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Für alle, die es nicht erwarten können: Eine Kurzgeschichte aus dem Band »Die Chroniken von Alice – Dunkelheit im Spiegelland« vorab als E-Book!
Es ist Gaben-Tag, und die junge Elizabeth Hargreaves macht sich hübsch, um wie alle anderen Kinder ihre Münze zu erhalten. Elizabeth ist aber nicht wie alle anderen Kinder: Sie hat ein Geheimnis, das sie nicht einmal mit Mama und Papa teilt. Doch jemand anderes weiß genau, was Elizabeth verbirgt – und dass sie einst eine Schwester mit dem Namen Alice hatte. Und dieser jemand ist im Besitz eines Glases, in dem ein kleiner lilafarbener Schmetterling gefangen ist. Um es zu öffnen, benötigt man die mächtige Magierin, die das Gefäß verschlossen hat – oder eben ihre kleine Schwester ...
Die erste Kurzgeschichte aus dem dritten Band »Die Chroniken von Alice – Dunkelheit im Spiegelland« exklusiv und vorab als E-Book!
Alle Bücher von Christina Henry:
Die Chroniken von Alice – Finsternis im Wunderland
Die Chroniken von Alice – Die Schwarze Königin
Die Chroniken von Alice – Dunkelheit im Spiegelland
Die Chroniken von Peter Pan – Albtraum im Nimmerland
Die Chroniken der Meerjungfrau – Der Fluch der Wellen
Die Chroniken von Rotkäppchen – Allein im tiefen, tiefen Wald
Die Bände (außer Alice) sind unabhängig voneinander lesbar.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 124
Buch
Es ist Gaben-Tag, und die junge Elizabeth Hargreaves macht sich hübsch, um wie alle anderen Kinder ihre Münze zu erhalten. Elizabeth ist aber nicht wie alle anderen Kinder: Sie hat ein Geheimnis, das sie nicht einmal mit Mama und Papa teilt. Doch jemand anderes weiß genau, was Elizabeth verbirgt – und dass sie einst eine Schwester mit dem Namen Alice hatte. Und dieser jemand ist im Besitz eines Glases, in dem ein kleiner lilafarbener Schmetterling gefangen ist. Um es zu öffnen, benötigt man die mächtige Magierin, die das Gefäß verschlossen hat – oder eben ihre kleine Schwester …
Die erste Kurzgeschichte aus dem dritten Band »Die Chroniken von Alice – Dunkelheit im Spiegelland« exklusiv und vorab als E-Book!
Alle Bücher von Christina Henry:
Die Chroniken von Alice – Finsternis im Wunderland
Die Chroniken von Alice – Die Schwarze Königin
Die Chroniken von Alice – Dunkelheit im Spiegelland
Die Chroniken von Peter Pan – Albtraum im Nimmerland
Die Chroniken der Meerjungfrau – Der Fluch der Wellen
Die Chroniken von Rotkäppchen – Allein im tiefen, tiefen Wald
Die Bände (außer Alice) sind unabhängig voneinander lesbar.
Autorin
Die Amerikanerin Christina Henry ist als Fantasyautorin bekannt für ihre finsteren Neuerzählungen von literarischen Klassikern wie »Alice im Wunderland«, »Peter Pan« oder »Die kleine Meerjungfrau« sowie für ihre Bestsellerreihe »Black Wings«. Christina Henry liebt Langstreckenläufe, Bücher sowie Samurai- und Zombiefilme. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Chicago.
CHRISTINA HENRY
DIECHRONIKEN VONALICE 3
EIN BEZAUBERNDES WESEN
Die erste Kurzgeschichte aus »Dunkelheit im Spiegelland« vorab als E-Book
Deutsch von Sigrun Zühlke
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel »Looking Glas – Lovely Creature« bei Berkley, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
E-Book-Ausgabe 2021 bei Penhaligon, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München.
Copyright der Originalausgabe © 2020 by Tina Raffaele
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2021 by Penhaligon in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.
Redaktion: Catherine Beck
BL * Herstellung: MR
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN: 978-3-641-28025-3V001
www.penhaligon.de
Für all die Mädchen, die sich selbst retten, und alle, die noch dabei sind, es zu lernen.
Elisabeth Violet Hargreaves hüpfte in ihrem neuen blauen Kleid die Treppe hinunter, ihr blondes Haar war zu ordentlichen Locken frisiert und mit passenden Bändern verziert. Sie konnte es kaum erwarten, Mama und Papa zu zeigen, wie hübsch sie darin aussah. Eben noch hatte sie vor dem Spiegel gestanden und ihre wunderbare Erscheinung von allen Seiten bewundert – bis ihre Zofe Dinah ihr gesagt hatte, dass es nun genug sei und sie lieber nach unten gehen solle, wenn sie das Frühstück nicht verpassen wolle.
Und Elizabeth wollte das Frühstück nicht verpassen. Zum leisen Verdruss ihrer Mutter verfügte sie über einen gesunden Appetit, und das Frühstück war ihre Lieblingsmahlzeit. Es gab immer Marmelade und Zucker für den Tee, und Elizabeth versäumte es nie, noch einen Klecks Marmelade extra auf ihren Toast zu geben oder einen Würfel Zucker zusätzlich in ihren Tee zu schmuggeln.
Wenn ihre Mutter sie dabei erwischte, gab sie diesen missbilligenden Zischlaut von sich, der Elizabeth an eine Schlange erinnerte, und sagte ihr, dass sie, wenn sie so weitermachte, noch rundlicher werden würde, als sie es sowieso schon war. Elizabeth störte es nicht besonders, rundlich zu sein. Sie fand, es ließ sie weich und süß aussehen, und sie war lieber weich und süß als hart und streng wie ihre Mutter.
Natürlich fand Elizabeth ihre Mama wunderschön – oder zumindest fand sie, dass unter all den scharfen Ecken und Kanten Schönheit lag. Sie hatte dasselbe blonde Haar wie Elizabeth, lang und dick. Wenn sie es abends löste, fiel es in lockigen Wellen bis auf ihre Hüfte hinab. Manche dieser Wellen waren inzwischen silbergrau geworden, auch wenn Elizabeth nicht dachte, dass Mama schon so alt war, ehrlich nicht, und dass das Silber auch irgendwie hübsch aussah, wenn sich das Licht darin fing.
Elizabeth hatte auch die Augen ihrer Mutter geerbt, ganz klar und blau. Aber früher hatte Mama häufiger gelacht, und in ihren Augenwinkeln hatten sich dabei fröhliche Fältchen gebildet. Heutzutage stand stets eine steile Falte zwischen ihren Augenbrauen, und Elizabeth konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann Mama zum letzten Mal gelacht hatte.
Nein, das stimmt nicht, dachte sie. Sie konnte sich an das letzte Mal erinnern, als Mama gelacht hatte. Es war vor Dem Besagten Tag gewesen.
Der Besagte Tag, so nannte Elizabeth für sich den Tag, an dem sie wie heute nach unten zum Frühstück gekommen war und ihr Vater mit aschgrauem Gesicht am Tisch gesessen hatte und aussah, als sei er innerhalb eines Augenblicks um zwanzig Jahre gealtert. Vor ihm lag die frisch gebügelte Morgenzeitung.
»Papa?«, hatte sie gefragt, aber er hatte sie nicht gehört.
Elizabeth war auf Zehenspitzen zu ihm getreten und hatte die Schlagzeile gelesen.
Brand im städtischen Irrenhaus
Keine Überlebenden – Augenzeugen berichten Grauenvolles
Darunter befand sich eine Photographie, die das Krankenhaus vor und nach dem Brand zeigte. Elizabeth starrte auf das »Vorher«-Bild. Das Gebäude wirkte auf sie, als starrte es sie an, als seien die Mauern lebendig, als lauere hinter ihnen etwas, das nach ihr greifen und sie packen und in sich hineinziehen könnte.
»Elizabeth«, hatte Papa gesagt, die Zeitung eilig zusammengefaltet und mit der Schlagzeile nach unten beiseitegelegt. »Was gibt es denn, mein Liebling?«
Sie zeigte auf das Essen, das vor ihm auf dem Tisch stand. »Frühstück. Hat Mama bereits gegessen?«
»N-nein«, sagte Papa. »Mama fühlt sich nicht gut. Sie schläft noch.«
Das war seltsam, denn Elizabeth war sicher, dass sie heute früh Mamas Stimme von unten gehört hatte. Doch Papa schien mit den Gedanken woanders zu sein (das war es, was Mama immer sagte: Papa war mit seinen Gedanken woanders), also hatte er vielleicht vergessen, dass Mama bereits auf gewesen war.
Elizabeth kletterte auf ihren Stuhl und breitete die Serviette auf ihrem Schoß aus, wie sie es tun sollte, und wartete darauf, dass Hobson ihr auftrug.
Der Butler trat vor, und Elizabeth sagte: »Eier und Toast, bitte, Hobson.«
Er nickte und hob den Deckel von dem Teller mit dem Ei. Als er das Ei mit einem großen Silberlöffel auf ihren Teller schob, bemerkte Elizabeth, dass seine Hand zitterte. Er nahm zwei Scheiben Toast aus dem Toastbrothalter und legte sie neben die Eier.
»Marmelade, Miss Alice?«, fragte Hobson und hielt ihr das Marmeladentöpfchen hin.
»Nicht Alice!«, zischte Papa durch die Zähne, und seine Stimme klang so scharf, dass Elizabeth vor Schreck zusammenfuhr. »Elizabeth.«
Hobson griff sich mit einer seiner zitternden Hände ins Gesicht, und Elizabeth beobachtete verwundert, dass er eine Träne wegwischte.
»Hobson, geht es Ihnen gut?«, fragte sie. Sie mochte den alten Butler ziemlich gern. Er hob immer eine süße Kleinigkeit für sie auf und steckte sie ihr beim Abendessen verbotenerweise zu.
»Ja, Miss Al… Elizabeth«, sagte er entschieden. »Es ist alles in Ordnung.«
Er stellte das Marmeladentöpfchen neben ihre Teetasse und zog sich wieder an seinen Platz an der Wand hinter Papa zurück. Elizabeth betrachtete ihn stirnrunzelnd.
»Papa, wer ist Alice?«, fragte sie.
»Niemand«, sagte Papa mit seiner Keine-Widerrede-Stimme. »Ich denke, Hobson hat an etwas anderes gedacht.«
Elizabeth ignorierte die Keine-Widerrede-Stimme. »Aber warum bist du dann so zornig geworden, als er ›Alice‹ gesagt hat?«
Da nahm Papas Gesicht einen seltsamen Ausdruck an, eine Mischung zwischen Ärger und Verwirrung. Seine Haut war kalkweiß mit hektischen roten Flecken, und er schien zu versuchen, die Worte herunterzuschlucken, die aus seinem Mund drängten.
»Das ist nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen müsstest, Elizabeth«, sagte er schließlich. »Lass dir dein Frühstück schmecken. Du darfst dir extra Marmelade nehmen, wenn du möchtest.«
Elizabeth wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Frühstücksteller zu, erfreut darüber, dass sie sich so viel Marmelade nehmen durfte, wie sie wollte. Doch sie war nicht so dumm, nicht zu merken, dass Papa nur versuchte sie abzulenken. Allerdings durfte sie es sich wohl erlauben, sich für einen Moment ablenken zu lassen, nahm sie an.
Und um die Wahrheit zu sagen, hatte sie den Zwischenfall am Frühstückstisch schon fast vergessen, als sie etwas später die Treppe hinaufging, um sich ein Buch zu holen und erstickte Laute aus Mamas Schlafzimmer hörte. Elizabeth legte das Ohr an die Tür und lauschte.
»Alice, Alice«, sagte Mama immer wieder, und es klang, als schluchzte sie.
»Alice«, sagte Elizabeth zu sich selbst, um sich den Namen zu merken. Er bedeutete etwas. Niemand wollte, dass sie davon erfuhr, aber er bedeutete mit Sicherheit etwas.
Elizabeth wusste nicht, warum sie ausgerechnet jetzt an Den Besagten Tag denken musste, während sie in ihrem hübschen Kleid die Treppe hinunterhüpfte. Der Besagte Tag war seltsam und verwirrend gewesen, weil alle Erwachsenen im Haus auf einmal nur noch gedämpft gesprochen hatten.
Ihre ältere Schwester Margaret war sogar mit der Kutsche von der anderen Seite der Stadt herübergekommen, um mit den Eltern im Salon zu sprechen, und Elizabeth war auf ihr Zimmer geschickt und unmissverständlich angewiesen worden, dort zu bleiben, während unten diese interessante Zusammenkunft stattfand.
Margaret war sehr viel älter als Elizabeth – zwanzig Jahre, um genau zu sein – und hatte selbst schon zwei Töchter. Diese Mädchen waren mit ihren neun und zehn Jahren genauso alt wie Elizabeth, aber sie mussten sie »Tante Elizabeth« nennen. Sie genoss es, die Autorität an den Tag zu legen, die darin lag, dass sie ihre Tante war. Es bedeutete, dass sie ihr gehorchen mussten, wenn sie ein bestimmtes Spiel spielten, sonst konnte sie sie ausschimpfen, ohne dafür Ärger zu bekommen.
Sie würde die beiden heute sehen, denn es war Gaben-Tag. Margaret würde mit ihrem Ehemann Daniel (der sie immer »Schwester Elizabeth« nannte und sie zum Lachen brachte, indem er ihre Wangen mit seinem Schnurrbart kitzelte) die Mädchen begleiten. Am Gaben-Tag kamen alle Familien der Stadt auf dem Großen Platz zusammen, damit die Kinder ihre Geschenke von den Stadtvätern entgegennehmen konnten.
Letztes Jahr hatte Elizabeth beobachtet, dass einige der Familien – sogar ihr eigener Papa – den Stadtvätern ihrerseits etwas gegeben hatten. Allerdings wusste sie nicht, was es war, denn das Geschenk hatte sich in einem versiegelten Umschlag befunden.
Vor der Tür zum Frühstückszimmer wartete sie kurz, um sicherzugehen, dass Papa und Mama darin waren, damit sie ihren großen Auftritt auch würdigen konnten, wenn sie hereinkam, und Oh und Ah rufen konnten, weil sie so hübsch aussah. Die beiden murmelten leise, während sie einander die Butter und die Marmelade reichten.
Dann rauschte sie hinein und blieb direkt im Türdurchgang wieder stehen, den Saum ihres Kleids mit beiden Händen gerafft. Mama hatte das Kleid noch nicht gesehen, weil Dinah mit ihr in das Geschäft gegangen war, um es auszusuchen. Es sollte eine Überraschung sein, und natürlich hatte auch ihr Haar noch nie so hübsch ausgesehen wie genau an diesem Morgen. Dinah hatte sich ganz besondere Mühe damit gegeben.
»Ta-daah!«, sagte Elizabeth und wartete auf ihren Applaus.
Stattdessen holte ihre Mutter erschreckt Luft und flüsterte: »Alice!«
Papas Gesicht wurde kreidebleich. Er sah Mama an und sagte in warnendem Ton: »Althea!«
Mama schlug sich die Hand vor den Mund, und Elizabeth hörte kleine Schluchzer durch ihre Finger hindurch.
Schon wieder Alice, dachte Elizabeth. Dieses Mal war sie eher verärgert, als dass der Name ihre Neugier weckte. Wer war diese Alice, dass sie ihr den Applaus stahl? Wo blieben ihre verdienten »Ohhs« und »Ahhs«?
»Was ist denn los, Mama?«, fragte Elizabeth. »Gefalle ich dir nicht in meinem neuen Kleid?«
Papa nahm sich Zeit, trank einen großen Schluck von seinem Tee und stellte die Tasse klappernd auf der Untertasse ab. Dann breitete er die Arme für sie aus, und Elizabeth ging zu ihrem Vater und kletterte auf seinen Schoß.
»Natürlich, mein Liebes, du siehst wunderhübsch aus. Ich habe nie ein so wunderhübsches Wesen gesehen wie dich.« Augenzwinkernd setzte er hinzu: »Außer deiner Mutter natürlich. Und du bist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.«
Elizabeth lächelte stolz über den Tisch hinweg zu Mama, der es schwerzufallen schien, sich zusammenzunehmen. Sie starrte Elizabeth an, als wäre sie ein Geist und nicht ihre Tochter.
»Du siehst auch sehr hübsch aus, Mama«, kam Elizabeth ihr entgegen.
Mama sah tatsächlich schön aus in ihrem weißen Kleid, das sie immer am Gaben-Tag trug. Es war ihr schönstes, und es wurde sonst nie aus dem Schrank geholt – nur einmal im Jahr für diesen besonderen Tag. Mama trug es meist mit einer rosafarbenen Schärpe um die Hüfte, aber diese Schärpe war durch eine blaue ersetzt worden, die von etwas dunklerem Blau war als Elizabeths Kleid. Elizabeth fragte sich, was wohl aus der anderen geworden sein mochte.
»Elizabeth hat gesagt, dass du schön aussiehst, Althea«, sagte Papa mahnend.
Es hörte sich an, als spräche er zu einem Kind, das an seine guten Manieren erinnert werden musste. So hatte sie Papa noch nie mit Mama sprechen gehört.
Mama schloss die Augen, holte zittrig Luft und schlug sie wieder auf. Der Geist hatte ihr Gesicht noch nicht ganz verlassen, aber sie sah wieder etwas mehr wie Mama aus.
»Vielen Dank, Elizabeth«, sagte Mama. »Du siehst bezaubernd aus in dem Kleid.«
Wenn Mama das so gesagt hätte, wie sie es sonst tat, hätte Elizabeth sich gewunden vor Stolz, aber es klang nicht so, wie Mama es normalerweise sagte. Es klang steif und hart, und Mama meinte es auch auch gar nicht wirklich, das merkte Elizabeth.
»Warum fängst du nicht schon mal an und frühstückst?«, sagte Papa und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel.
Das war das Signal für sie, von seinem Schoß zu gleiten und zu ihrem Stuhl zu gehen. Sie setzte sich an den Tisch, auch wenn der Tag eine Menge von seinem Glanz verloren hatte. Nun ja, vielleicht würden Daniel und Margaret ihr Kleid bewundern, wenn sie eintrafen.
Trotzdem, dachte Elizabeth, während sie sich einen extra großen Klecks Marmelade für ihren Toast gönnte, ich muss herausfinden, wer diese Alice ist.
Elizabeth war es leid, dass Alice ihr ihre Tage verdarb.
Nach dem Frühstück ging sie in den Garten, um sich die Zeit zu vertreiben, bis Margaret und Daniel und ihre Nichten kamen.
»Pass auf, dass du dein Kleid nicht schmutzig machst«, sagte Mama und klang dabei fast wieder normal.
Die Rosen standen in voller Blüte, fett und rot, und dufteten so stark, dass Elizabeth davon ganz träumerisch und benommen wurde. Mama liebte ihre Rosen so sehr, dass sie den Gärtner nicht in ihre Nähe ließ, sondern darauf bestand, sie selbst zu pflegen.