem eigenen Hof kostenlos aus dem hergestellt werden kann, was dort wächst, das beste Mittel der Welt zur Bodenverbesserung.

Gemischte Landwirtschaft. Die Kombination von Tierhaltung und Gemüseanbau auf demselben Hof hat sowohl symbiotische als auch praktische Vorteile. Die Ernterückstände ernähren die Tiere und der tierische Dung den Boden.

Saatgutmischungen für Deckfrüchte. Die Verwendung von acht oder mehr Sorten maximiert den Ertrag der nächsten Kultur in der Fruchtfolge u. a. durch verbesserte Bodengesundheit, zusätzliche Biomasse, Ökosystemvielfalt und bessere Beikrautunterdrückung.

Feldgraswirtschaft. Die Fruchtbarkeit des für Reihenkulturen gepflügten Bodens ist nach zwei bis vier Jahren (je nach Bodentyp) Bewuchs mit Gras-/ Kleeweide praktisch die eines jungfräulichen Bodens. Dies hängt mit der enormen Menge an Pflanzenfasern zusammen, die von den mehrjährigen Pflanzenwurzeln stammen, sowie mit der biologischen Stimulation durch den Dung des Weideviehs.

Untersaat. Das Säen von Gründüngungspflanzen unter der wachsenden Hauptkultur kann die Produktion organischer Substanzen im Laufe des Jahres oft verdoppeln, ohne dass die Nutzpflanze darunter leidet.

Gesteinsmineralien. Die langsame, dosierte Freisetzung von Mineralien (Kalzium, Phosphor, Kalium, Spurenelemente usw.), die dem Boden in Form von gemahlenem Gesteinsmehl zugesetzt werden, imitiert den Freisetzungsprozess von natürlichen Bodenpartikeln. Die Nährstoffe werden den Pflanzenwurzeln durch das Bodenleben zur Verfügung gestellt, das durch die organischen Substanzen genährt wird.

Verbesserung der Artenvielfalt. Dazu gehören Praktiken wie der Anbau einer breiten Palette von Feldfrüchten, die Aussaat von Weiden mit vielen verschiedenen Wildkräutern als Ergänzung zu Gräsern und Leguminosen, gemischte Tierhaltung, das Anlegen von Hecken für nützliche Insekten, das Anbringen von Nistkästen für Vögel, der Bau eines Teichs als zusätzlichen Lebensraum und so weiter. Je mehr Komponenten beteiligt sind, desto stabiler ist das System.

Diese Praktiken sind Teile eines Bewirtschaftungsprogramms, bei dem Bio-Landwirte durch natürliche Prozesse erfolgreich den menschlichen Bedarf an Nahrung und Ballaststoffen decken, ohne diese Prozesse in irgendeiner Weise zu überfordern und sie zu einer Fehlfunktion zu bringen. Die erfolgreichsten Bio-Landwirte folgen einem Muster, das der Arbeitsweise der mit chemischen Mitteln arbeitenden Landwirte entgegensteht. Die chemische/industrielle Herangehensweise konzentriert sich auf das Symptom eines Problems und entwickelt teure Produkte, um dieses Symptom zu beheben. Die ökologisch/biologische Denkweise konzentriert sich auf die Ursache des Problems und versucht, natürliche Prozesse so zu unterstützen, dass die Ursache korrigiert wird und das Problem gar nicht erst auftritt.

Bio-Landwirte nutzen die oben erwähnten uralten fruchtbarkeitsfördernden Praktiken, um die Ursache einer geringen Bodenfruchtbarkeit zu beheben, anstatt zu versuchen, die Symptome (schlechte Erträge, schlechte Qualität) durch den Kauf von chemischen Stimulanzien zu behandeln. Das gleiche Muster gilt für den Umgang mit Schädlingen. Durch die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, die Vermeidung eines mineralischen Ungleichgewichts, die Sicherstellung einer angemessenen Wasser- und Luftzufuhr sowie durch den Anbau geeigneter Sorten vermeiden Bio-Landwirte den Pflanzenstress, der Schädlingsprobleme verursacht. Auf diese Weise beheben sie die Ursache, anstatt die Symptome – Insekten und Krankheiten – mit Pestiziden zu behandeln. So schrieb Albert Howard 1946: „Ich habe nicht gezögert, die Tragfähigkeit der heutigen landwirtschaftlichen Lehre und Forschung infrage zu stellen –, denn sie haben es versäumt zu erkennen, dass die Probleme der Landwirtschaft und des Gemüsegartens biologischer und nicht chemischer Natur sind. Daraus folgt, dass die Grundlagen, auf denen die Industrie für Kunstdünger- und Giftspritzmittel beruht, ebenfalls nicht solide sind.“ Es läuft darauf hinaus, dass das langfristige Ziel einer biologischen Landwirtschaft darin besteht, Ausgeglichenheit und Ordnung zu kultivieren, anstatt vergeblich gegen Krankheiten und Unordnung zu kämpfen.

Aber können wir wirklich auf diese Weise Landwirtschaft betreiben? Können wir erfolgreich sein, indem wir einfach die bekannten Effekte natürlicher Prozesse mit den Methoden kombinieren, die intelligente und kompetente Menschen für die Nutzung dieser Prozesse entwickelt haben? Wenn diese Art der Landwirtschaft funktionieren kann und universell einsetzbar wäre, dann wäre sie wirklich nachhaltig und hätte die Kraft, die Welt zu verändern. Als ich 1967 mit dem Ackerbau begann, achtete niemand von uns darauf, ob die damalige Agrarwissenschaft (im Gegensatz zur landwirtschaftlichen Tradition) unseren Ansatz guthieß. Wir fingen an, ökologisch zu wirtschaften, mit Kompost und Kulturpraktiken, weil die Überlegungen Sinn machten, und siehe da, sie funktionierten. Die aktuelle alternative Agrarforschung beweist, dass wir ziemlich schlau waren. Nur gibt es leider meist zu viele Studien auf einmal, um sie alle lesen zu können.

So wird zum Beispiel die Bedeutung der organischen Substanz immer mehr geschätzt, obwohl sie „wohl die komplexeste und am wenigsten verstandene Bodenkomponente ist“.23 Es wurde festgestellt, dass bioaktive Huminstoffe, die von Regenwürmern im Kompost produziert werden, das Wurzelwachstum und die Verfügbarkeit von Nährstoffen verbessern, „und zwar durch Mechanismen, die noch nicht geklärt sind“, weil „ihnen bisher relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde“.24 Die Arbeit mit Kompost hat bestätigt, dass dieser in der Lage ist, Pflanzenkrankheiten zu kontrollieren, indem er in der Pflanze das auslöst, was Harry Hoitink von der Ohio State University als systemisch erworbene Resistenz bezeichnet.25 T. C. R. White hat beschrieben, wie die Auswirkung von stressenden Wachstumsbedingungen „den Stoffwechsel der Pflanze dahingehend stört, dass die Verfügbarkeit von Stickstoff in ihrem Gewebe ansteigt“, was „das Überleben und die Menge von Pflanzenfressern, die sich von diesem Gewebe ernähren“ erhöht, obwohl „diese physiologischen Veränderungen oft nicht ausreichen, um sichtbare Stresssymptome in der Pflanze zu erzeugen“.26 Nicht-genetische Toleranz gegenüber Stress ist eine Form der „induzierten Resistenz, die von Umweltfaktoren abhängt“ und ein Ansatz, „den nur eine begrenzte Anzahl von Forschern zu definieren versucht hat.“27 Aber selbst genetische Resistenz macht da keinen Unterschied, wenn negative Wachstumsbedingungen die Genexpressionen hemmen. In einer Untersuchung des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA), die der Frage nachging, warum Tomaten, die in einer Mulchschicht aus Wickengründünger wachsen, krankheitsresistenter und langlebiger sind als identische Tomaten in schwarzem Plastikmulch, fanden Kumar und seine Kollegen heraus, dass die Gene für Langlebigkeit und Resistenz in den Beeten ohne Wickenmulch nicht „angeschaltet“ waren.28

Ernährungswissenschaftler haben zu ihrem Entsetzen bei Hochertragspflanzen (vom Typ der „Grünen Revolution“) das gefunden, was sie „Verwässerungseffekt“ nennen. Züchtungsprogramme, die darauf abzielen, ertragreiche Sorten zu generieren, kombiniert mit intensiver chemischer Düngung, um die Erträge noch weiter zu steigern, haben zu Gemüse- und Getreidesorten geführt, die nicht den vollen Nährstoffgehalt haben, weil ihre begrenzten Wurzelsysteme nicht in der Lage sind, genügend Spurenelemente aufzunehmen.

,Für den Menschen bedeutet dies einen „versteckten Hunger“, der durch ein Defizit an Spurenelementen bei denjenigen verursacht wird, die solche Nahrungsmittel konsumieren. Die 2004 erschienene Studie von Brian Halweil, Still No Free Lunch,29 gibt ein sehr vollständiges Bild der Zusammenhänge zwischen Pflanzenzüchtung, hohem Einsatz von chemischen Düngemitteln und der ernährungsphysiologischen Qualität der daraus resultierenden Produkte. Sie steht auch für ein neues Interesse an der Fortsetzung dieser Forschung. Andere vorausschauende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf der ganzen Welt beginnen, biologische Themen zu untersuchen und stellen fest, dass das biologisch ausgerichtete System, diese alternative landwirtschaftliche Realität, welche die Bio-Bauern in den letzten 125 Jahren geschaffen haben, genauso gut ist, wie die Bauern behaupten.

Daraus ergibt sich also die interessante Frage: Wie kam es, dass diese einleuchtenden Ideen, die so logisch nachvollziehbar dargestellt waren, dennoch von der Mehrheit der Agrarwissenschaftler konsequent ignoriert wurden? Ich kann mir drei einfache Erklärungen für das Unvermögen der Agrarwissenschaftler vorstellen, die Existenz einer anderen Realität zu begreifen, und warum sie sich keine Welt ausmalen können, in der die Bodenvorbereitung mit Kompost, Gründüngung und Gesteinsmineralien hohe Erträge an kräftigen Pflanzen hervorbringt, die nicht den Schutz von Pestiziden und Fungiziden benötigen. Es scheint große Schwierigkeiten zu geben, das zu begreifen, was ich einen Pflanzen-positiven Ansatz nenne (Stärkung der Pflanze durch optimale Wachstumsbedingungen, um Schädlingen vorzubeugen) im Gegensatz zum konventionellen Schädlings-negativen Ansatz (Töten der Schädlinge, die schwache Pflanzen befallen). So stellte auch Benjamin Walsh 1866 in The Practical Entomologist fest: „Lass einen Mann behaupten, dass er ein neues Patentpulver Pimperlimplimp entdeckt hat, von dem eine einzige Prise, in jede Ecke eines Feldes gestreut, jegliches Ungeziefer in seiner ganzen Ausdehnung tötet, und die Leute werden ihm mit Aufmerksamkeit und Respekt zuhören. Aber erzähle ihnen von irgendeinem einfachen Plan des gesunden Menschenverstandes, der auf korrekten wissenschaftlichen Prinzipien beruht, um die Insektenfeinde des Landwirts zu kontrollieren und in vernünftigen Grenzen zu halten, und sie werden dich auslachen.“30 Die erste Erklärung ist das Fehlen eines geeigneten Begriffs. Es gibt kein Wort in unserem alltäglichen Wortschatz, um Pflanzen-positives Denken zu beschreiben. Wir alle wissen, womit sich die Abteilung für Pflanzenpathologie (Pathos – Leiden) beschäftigt. Aber gibt es an irgendeiner Universität eine Pflanzenabteilung mit entgegengesetzter Ausrichtung? Wie würde das Wort lauten? Sanologie (vom lateinischen san –Gesundheit) oder Euologie (vom griechischen eu – gut) könnte man als mögliche neue Wörter vorschlagen. Oder wie wäre es mit der Abteilung für Pflanzen-Phylaktotrophie (phylact – schützen; troph – ernähren) oder wenn alle Fachhochschulen für Agrarwissenschaft eine Abteilung für Eucrasiotrophische Landwirtschaft hätten (Eu – gut; crasio – Aufbau; troph – nähren)? Was wäre, wenn wir in einer Welt leben würden, in der wir mit gesunden Pflanzen rechnen, anstatt von mit Schädlingen befallenen Pflanzen auszugehen? Was wäre, wenn eine Abteilung für Phytostenik (Phyto – Pflanze; sten –Stärke) Forschungen veröffentlichen würde, die erklären, dass Schädlinge erst dann dominieren können, wenn die Pflanzengesundheit durch falsche Anbaupraktiken untergraben wurde? Das wäre eine andere Welt. Aber es bleibt die Tatsache, dass es für die meisten Menschen schwierig ist, ein Konzept zu begreifen, das so neu ist, dass es in ihrer Sprache noch keine wissenschaftlichen Begriffe hat, um es zu definieren. Die zweite Erklärung ist, dass die Menschen sich keine Welt vorstellen können, in der sie nicht das Sagen haben. Als Bio-Landwirt arbeite ich in Partnerschaft mit der Natur, und ich bin ein sehr junger Partner. Angesichts der begrenzten Menge an verfügbaren gesicherten Erkenntnissen bezeichne ich meinen Bewirtschaftungsstill oft als „kompetente Ignoranz“, und ich finde das eine sehr treffende Beschreibung. Aber mein Maß an Vertrauen in die Gestaltung der natürlichen Welt und meine Bereitschaft, mich von ihr leiten zu lassen, ist unangenehm für diejenigen, die meinen, wir sollten absolute Macht über die Natur ausüben. Thomas Colwell wird in seinem Buch Human Values and Natural Science in diesem Punkt sehr deutlich: „Aber obwohl der Mensch ein Teil der Natur ist, liegt seine einzigartige Funktion […] darin, die natürliche Welt zu kontrollieren und zu transformieren und nicht darin, andächtig ihre Führung zu suchen. Und das glauben wir auch heute noch. Was sollten wir auch anderes tun, denn das gesamte Gebäude unserer Zivilisation ist darauf aufgebaut. Die Bacon’sche Vorstellung von Wissenschaft als Kontrolle über die Natur ist nicht nur unsere intellektuelle, sondern auch unsere tief verwurzelte emotionale Haltung.“31

Die dritte Erklärung geht auf den Beginn der industriellen Revolution zurück, als die Finanzwelt begann, Tausch und Handel zu ersetzen. Zu diesem Zeitpunkt wurde das, was als der große Vorteil eines biologischen Produktionssystems angesehen wurde – der geringe Bedarf an zugekauften Betriebsmitteln –, plötzlich als dessen Mangel definiert. In einer industriell geprägten Geldwirtschaft sind die Prozesse, mit denen die biologische Landwirtschaft Lebensmittel produziert, geradezu subversiv. Weil sie sich durch die oben erwähnte Partnerschaft mit der Natur selbst versorgt, ist sie unabhängig von der Industrie. Mit „selbstversorgt“ meine ich, dass für diejenigen, die an einer biologischen Landwirtschaft teilnehmen, der Großteil der Investitionen aus dem eigenen Betrieb kommt. Daher müssen Bio-Landwirte, die den vollen Nutzen aus den Beiträgen der Erde ziehen, keine industriellen Produkte zukaufen.

Dies mag erklären, warum sich so wenige Menschen der einfachen Methoden bewusst sind, mit denen kluge Landwirte gelernt haben, die menschlichen Bedürfnisse nach Nahrung und Ballaststoffen im Rahmen der vorgegebenen natürlichen Bedingungen erfolgreich zu befriedigen. Da sich die Techniken einer biologischen Landwirtschaft selbst tragen, bieten sie keinen Ansatzpunkt für die Industrie, was bedeutet, dass es keine Werbung, keine Forschung und Entwicklung, keinen Rummel, kein Publikum und kein Business gibt. Wenn jeder mit selbst produziertem Kompost und uralten biologischen Techniken üppige Erträge an kräftigen und schädlingsfreien Pflanzen anbauen kann, gibt es keinen Markt für Fungizide, Pestizide oder wasserfreies Ammoniak. Wenn ein Konzept nicht kommerzialisiert werden kann – das heißt, wenn es nicht vom Kauf industrieller Produkte abhängt –, ist die Industrie feindlich gesinnt, und die biologischen Konzepte kommen in unserer kommerziell dominierten Wirtschaft zu kurz.

Aber vielleicht liegt das Problem darin, dass wir einfach nicht glauben, dass so etwas funktionieren kann. Was? Können Landwirte Brokkoli ohne grüne Würmer anbauen? Vieh kann ohne Antibiotika gezüchtet werden? Träumt weiter! Aber ich bin zu diesen Schlussfolgerungen gekommen und kann diese radikalen Ideen empfehlen, weil ich sehe, was auf meinem Hof jeden Tag passiert. Wir bezeichnen unseren Hof oft scherzhaft als Nationale Empirische Forschungsstation. Wenn wissenschaftliche Beweise fehlen, ist die praktische Erfahrung alles, worauf wir uns stützen können. Und die Fakten liegen direkt vor meinen Augen, während ich kultiviere, pflanze, pflüge oder Zäune ausbessere. Ich sehe, dass die biologisch basierte Landwirtschaft, die ich in den letzten 50 Jahren praktiziert habe, wirklich funktioniert. Wenn ich meine Arbeit als Landwirt richtig gemacht und die Biologie der Pflanzenproduktion optimiert habe, indem ich die organische Substanz des Bodens erhalten, die Belüftung und den Mineralhaushalt des Bodens verbessert und für ausreichende Feuchtigkeit gesorgt habe, wenn ich genau darauf geachtet habe, die natürlichen Prozesse zu fördern, gibt es keine Nachteile. Der Viehbestand ist bei voller Gesundheit. Es gibt keine grünen Würmer auf dem Brokkoli. Es gibt keine Wurzelmaden in den Zwiebeln. Der Ertrag und die Qualität meiner landwirtschaftlichen Produkte sind durchweg hervorragend, ohne dass ich industrielle Produkte einsetzen muss. Das ist die tägliche Realität eines erfolgreichen Bio-Hofes. Könnte es sein, dass die Menschen durch eine begrenzte Weltsicht, die es ihnen nie erlaubt hat, nicht-kommerzialisierte Optionen in Betracht zu ziehen, dazu gebracht wurden, die Brillanz einer ganz anderen Art von Landwirtschaft zu ignorieren?

Die derzeitige Realität sieht so aus, dass der praktische Erfolg von vielen landwirtschaftlichen Betrieben, die nach biologischen Grundsätzen bewirtschaftet werden, einhergeht mit einem auffallenden Mangel an Interesse (wohl Abwehr) seitens der Agrarwissenschaft an der Erforschung der Gründe für den Erfolg dieser Betriebe. Die Grundlage, auf der unser Hof in Maine arbeitet – das Gefühl, dass die Systeme der Natur großartig gestaltete Muster bieten, denen es sich zu folgen lohnt –, scheint für den Großteil der Agrarwissenschaft eine unverständliche Fremdsprache zu sein.

Dieses Buch legt nahe, dass die von der konventionellen Landwirtschaft vertretenen Techniken auf der falschen Prämisse beruhen, dass die Natur unzureichend ist und daher mit industriellen Chemikalien ergänzt werden muss. Weil dieser Irrglaube weitere Probleme schafft, ist in der konventionellen Landwirtschaft eine enorme Flickschusterei nötig, um zu funktionieren. Pestizide, Fungizide, Mitizide und so weiter sind alle Teile des Flickensystems. Es ist eine bekannte Geschichte: Wahre Gläubige der konventionellen Landwirtschaft, vor allem diejenigen, für die es enorme wirtschaftliche Anreize gibt, geben nur ungern zu, dass ihre ursprüngliche Prämisse falsch ist, und halten trotz offensichtlicher Gegenbeweise daran fest.

KAPITEL DREI

Das Handwerk des Landwirts

Warum und wie wachsen Pflanzen? Warum und wie gedeihen sie nicht? Warum scheinen Pflanzen bei manchen Menschen und an manchen Orten erfolgreich zu wachsen und anderswo nicht? Die Antworten hängen mit den Faktoren, die das Wachstum von Pflanzen beeinflussen, zusammen wie Licht, Feuchtigkeit, Temperatur, Bodenfruchtbarkeit, Mineralhaushalt, biotische Vorgänge, Beikraut, Schädlinge, Samen, Arbeit, Planung und Geschick. Der Züchter kann einige dieser Faktoren stärker beeinflussen als andere. Je mehr diese sich jedoch an den Bedürfnissen der Pflanzen orientieren, desto erfolgreicher wird der Betrieb des Landwirts sein.

Sie sollten sowohl Kulturen im Freiland als auch im Gewächshaus anbauen.

Die Biologie der Landwirtschaft

Die Arbeit mit Lebewesen, sowohl Pflanzen als auch Tieren, unterscheidet die Landwirtschaft von jedem anderen Betrieb. Auch wenn am Ende ein Produkt entsteht, ist der Prozess alles andere als industriell. Er ist biologisch.

Wir haben es mit einem vitalen, lebenden System zu tun und nicht mit einem inaktiven Fertigungsverfahren. Die Fähigkeiten, die erforderlich sind, um ein biologisches System zu managen, sind vergleichbar mit denen eines Dirigenten. Die Musiker sind alle sehr gut in dem, was sie individuell vermögen. Die Rolle des Dirigenten besteht nicht darin, jedes Instrument spielen zu können, sondern vielmehr darin, das Zusammenspiel der verschiedenen Teile zu fördern. Der Dirigent koordiniert den Einsatz jedes einzelnen Musikers mit denen der anderen und verbindet sie zu einem harmonischen Ganzen.

Landwirtschaft ist ebenso wenig ein industrieller Prozess wie die Musik. Sie muss anders verstanden werden als das Stanzen eines Metalls in eine bestimmte Form oder das Mischen von Chemikalien und Reagenzien, um eine bestimmte Verbindung herzustellen. Die Hauptakteure – Bodenmikroorganismen, Pilze, Mineralpartikel, Sonne, Luft, Wasser – sind alle Teile eines Systems, und es ist nicht nur der Einsatz eines Einzelnen von ihnen, sondern die Koordination aller, die zum Erfolg führt.

Ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich 1979 mit einem Landwirt aus Kansas führte; er war in seinen 60ern und bewirtschaftete eine Anbaufläche von etwa 280 Hektar. Seine Methoden galten damals als unkonventionell, weil er schon immer ohne den Kauf von Herbiziden oder Pestiziden auskam und nur geringe Mengen an Kalk und Phosphor brauchte. Ich fragte ihn, auf welche Theorie er seine Landwirtschaft stützte. Er sagte, es gäbe eigentlich keine Theorie, von der er wüsste. Er machte es eigentlich wie immer. Er erwähnte eines seiner Lieblingsbücher, ein landwirtschaftliches Lehrbuch aus den 1930er-Jahren, das den Wert biologischer Techniken wie Fruchtwechsel, Tierdung, Gründüngung, Deckfrüchte, Mischkulturen, gemischte Tierhaltung, Leguminosen, Ernterückstände und mehr betonte. Er sagte, dass er diese Praktiken auf seinem Hof einfach deshalb anwendet, weil sie so gut funktionieren. In dem Buch wurde nie eine „Theorie“ erwähnt, wahrscheinlich gab es auch keine; es bezeichnete diese biologischen Techniken als „gute landwirtschaftliche Praxis“.

Mein Freund aus Kansas versicherte mir, dass er durch die Anwendung dieser gut funktionierenden landwirtschaftlichen Praktiken die gleichen Erträge und oft sogar umfangreichere als seine Nachbarn erzielte. Als er einmal löslichen Dünger ausprobierte, konnte er keine Ertragssteigerung feststellen. Durch Fruchtwechsel und Mischkulturen waren Beikraut, Schädlinge und Krankheiten ein vernachlässigbares Problem. Als die Düngemittelpreise stiegen, fühlte er sich so sicher wie eh und je, weil seine Produktionstechniken grundsätzlich unabhängig von zugekauften Produkten waren. Und solange diese guten Anbaumethoden funktionierten und seinen Betrieb profitabel machten, würde er sie weiterhin anwenden. Er schloss damit, dass er, wenn es eine Theorie gäbe, sie einfach „erfolgreiche Landwirtschaft“ nennen würde.

Ich habe lange Zeit ähnliche gute landwirtschaftliche Praktiken – biologische Anbaumethoden – auf meinem Hof angewandt. Das Geheimnis des Erfolgs in der Landwirtschaft besteht darin, die begrenzenden Faktoren für das Pflanzenwachstum zu beseitigen. Die biologischen Anbaumethoden tun dies effizient und wirtschaftlich, indem sie eine ausgewogene Bodenfruchtbarkeit aus dem eigenen Betrieb heraus erzeugen, anstatt sie von außen zu importieren. Sie versorgen das System mit Energie, indem sie die natürlichen Prozesse der Bodenfruchtbarkeit, des Pflanzenwachstums und der Schädlingsregulierung fördern. Die Praktiken können noch besser funktionieren, wenn sie mit Bedacht gewählt und mit dem nötigen Einfühlungsvermögen betrieben werden, um die spezifischen Aspekte der Natur voll zu nutzen. Als zusätzlicher Bonus beseitigen sie gleichzeitig Probleme wie Bodenerosion, Düngerabfluss und Pestizidbelastung.

Entwicklung eines landwirtschaftlichen Anbausystems

Seit ich mit der Landwirtschaft begonnen habe, sammle ich Informationen über biologisch basierte Techniken zur Nahrungsmittelproduktion und werte sie aus. Zunächst sammelte ich dieses Material als kommerzieller Gemüsebauer, weil ich es für den Erfolg meines eigenen Betriebs brauchte. Dabei wurde ich mir des enormen ungenutzten Potenzials dieser Art von Landwirtschaft bewusst und ich war begeistert von der Entdeckung und Anwendung der einfachen Techniken, die von einer im Einklang mit der Natur stehenden Landwirtschaft praktiziert werden.

Um ein verlässliches Modell für die Gemüseproduktion zu entwickeln, konzentrierte ich mich darauf, Informationen zu folgenden vier Themenbereichen zusammenzustellen:

1. Wie können die Produktionstechniken vereinfacht werden?

2. Wie finden sich die effizientesten Maschinen und Werkzeuge?

3. Wie lassen sich die Ausgaben für zugekaufte Materialien reduzieren?

4. Wie sind die Produkte auf die rentabelste Weise zu vermarkten?

Meiner Erfahrung nach liefern diese vier Bereiche die grundlegenden Informationen, die für eine kleine, wirtschaftlich erfolgreiche, biologisch basierte Lebensmittelproduktion benötigt werden.

Die erste Kategorie erklärt, wie einfach und wirtschaftlich ein erfolgreiches System zur Gemüseproduktion sein kann. Obwohl der Anbau kommerzieller Nutzpflanzen oft nur als etwas für „Experten“ angesehen wird, ist er das definitiv nicht. Die Pflanzenwelt ist vital, kraftvoll und wächst von allein. Werfen Sie einen Samen in die Erde will er wachsen. Die gemeinsame Weisheit erfolgreicher Landwirte ist, dass sie wissen, wie sie dem Samen helfen können, das zu tun, wozu er bereits entschlossen ist. Je erfolgreicher der Landwirt ist, desto besser versteht er, wie er die natürlichen Prozesse unterstützen kann, ohne sie zu überfordern. Dieser einfach formulierte Grundsatz ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen ökologischen Lebensmittelproduktion.

Der nächste Punkt betrifft die Bedeutung von effizienten und zuverlässigen Maschinen und Werkzeugen, die auf die Bedürfnisse einer kleinen Produktion abgestimmt sind. Kleinbauern können im Wettbewerb bestehen sowie wirtschaftlich und praktisch erfolgreich sein, wenn sie Zugang zu Geräten haben, die ihren Möglichkeiten entsprechen und für ihre spezifischen Aufgaben konzipiert sind. Die Tatsache, dass solche nützlichen und passenden Geräte nicht ohne Weiteres verfügbar waren, hat zum Niedergang der kleinbäuerlichen Betriebe beigetragen und zu der Annahme, dass sie nicht erfolgreich sein können. Allzu oft wurde eine problematische Erweiterung des Betriebs von der Notwendigkeit diktiert, teure und überdimensionierte Geräte zu rechtfertigen, weil keine anderen verfügbar waren.

Um die richtigen Geräte zu finden, auszuprobieren und zu modifizieren, habe ich mich auf der ganzen Welt umgesehen. Die in diesem Buch enthaltenen Gerätevorschläge stammen aus vielen verschiedenen Ländern und sie erfüllen ihre Aufgabe mit Bravour. In der Zukunft wird es ohne Zweifel neue und noch bessere Modelle geben. Aber ich gehe davon aus, dass das grundsätzliche Verhältnis von Aufgabenstellung und technischem Gerät ziemlich konstant bleiben wird.

Drittens muss der wirtschaftliche Erfolg eines jeden Betriebs gesichert sein. Um die Kosten niedrig zu halten, betone ich die Bedeutung von einem „Produktionsverfahren mit geringem Investitionsbedarf“. Damit meine ich Praktiken wie Fruchtwechsel, Gründüngung, Dungverarbeitung, effiziente Arbeit, Saisonverfrühung und -verlängerung und so weiter. Produktionsvorteile werden eher durch eine sorgfältige Bewirtschaftung als durch teure Anschaffungen erzielt. Diese Praktiken sparen nicht nur kurzfristig Geld, sondern erhöhen auch langfristig die Stabilität und Unabhängigkeit des Betriebs. Je mehr Produktionsmittel auf dem Hof selbst erzeugt werden oder arbeitssparend sind, desto unabhängiger und sicherer wird der Betrieb. So ist er bei Nichtverfügbarkeit oder hohen Preisen von Rohstoffen nicht von externen Lieferanten abhängig. Die stabilste Betriebswirtschaft ist diejenige, die auf dem größtmöglichen Einsatz von hofeigenen Produktionsmitteln aufgebaut ist.

Und schließlich – egal wie erfolgreich ich in den ersten drei Bereichen bin – würde es mir wenig nützen, wenn ich kein erfolgreiches Marketingkonzept hätte. Marketing war schon immer der Bereich, in dem es für Kleinerzeuger um alles oder nichts ging. Vieles hängt von hoch entwickelten Marketingfähigkeiten ab, die man nicht in erster Linie mit der Landwirtschaft in Verbindung bringen würde. Das jüngste Wachstum von Bauernmärkten hat in vielerlei Hinsicht die Vermarktung lokaler Produkte gefördert. Aber es gibt auch andere Lösungen. Ich habe auf beiden Seiten des Atlantiks festgestellt, dass Landwirte, die den größten wirtschaftlichen Erfolg haben, wettbewerbsfähige Nischen im größeren Vermarktungssystem gefunden haben. Der Umfang dieses Markts für Kleinerzeuger und wie er erreicht werden kann, ist im Kapitel über Marketing beschrieben.

Gewusst wie

Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine neue Fähigkeit zu erlernen. Sie können sich von Anfang an mutig hineinstürzen und darauf vertrauen, dass Sie es schaffen und sich nicht unterkriegen lassen. Sie können auch als Lehrling bei jemandem arbeiten, der weiß, wie man es macht. Oder Sie können ein Studium absolvieren. Ich habe mich für den ersten Weg entschieden, und ich empfehle ihn jedem, der diese Art von Herausforderung mag. Man lernt schnell, weil man es muss. Aber seien Sie gewarnt, es kann gelegentlich zum anstrengenden Abenteuer werden – vor allem, wenn Sie wie ich mit minimalen Ressourcen beginnen und Sie Ihre Welt praktisch erst erschaffen müssen, bevor Sie sie bewohnen können.

Für viele Menschen ist die zweite Option vorzuziehen. Der Druck der Betriebsleitung liegt auf dem Arbeitgeber und man kann sich auf die Details konzentrieren. Ich denke, dass diese Herangehensweise eine viel höhere Erfolgsrate hat als die dritte. Sie haben bessere Chancen, später erfolgreich zu sein, wenn Sie bei einem guten Gärtner gearbeitet haben und viel lernen konnten, als wenn Sie an der Hochschule Landwirtschaft studiert haben. Das Ausbildungssystem vergangener Jahrhunderte brachte sehr kompetente Fachleute ihres Handwerks hervor. Wenn Sie lernen wollen, wie man etwas macht, gehen Sie direkt zu denen, die es gut machen. Zusätzlich zu den unschätzbaren praktischen Erfahrungen, die Sie sammeln können, werden Sie auch motivierter sein, etwas nachzulesen und aus Büchern zu lernen (erinnern Sie sich, wie unmotiviert viele von uns in der Schule waren?), weil Sie dann einen soliden Hintergrund haben und Ihre Fragen aus eigener Erfahrung und eigenem Interesse entstehen.

In einem meiner Lieblingsbücher, The Farming Ladder, erzählt der Autor George Henderson sowohl von seinen Erlebnissen als Lehrling, als er für andere Landwirte arbeitete, als auch von seiner späteren Rolle als Meisterlandwirt, der seine eigenen Schüler hatte.1 Während seiner Ausbildungszeit arbeitete Henderson auf vier verschiedenen Höfen, die er ausgewählt hatte, um einen möglichst breiten Hintergrund zu bekommen. Am meisten hat mich die Art und Weise beeindruckt, wie er sich voll und ganz in die Arbeit stürzte. Er ließ keine Gelegenheit aus, härter oder länger zu arbeiten, wenn es etwas Neues zu lernen gab. Er erzählt in seinem Buch, wie er ein Feuer in einem Heuhaufen bekämpfte – hustend vom Rauch, bedeckt mit Ruß, durchnässt vom Wasser – während ein zufällig vorbei kommender Bauer aus der Nachbarschaft zu ihm sagte, dass er ein glücklicher Bursche sei, weil er all diese Erfahrung auf Kosten eines anderen machen könne.

Später, als er selbst ein erfolgreicher Landwirt war, ging Henderson mit seinen Schülern genauso um, wie er mit sich umgegangen war. Er bot ihnen eine gute Ausbildung und erwartete im Gegenzug harte Arbeit. Er berichtet von Entlohnungssystemen, die damals üblich waren. Der Schüler erhielt Unterkunft und Verpflegung, musste aber in den ersten drei Monaten eine monatliche Gebühr an den Bauern zahlen. Nach drei Monaten, wenn der Lehrling ein tüchtiger Arbeiter war, zahlte der Bauer diese Gebühr monatlich als Gehalt für die folgenden drei Monate zurück. Wenn der Schüler also untätig war und sich bald wieder davonmachte, wurde der Bauer für seine Mühe entschädigt. Der Lehrling jedoch, der ausdauernd und hart arbeitete, erhielt sechs Monate lang eine gründliche Ausbildung zum Nulltarif. Angesichts der Gebühren für eine College-Ausbildung klingt das System ziemlich gut. Ein eifriger Schüler, der mit einem außergewöhnlich erfahrenen Landwirt zusammenarbeiten möchte, sollte vielleicht einen ähnlichen Vorschlag machen, um eingestellt zu werden.

1968: Aus der Wildnis Ackerland schlagen.

Nach den Berichten über seine Arbeit auf anderen Höfen fasst Henderson die gewonnenen Erkenntnisse in ein paar Sätzen zusammen. Sie decken sich gut mit meiner eigenen Erfahrung als autodidaktischer Anfänger. „Gute Landwirtschaft ist die kumulative Wirkung der bestmöglichen Nutzung von Land, Arbeit und Kapital. Es ist nicht die Anbaufläche, die Sie bewirtschaften, sondern die kontinuierliche Produktionsintensität, die den finanziellen Erfolg des Unternehmens bestimmt.“

Aber es ist nicht machbar, oder?

Die meisten Gebiete der Vereinigten Staaten wurden einst von kleinen, regionalen Bauernhöfen ernährt. Heute wird das als unerfüllbarer Traum angesehen. Selbst professionelle Landwirte bemängeln die Idee von wirtschaftlich lebensfähigen kleinen Höfen als visionär. Viele Agrarexperten sagen, dass es einfach nicht funktionieren kann. Ihre Meinung basiert vor allem auf wirtschaftlichen und produktionstechnischen Erkenntnissen aus landwirtschaftlichen Großbetrieben. Leider werden die Vorteile, die der kleine Betrieb mit sich bringt, kaum berücksichtigt.

Wenn man versteht, wie sich die ökonomischen und praktischen Bedingungen ändern, wenn kostengünstige Produktionsmethoden mit den richtigen Maschinen und Marketingkonzepten kombiniert werden, dann scheint der Fall keineswegs hoffnungslos. Tatsächlich wird die negative Meinung der „Experten“ durch die Anzahl der erfolgreichen Beispiele von kleinen Nahrungsmittelproduktionsbetrieben in zahlreichen Ländern widerlegt. Diese Zahl steigt täglich, da es immer mehr verbesserte, kostengünstige Technologien gibt und die Nachfrage der Verbraucher nach qualitativ hochwertigen regionalen Produkten wächst.

Meiner Erfahrung nach stellt bereits eine Fläche von 0,4 bis 0,8 Hektar eine äußerst produktive Größe für den Gemüseanbau dar. Die Managementfähigkeiten, die für einen Betrieb dieser Größe erforderlich sind, sind eher angenehm als beschwerlich. Für die kommerzielle Lebensmittelproduktion ist es eine überschaubare Größe – groß genug, um davon leben zu können, aber klein genug, um den Schwerpunkt auf Qualität zu legen; vielfältig genug, damit die Arbeit nie langweilig wird, aber kompakt genug, damit sie nie außer Kontrolle gerät.

Zwischen dem positiven Einzelbeispiel und dem anhaltenden Erfolg eines landwirtschaftlichen Unternehmens besteht natürlich eine Spanne. Letzterer kann sich nur einstellen, wenn das System in der Praxis Sinn macht, sich über Jahre hinweg bewährt hat und mit Fleiß und Verständnis verfolgt wird. Die Experten haben sich schon einmal geirrt, und sie werden es sicher wieder tun. Was sie im Fall der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe nicht erkannt haben, ist, dass es mit sorgfältiger Planung, Organisation und Willen nichts gibt, was „nicht gemacht werden kann“.2

Eine wichtige Frage

Obwohl es mein Ziel ist, in diesem Buch umfassende Informationen zusammenzutragen, gibt es eine Frage, die jeder Leser und jede Leserin für sich selbst beantworten muss. Solange die Antwort auf diese Frage nicht geklärt ist, helfen die besten Anleitungen der Welt nicht weiter. Ich möchte Sie direkt ansprechen. Die Frage lautet: „Warum wollen Sie Landwirt bzw. Landwirtin werden?“

Ich schlage vor, dass Sie sich mit Stift und Papier hinsetzen und sich ein paar Antworten auf diese Frage überlegen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der beste Weg, unklare Gedanken zu sortieren, darin besteht, Ideen in eine lesbare Form zu bringen. Ist es nur der idealisierte Lebensstil, nach dem Sie sich sehnen? Oder eine Erinnerung an Kindheitstage auf dem Land? Überlegen Sie genau, ob der Wunsch nach einem Bauernhof aus positiven Beweggründen gegenüber der Landwirtschaft entstanden ist oder als negative Reaktion auf ihre aktuellen Lebensumstände.

Unzufriedenheit mit Ihrem gegenwärtigen Job, eine Abneigung gegenüber dem Stadtleben oder ein empfundener Mangel an Abwechslung in Ihrem Leben können diese negative Reaktion hervorrufen. Oft werden mit dem Landleben naive Zukunftshoffnungen verbunden, weil es die idyllischen Fantasien erfüllt, die wir alle im Hinterkopf haben. Ich ermutige Sie, lange und gründlich darüber nachzudenken, was Sie wirklich ändern wollen, wohin Sie wirklich gehen wollen und warum.

In einer negativen Reaktion hat der Möchtegern-Landwirt plötzlich genug von der Stadt, vom Job ohne Perspektive oder der schlichten Langeweile und verrennt sich impulsiv in die Fantasie von frischer Luft und dem Leben auf dem Bauernhof. Im Gegensatz dazu entspringt eine positiv motivierte Aktion dem langjährigen Wunsch nach einem Hof, der vielleicht aus praktischen oder ökonomischen Gründen zurückgestellt wurde. Eine solche Entscheidung basiert auf dem Wissen um die harte Arbeit und Disziplin, die eine Tätigkeit in der Landwirtschaft erfordert. Bei einer positiven Motivation wurde der Schritt sorgfältig geplant, und der oder die Betreffende wartet nur darauf, dass alles auf seinen Platz fällt und der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

Unabhängig davon, ob Sie sich Ihrer Motivation bewusst sind oder nicht, gibt es eine Option, die eindeutig Sinn macht und die es wert ist, wiederholt zu werden – arbeiten Sie zunächst auf einem Bauernhof mit. Probieren Sie Ihre Idee aus, indem Sie zusammen mit jemand anderem arbeiten (und von ihm lernen). Erleben Sie die guten und die schlechten Zeiten, die tatsächlichen Gegebenheiten und die Belohnungen. Wenn möglich, arbeiten Sie auf mehr als einem Hof. Je mehr Hintergrundwissen und Erfahrung Sie sammeln können, desto besser wird es Ihnen gehen.

Die Voraussetzungen für den Erfolg in der Landwirtschaft sind die gleichen wie für jedes andere kleine Unternehmen: Organisationstalent, Fleiß, Finanzplanung, die Fähigkeit, lange zu arbeiten, und der Wille zum Erfolg. Hinzu kommen handwerkliches Geschick, Sensibilität gegenüber Lebewesen, ein hohes Maß an Gesundheit und Fitness und die Liebe zu dem, was man tut. Die Landwirtschaft bietet denjenigen, die den Anforderungen gewachsen sind und bei Schwierigkeiten nicht verzagen, eine befriedigende Herausforderung und eine Bereicherung, wie in keinem anderen Beruf.

KAPITEL VIER

Das Land

Jeder hat eine besondere Beziehung zum Land. Egal zu welchem Zeitpunkt oder an welchem Ort wir uns gerade befinden, die Sehnsucht nach einem idealen Platz auf dem Land ist sehr real. Ob das Bild aus Büchern, Kindheitserlebnissen oder aus den Tiefen unserer Seele stammt, es hat eine unauslöschliche Qualität. Bei unserem Traum-Bauernhof gibt es Felder, einen Obstgarten, einen Bach und große Bäume in der Nähe des perfekten Gehöfts, mit Scheunen und Nebengebäuden drum herum. Es ist leicht, solch einen Traum zu haben. Die Schwierigkeit besteht darin, einen solchen Ort zu finden, wenn man sich entschließt, einen zu kaufen.

Ich empfehle Ihnen, nicht zu versuchen, den perfekten Ort zu finden. Suchen Sie nicht nach dem fertigen Gemälde, sondern nach der unbemalten Leinwand. Jeder ideale Bauernhof begann einst als Feld und Waldgebiet. Seine Umwandlung war das Ergebnis von Planung, Organisation, Bauen und Bewirtschaften durch einen Vorgänger. Dies ist an sich schon ein befriedigender Prozess, und das Endergebnis kann weitaus erfolgreicher sein, wenn der Landwirt die Veränderungen selbst vornimmt. Das muss nicht so sein, es ist lediglich eine Anregung. Wenn Sie bereits einen produktiven, gut etablierten Hof besitzen oder erwerben können, dann tun Sie dies auf jeden Fall. Aber wenn das nicht möglich ist, dann zögern Sie nicht, unbebautes Land zu kaufen und den Betrieb selbst aufzubauen.

Die Zugabe von organischem Material macht jeden Boden fruchtbarer.

Unsere „Four Season Farm“ von einer Drohne aus fotografiert

Im Folgenden mache ich ein paar Vorschläge, was man beachten sollte, wenn man ein Stück Land mit der Perspektive betrachtet, es in eine erfolgreiche kleine Landwirtschaft zu verwandeln.

Bodenbeschaffenheit

Fast jeder Boden kann für den Anbau von Feldfrüchten nutzbar gemacht werden. Der Unterschied liegt in dem Aufwand, den man betreiben muss, um ihn entsprechend aufzubereiten. Je weniger ideal ein Boden zu Beginn ist, desto mehr Aufmerksamkeit muss auf die Modifizierung seiner Eigenschaften verwendet werden. Extreme Bodentypen erfordern einen unverhältnismäßig hohen Aufwand. Ein reiner Ton-, Sand- oder Kiesboden ist weniger wünschenswert als ein reichhaltiger Lehmboden. Andererseits erfordert die Umwandlung unvollkommener Böden zwar Zeit und Energie, aber das Ergebnis kann genauso produktiv sein wie die von vornherein vielversprechenderen Böden. Ich habe auf einem sehr sandig-kiesigen Boden, der anfangs einen pH-Wert von 4,3 hatte, großartige Produkte angebaut. Es brauchte ein paar Jahre, in denen ich gedüngt und gekalkt habe, Phosphor, Kalium und Spurenelemente zugegeben, Gründüngung gesät und einen Fruchtwechsel eingeführt habe, doch dann