Die Braut des Silberfinders - Peter Hereld - E-Book + Hörbuch

Die Braut des Silberfinders E-Book und Hörbuch

Peter Hereld

4,7

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Beschreibung

Unweit von Hildesheim, im Jahr 1234. Auf ihrer Reise nach Cölln machen der Araber Osman und sein Freund Robert der Schmale in einem Gasthof halt. Hier treffen sie auf Adara, eine rothaarige Schönheit. Robert ist sofort von ihr verzaubert, und es kommt zu einer Liebesnacht mit weitreichenden Folgen: Am nächsten Morgen fehlt nicht nur von Adara jede Spur, sondern auch vom Geld der beiden Freunde. Völlig mittellos beschließen Robert und Osman, der Diebin zu folgen. Die Spur führt in die Kaiserpfalzstadt Goslar und tief hinab in die Silbermine …

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Seitenzahl: 270

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Zeit:6 Std. 10 min

Sprecher:Martin Otto Wertsch
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Peter Hereld

Die Braut des Silberfinders

Historischer Roman

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© 2012 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

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Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2012

Lektorat: Sven Lang

Herstellung: Julia Franze

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Bildes von der Rückseite des

ANNO DOMINI 1234

Lang, lang ist’s her …

Die Welt, damals noch flach wie eine Scheibe …

… zersplittert in unzählige Herzog- und Fürstentümer, die Bevölkerung drangsaliert und ausgebeutet von dessen Herrschern, fand im Osten durch die wilden Horden des Mongolenfürsten Ugedai Khan ihre Grenzen und reichte im Westen bis zur Iberischen Halbinsel, auf der die christlichen Heere der Kastilier gerade die letzten Bastionen der Mauren zurückeroberten.

Reichtum und Willkür …

… weltlicher Potentaten wurde nur noch übertroffen von Einfluss und Geltung klerikaler Amtsträger. Die Schatzkammern etlicher Bistümer waren praller gefüllt als die der Herzöge, und nicht selten maßten sich eben jene, die Gottes Werkzeug sein sollten, seine Pracht und Herrlichkeit an. Andere wiederum, blind in ihrem Eifer Gott zu gefallen, machten aus Regenten gehorsame Söldner und zahlten ein fürstliches Salär, damit diese Armeen aufstellten, um die arabischen Heiden Gottes Barmherzigkeit zu lehren und die Heilige Stadt Jerusalem zurückzuerobern, alles im Namen und unter dem Banner des Kreuzes.

In jener Zeit, in der so manch ein Kirchenmann mehr zu sagen hatte als ein Burgherr, die Wissenschaft einzig und allein der Entwicklung neuer Kriegsapparaturen verpflichtet war, kleinste Wunden bereits den Tod bedeuten konnten und in der ein voller Magen mehr Wert hatte als das Leben des Nächsten, in jener Zeit also, durchstreiften zwei Männer Europa, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Osman Abdel Ibn Kakar, der eine, ein Araber aus Alexandria, einst Kammerdiener und rechte Hand eines byzantinischen Kaufmanns, nun auf der Flucht und fern seiner geliebten Heimat, gestraft mit der Gewissheit, sein Vaterland nie wieder betreten zu dürfen, bestens vertraut mit dem Gedankengut arabischer, griechischer und fernöstlicher Gelehrter und Philosophen, blitzgescheit, redegewandt und zuweilen, mehr als seiner Gesundheit zuträglich, überheblich und stolz.

Robert, der andere, in deutschen Landen geboren und doch nicht hier zu Haus. Als zwölfjähriger Novize verfiel er den verführerischen Worten des Nikolaus von Cölln und pilgerte gemeinsam mit zwanzigtausend Kindern über die Alpen nach Genua. Hier sollte sich das Meer vor ihnen teilen, auf dass sie trockenen Fußes Jerusalem erreichen würden, verhieß ihnen Nikolaus. Natürlich geschah nichts dergleichen und so gelangten die wenigen Überlebenden in die Gefangenschaft von Piraten und Halsabschneidern, die sie an der afrikanischen Küste als Sklaven verkauften. Roberts Martyrium endete in Alexandria. Dort wurde er mehr tot als lebendig von Osman aufgenommen und diente dessen Herrn über zwanzig Jahre. Vom Gemüt und bisweilen auch im Umgang mit seinen Zeitgenossen ist Robert eher von handfesterer Natur, ein Mann mit einer fast beängstigenden physischen Präsenz und doch im Kern, trotz seiner ruppigen Art, ein gutherziger Mensch.

Auf ihrem Weg nach Cölln machten sie unlängst in Hildesheim Rast. Völlig schuldlos gerieten sie in ein mörderisches Komplott, das ihnen beinahe das Leben gekostet hätte. Erst im letzten Moment konnte Schlimmeres verhindert und der wahrhaft Schuldige entlarvt werden. Nachdem ihre Wunden verheilt und die Kräfte gestärkt waren, setzten Robert und Osman schließlich ihre Reise nach Cölln fort …

Mittwoch, der dreißigste August Sommersprossen

»Lass sie mich aufbewahren, klingt’s mir noch im Ohr …«, lachte Osman ohne jede Freude, »… ich bin allemal der Vernünftigere von uns beiden und noch dazu nicht so ein Hungerhaken wie du. Bei mir ist unsere Börse sicher – drauf geschissen!«

Der blonde Riese zuckte zusammen, als ihm sein Gegenüber die letzten Worte förmlich entgegenspuckte.

»Robert, der Tugendhafte, wahres Ausbund an Kraft und Beherrschung, immer im Vollbesitz seiner Sinne …« Der Hagere schüttelte seinen Kopf, bevor er grimmig fortfuhr: »Von wegen beherrscht, ein elender Trunkenbold bist du, gerade mal imstande auf die schäbigen Lumpen achtzugeben, die du am Leib trägst. Wie konnte ich nur die Ersparnisse meines armen Vaters einem Saufaus wie dir anvertrauen? Der Irrsinn muss mich geritten haben!« Schwülstig rang Osman seine Hände gen Himmel.

Robert indes gab keinen Laut von sich, wusste er doch sehr wohl, dass jeder Einwand nur weitere Vorwürfe nach sich ziehen würde. Stattdessen schlug er kraftvoll seinen Schlägel aufs Eisen und hoffte dabei insgeheim, ein herausgebrochenes Stückchen Fels möge Osman auf die Füße fallen. Immer wieder trieb er so den Meißel in die Wand, scheinbar unermüdlich, obwohl selbst ein Mann mit seiner erstaunlichen Statur diese Art von Arbeit unmöglich lange durchhalten konnte.

»Lässt sich wie ein kleiner Junge von einer Hure um den Finger wickeln – hoffentlich bist wenigstens du auf deine Kosten gekommen, teuer genug ist uns deine Dummheit jedenfalls allemal gekommen …«

Wollte dieser Kerl denn gar keine Ruhe geben? Robert schlug sein Eisen weiterhin kraftvoll in den Fels, doch trotz seiner Wut auf Osman, das Mädchen und zuvörderst auf sich selbst, eine Wut, die ihn anstachelte, sein Blut zum Kochen brachte und neue Kräfte mobilisierte, wurden ihm allmählich die Arme schwer. Bald müsste er seine Arbeit ruhen lassen und sich Osmans Fragen stellen, so wie jeden Tag zuvor in den vergangenen vier Wochen. Das Schlimmste am ganzen Gezeter jedoch war, dass Osman mit seinen Vorhaltungen unbestritten richtig lag.

Teufel noch eins, wie konnte er auch so einfältig sein, ärgerte sich Robert erneut über sich selbst, und seine Wut ließ ihm Schlägel und Eisen für kurze Zeit leichter erscheinen.

Osman hatte schon recht – selbst ein kleiner Junge hätte sich nicht unbedarfter anstellen können.

Er ließ seinen Gedanken freien Lauf, Wochen zurück zum ersten Tag des Monats August. Wieder einmal hatte der Himmel seine Schleusen geöffnet, wie so häufig in diesem Land, in dem er geboren und aufgewachsen war und das er dennoch kaum kannte, da er den Großteil seines Lebens im fernen Alexandria zugebracht hatte.

Vor seinem geistigen Auge erschien die Pforte des Krugschenks, eines Gasthofs einige Tagesreisen westlich von Hildesheim. Und als wenn es gestern gewesen wäre, klang ihm erneut eine Stimme im Ohr, so sinnlich und zart, dass sie ihn sofort in ihren Bann zog …

»Herr, darf ich Euch aus Eurem nassen Wams helfen?«

Robert entsann sich, den Regen aus seinem Gesicht gewischt zu haben. Nur einige alte Männer und ein Kaufmann mit zwei finster dreinblickenden Gesellen, vermutlich besoldeten Aufpassern, füllten die Schenke mit behäbigem Leben.

Zarte Finger tippten ihm auf den Rücken.

Er drehte sich um und es war um ihn geschehen. Einen Kopf kleiner als er und damit immer noch ziemlich groß, erst recht für eine Frau, stand ihm das reizendste Geschöpf gegenüber, das er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Ein Paar strahlend blaue Augen schauten ihn fragend an. Sommersprossen, wildes, rot gelocktes Haar und ein schelmisches Lächeln verliehen der Schönheit ein spitzbübisches Erscheinungsbild.

Robert brachte kein Wort heraus und das Lächeln auf dem Gesicht des Mädchens verschwand, machte nun einer besorgten Miene Platz.

»Herr, geht es Euch nicht gut?«

Osman, der hinter Robert die Schenke betreten hatte, verdrehte angesichts der Sprachlosigkeit seines Freundes die Augen, während der Kaufmann für diese Szene nur einen blasierten Blick übrighatte. Seine Begleiter indessen grinsten gehässig und begannen zu flüstern.

»Habt keine Sorge, liebes Kind«, beendete Osman schließlich das unangenehme Schweigen. »Ihr müsst wissen, dass dieser Mann im tiefsten Walde groß geworden und aufgewachsen ist. Bis eben hat der arme Kerl außer seiner Mutter kein anderes weibliches Wesen zu Gesicht bekommen!«

Der Schankraum bebte vor Gelächter, nur das Mädchen schien noch unschlüssig, was sie vom eben Gehörten halten sollte. Robert spürte indes, wie ihm angesichts Osmans Worte das Blut in den Kopf stieg. Ein schöner Freund, der diese ohnehin schon peinliche Situation weiter auf die Spitze trieb.

»Der bedauernswerte Tropf wird für den Rest seines Lebens nur noch Enttäuschungen erleben«, ergänzte Osman und ließ einen vielsagenden Blick folgen.

Roberts Blut schäumte – nun begann dieser hinterhältige Kerl sogar, sich an das Mädchen heranzumachen, und das ganz ungeniert auf seine Kosten. Wenn nur nicht so viele andere dabei gewesen wären, und wenn er Osman nicht doch, trotz alledem, weiterhin ein wenig gemocht hätte, und wenn er zudem nicht eigentlich ein friedfertiger Mensch wäre, der keiner Seele etwas zuleide tun konnte, sofern es nicht unbedingt sein musste, ja, dann hätte er im gleichen Augenblick und ohne mit der Wimper zu zucken, Osmans Inneres nach außen gekehrt.

Er zwang sich zur Ruhe und langsam fiel die bleierne Starre von ihm, ganz allmählich zwar, aber stetig, füllte sich sein umnebeltes Hirn und seine Zunge mit neuem Leben. »Hört nicht auf diesen unverschämten Lump, der einmal mein Freund gewesen ist. Ab und an juckt es ihn voll Übermut, Scherze zu treiben auf Kosten anderer, doch bisweilen schießt er dabei übers Ziel hinaus«, hielt Robert dagegen und blickte zunächst in Richtung Osman, bevor er sich wieder dem Mädchen zuwandte: »Nehmt bitte meinen Überzieher, ich will ihn nur noch kurz auswringen, bevor Ihr ihn zum Trocknen aufhängt. Ihr müsst mir jedoch versprechen, Euch danach an unseren Tisch zu setzen und Eure Mühe mit einem guten Essen belohnen zu lassen!«

»Gerne, mein Herr.« Sie nahm Roberts Mantel entgegen und verschwand in Richtung Küche, dorthin, wo in einer Schenke auch im Sommer immer ein Ofen brannte.

Nachdem Robert und Osman die Pferde versorgt hatten, ohne dabei ein Wort miteinander gewechselt zu haben, setzten sie sich gemeinsam an einen derben, grob gehauenen Schanktisch. Rasch kam der Wirt zu ihnen, ein grantig dreinblickender, schwammig gebauter Mann mittleren Alters, und lud eine heftig dampfende Terrine, einen Laib Brot und einen Krug Wein bei ihnen ab. Osmans Bitte um Wasser wurde angewidert mit einem noch grimmigeren Blick quittiert. »Mögen der Herr zum Wasser denn noch etwas Heu?«, wurde er wenig gastfreundlich gefragt. Der Kaufmann und seine Begleiter lachten. Nun war es an Osman, den Spott der anderen über sich ergehen zu lassen, ein Gefühl, das dem stolzen Alexandriner gar nicht schmecken wollte. Dennoch ertrug er die Schmach widerspruchslos. Den ungehobelten Klotz über die strengen Regeln des Islam aufzuklären, hielt er in dieser düsteren Spelunke für unangebracht, zumal Araber zu jener Zeit der Kreuzzüge im Abendland alles andere als gern gesehen waren. Und auf einen handfesten Streit wollte es Osman erst recht nicht ankommen lassen, immerhin war der Wirt zwar nicht größer als er, aber mindestens doppelt so breit. Ein Blick auf Robert zeigte ihm zudem, dass er bei einer Rauferei von seinem Freund keine Hilfe erwarten konnte, lachte doch gerade er mit Abstand am lautesten über die Dreistigkeit des Wirtes.

Schweren Herzens schluckte Osman den Groll hinunter und widmete seine Aufmerksamkeit jener undefinierbaren, grauen Masse, die auf seinem Teller dampfte. Er wagte einen zaghaften Versuch davon und wurde überrascht, schmeckte der Brei doch gottlob bedeutend besser, als er aussah, es schien sogar etwas Fleisch darin zu sein. Ein kurzes Stoßgebet auf den Lippen und im Voraus um Vergebung bittend, sollte sich Schwein oder gar noch unreineres Getier wie Nager im Essen befinden, langte er zu, erheblich beherzter nun. Und je mehr sich sein Magen füllte, desto schneller verrauchte sein Zorn auf den Wirt, auf Robert und auf dieses ganze verfluchte Land, das die Sonne anscheinend ebenso selten zu sehen bekam wie ein Imam ein Frauenhaus von innen.

Robert stocherte indes lustlos mit seinem Holzlöffel im Essen herum. Ihm war flau im Magen und es wollte ihm nicht so recht schmecken. Immer wieder schaute er zur Küchentür, dorthin, wo vor geraumer Zeit die Rothaarige verschwunden war. Als er schon befürchtete, sie habe ihn versetzt und würde nie wieder auftauchen, öffnete sich die Tür zur Küche. Mit einem bezaubernden Lächeln kam sie an ihren Tisch und setzte sich eng an Roberts Seite. Neben einem leicht gewobenen Rock und einer hellen, lose am Busen geschnürten Bluse, umwehte sie der verführerische Duft von Rosenblättern.

»Um Euren Mantel habe ich mich gekümmert, mein Herr«, sagte sie zu Robert und wandte sich an Osman. »Wollt Ihr mir auch den Euren geben?«

Osman griff hinter sich zur Stuhllehne. »Sei so gut und wring ihn mir vorher aus, Robert.«

»Zieh ihn zuvor noch über, dann mach ich’s gern.«

Das Mädchen kicherte. Sie war die Einzige am Tisch, die Vergnügen an Roberts knurrigen Worten fand.

»Danke, mein Freund, aber dann muss es wohl auch ohne deine Hilfe gehen«, antwortete Osman, bevor er sich an das Mädchen wandte.

»Und auch ohne Eure, liebes Kind. Lasst es Euch erst einmal schmecken, die Pampe mundet bedeutend besser, als sie ausschaut. Der Mantel kann so lange warten!« Osman schenkte ihr Wein ein, während sie sich eine gehörige Portion Brei auf den Teller lud. »Ich heiße übrigens Osman Abdel Ibn Kakar, oder einfach nur Osman, Eurer Zunge zuliebe. Verratet Ihr mir Euren Namen?«

Sie stockte kurz, gerade so, als bereite ihr die Frage Kopfzerbrechen. »Anna, ohne was dazu. Einfach nur Anna.«

»Und ich heiße Robert, auch ohne etwas dazu«, brachte sich Robert ein und lächelte sie freundlich an. Sie lächelte zurück, zu lange für Osmans Geschmack.

»Und wo kommt Ihr her, Anna ohne was dazu?«, fragte er, um sich wieder ins Gespräch zu bringen, denn noch wollte er den Kampf um die Schöne nicht aufgeben. Wieder ließ ihre Antwort auf sich warten. Entweder, dachte sich Osman, ist sie reichlich schwer von Begriff, oder sie hat etwas zu verbergen.

»In Hameln bin ich geboren, und dorthin will ich auch wieder zurück«, sagte sie etwas zögerlich. Sie käme gradewegs aus Hildesheim, wo sie ihren Bruder zu Grabe getragen habe. In dieser Spelunke schließlich sei sie gestrandet, weil ein Kaufmann, mit dem sie von Hildesheim aus mitgereist sei, von hier aus den Handelsweg nach Norden nehmen musste. Seitdem warte sie auf Reisende in Richtung Hameln, um sich ihnen anzuschließen. Der Wirt, im Grunde ein herzensguter Mensch – Osman meinte nicht recht zu hören –, gäbe ihr hier so lange Obdach, dafür müsse sie sich nur ein wenig um die Gäste kümmern.

»Und ab und an lädt mich dann ein besonders Netter zum Essen ein«, sprach’s und lächelte lediglich Robert an.

Augenscheinlich bin ich Luft für sie und noch dazu überflüssiger am Tisch als ein Pickel am Arsch, dachte sich Osman, dessen Stolz an diesem Tage wirklich auf eine harte Probe gestellt wurde.

Ebenso wie Anna ausschließlich Robert fixierte, schien Robert nur Augen für Anna übrig zu haben. Als er ihr dann, für seine Verhältnisse unerwartet kühn, auch noch gestand, dass es ihre Schönheit war, die ihm die Sprache verschlug, empfahl sich Osman mit dem Vorwand, nach den Pferden schauen zu wollen. Es überraschte ihn nicht, dass keiner von beiden Anstalten machte, ihn davon abzuhalten.

Müde geworden vom langen Ritt im Regen und mit gut gefülltem Magen blieb er gleich im Stall und bereitete sein Schlaflager vor. Er überzeugte sich davon, dass die Pferde für die Nacht gut versorgt waren, und legte sich ins frisch aufgeworfene Stroh. Dass er den nächsten Tag ausgeruhter beginnen würde als sein Freund, war ihm in diesem Moment nur ein schwacher Trost.

Robert indes schwebte wie auf Wolken. Eine Frau wie Anna hatte er noch nie kennengelernt. Sie strotzte nur so vor Temperament und Lebenslust, ganz zu schweigen von ihrem atemberaubenden Aussehen. Und sie mochte ihn, das war ganz offensichtlich. Kurz nachdem Osman gegangen war, hatten sie den ersten Weinkrug geleert, es folgte rasch ein zweiter und dem zweiten ein dritter. Bald darauf hörte Robert mit dem Zählen auf, so wie er zugleich das Denken einstellte.

Irgendwann im Laufe der Nacht gingen sie gemeinsam nach oben, in das Zimmer, das ihnen der Wirt bereitet hatte. Das heißt, sie ging so leichtfüßig, als habe sie den ganzen Abend nur Wasser getrunken, während Robert stark torkelnd die berauschende Last des Weines anscheinend ganz allein für beide zusammen in seinen Beinen trug. Im Zimmer versagten ihm seine Knie endgültig den Dienst, kraftlos sank er rücklings auf die Matratze. Während sie, auf ihm sitzend, langsam sein Hemd öffnete, linste er mit trüben Augen dorthin, wo ihre lose geschnürte Bluse einen großzügigen Blick auf ihren Busen erlaubte, erst recht so herabgebeugt, wie sie jetzt auf ihm saß. Und dort, wo sich ihre Brüste warm und behaglich aneinanderschmiegten, entdeckte Robert plötzlich ein Muttermal, das munter auf und ab hüpfte, ganz im Einklang mit ihren Bewegungen. Frivol zwinkerte es ihm zu, komm und küss mich, schien es sagen zu wollen. Liebend gern hätte er es getan, allein ihm fehlte die Kraft sich aufzurichten, bereits ein zaghafter Versuch versetzte die Welt um ihn herum in wildem Taumel. So blieb er also liegen wie festgenagelt und ließ Anna gewähren, was auch nicht vom Schlechtesten war. Bald hatte er nur noch Augen für das Mal, das größer und immer größer wurde, bis schließlich alles in braunschwarzer Finsternis versank und die Nacht über ihn hereinbrach.

Mittwoch, der zweite August Katzenjammer

Die Sonnenstrahlen des neuen Tages drangen durch Roberts geschlossene Lider und brannten wie glühende Nadeln in seinem Kopf. Nach dem einen oder anderen Becher Wein zu viel hatte er sich bisweilen schon mal hundeelend gefühlt, diesmal jedoch wollte er am liebsten sterben. Sein Magen machte Bocksprünge, doch der säuerliche Gestank ringsumher zeigte ihm, dass zumindest diese Schmach bereits ausgestanden war. Zaghaft öffnete er seine Augen und sah einen Krug neben einer bronzenen Schale stehen, das Wasser für die morgendliche Wäsche. Er nahm einen kräftigen Zug, um zumindest den pelzigen Geschmack von der Zunge zu verscheuchen, doch es half nur bedingt, denn sofort machte sich wieder der Magen bemerkbar. Dennoch, sein Kopf wurde etwas klarer – klar genug, um den morgendlichen Katzenjammer mit einem Schlag völlig belanglos und nichtig erscheinen zu lassen.

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