Die chronischen Krankheiten - Samuel Hahnemann - E-Book

Die chronischen Krankheiten E-Book

Samuel Hahnemann

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  • Herausgeber: Narayana
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Hahnemann war mit der homöopathischen Behandlung akuter Erkrankungen sehr erfolgreich. Er stieß jedoch immer wieder auf Heilungshindernisse bei chronischen Krankheiten. Trotz anfangs scheinbarer Heilung war häufig eine dauerhafte Gesundung nicht möglich. Hahnemann nahm an, dass dies auf ein tieferliegendes Grundübel zurückzuführen war. Von den Geschlechtskrankheiten wusste man schon damals, dass sie eine dauerhafte Wirkung auf den Organismus haben und sich sogar oft noch bei den Nachkommen späterer Generationen zeigen, auch wenn diese keinen direkten Kontakt mit der Erkrankung hatten. Hahnemann schloss daraus, dass diese Erkrankungen die Lebenskraft dauerhaft beeinflussen müssen. Auch akute Erkrankungen sind häufig nur ein Ausdruck solch einer chronischen Verstimmung. Deshalb mussten die gewählten Arzneimittel in der Lage sein, diese grundlegende Verstimmung zu beheben. Als diese Grundübel bezeichnete er deshalb die Syphilis, die Gonorrhoe (Sykose) und zusätzlich die Krätzkrankheit (Psora). Diese drei Übel bezeichnete er als „Miasmen“. In seinem ersten Band zu den “Chronischen Krankheiten” beschreibt Hahnemann ausführlich diese Miasmentheorie. Band 2-5 der „Chronischen Krankheiten“ enthalten Hahnemanns Arzneimittelprüfungen dieser antipsorischen Arzneien. Diese sind zusammen mit den Arzneimitteln aus der „Reinen Arzneimittellehre“ in dem Sammelwerk „Hahnemanns Arzneimittellehre“ erhältlich.

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Samuel Hahnemann

Die chronischen Krankheiten Theorieband

Ihre eigentümliche Natur und homöopathische Heilung

Samuel Hahnemann

Die chronischen Krankheiten

Ihre eigentümliche Natur und homöopathische Heilung

Nachdruck des ersten Bandes der zweiten Auflage von 1835, Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig

1. Auflage 2008

2. Auflage 2013

3. Auflage 2017

ISBN: 978-3-943309-85-0

Herausgeber:

Narayana Verlag GmbH,

Blumenplatz 2, 79400 Kandern

Tel.: +49 7626 974970-0

Fax: +49 7626 974970-999

E-Mail: [email protected]

www.narayana-verlag.de

© 2008, Narayana Verlag

Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags darf kein Teil dieses Buches in irgendeiner Form – mechanisch, elektronisch, fotografisch – reproduziert, vervielfältigt, übersetzt oder gespeichert werden, mit Ausnahme kurzer Passagen für Buchbesprechungen.

Hahnemann-Portät von Henry Scheffer, 1845

© Institut für Geschichte der Medizin der

Robert Bosch Stiftung, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Herausgeber

Vorwort zur ersten Ausgabe 1828

Natur der chronischen Krankheiten

Heilung der chronischen Krankheiten

Heilung

Sykosis

Syphilis

Psora

Die Arzneien

Begriffserklärungen

Samuel Hahnemann (1755-1843)

Vorwort der Herausgeber

Hahnemann war anfangs mit der homöopathischen Behandlung akuter Erkrankungen sehr erfolgreich, doch in den chronischen Fällen kam er mit der begrenzten Zahl geprüfter Arzneien aus seiner „Reinen Arzneimittellehre“ oft nicht weiter. So prüfte er neue Mittel, die er unter dem Titel „Die chronischen Krankheiten“ veröffentlichte. Der erste Band enthielt die neue Miasmentheorie, die seither für Zündstoff sorgte.

Durch Verfeinerungen seiner neuen Methode, die Mittel durch ihre Wirkungen an Gesunden zu erkennen, und durch neue Techniken der homöopathischen Anamnese fielen ihm neue Zusammenhänge bei chronischen Krankheiten und der Entwicklung ihrer Symptome auf. Daraus entwickelte er eine Theorie zur Entstehung und Behandlung chronischer Krankheiten. Diese erste homöopathische Klassifikation von Symptomen führte ihn anfangs zu den bekannten drei Hauptgruppen chronischer Krankheiten, die er Miasmen nannte: Psora, Sykosis und Syphilis. Dabei sieht er die Psora als Mutter aller chronischen Krankheiten, die sich als unterdrückter Krätzausschlag chronifizieren kann und auf die sich die Sykosis (chronische Folgen von Gonorrhoe) als eigenes Bild aufpflanzt. Nur von der Syphilis wusste man, dass sie als chronische Geschlechtskrankheit eine dauerhafte Wirkung auf die Lebenskraft des Organismus hat, dass sie ihr Symptomenbild völlig wandeln und sich sogar bei den Nachkommen noch zeigen kann. Dass auch Psora und Sykosis solche chronischen Infektionskrankheiten sind, war neu.

Seine umwälzende Theorie der chronischen Krankheiten liegt hier als getrennter Band neu gesetzt und mit behutsam modernisierter Rechtschreibung vor.1 Hahnemanns gesperrter Druck wurde dabei fett wiedergegeben, seine „Sternchen“ sind als Fußnoten zu finden.

Kandern, Januar 2008 Die Herausgeber

1 Band 2-5 der „Chronischen Krankheiten” einschließlich der „Reinen Arzneimittellehre” sind im gleichen Verlag unter dem Titel “Hahnemanns Arzneimittellehre” erschienen.

Vorwort

zur ersten Ausgabe 1828

Wüsste ich nicht, zu welcher Absicht ich hier auf Erden war – „selbst möglichst gut zu werden und umher besser zu machen, was nur in meinen Kräften stand“ – ich müsste mich für sehr weltunklug halten, eine Kunst vor meinem Tod zum gemeinen Besten hinzugeben, in deren Besitz ich allein war und welche daher, bei ihrer Verheimlichung, mir fort und fort möglichst einträglich zu machen, bei mir stand.

Indem ich aber der Welt diese großen Fund mitteile, bedauere ich, zweifeln zu müssen, ob meine Zeitgenossen die Folgerichtigkeit dieser meiner Lehren einsehen, sie sorgfältig nachahmen und den unendlichen daraus für die leidende Menschheit zu ziehenden Gewinn, welcher aus der treuen, pünktlichen Befolgung derselben unausbleiblich hervorgehen muss, erlangen werden – oder ob sie, durch das Unerhörte mancher dieser Eröffnungen zurückgeschreckt, sie lieber ungeprüft und unnachgeahmt, also ungenutzt lassen werden.

Wenigstens kann ich nicht hoffen, dass es diesen wichtigen Mitteilungen besser ergehen werde, als der schon bisher von mir vorgetragenen allgemeinen Homöopathie, wo man, aus Unglauben an die Kraft so kleiner und verdünnter (aber, was man übersah, desto zweckmäßiger für ihren homöopathischen Zweck in ihrer dynamischen Wirkungsfähigkeit entwickelter) Arzneigaben, wie ich sie nach tausend warnenden Versuchen endlich als die zweckmäßigsten der Arztwelt mitteilen konnte, lieber erst Jahre lang mit großen und größeren Gaben (meinen treuen Versicherungen und Gründen misstrauend) die Kranken in Gefahr setzte, und daher (wie zuerst ich, ehe ich zu dieser Herabstimmung der Gaben gelangte) den heilsamen Erfolg gewöhnlich nicht erleben konnte.

Was würden sie gewagt haben, wenn sie meinen Angaben gleich anfänglich gefolgt und gerade diese kleinen Gaben zuerst in Gebrauch gezogen hätten? Konnte ihnen da etwas Schlimmeres begegnen, als dass diese Gaben nicht halfen? Schaden konnten sie doch nicht! Aber bei ihrer unverständigen, eigenmächtigen Anwendung großer Gaben zu homöopathischem Gebrauch gingen sie nur, in der Tat, nur abermals denselben für die Kranken so gefahrvollen Umweg zur Wahrheit, den ich schon, um ihnen denselben zu ersparen, mit Zittern, aber glücklich zurückgelegt hatte, und mussten, nach Anrichtung manchen Unheils und nach vergeudeter schöner Lebenszeit, doch endlich, wenn sie wirklich heilen wollten, an dem einzig richtigen Ziel anlangen, was ich ihnen treulich und offen und mit Gründen längst zuvor schon dargelegt hatte.

Werden Sie es mit dem Ihnen hier mitgeteilten großen Fund besser machen!

Und wenn Sie‘s nun nicht besser damit machten – wohl! – so wird eine gewissenhaftere und einsichtigere Nachwelt den Vorzug allein haben, in treuer, pünktlicher Befolgung der hier folgenden Lehren, die Menschheit von den unzähligen Qualen befreien zu können, welche von den unnennbaren, langwierigen Krankheiten auf den armen Kranken lasteten, so weit die Geschichte reicht – eine Wohltat, welche durch das bisher schon von der Homöopathie Gelehrte noch nicht zu erreichen war.

***

Natur der chronischen Krankheiten

Bisher erwies überall die treu befolgte, homöopathische Heilkunst, wie sie in meinen und meiner Schüler Schriften gelehrt worden war, ihren natürlichen Vorzug vor jedem allöopathischen Verfahren bei allen die Menschen nicht nur schnell befallenden (akuten) Krankheiten, sondern auch bei den epidemischen Seuchen und sporadischen Fiebern sehr entschieden und auffallend.

Die venerischen Krankheiten wurden von der Homöopathie ebenfalls weit sicherer, unbeschwerlicher und ohne Nachwehen gründlich geheilt, indem sie, ohne die örtlich entstandenen Übel weder zu stören noch zu zerstören, das innere Grundübel durch das beste spezifische Mittel einzig von innen vernichtete und heilte.

Aber die Zahl der übrigen langwierigen Krankheiten auf der weiten Erde war ungleich größer, ja ungeheuer groß, und blieb es.

Ihre Behandlung durch die bisherigen allöopathischen Ärzte diente bloß zur Erhöhung der Plagen dieser Art Kranken; denn es wurde von ihnen mit aller der Menge ekelhafter Gemische, aus heftigen Arzneisubstanzen in großen Gaben vom Apotheker zusammengesetzt, deren einzelne wahre Wirkung ihnen unbekannt war, mit allen den vielerlei Bädern, den Schweiß oder Speichel in Menge hervortreibenden, den (schmerzstillenden?) Betäubungsmitteln, den Klistieren, den Einreibungen, Bähungen, Räucherungen, den Ziehpflastern, Exutorien, Fontanellen, vorzüglich aber den ewigen Laxanzen, Blutegeln, Blutabzapfungen und Hungerkuren oder wie die, gewöhnlich der Mode folgenden, medizinischen Qualen sonst noch alle heißen mögen, teils das Übel ärger gemacht und die Lebenskraft, allen Zwischengebrauchs angeblicher Stärkungsmittel ungeachtet, mehr und mehr vermindert, teils, wenn eine auffallende Änderung von ihnen bewirkt worden war, statt des bisherigen Leidens ein anderer, schlimmerer krankhafter Zustand, namenlose Arzneikrankheiten (ungleich schlimmere, unheilbarere als die anfängliche natürliche) herbeigeführt unter der Tröstung des Arztes: „die alte Krankheit habe er glücklich gehoben; es sei zwar Schade, dass sich eine neue (?) Krankheit zeige, er hoffe aber, mit deren Besiegung eben so glücklich fertig zu werden, wie mit der ersteren.“ – Und so ging es dann, unter Abänderung der Formen des selben Übels und unter Zusatz neuer, von den unrechten, schädlichen Arzneien erzeugten Übel, in der Steigerung der Leiden des Kranken fort, bis mit dem letzten Atemzug auch die Klagen des Bedauernswürdigen auf immer verhallten und die Angehörigen mit der tröstlichen Vorspiegelung beschwichtigt wurden: „es sei doch nun alles Erdenkliche bei dem Verblichenen gebraucht und angewendet worden.“

Nicht so die große Gabe Gottes, die Homöopathie!

Selbst in diesen übrigen Arten chronischer Krankheiten leisteten ihre Jünger – wenn sie den Kranken nicht schon zu sehr durch allöopathische Kuren (wie doch leider so oft, im Fall etwas Geld an ihm zu verdienen gewesen) verdorben und zu Grunde gerichtet fanden – unter Befolgung dessen, was meine bisherigen Schriften und meine ehemaligen mündlichen Vorträge hiervon lehrten, doch bei weitem mehr, als alle bisherigen sogenannten Kurarten.

Nach dieser naturgemäßeren Handlungsweise konnten sie den gegenwärtigen, chronischen Leidenszustand, welchen sie nach allen sinnlich wahrnehmbaren Symptomen ausgeforscht vor sich liegen hatten, mit dem unermüdet aufgesuchten, unter den bisher auf ihre reine, wahre Wirkung geprüften, am meisten passenden, homöopathischen Mittel in der kleinsten Gabe (ohne Beraubung des Kranken an Säften und Kräften, wie die Allöopathie der gewöhnlichen Ärzte) in oft kurzer Zeit beseitigen, sodass der Kranke gebessert wieder frohe Lebenstage genießen konnte – Besserungen, welche alles, was je die Allöopathie in seltenen Fällen durch einen Glücksgriff in die Arzneibüchsen irgendeinmal erreicht hatte, immer noch bei weitem übertraf.

Die Beschwerden wichen durch eine sehr kleine Gabe desjenigen Arzneimittels, welches die gegenwärtige Reihe von Krankheitszufällen am gesunden Menschen ähnlich hervorbringen zu können, schon erwiesen hatte, großenteils, und wenn das Übel nicht gar zu alt, nicht in hohem Grade und nicht zu sehr allöopathisch verdorben war, oft auf eine geraume Zeit, sodass die Menschheit schon ob dieser Hilfe sich glücklich preisen konnte und, nicht selten, wirklich pries. Der so Behandelte konnte sich ziemlich für gesund halten und hielt sich selbst nicht selten dafür, wenn er seinen nunmehrigen, gebesserten Zustand billig beurteilte und ihn mit dem weit leidvolleren vor der homöopathischen Hilfe in Vergleichung stellte.1

Doch oft schon etwas grobe Diätsünden, eine Verkältung, der Zutritt einer vorzüglich rauen, nasskalten oder stürmischen Witterung sowie der (auch noch so milde) Herbst, besonders aber der Winter und der winterliche Frühling, dann eine heftige Anstrengung der Körpers oder Geistes, besonders aber die Gesundheitserschütterung durch eine äußere, große Beschädigung oder ein sehr trauriges, das Gemüt beugendes Ereignis, öfterer Schreck, großer Gram und Kummer und anhaltende Ärgernis brachten oft, (wenn die anscheinend geheilte Krankheit eine schon weiter entwickelte Psora zum Grund gehabt hatte, oder) bei einem geschwächten Körper, gar bald wieder das eine oder mehrere der schon besiegt geschienenen Leiden, auch wohl mit einigen ganz neuen Zufällen verschlimmert, hervor, welche, wo nicht bedenklicher, als die vordem homöopathisch beseitigten, doch oft ebenso beschwerlich und nun hartnäckiger waren. In letzterem Fall gab der homöopathische Arzt das nunmehr hier, als gegen eine neue Krankheit gerichtete, unter den gekannten am meisten passende Arzneimittel natürlich wieder mit ziemlichem Erfolg, welcher den Kranken abermal in einen bessern Zustand vor der Hand versetzte. Im erstern Fall hingegen, wo bloß die schon getilgt geschienenen Beschwerden sich, nach oben erwähnten Veranlassungen, wieder erneuerten, half das zum ersten Mal dienlich gewesene Mittel doch weit weniger vollkommen und bei seiner abermaligen Wiederholung noch weniger. Dann kamen wohl gar unter der Wirkung des angemessenst geschienenen homöopathischen Arzneimittels, selbst bei untadelhafter Lebensweise des Kranken, neue Krankheitssymptome hinzu, welche mit anderen möglichst passenden Arzneien doch nur dürftig und unvollkommen beseitigt werden konnten – auch wohl gar nicht gebessert wurden, wenn obgedachte widrige Ereignisse von außen die Besserung hinderten.

Es pflegte wohl zuweilen ein freudiges Geschick oder eine durch Glück verbesserte äußere Lage seiner Umstände, eine angenehme Reise, günstige Jahreszeit und trockene, gleichförmige Witterung einen merkwürdigen Stillstand in dem chronischen Übel des Kranken hervorzubringen von kürzerer oder längerer Dauer, wo dann der Homöopathiker den Kranken für ziemlich genesen halten konnte, und der Kranke, wenn er erträgliche, mäßige Übel gutmütig übersah, sich selbst für gesund hielt; aber dieser günstige Stillstand war doch nie von langer Dauer, und die Rückkehr und öftere Rückkehr der Übel ließ am Ende auch die bestgewählten, bis dahin bekannten, homöopathischen Arzneien in der geeignetsten Gabe, je öfterer sie wiederholt wurden, desto weniger hilfreich; sie blieben zuletzt kaum schwache Erleichterungsmittel. Gewöhnlich aber blieben nach öfters versuchtem Besiegen des immer etwas abgeändert sich wieder hervortuenden Übels Beschwerden übrig, welche die bisher ausgeprüften, nicht wenigen, homöopathischen Arzneien ungetilgt, ja oft unvermindert lassen mussten – immer andere und andere Beschwerden, auch wohl immer beschwerlichere und in der Folgezeit bedenklichere – selbst bei tadelloser Lebensweise des Kranken und bei pünktlicher Folgsamkeit desselben. Das chronische Siechtum ließ sich durch alles dies im Grunde nur wenig in seinem Fortgang vom homöopathischen Arzt aufhalten und verschlimmerte sich dennoch von Jahr zu Jahr.

Dies war und blieb der schnellere oder langsamere Vorgang solcher Kurzen aller unvenerischen, beträchtlichen, chronischen Krankheiten, selbst wenn sie genau nach den Lehren der bis hierher bekannten homöopathischen Kunst geführt zu werden schienen. Ihr Anfang war erfreulich, die Fortsetzung minder günstig, der Ausgang hoffnungslos.

Und dennoch war die Lehre selbst auf die unumstößlichsten Pfeiler der Wahrheit gestütztund wird es ewig sein. Die Beglaubigung ihrer Vortrefflichkeit, ja, ich möchte sagen (- so weit sich dies von menschlichen Dingen sagen lässt -) ihrer Untrüglichkeit hat sie durch Tatsachen der Welt vor Augen gelegt.

Sie, die Homöopathie, lehrte allein und zuerst die großen, in sich abgeschlossenen Krankheiten, das alte, glatte Sydenhamische Scharlachfieber, das neuere Purpurfriesel, den Keuchhusten, die häutige Bräune, die Feigwarzenkrankheit, die Herbstruhren mit den spezifisch helfenden homöopathischen Arzneien heilen; selbst die hitzigen Seitenstiche und die typhösen kontagiösen Seuchen müssen durch wenige kleine Gaben richtig homöopathisch gewählter Arznei sich bald von ihr in Gesundheit verwandeln lassen.

Woher also jener weniger günstige, jener ungünstige Erfolg von fortgesetzter Behandlung der unvenerischen chronischen Krankheiten selbst durch die Homöopathie? Woran lag es bei den Tausenden fehlgeschlagener Bemühungen, die übrigen Krankheitsfälle langwieriger Art so zu heilen, dass dauerhafte Genesung davon erwüchse?

Vielleicht an der noch zu geringen Zahl der auf ihre reinen Wirkungen ausgeprüften, homöopathischen Heilwerkzeuge!

Hiermit trösteten sich bisher die Schüler der Homöopathie; aber dem Gründer derselben genügte diese Ausflucht oder dieser sogenannte Trost nie – auch schon deshalb nicht, weil auch der von Jahr zu Jahr sich mehrende, neue Zuwachs an geprüften, kräftigen Arzneimitteln die Heilung der chronischen (unvenerischen) Krankheiten um keinen Schritt weiter brachte, zumal da doch akute (nicht schon beim Beginn den unvermeidlichen, nahen Tod verheißende) Krankheiten beim richtig angebrachtem homöopathischen Arzneigebrauch nicht nur erträglich beseitigt, sondern mit Hilfe der nie ruhenden Lebenserhaltungskraft in unserm Organismus bald und völlig hergestellt zu werden pflegen!

Warum kann nun diese, durch homöopathische Arznei wirksam affizierte, zur Herstellung der Integrität des Organismus erschaffene und unermüdet zur Vollendung der Genesung bei selbst schweren akuten Krankheiten tätige, erfolgreiche Lebenskraft in jenen chronischen Übeln, selbst mit Hilfe der die gegenwärtigen Symptome bestens deckenden homöopathischen Arzneien, keine wahre, dauernde Genesung zu Stande bringen? Was hält sie davon ab?

Dieser so natürlichen Frage Beantwortung musste mich auf die Natur dieser chronischen Krankheiten hinführen.

Den Grund also auszufinden, warum alle die von der Homöopathie gekannten Arzneien keine wahre Heilung in gedachten Krankheiten bringen und eine, wo möglich richtigere und richtige Einsicht in die wahre Beschaffenheit jener Tausende von ungeheilt bleibenden – bei der unumstößlichen Wahrheit des homöopathischen Heilgesetzes, dennoch ungeheilt bleibenden – chronischen Krankheiten gewinnen konnten, diese höchst ernste Aufgabe beschäftigte mich seit den Jahren 1816, 1817 bei Tag und Nacht und, siehe! der Geber alles Guten ließ mich allmählich in diesem Zeitraum durch unablässiges Nachdenken, unermüdete Forschungen, treue Beobachtungen und die genauesten Versuche, das erhabene Rätsel zum Wohl der Menschheit lösen.2

Die durchgängig sich wiederholende Tatsache, dass die auch auf die beste Weise mit den bis dahin ausgeprüften Arzneien homöopathisch behandelten, unvenerischen chronischen Übel nach ihrer wiederholten Beseitigung dennoch, und zwar immer in einer mehr oder weniger abgeänderten Gestalt und mit neuen Symptomen ausgestattet wiederkehrten, ja alle Jahre mit einem Zuwachs an Beschwerden wiederkehrten, gab mir den ersten Aufschluss: dass der homöopathische Arzt bei dieser Art chronischer Übel, ja bei allen (unvenerischen) chronischen Krankheitsfällen, es nicht allein mit der eben vor Augen liegenden Krankheitserscheinung zu tun habe, sie nicht für eine in sich abgeschlossene Krankheit anzusehen und zu heilen habe – welche sonst in kurzer Zeit und auf immer homöopathisch getilgt und geheilt worden sein müsste, wie doch die Erfahrung und der Erfolg widerlegte – sondern dass er es immer nur mit einem abgesonderten Teil eines tief liegenden Urübels zu tun habe, dessen großer Umfang in den von Zeit zu Zeit sich hervortuenden neuen Zufällen sich zeige, dass er daher sich keine Hoffnung machen dürfe, die einzelnen Krankheitsfälle dieser Art, in der bisherigen Voraussetzung, als seien sie für sich bestehende, in sich abgeschlossene Krankheiten, dauerhaft zu heilen, sodass sie selbst nie wieder und auch keine anderen, neuen, beschwerlicheren Symptome an ihrer Stelle wieder hervorsprossen, dass er folglich möglichst den ganzen Umfang aller der demunbekannten Urübel eigenen Zufälle und Symptome erst kennen müsse, ehe er sich Hoffnung machen könne, eine oder mehrere, das ganze Grundübel mittels ihrer eigentümlichen Symptome homöopathisch deckende Arzneien auszufinden, durch welche er dann das Siechtum in seinem ganzen Umfang, folglich auch seine einzelnen Glieder, das ist, alle seine in so verschiedenen Krankheitsfällen erscheinenden Krankheitsfragmente heilkräftig zu besiegen und auszulöschen im Stande wäre.

Dass aber das gesuchte Urübel noch überdies miasmatisch chronischer Natur sein müsse, zeigte sich mir klärlich in dem Umstand, weil es nie, sobald es bis zu einiger Höhe gediehen und entwickelt war, durch die Kraft einer robusten Konstitution aufgehoben, nie durch die gesundeste Diät und Lebensordnung besiegt wird oder von selbst erlischt, sondern mit den Jahren sich immer mehr, durch Übergang in andere, bedenklichere Symptome3, verschlimmert bis ans Ende des Lebens, wie jede chronische, miasmatische Krankheit, zum Beispiel die nicht mit Quecksilber, ihrem Spezifikum, von innen geheilte, in Lustseuche übergegangene, venerische Schankerkrankheit, welche ebenfalls nie von selbst erlischt, sondern (auch bei der besten Lebensweise und der robustesten Körperkonstitution) mit jedem Jahr zunimmt und immer in neuen und schlimmeren Symptomen sich entfaltet, ebenfalls bis ans Ende des Lebens.

So weit war ich, als ich bei meinen Forschungen und Beobachtungen an solchen (unvenerischen) chronischen Kranken gleich anfänglich schon wahrnahm, dass die Verhinderung der Heilung der (täuschend als eigene und in sich abgeschlossene Krankheit erscheinenden) mancherlei Krankheitsfälle auf homöopathischem Wege mit den bis dahin ausgeprüften Arzneien, in den meisten Fällen, in einem, nicht selten geständigen, vormaligen Krätzeausschlag nur gar zu oft zu liegen schien; auch datierte sich gewöhnlich der Anfang aller ihrer nachgängigen Leiden von dieser Zeit her. Zudem hatte sich bei ähnlichen chronischen Kranken, welche eine solche Ansteckung nicht gestanden, auch wohl, was noch häufiger war, aus Unachtsamkeit nicht bemerkt hatten oder sich derselben wenigstens nicht erinnern konnten, nach meiner sorgfältigen Nachforschung dennoch gemeiniglich ausgewiesen, dass sich kleine Spuren davon (einzelne Krätzebläschen, Flechten u.s.w.) bei ihnen von Zeit zu Zeit, wenn auch selten, gezeigt hatten, als untrügliche Zeichen der ehemaligen Ansteckung dieser Art.

Diese Umstände, in Verbindung mit der Tatsache, dass unzählige Beobachtungen der Ärzte4, so wie nicht selten meine eigenen Erfahrungen gelehrt hatten, wie auf durch böse Kunst unterdrückten oder durch andere Ereignisse von der Haut verschwundenen Krätzeausschlag chronische Leiden mit gleichen oder ähnlichen Symptomen, bei sonst gesunden Menschen, augenscheinlich gefolgt waren, konnten mir keinen Zweifel übrig lassen über den inneren Feind, mit welchem ich es bei ihrer ärztlichen Behandlung zu tun hatte.

Nach und nach lernte ich hilfreichere Mittel gegen dieses so viele Leiden erzeugende Urübel, das ist, gegen die mit einem allgemeinen Namen zu benennende Psora (innere Krätzekrankheit mit oder ohne ihren Hautausschlag) finden, und es wurde mir dann beim Gebrauch dieser Arzneien in ähnlichen chronischen Krankheiten, welchen der Kranke eine solche Ansteckung auch nicht nachweisen konnte, durch die erfolgende Hilfe einleuchtend, dass auch diese Fälle, wo der Kranke sich keiner Ansteckung dieser Art erinnerte, dennoch von der ihm vielleicht schon in der Wiege oder sonst unerinnerlich mitgeteilten Psora herrühren müssten, was dann auch bei sorgfältigerer Nachforschung bei den Eltern oder alten Anverwandten sehr oft seine Bestätigung fand.

Die genaueste Beobachtung der Hilfskraft der schon in den ersten dieser elf Jahre hinzugefundenen antipsorischen Mittel belehrte mich immer mehr, wie häufig sowohl die mäßigen, als die größeren und größten chronischen Krankheiten dieses Ursprungs seien.

Sie belehrte mich, dass nicht allein die meisten jener vielerlei Hautausschläge, welche Willan mit ängstlicher Mühe von einander schied und mit eigenen Namen belegte, sondern auch fast alle Afterorganisationen von der Fingerwarze an, bis zu den größten Balggeschwülsten, von den Fingernägelverunstaltungen an, bis zu den Knochengeschwülsten und den Verkrüppelungen des Rückgrats und mehreren anderen Erweichungen und Verbiegungen der Knochen im zarten und späteren Alter, dass häufiges Nasenbluten ebenso wohl als die Blutanhäufungen in den Venen des Mastdarms und des Afters oder die Blutentleerungen aus denselben (blinde oder fließende Hämorrhoiden) sowie der Bluthusten oder das Bluterbrechen oder Blutharnen, und ebenso wohl die fehlende als die zu häufige weibliche Monatszeit, der mehrjährige Nachtschweiß ebenso wohl als die pergamentartige Dürre der Haut, der mehrjährige Durchfall ebenso wohl als die stete Hartleibigkeit und Leibverstopfung, die langwierigen Schmerzen hier oder da ebenso wohl als die langjährig wiederkehrenden Konvulsion, die chronischen Geschwüre und Entzündungen, Hypersarkosen und Geschwülste sowohl als die Abzehrungen, die Überempfindlichkeit sowohl als die mancherlei Fehler oder der Mangel der Sehkraft, des Gehör-, Geruch-, Geschmack- und Tastsinnes, der übermäßige sowohl als der erloschene Geschlechtstrieb, sowohl die Geistes- als die Gemütskrankheiten vom Blödsinn bis zur Exstase, von der Schwermut bis zur Wut, die Ohnmachten und Schwindel wie die sogenannten Herzkrankheiten, die Unterleibsübel samt allem, was man unter Hysterie und Hypochondrie begreift – mit einem Wort, dass Tausende von der Pathologie mit verschiedenen Namen belegter, langwieriger Leiden des Menschen – mit wenigen Ausnahmen, wahre Abkömmlinge einzig der vielgestaltigen Psora seien. Sie belehrte mich bei fortgesetzten Beobachtungen, Vergleichungen und Versuchen in den letztern Jahren, dass die in ihnen auffallenden Beschwerden so ungemein abweichenden und bei den verschiedenen Kranken so höchst verschieden scheinenden langwierigen Leiden und Gebrechen Leibes und der Seele (wenn sie nicht zu den beiden venerischen Übeln, der Syphilis und der Sykosis zu zählen sind) alle nur teilweise Äußerungen jenes uralten chronischen Aussatz- und Krätze-Miasmas, das ist, bloß Abkömmlinge eines und desselben ungeheueren Urübels, sind, dessen fast zahllosen Symptome auf gleiche Weise nur ein Ganzes bilden und daher nur als Glieder einer und derselben Krankheit anzusehen und ärztlich zu behandeln sind, wie in einem großen epidemischen Typhus (z.B. dem im Jahr 1813), wo der eine Kranke nur an einigen dieser Seuche eigenen Symptomen darnieder liegt, ein zweiter Kranker wieder an nur einigen, aber anderen Zufällen leidet, indes ein dritter, vierter u.s.w. zum Teil wieder andere, dieser Epidemie zugehörige Übel klagt, während sie doch alle an einem und demselben pestartigen Fieber kranken und nur die von allen oder vielen dieser Kranken zusammen genommenen Symptome das ganze und vollständige Bild des zu der Zeit herrschenden Typhus darstellen, wofür das oder die paar homöopathisch gefundenen Heilmittel5 den ganzen Typhus heilen und daher auch bei jedem einzelnen Kranken sich spezifisch hilfreich erweisen, ob er gleich nur an von denen der anderen abweichenden Symptomen leidet und fast jeder an einer anderen Krankheit zu leiden scheint.6

Eben so, nur in weit größerem Maßstab, ist es auch mit der Psora beschaffen, jenem Grundübel so vieler chronischen Siechtum, deren jedes von dem anderen wesentlich verschieden zu sein scheint, es aber im Grunde nicht ist, wie schon die Übereinkunft mehrerer, ihnen gemeinsamer, während ihres allmählichen Verlaufs sich zeigender Symptome und so auch ihrer aller Heilung durch dieselben Heilmittel dartut.

Alle chronischen Krankheiten der Menschen – auch die sich selbst überlassenen, nicht durch verkehrte Behandlung verschlimmerten – zeigen, wie gesagt, eine solche Beharrlichkeit und Ausdauer, dass, sobald sie sich entwickelt haben (und durch die Kunst nicht gründlich geheilt werden), sie mit den Jahren immer mehr zunehmen und lebenslang durch die eigenen Kräfte selbst der robustesten Natur, auch bei der gesundesten Lebensart und Diät nicht gemindert, und noch weniger besiegt und ausgelöscht werden, nie also von selbst vergehen, sondern wachsen und sich verschlimmern bis zum Tod. Sie müssen daher sämtlich festständige chronische Miasmen zum Ursprung und zum Grund haben, wodurch ihre Parasitenexistenz im menschlichen Organismus sich immerdar erhöhen und wachsen zu können befähigt wird.

In Europa (auch in den anderen Weltteilen, soviel bekannt ist) findet man, allen Nachforschungen zufolge, nur drei solcher chronischen Miasmen, deren Krankheiten sich mit Lokalsymptomen hervortun und von denen wo nicht alle, doch die meisten chronischen Übel herkommen, nämlich erstens die Syphilis (auch sonst wohl von mir venerische Schankerkrankheit genannt), dann die Sykosis oder die Feigwarzenkrankheit, und endlich die dem Krätzeausschlag zu Grunde liegende chronische Krankheit, die Psora, von welcher, als von der wichtigsten unter allen, zuerst die Rede sein wird.

Die Psora ist es, jene älteste, allgemeinste, verderblichste und dennoch am meisten verkannte, chronisch-miasmatische Krankheit, welche seit vielen Jahrtausenden die Völker verunstaltete und peinigte, seit den letzten Jahrhunderten aber die Mutter aller der Tausende unglaublich verschiedener (akuter und) chronischer (unvenerischer) Übel geworden ist, von denen jetzt das kultivierte Menschengeschlecht auf der ganzen bewohnten Erde mehr und mehr heimgesucht wird.

Die Psora ist die älteste miasmatisch-chronische Krankheit, die wir kennen.

Ebenso langwierig als die Syphilis oder die Sykosis, und daher, wenn sie nicht gründlich geheilt wird, vor dem letzten Hauch auch des längsten Menschenlebens, ebenfalls nicht erlöschend (indem selbst die robusteste Natur nie durch eigene Kraft sie in sich zu vernichten und auszulöschen vermag), ist die Krätzekrankheit (Psora) noch überdies die älteste und vielköpfigste unter allen miasmatisch-chronischen Krankheiten.

In den vielen Jahrtausenden, seit sie das Menschengeschlecht heimgesucht haben mag – denn die älteste Geschichte der ältesten Völker erreicht ihren Ursprung nicht – hat sie dergestalt an Umfang ihrer krankhaften Äußerungen zugenommen (ein Umfang, welcher wohl durch die in so undenklichen Jahren gewachsene Ausbildung derselben in so vielen Millionen Organismen einigermaßen erklärt werden könnte, welche sie ergriff und die sie durchgangen ist), dass ihre sekundären Symptome fast nicht zu zählen sind und alle vorkommenden, natürlichen (nicht erst durch böse Arzteskunst oder durch Gesundheit verderbende Arbeiten in Quecksilber, Blei, Arsenik u.s.w. erzeugten) chronischen Leiden, welche unter hundert Eigennamen als angeblich gesonderte und in sich abgeschlossene Krankheiten in der gewöhnlichen Pathologie figurieren – wenn man die von Syphilis und die noch weit selteneren von Sykosis entspringenden ausnimmt – ich sage, alle übrigen benamten und namenlosen chronischen Übel sämtlich in der Psora ihren wahren Ursprung, ihre einzige Quelle finden.

Die aller ältesten Denkmäler der Geschichte, welche wir besitzen, haben die Psora schon in großer Ausbildung. Moses7 vor 3400 Jahren zeichnet schon mehrere Abarten derselben aus. Doch scheint die Psora damals und auch nachher noch immer unter den Israeliten mehr die äußeren Teile des Körpers zum Hauptsitz behalten zu haben, so wie in den Zeiten des noch rohen Griechenlandes, ebenfalls dann später unter den Arabern und zuletzt in dem noch unkultivierten Europa des Mittelalters. Die verschiedenen Namen, welche von den verschiedenen Völkern den mehr oder weniger bösartigen, die äußeren Teile des Körpers mannigfach verunstaltenden Abarten von Aussatz (äußeren Symptome der Psora) erteilt wurden, gehören nicht zu meinem Zweck und tun nichts zur Sache, da das Wesen dieser miasmatischen, juckenden Krätzekrankheit im Grunde immer dasselbe blieb.

Die indes, während des Mittelalters, in Europa in Gestalt eines bösartigen Rotlaufs (St. Antoniusfeuer genannt) mehrere Jahrhunderte über furchtbar gewesene, abendländische Psora nahm durch den, von den rückkehrenden Kreuzzüglern im dreizehnten Jahrhunderte mitgebrachten Aussatz wieder die Gestalt des Aussatzes an und, obgleich dadurch noch mehr als vorhin in Europa verbreitet (denn im Jahre 1226 gab es allein in Frankreich 2000 Aussatzhäuser), fand die als grässlicher Hautausschlag nun mehr um sich greifende Psora doch wiederum ihre, wenigstens äußere Minderung in den von eben solchen Kreuzfahrern zugleich aus dem Morgenland mitgebrachten Reinlichkeit befördernden Mitteln, nämlich den vorher in Europa unbekannten (baumwollenen? linnenen?) Hemden und dem häufigern Gebrauch warmer Bäder, durch welche beiden Mittel dann sowie durch, bei erhöhter Bildung, eingeführte, ausgesuchtere Kost und Verfeinerung der Lebensweise es binnen ein paar Jahrhunderten doch dahin gedieh, dass die äußere Scheußlichkeit der Psora sich so weit minderte, dass zu Ausgang des 15. Jahrhunderts sie nur noch in der Gestalt gewöhnlichen Krätzeausschlags erschien, als so eben die andersartige miasmatische, chronische Krankheit, die Syphilis, 1493 zuerst ihr furchtbares Haupt zu erheben anfing.

So in den kultivierten Ländern bis zur gewöhnlichen Krätzekrankheit im Äußeren gemindert, ließ sich nun der nach geschehener Ansteckung erfolgende Ausschlag weit leichter von der Haut durch mancherlei Veranstaltungen wegbringen, sodass seitdem bei den eingeführten medizinischen, äußeren Behandlungen, besonders in den bemittelteren und höheren Ständen durch Bäder, Waschwasser und Salben von Schwefel, Blei, Kupfer-, Zink- und Quecksilberpräparaten die Äußerung der Psora auf der Haut oft so schnell getilgt wurde und getilgt wird, dass es bei ihnen in den meisten Fällen ganz unbekannt bleibt, dass ein Kind oder eine erwachsene Person von der Krätze befallen gewesen ist.

Hierdurch wurde jedoch die Sache der Menschheit nicht gebessert, sondern in vielem Betracht weit mehr verschlimmert. Denn wenn auch in den älteren Jahrhunderten der Psoraausschlag in Gestalt des Aussatzes auf der einen Seite den daran Leidenden wegen der stechenden Schmerzen in den Knollen und Schorfen sowie wegen des heftigen Juckens im Umkreis derselben sehr beschwerlich war, so blieb doch ihr übriges Befinden, wegen der hartnäckigen äußeren Beharrlichkeit dieses für das innere Psoraübel vikarierenden großen Hautleidens in der Regel mehr unangetastet; ja, was noch mehr ist, das grässliche, ekelhafte Aussehen eines Aussätzigen machte auf jeden Gesunden einen so abschreckenden Eindruck, dass alles schon in der Entfernung vor ihm floh, sodass die Absonderung der meisten dieser Kranken und ihre Verwahrung in den Leprosenhäusern sie von der übrigen menschlichen Gesellschaft entfernt hielt, wodurch die Ansteckung ungemein eingeschränkt und verhältnismäßig selten blieb.

Hingegen in der (durch die oben angegebenen Ursachen) im Lauf des 14. und 15. Jahrhunderts dem Äußeren nach wieder so sehr gemilderten Form der Psora, als Krätze (wo die nach der Ansteckung hervorkommenden Bläschen anfangs sehr wenig Aufsehen machen und leicht verborgen gehalten werden können, ihres unerträglichen Juckens wegen aber unaufhaltbar aufgekratzt werden und so ihre Feuchtigkeit umher verbreiten) wird das psorische Miasma derselben um desto gewisser und leichter vielen anderen Menschen mitgeteilt, je verdeckter es geschieht, indem die mit der psorischen Feuchtigkeit unsichtbar verunreinigten Dinge die, sie unwissender Weise berührenden, Menschen in weit größerer Zahl anstecken, als die ihres abschreckenden Äußeren wegen ehedem sorgfältig gemiedenen Aussätzigen je tun konnten.

Die Psora ist auf diese Weise unter allen die alleransteckendste und allgemeinste unter den chronischen Miasmen geworden.

Das Miasma ist nämlich indes gemeiniglich schon weiter verbreitet, ehe derjenige, von welchem es ausging, für seinen juckenden Ausschlag ein äußeres Vertreibungsmittel (Bleiwasser, Salbe von weißem Quecksilberpräzipitat u.s.w.) begehrt oder erlangt hatte und ohne dass er gesteht, Krätzeausschlag gehabt zu haben, oft sogar, ohne es selbst zu wissen, ja oft, ohne dass selbst der Arzt oder Wundarzt es wusste, von welcher Art der von ihm durch Bleiwasser u.s.w. vertriebene Ausschlag gewesen ist.

Dass die ärmere und niedere Menschenklasse, welche die Krätze länger auf der Haut wuchern lässt, bis sie den Menschen umher zum Abscheu werden und gezwungen sind, sich den Ausschlag zu vertreiben, schon bis dahin viele angesteckt haben muss, lässt sich leicht denken.

Also nicht bloß deshalb ist die Menschheit durch die Minderung der äußeren Form der Psora vom Aussatz bis zum Krätzeausschlag übler dran, dass dieser mehr ungesehen und im Verborgenen und daher häufiger anzustecken pflegt, sondern auch vorzüglich deshalb, weil die nun bis zur bloßen Krätze äußerlich gemilderte, aber desto allgemeiner verbreitete Psora, indem sie in ihrem Wesen noch ebenso unverändert wie ursprünglich und von gleich fürchterlicher Natur blieb, nach der jetzt leichteren Vertreibung ihres Ausschlags, im Inneren desto unbemerkter wächst und so, seit diesen drei letzten Jahrhunderten, die traurige Rolle spielt, nach bewirkter Vernichtung8 ihres Hauptsymptoms (des äußeren Hautausschlags), jene unzählige Menge sekundärer Krankheitssymptome hervorzubringen, das ist, Legion chronischer Leiden zu erzeugen, deren Quelle die Ärzte nicht ahnten, nicht enträtselten, und welche deshalb von ihnen ebenso wenig geheilt werden konnten, als die ursprüngliche ganze (von ihrem Hautausschlag noch begleitete) Krätzekrankheit (Psora) durch sie jemals gründlich geheilt worden war, sondern durch die Menge ihrer Fehlmittel sich immerdar verschlimmern mussten, wie die tägliche Erfahrung lehrt.

Eine so große Flut von zahllosen Nervenübeln, schmerzhaften Leiden, Krämpfen, Geschwüren (Krebsen), Afterorganisationen, Untüchtigkeiten, Lähmungen, Abzehrungen und Geistes-, Gemüts- und Körperverkrüppelungen gab es in den älteren Zeiten, wo die Psora noch meist auf ihr äußeres, fürchterliches (doch für das innere Übel vikarierendes) Hautsymptom, den Aussatz, sich beschränkte, lange nicht; bloß in den letzten drei Jahrhunderten wurde und wird die Menschheit von ihr überströmt, aus der eben angeführten Ursache.9

So wurde die Psora die allgemeinste Mutter der chronischen Krankheiten.

Die jetzt so leicht, so unbesonnen ihres beschwichtigenden und für das innere Übel vikarierenden Hautsymptoms, des Krätzeausschlags, beraubte Psora bringt seit den letzten drei Jahrhunderten immer mehr und so viele ihrer sekundären Symptome hervor, dass wenigstens sieben Achtel aller vorkommenden chronischen Siechtume von ihr, als von ihrer einzigen Quelle ausgehen, während das übrige Achtel aus Syphilis und Sykosis oder einer Komplikation von zweien dieser drei miasmatisch-chronischen Krankheiten oder (was selten ist) allen dreien entspringt. Selbst die Syphilis geht wegen ihrer leichten Heilbarkeit durch die kleinste Gabe der besten Quecksiberbereitung, so wie die Sykosis wegen ihrer nicht schweren Heilbarkeit durch ein paar Gaben Lebensbaumsaft mit Salpetersäure abwechselnd gebraucht nur dann in ein langwieriges, schwer zu heilendes Siechtum über, wenn sie mit Psora kompliziert sind. So ist auch die Psoradieunter allen am meisten verkannte Krankheit und daher die ärztlich am übelsten und nachteiligsten behandelte.

Es ist unglaublich, wie sehr die neuere Arztwelt gewöhnlicher Schule sich an dem Wohl der Menschheit versündigte, indem sie – fast keinen Lehrer der Medizin, fast keinen der angesehensten neueren Ärzte und medizinischen Schriftsteller ausgenommen – es als Regel festsetzte und gleichsam als einen untrüglichen Satz lehrte: „dass jeder Krätzeausschlag bloß ein lokales, nur auf der Haut sitzendes Übel sei, woran der übrige Organismus durchaus keinen Anteil nehme, dass man ihn daher jederzeit und ohne Bedenken durch Schwefelsalbe, durch die noch schärfere Jassersche Salbe, durch Schwefelräucherungen, durch Blei- oder Zinkauflösungen, am schnellsten aber durch Quecksilberpräzipitate örtlich von der Haut wegschaffen könne und müsse; wäre der Ausschlag nur erst von der Haut weggeschafft, so sei alles gut und der Mensch gesund und alles Übel sei gehoben; freilich, wenn man den Ausschlag vernachlässige und lange Zeit auf der Haut wuchern ließe, dann könne es wohl kommen, dass der böse Stoff endlich Gelegenheit finde, sich durch die einsaugenden Gefäße in die Säftemasse einzuschleichen, und so das Blut, die Säfte und die Gesundheit verderbe; da könne der Mensch wohl endlich Beschwerden von diesen (doch durch Darm- und Blutreinigungen bald wieder aus dem Körper zu schaffenden) bösen Säften bekommen; aber durch die zeitige Vertreibung von der Haut würden alle etwaige Nachkrankheiten verhütet und der innere Körper bleibe ganz gesund.“

Diese grässlichen Unwahrheiten lehrten und lehren sie nicht allein, sondern sie führen sie auch praktisch aus, sodass man heutigen Tages, ohne Ausnahme, in allen, selbst den berühmtesten Krankenanstalten der aufgeklärtest scheinenden Länder und Städte, sowie die einzelnen Krätzigen in Privathäusern niederen und höheren Standes, so auch alles, was in Zucht- und Waisenhäusern, den übrigen Zivilkrankenhäusern und den Militärspitälern an mit solchen Ausschlägen behafteten Kranken sich befindet, kurz, die unzählige Menge aller ohne Unterschied nicht nur von den unberühmten, sondern von allen, den berühmtem, wie von den berühmtesten Ärzten einzig mit den genannten äußeren Mitteln behandeln und ihre Ausschläge damit, je schneller, wie sie wähnen, desto besser, von der Haut vertilgen10 sieht – allenfalls mit Beigebrauch einiger großen Gaben Schwefelblumen und einiger starken Abführungsmittel (um, wie sie vorgeben, den Körper zu reinigen) – worauf sie dann mit frecher Zuversicht und Beteuerung, dass nun alles gut sei, die Kranken aus der Kur, gleich als wären sie gesund, entlassen,11 ohne auf die bald oder später darauf mit Gewissheit erfolgenden Übel (nämlich, die sich von innen in tausend verschiedenen Übeln hervortuende Psora) zu achten oder sie bemerken zu wollen.12

Wenn dann die getäuschten Unglücklichen bald oder später mit den unvermeidlich auf eine solche Behandlung folgenden Siechtümern mit Geschwulstkrankheiten, hartnäckigen Schmerzen an diesem oder jenem Teil, mit hypochondrischen oder hysterischen Beschwerden, mit Gichtübeln, Abzehrungen, Lungeneiterungen, stetem oder krampfhaftem Asthma, mit Blindheit, Taubheit, Lähmungen, Knochenfraß, Geschwüren (Krebs), Krämpfen, Blutflüssen, Geistes- und Gemütskrankheiten u.s.w. zurückkehren, so wähnen die Ärzte, etwas ganz Neues vor sich zu haben, ohne die Quelle davon zu ahnen, und kurieren und kurieren nach gewöhnlichem Schlendrian der Therapie vergeblicher und schädlicher Weise darauf los, mit Arzneien, gegen Krankheitsphantome gerichtet, das ist, gegen Ursachen, den sich hervortuenden Übeln angedichtet, bis der Kranke nach vieljährigen, immer gesteigerten Leiden, gemeiniglich durch den Tod, das Ende aller irdischen Leiden, aus ihren Händen befreiet wird.13

Die älteren Ärzte waren gewissenhafter hierin und beobachteten vorurteilsloser. Sie sahen deutlich und überzeugten sich, dass unzählige Übel und die schwersten chronischen Krankheiten auf die Vertilgung des Krätzeausschlags von der Haut erfolgten, und bestrebten sich, da diese Erfahrungen sie, bei jeder Krätze zugleich eine innere Krankheit anzunehmen, gelehrt hatten, durch viele innere Mittel, so gut sie ihnen ihre Therapie darreichte, durch eine unzählige Menge innerer Arzneien zugleich jenes mit Recht vorausgesetzte, innere, große Übel auszutilgen. Es war freilich nur ein vergebliches Bestreben, weil ihnen die hilfreiche Methode unbekannt blieb (welche zu finden, bloß das Vorrecht der Homöopathie werden konnte); aber dieses ihr aufrichtiges Bestreben war dennoch an sich lobenswert, weil es sich auf die Einsicht eines hinweg zu schaffenden, inneren großen Übels beim Krätzeausschlag gründete und sie abhielt, sich einzig auf die örtliche Vernichtung des Ausschlags von der Haut zu verlassen, wie die Neueren tun, welche nicht schnell genug mit Vertreibung des Ausschlags von der Haut fertig werden zu können glauben – gleich als wäre es ein bloß äußeres Hautübel – ohne auf die großen hierauf folgenden Nachteile zu achten, welche uns die älteren Ärzte in tausend Beispielen warnend in ihren Schriften vor Augen gelegt haben.

Die Beobachtungen jener ehrlichen Männer sind aber allzu sprechend, als dass sie sich verächtlich zurückweisen oder mit gutem Gewissen ignorieren ließen.

Ich werde hier einige von diesen zahllosen, uns hinterlassenen Erfahrungen anführen, die ich mit einer gleichen Zahl aus meinen Beobachtungen vermehren könnte, wären jene nicht schon überflüssig hinreichend, um zu zeigen, mit welcher Wut die innere Psora sich hervortut, wenn ihr das äußere, zur Beschwichtigung des inwohnenden Übels dienende Lokalsymptom, der Hautausschlag, geraubt wird, und welche Gewissenssache es für einen menschenfreundlichen Arzt sei, alle seine Bestrebungen dahin zu richten, durch eine angemessene Behandlung vor allem die innere Krankheit zu heilen, wodurch der Hautausschlag zugleich mit aufgehoben und vernichtet, auch alle die nachgängigen, unzähligen, aus der Psora hervorquellenden, lebenslänglichen, chronischen Leiden erspart und im Voraus verhütet, oder, wenn sie dem Kranken schon das Leben verbitterten, geheilt werden können.

Die teils akuten, teils und vorzüglich chronischen Krankheiten, welche von solcher einseitigen Vernichtung des für die innere Psora beschwichtigend vikarierenden Hautsymptoms (des Ausschlags und Juckens) – fälschlich, „ZurücktreibungderKrätzeindenKörper“ genannt – entspringen, sind unzählig, das ist, so vielerlei, als die Eigenheiten der mancherlei Körperkonstitutionen und der sie modifizierenden Außenwelt verschieden sind.