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Findet er die Wahrheit über die Entdeckung Amerikas? „Die Entdeckung des Salaì“ von Monaldi & Sorti – jetzt als eBook bei dotbooks. Anno domini 1508. Leonardo da Vinci erfährt von einer kostbaren Schrift – in dieser soll sich die Wahrheit finden über die Entdeckung Amerikas, um die sich finstere Geheimnisse ranken. Leonardo entsendet seinen Ziehsohn Salaì in die Ewige Stadt Rom, um mehr darüber herauszufinden. Doch dabei kommt der junge Mann einer Verschwörung auf die Spur – denn die Geschichte der „Neuen Welt“ ist dunkler als erwartet und soll nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Salaì gerät in größte Gefahr. Und als er verhaftet wird, scheint es für ihn keine Fluchtmöglichkeit mehr zu geben … Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Entdeckung des Salaì“ von Monaldi & Sorti. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 408
Über dieses Buch:
Anno domini 1508. Leonardo da Vinci erfährt von einer kostbaren Schrift – in dieser soll sich die Wahrheit finden über die Entdeckung Amerikas, um die sich finstere Geheimnisse ranken. Leonardo entsendet seinen Ziehsohn Salaì in die Ewige Stadt Rom, um mehr darüber herauszufinden. Doch dabei kommt der junge Mann einer Verschwörung auf die Spur – denn die Geschichte der »Neuen Welt« ist dunkler als erwartet und soll nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Salaì gerät in größte Gefahr. Und als er verhaftet wird, scheint es für ihn keine Fluchtmöglichkeit mehr zu geben …
Über die Autoren:
»Monaldi & Sorti sind die Erben Umberto Ecos.« L’ Express, Frankreich
Das international erfolgreiche Autorenduo Rita Monaldi und Francesco Sorti machte mit seinem brillant recherchierten Romanzyklus »Imprimatur«, »Secretum« und »Veritas« weltweit auf sich aufmerksam. Als das Journalistenpaar außerdem im Zuge seiner Recherchen ein Geheimnis um Papst Innozenz XI. lüftete, machte der Vatikan seinen ganzen Einfluss geltend, weshalb die Werke jahrelang in Italien nicht vertrieben werden durften. In Folge des Skandals leben die Autoren heute in Wien.
Bei dotbooks sind bereits »Die Da-Vinci-Chroniken: Die Zweifel des Salaì« sowie die »Imprimatur«-, die »Secretum«- und die »Veritas«-Trilogie erschienen.
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eBook-Neuausgabe September 2015, September 2022
Die niederländische Erstausgabe erschien erstmals 2008 unter dem Titel »Het ei van Salaí« bei De Bezige Bij, Amsterdam. Die italienische Originalausgabe erschien erstmals 2018 unter dem Titel »L'uovo di Salaì« bei Baldini & Castoldi, Mailand. Die deutsche Erstausgabe erschien erstmals 2009 unter dem Titel »Die Entdeckung des Salaì« bei Rowohlt, Hamburg.
Copyright © der niederländischen Erstausgabe 2008 De Bezige Bij, Amsterdam
Copyright © der italienischen Originalausgabe 2018 Baldini & Castoldi, Milano
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2009 Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Copyright © der Neuausgabe 2015, 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH, München, unter Verwendung des Gemäldes BINDO ALTOVITI von Raphael
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm/ah)
ISBN 978-3-98690-366-4
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Monaldi & Sorti
Die Da-Vinci-Chroniken: Die Entdeckung des Salaì
Roman
Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki
dotbooks.
Die Entdeckung des Salaì
EIN DIEB UND LÜGNER, DICKKÖPFIG UND VERFRESSEN
WELCHER IM KERKER VON FLORENZSEINE VERBRECHEN GESTANDEN HAT.
Nebst weiterer nützlicher und ergötzlicher Nachrichten darüber Wie man Amerika entdeckt Der Folter widersteht Und die verlorenen Eier wiederfindet
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Das Ganze handschriftlich verfasstvon Salaì höchstselbstim Jahr des Herrn 1508
Jenseits von Portugal
Es gibt nichts Schädlicheres und Entwicklungshemmenderes als die ewigen Lamentationen über die Amerikanisierung Europas. Erst müssen wir Amerikaner werden, dann können wir wieder daran denken, »gute Europäer« zu werden. Berlin verdient gerade darum die höchste Bewunderung. Berlin ist in den Flegeljahren einer kommenden Kultur, die wir noch nicht kennen und die sich erst herausarbeiten muß.
Egon Friedell, Ecce Poeta
In jenem Sommer 1936 hatte der spanische Bürgerkrieg begonnen (…) Vor dem Rathaus, von dem die Flagge Francos wehte, standen, meist von Priestern geführt, junge Burschen in ihren bäuerlichen Gewändern aufgereiht, offenbar aus den nachbarlichen Dörfern herangeholt (…) Nach einer Viertelstunde sah ich dieselben jungen Burschen verwandelt aus dem Rathaus herauskommen. Sie trugen blitzblanke, neue Uniformen, Gewehre und Bajonette ; unter der Aufsicht von Offizieren wurden sie auf ebenfalls ganz neue und blitzblanke Automobile verladen und sausten durch die Straßen aus der Stadt hinaus. Ich erschrak. Wo hatte ich das schon einmal gesehen? In Italien zuerst und dann in Deutschland! Da und dort waren plötzlich diese tadellosen neuen Uniformen dagewesen und die neuen Automobile und Maschinengewehre. Und wieder fragte ich mich: wer liefert, wer bezahlt diese neuen Uniformen, wer organisiert diese jungen, blutarmen Menschen, wer treibt sie gegen die bestehende Macht, gegen das gewählte Parlament, gegen ihre eigene, legale Volksvertretung? Der Staatsschatz befand sich, wie ich wußte, in den Händen der legalen Regierung und ebenso die Waffendepots. Es mußten also diese Automobile, diese Waffen aus dem Ausland geliefert worden sein, und sie waren zweifellos aus dem nahen Portugal über die Grenze gekommen. Aber wer hatte sie geliefert, wer sie bezahlt?
Stefan Zweig, Die Welt von gestern
Wir freuen uns, dem Lesepublikum und der Fachwelt mit der vorliegenden Ausgabe ein sehr bedeutendes historisches Dokument präsentieren zu können, von dessen Existenz jedoch bis heute keiner wusste: ein Verhörprotokoll, das den Richtern von Florenz an einem nicht näher genannten Tag des Jahres 1508 von Salaì übergeben wurde (mit bürgerlichem Namen Giangiacomo Caprotti, 1480 – 1526), dem Ziehsohn des großen Leonardo da Vinci.
Wie bei dem ersten, von den Autoren unter dem Titel Die Zweifel des Salaì veröffentlichten Dokument, handelt es sich auch bei diesem Manuskript um eine der ungewöhnlichsten historischen Quellen, die in jüngster Zeit in Italien entdeckt wurden. Diese Schriften, die sich offenbar in Salaìs Besitz befanden, werfen ein neues Licht auf Ereignisse und Persönlichkeiten seiner Zeit, nicht zuletzt auf Leonardo. Der aufmerksame Leser wird ihren außergewöhnlichen historischen Wert zu schätzen wissen.
Unklar ist, auf welche Weise Salaì in den Besitz des Protokolls gelangen konnte, da es wahrscheinlich für die Justizbehörden bestimmt war, nicht aber für den Angeklagten, der den im Folgenden abgedruckten Text sogar größtenteils von eigener Hand verfasst hat. Der Grund dafür liegt vermutlich in den exzeptionellen Umständen, die sich, wie man sehen wird, während des Verhörs ergeben haben.
Für die vorliegende Ausgabe wurden alle lateinischen Passagen in eine moderne Sprache übersetzt und die notwendigen Fußnoten auf ein Minimum beschränkt, um die Lesbarkeit nicht zu beeinträchtigen. Man beachte andererseits, dass diese Ausgabe nicht auf dem originalen Verhörprotokoll beruht, sondern auf einer Abschrift, wo viele Details, beginnend bei dem Namen des Richters, der die Urkunde verfasste, um der Kürze willen vom Kopisten weggelassen wurden.
Leser, die ausführlichere Informationen über das Originalmanuskript wünschen, verweisen wir hier mit auf die Berichte der Tagung »Salaì und seine Zeit«, die kürzlich in Grugliate (Mailand), dem Fundort der Manuskripte, stattfand.
Monaldi & Sorti
In nomine Domini
darin alles geschrieben steht, was Salaì, ein gefährlicher Verbrecher und Schurke, der vieler schwerer Übeltaten angeklagt und auf Befehl des päpstlichen Gouverneurs von Rom auf dem Gebiet der Stadt Florenz arretiert wurde, in den Kerkern von Florenz auf die Fragen des Kriminalnotars geantwortet hat.
Jener Salaì war zuletzt geständig und hat viele seiner schweren Vergehen zugegeben.
Heute wurde mir, dem Kriminalnotar NN., meinen Häschern in Waffen und dem Skribenten, welcher dieses Protokoll verfasst, besagter Salaì vorgeführt.
Zuvörderst wird er gebeten, sich mit Namen, Geburtsort, Alter, Gewerbe etcetera auszuweisen.
Der Angeklagte antwortet, Salaì sei nur der Spitzname, darunter ihn alle kennen, und fügt hin zu, er heiße in Wirklichkeit Giangiacomo Caprotti, 28 Jahre alt, in Mailand geboren, Lehrjunge und Ziehsohn von Ser Leonardo da Vinci, Maler, Baumeister und Architekt, und sagt schließlich, er sei ein getreuer Diener unserer Stadt Florenz, Gott schütze sie, und ihres großen Gonfaloniere Pier Soderini, der sie so weise regieret.
Der Angeklagte erklärt, dass er von seinem richtigen Vater im Alter von zehn Jahren dem obengenannten da Vinci anvertraut wurde, damit dieser ihn ernähre und unterrichte und ihn zu seinem Werkstattgehilfen mache.
Salaì behauptet jedoch, er sei ungeachtet dieser Lehre ebenso ungebildet geblieben wie zuvor, denn die Lektionen des da Vinci seien stinklangweilig (Ausdruck des Angeklagten), aus welchem Grunde der Angeklagte sich nach ein paar Jahren das Lesen und Schreiben allein beigebracht habe, wenngleich mit dürftigen Ergebnissen.
Er fügt hin zu, dass er im Hause seines Ziehvaters sogar ärgeren Hunger gelitten als zuvor, doch jetzt könne er ja nicht mehr umkehren, sonst würde er zurückgehen, Teufel auch, und ob er das würde (Ausdruck des Angeklagten). Darauf fragt er, ob man ein Fenster öffnen könne, denn ihm sei warm und er wolle nicht schwitzen, da er ein neues Hemd trage und die Manschetten leicht schmutzig würden.
Sodann werden Salaì die Anklagepunkte vorgelesen, und er wird gefragt, ob er sich für schuldig oder unschuldig erklärt.
Der Angeklagte schwört, mit den angeführten Tatsachen nicht das Geringste zu tun zu haben, ja, wer ihn angezeigt, müsse ein, nach seinen Worten, wurmstichiges Hirn haben, wegen der mangelnden ehelichen Treue der eigenen Gattin (ein sogenannter Hahnrei).
Salaì wird aufgefordert, sich vor dem Richter einer schicklicheren Sprache zu befleißigen, nur auf das zu antworten, was er gefragt wird, und sich persönlicher Bemerkungen zu enthalten. Darauf wird ihm angeboten, einen Anwalt seines Vertrauens zu benennen.
Salaì weigert sich, einen solchen zu nennen, weil, seinen Worten nach, die Anwälte ihrerseits Hahnreie, Verräter und geldgierig seien, fernerhin ihre Klienten betrögen, um ihnen das Geld aus der Nase zu ziehen. Vor dem Richter aber würden sie mucken und tun, was er wolle, weil der Richter mächtig sei, ihre Klienten hingegen fast immer arme Schlucker (Ausdrücke des Angeklagten). Er fügt hinzu, sogar sein Ziehvater, der bereits erwähnte Leonardo da Vinci, welcher nach Aussage des Angeklagten an schwerer geistiger Verwirrung und chronischem Gedächtnisverlust leide, sei zu demselben Schluss gekommen.
Der Richter nimmt den Verzicht auf einen Anwalt zur Kenntnis und beginnt mit der Inquisition. Erste Frage: Was hat der Angeklagte in den vergangenen Wochen in Rom gemacht?
Salaì antwortet, eigentlich wäre er viel lieber nicht nach Rom gegangen, er habe es nur getan, um da Vinci einen Dienst zu erweisen. Dieser Dienst bestand nach seinen Worten darin, ein Buch über Kosmographie zu beschaffen, ein Gebiet, für das sich da Vinci interessiere, wiewohl er sich das Buch nicht persönlich habe beschaffen können. Der Angeklagte bekräftigt, es habe durchaus nicht beabsichtigt, irgendein Gesetz zu brechen, und sei einzig aus dem Grund nach Rom gereist, den Auftrag für da Vinci zu erledigen, mehr nicht. Nach diesen Worten erklärt der Angeklagte, die Luft im Gerichtssaal sei entschieden zu warm, und da er meint, alle Fragen erschöpfend beantwortet zu haben, dankt er dem Gericht, erhebt sich und verabschiedet sich vom Kriminalnotar.
Die Häscher zwingen Salaì, sich wieder hinzusetzen, und ermahnen ihn erneut zum Respekt gegenüber der Gerichtsbarkeit. Der Kriminalnotar erinnert den Angeklagten an seine Pflicht, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, und gibt ihm zu bedenken, dass ein Haftbefehl mit schwerwiegenden Anklagen über seinem Haupt schwebe. Hier auf wird Salaì die Abschrift eines Briefes von seiner Hand gezeigt, welcher zusammen mit einem künstlerisch unbedeutenden Sonett zum Zeitpunkt seiner Verhaftung bei ihm gefunden wurde.
Der Brief, an seinen Ziehvater Ser Leonardo da Vinci gerichtet, lautet folgendermaßen:
Mein geliebter Ziehvater,verwünschen könnt ich Euch, dass Ihr mich nach Rom geschickt, um dieses verfluchte Buch über Kosmografie zu besorgen für Eure Disputazionen mit dem Benci und dem Vespucci, weil wegen Euch und Euren Freunden bin ich in ein Schlamassel von der ganz grässlichen Sorte geraten … Ihr habt ja keine Ahnung, was hier in Rom für ein Durcheinander herrscht wegen der neuen großen Entdeckungen, von denen die Teutschen ein so großes Tamtam machen. Aber das ist eine hochgeheime Sache, die ich Euch jetzt nicht erklären kann, denn wegen dieser Entdeckungen wird es bald vielleicht einen Mordsärger geben.
Euer getreuer Salaì
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, dass dieser Brief Informationen enthalte, welche er dem Gericht bisher verschwiegen habe. Salaì wird darob aufgefordert, die Bedeutung des besagten Briefes zu erläutern. Zur Warnung wird ihm die Peitsche gezeigt.
Salaì berichtigt sich, wenn er recht überlege, sei es im Gerichtssaal gar nicht so heiß, im Gegenteil, man könne sich hier durchaus wohl fühlen, und erklärt, er sei bereit zu bleiben, zumal er den Kriminalnotar wirklich sympathisch finde, und jetzt sei er willens, alle, ganz bestimmt alle Klärungen zu liefern, die das hohe Gericht von ihm verlange.
Freilich bittet er darum, dass ihm einige Stunden gewährt werden, um die Begebenheiten wohlgeordnet und ohne Fehler in einem Memorandum rekonstruieren zu können, darin er alles beschreiben wolle, was auf seiner Reise nach Rom geschehen sei.
Nachdem der Kriminalnotar die Gesetzesparagraphen etc. etc. eingesehen und sich eine Weile mit dem Verhandlungsskribenten beraten hat, gewährt er dem Angeklagten die Bitte und ordnet an, dass Salaì in seine Zelle zurückgebracht und ihm Papier, Feder und Tinte zur Verfügung gestellt werden. Darauf ermahnt er den Angeklagten, in seiner Schrift nur die Wahrheit und nichts als diese zu sagen und sämtliche Ortschaften zu nennen, die er während seiner Reise aufgesucht hat.
Der Notar verfügt außerdem, dass Salaìs Memorandum am Tag darauf sofort dem Gericht übergeben und zu den Akten genommen wird. Angesichts des Ernstes der Angelegenheit sollen von drei Skribenten eilig Kopien angefertigt und dem Kriminalnotar persönlich ausgehändigt werden, damit er sie unverzüglich lesen kann.
Die Wiederaufnahme der Inquisition wird für den nächsten Morgen festgesetzt, unmittelbar nach der Verlesung des vom Angeklagten versprochenen Memorandums.
Die Sitzung wird um 11 Uhr aufgehoben.
ÜBER DIE REISE NACH ROM DES SALAÌ IM AUFTRAG VON LIONARDO, SEINEM ZIEHVATER, MALER UND BAUMEISTER
enthaltend alle wichtigen Ereignisse, welche von dieser Reise zu wissen nützlich sind, jene unnützen und langweiligen aber auslassend, welche für den Signior Notarius reine Zeitverschwendung wären.
Edelmütiger und höchst ehrenwerter Signior Notarius,
zuerst einmal dank ich Euch recht sehr, dass Ihr mich in diese schöne Kerkerzelle habt setzen lassen, die scheint mir wirklich behaglich und gemütlich, zumal es hier weit und breit keine Peitsche gibt, nemlich Peitschen, ich weiß auch nicht wieso, aber die machen mich ganz kollerig.
Vergebt mir, wann ich beim Schreiben manchmal Feler mache aber erstens ich komm ja aus dem Volk und krieg seit Jahren schon keine Lexio leczion Unterrichtung mehr von Lionardo, weil erstens ist Schreiben eine sauschwere Übung und macht mich immer ganz rammdösig, und zum zweiten, wenn draußen schönes Wetter ist, dann geh ich lieber spatziren und betrachte die Bäume, die Sonne und die edlen Palazzi von Fiorenza, unsrer Vaterstadt, Gott schütze sie und den großen Gonfaloniere Pier Soderini, der sie so weise regiret. Und werf ich gern auch mal einen Blick auf ein schönes Weib auf der Straße, wogegen Lionardo immer daheim sitzt und liest und zeichnet und malt und studirt und sich darin übt von rechts nach links zu schreiben und sich den Kopf zerbricht über diesen Maschinen zum Fliegen, die er sich ausdenkt, aber funktioniren tun die nie.
Diese Geschichte mit der Reise nach Rom, die erklär ich Euch sogleich ganz genau, dann können wir hier Schluss machen und Ihr lasst mich aus dem Kerker frei, nemlich ich hab massenhaft wichtige Dinge zu tun, zum Beispiel muss ich das Ei auf meiner Fensterbank begießen, weil sonst trocknet es aus.
Ihr habt’s ja schon gesehn, in dem Brief, den die Sbirren bei mir gefunden, da steht’s bestätigt dass ich für Lionardo nach Rom gegangen bin um ein Buch zu besorgen, grad so wie ichs Euch gleich am Anfang gesagt, und das sind die Worte »verwünschen könnt ich Euch, dass Ihr mich nach Rom geschickt, um dieses verfluchte Buch über Kosmografie zu besorgen«. Seht Ihr also, dass ich Euch keine Lüge erzählt?
Mein Ziehvater liebt es nemlich Berge von Büchern anzuhäufen, dabei kapirt er selbst nicht was zum Henker da drin geschrieben steht, weil viele sind auf Latein, und obzwar er sich schämt, aber von Latein hat er gar keinen blassen Dunst denn er hat’s nie geschafft es zu lernen. Und wenn die Leute zu ihm nach Haus kommen, sehn sie all die Bücher in den Regalen und das sind mordsmäßig viele, zum Beispiel das über Ackerbau vom Crescenzio, die Dekaden von Livio oder das Quadriregio vom Frezzi1 und so viele andre mehr, dass ich bis zum Jüngsten Gericht in dieser Zelle sitzen müsst, wenn ich sie alle aufzählen wollte, aber das geht nicht, nemlich wie ich schon sagte, sonst trocknet mir das Ei auf der Fensterbank aus.
Und wenn die Leute all diese Wälzer sehn denken sie, oha, dieser Lionardo muss wirklich ein großer Geist sein, wo er doch so viele Bücher über Astrologie, Kosmografie, Geometrie und Navigatorie etcetera gelesen hat, wogegen einem normalen Menschen gleich der Schädel brummt wie ein Wettergrollen wenn er bloß daran denkt.
Na egal, ich wollt sagen dass Lionardo über solche Werke oft mit seinen Freunden spricht, zum Beispiel mit dem Giovanni Benci und dem Vespucci, denn die interessiren sich besonders für Kosmografie wo die Geografie von der ganzen Welt erklärt wird, drum steht in meinem Brief ja auch was vom Benci und Vespucci, und das ist schon wieder ein Beweis dass ich Euch beileibe keinen Stuss erzählt, Signior Notarius, meint Ihr nicht auch?
Also hab ich mich auf die Reise nach Rom gemacht, und bin ich gekommen durch Treghi, Ponte de le Vane, Bastardo, Castiglion Fiorentino, l’Ossaia, Castiglion del Lago, Castel de la Pieve, Ponte Carnaiolo, die Stadt Orvieto wo man feine Lautensaiten macht, Capraccia, die Stadt Montefiascone, die Stadt Viterbo, das Kastell von Ronciglione, Monterosio, Baccano, dann La Storta und schließlich in die Stadt Rom, und das sind insgesamt achtzehn Poststazionen.2
In meinem Brief ist sodann von den Teutschen aus Germanien die Rede, und jetzt erklär ich Euch gleich warum. Wie ich in Rom endlich das Buch gefunden das Lionardo haben wollt, sieh mal an, was für ein Zufall, da treff ich eine Jungfer die ich vor sieben Jahren kennengelernt, nemlich das erste Mal wann ich zusammen mit Lionardo nach Rom gereist bin.
Die Jungfer heißt Dorothea und ist eine Teutsche, außerdem muss ich erklären dass sie eine besondre Jungfer ist, also ich meine sie ist praktisch das schärfste Weib das ich je gesehn, weil sie hat blitzweiße Zähne blonde Haare und endlos lange Beine und blaue Augen und eine ganz ganz helle Haut wie die von einem Kindchen, kurzum sie ist etwas, was sich hier in unsrem Fiorenza, Gott schütze es und seinen großen Gonfaloniere Pier Soderini der es so weise regieret, nur sehr schwer finden lässt. Überdies hat sie (das sag ich damit Ihr mich recht versteht) vorn zwei schöne Kugeln, so rund und prall wie wenn sie gleich platzen wollten, und geht sie über die Straße sind die Leute voll von Staunen, und bleibt ihnen der Mund so weit offen stehn dass ihr Kinn fast bis zum Boden fällt und dort ein Loch gräbt.
Ich sag Euch Signior Notarius, das war eine Überraschung wann ich diese Dorothea in Rom treffe, denn einen heißen Feger wie sie nach so langer Zeit wiederzusehen, das würde ja sogar die Toten wieder zum Lächeln bringen, und zweitens hatte ich ja gedacht Dorothea wär für immer nach Teutschland zurückgegangen, aber nein, sie ist mit ihrem Vater in Italien geblieben, wo, hat sie mir aber nicht gesagt, und dann ist sie nach Rom zurückgekehrt.
Also hab ich sie sehr herzlich begrüßt und sie mich noch viel herzlicher, ja um genau zu sein, wir haben massig Zeit miteinander verbracht, bei Tag und bei Nacht, aber nachts ward niemals nicht geschlafen, da haben wir andre Sachen gemacht, Signior Notarius, in dem Punkt verstehn wir zwei Männer uns, oder? Bloß dass, wie ich schon gesagt, auch ihr Vater und noch andre teutsche Freunde mit Dorothea in Rom waren, und denen gehn die Italiener maximamente auf den Sack, also wollten sie nicht dass Dorothea und ich uns sehen, von all den andren Sachen gar nicht zu reden.
Schließlich haben die Teutschen rausgekriegt, dass ich und Dorothea uns nachts treffen (und darum steht in dem Brief das Wort »Entdeckungen«), drum haben sie zu mir gesagt Lieber Salaì warum verpisst du dich nicht schleunigst wieder in dein schönes Fiorenza? Das kann ich sogar verstehen und hätte dasselbe gesagt wenn ich an ihrer Stelle wär, und wirklich bin ich zuletzt auch weggegangen, und weil mir Zank und Streit wegen Weibern sehr lästig und widerlich erscheint, werd ich Euch all die Einzelheiten hier nicht erzählen, Signior Notarius, denn das lohnt sich wahrhaftig nicht, meint Ihr nicht auch?
Sowieso wussten inzwischen schon alle, dass Salaì eben jener ist wo mit Dorothea, der Teutschen, liederliche Dinge treibt, drum hab ich in dem Brief geschrieben: »wegen dieser Entdeckungen wird es bald vielleicht einen Mordsärger geben«.
Ich will nemlich nicht arrogna argona arrronga also wie ein Angeber erscheinen, Signior Exzellenz, aber mit den Weibern kenn ich mich zimlich gut aus, und wegen der Sache mit Dorothea wussten mittlerweile alle Männer in Rom, wenn Salaì ankommt müssen sie ihre Frauen an der kurzen Leine halten wie man’s bei den Hunden macht, sonst verschwinden die Weiber für zwei, drei Stunden mit Salaì hinterm Busch und kommen mit halb zerrissnen Hosen und sehr zufriedenem Gesicht wieder heraus. Aber dass ich mir diesen Ruf verdient hab, daran sind ganz allein die Teutschen Schuld, weil die haben viel zu vielen Leuten von dem Tändeln zwischen mir und Dorothea erzählt, und drum steht in meinem Brief ja auch: »wegen der neuen großen Entdeckungen, von denen die Teutschen ein so großes Tamtam machen«.
Also hab ich irgendwann beschlossen Rom zu verlassen und bin zurückgekehrt in unsre Heimat Fiorenza, und wo Ihr mich ja drum gefragt habt sag ich dass ich durch La Storta gekommen bin, dann durch Baccano, Monterosio, das Kastell von Ronciglione, die Stadt Viterbo, die Stadt Montefiascone, Capraccia, die Stadt Orvieto wo man feine Lautensaiten macht, Ponte Carnaiolo, Castel de la Pieve, Castiglion del Lago, l’Ossaia, Castiglion Fiorentino, Bastardo, Ponte de le Vane, Treghi und schließlich bin ich in Fiorenza angekommen, und das sind insgesamt achtzehn Poststazionen.
So, das wär geschafft, sehr gut, also ich meine, jetzt ist alles klar und Ihr könnt mich ebenso gut sofort aus diesem Kerker rauslassen, welcher sehr schön ist, um Himmelswillen, und eigentlich würd es mir wirklich gefallen hier zu bleiben und mit Euch und den Sbirren viele Tage lang zu reden, aber das Problem ist dass ich wie gesagt ziemlich viel zu tun hab, und sonderlich muss ich das Ei auf der Fensterbank begießen, sonst trocknet es aus, und außerdem mach ich mir ein bisschen Sorgen um meinen Ziehvater, diesen Dummkopf, also Lionardo, nemlich allein kriegt der rein gar nichts zuwege und ohne mich gerät er immer in irgendwelche Situazi Situatzi wie zum Henker schreibt man Situazzi naja, in irgendeine Patsche.
Mit verzüglicher und höchster HochachtungSalaì
Nachdem das Memorandum von Salaì verlesen ist, hebt die Verhandlung wieder an.
Der erste Zeuge tritt ein und wird dem Angeklagten gegenübergestellt.
Auf die Frage des Skribenten antwortet der Zeuge, sein Name sei Andrea Del Carretto, neunundzwanzig Jahre alt, geboren in Fiorenza und ebendort ansässig. Sein Gewerbe ist das Verleihen von Pferden für den Postverkehr zwischen Rom und Fiorenza. Er bestätigt, dass er Salaì seit vielen Jahren kennt.
Der Notar fragt, ob es der Wahrheit entspricht, dass der Zeuge sich, wie von den Sbirren dieses Hohen Gerichts ermittelt, vor einigen Tagen in Rom aufgehalten und Salaì ein Pferd geliehen habe, damit selbiger eilig von Rom nach Fiorenza zurückkehren konnte. Del Carretto antwortet Ja, er habe dieses Pferd an Salaì verliehen, worauf dieser ihm versprochen habe, das Tier zurückzuerstatten und zu bezahlen, sobald beide wieder in Fiorenza seien. Dann aber sei Salaì verschwunden, so der Zeuge, und was aus dem Pferd geworden sei, wisse man nicht. Del Carretto hat indes von Freunden erfahren, dass der Angeklagte das Pferd höchstwahrscheinlich verkauft hat, denn ein Pferd, das dem seinen sehr ähnlich sieht, ward vor ein paar Tagen in Fiorenza von einem Händler aus Pistoia erworben.
Der Notar fragt den Zeugen, wie Salaì seinen dringenden Aufbruch aus Rom und die Rückreise nach Fiorenza begründet habe. Del Carretto antwortet, der Angeklagte habe ihm anvertraut, er fürchte um sein Leben, denn es gebe Leute, die überall nach ihm suchten und ihn vermutlich abmurksen wollten (Ausdruck des Zeugen), weil er entsetzliche Geheimnisse entdeckt habe, und einer habe schon dran glauben müssen, außerdem sei das kostbare Buch, das er in Rom für seinen Ziehvater, Ser Leonardo da Vinci, erwerben sollte, auf geheimnisvolle Weise gestohlen worden, und darum könne er es nicht mehr erwarten, sich aus dem Staub zu machen, um dieser gefährlichen Lage zu entkommen, in die ihn sein Ziehvater gebracht habe, verflucht soll er sein (Ausdruck des Zeugen).
Darauf wendet sich der Zeuge mit dem Vorwurf an Salaì, er habe ihm sein Pferd nicht zurückerstattet, und beschimpft ihn als Betrüger und falschen Freund.
Der Richter fragt Salaì, was er dem Zeugen zu entgegnen gedenke.
Anstatt zu antworten, wendet sich Salaì an Del Carretto und erinnert ihn daran, dass sie Freunde seien. Er verstehe nicht, warum der Freund ihn bei den Gerichtsbehörden in ein schlechtes Licht rücken wolle, es sei denn aus Rache für das eine Mal, als Salaì sich die Frau von Del Carretto auf den Spieß gesteckt hat (Ausdruck des Angeklagten), während dieser auf Reisen war.
Del Carretto erwidert, Salaì sei ein elender Dreckskerl und Betrüger (Ausdruck des Zeugen) und werde außer für den Diebstahl des Pferdes auch für diesen Betrug noch teuer bezahlen. Der Zeuge fügt noch zahlreiche Drohungen und beleidigende Worte hinzu, die der Notar nicht in das vorliegende Protokoll aufnehmen lassen will. Salaì hält mit Ausdrücken von derselben Art dagegen, außerdem mit Vorwürfen der Prahlerei und des Meineids.
Der Zeuge erhebt sich von seinem Stuhl und spuckt auf den Angeklagten, worauf dieser sich einen Schuh auszieht, ihn mit voller Wucht gegen den Zeugen schleudert und Del Carretto ernsthaft am rechten Auge verletzt. Die Häscher schreiten ein, die Kämpfenden werden zur Ruhe gebracht. Der Notar, dem es nur mit Mühe gelingt, das unflätige Geschrei von Zeuge und Angeklagtem zu übertönen, droht strenge Strafen an und fragt den Zeugen, ob er noch etwas zu sagen habe.
Del Carretto verlangt, man solle Salaì, diesen dreckigen Dieb und Betrüger (Ausdrücke des Zeugen) sofort bestrafen und ihn zwingen, das Geld aus dem Verkauf des Pferdes zurückzuerstatten. Außerdem solle man ihm Fingernägel und Zunge heraus reißen und ihn für mindestens zwanzig Jahre in den Kerker werfen.
Der Notar ordnet an, die Aussage des Zeugen und Salaìs Antworten zu den Akten zu nehmen.
Sodann führen die Häscher Del Carretto zum Ausgang, damit sein Auge verarztet werden kann. Der Notar bestimmt, dass der Zeuge demnächst erneut vorgeladen werde, damit gegen Salaì ein weiterer Prozess wegen unrechtmäßiger Aneignung des Pferdes und Betrugs angestrengt werden könne.
Salaì bittet um das Wort. Der Notar verweigert es ihm und hält ihm stattdessen vor, er habe in seiner Aussage viele wichtige Tatsachen unerwähnt gelassen: dass er von einem Mord wusste, dass ihm das für seinen Ziehvater erworbene Buch gestohlen wurde und schließlich dass er aus Rom geflohen sei und sich dabei schwerer Vergehen gegenüber einem Florentiner Mitbürger schuldig gemacht habe.
Da der Angeklagte schweigt, droht der Notar ihm fünfzehn Peitschenhiebe an und befiehlt den Häschern, ihn in das Nebenzimmer zu bringen. Nach den Regeln, die auch bei der Römischen Inquisition in Kraft sind, gilt es als ein untrügliches Zeichen seiner Unschuld, wenn der Angeklagte die Tortur ohne Widerstand erträgt, dann wird er ohne weiteres freigelassen. Andernfalls aber muss die Inquisition fortgesetzt werden, bis ein volles Geständnis erfolgt ist.
Der Angeklagte versucht, sich den Armen der Häscher zu entziehen, die ihn jedoch fest im Griff haben und in die Marterkammer führen. Währenddessen spricht er Sätze aus wie »Salaì hat vor nichts Angst, jetzt werdet ihr sehen, wie ein Mann Schmerzen erträgt« und dergleichen.
Die Sitzung wird um 9 Uhr aufgehoben.
Etwa zwanzig Minuten später wird die Inquisition des Angeklagten im Beisein des Notars, des Verhandlungsskribenten und dreier Häscher fortgesetzt. Der Notar fragt nach dem Ergebnis der Prüfung durch die Peitsche. Die Häscher berichten, dass Salaì der Tortur mit Tapferkeit und Gelassenheit entgegengesehen habe, jedoch vom zweiten Schlag an unaufhörlich Sätze gesprochen habe wie »Oh Gott, Hilfe, rettet mich, Mamma Mia, genug, es ist genug, in Ordnung, ich werde sprechen, ich werde die ganze Wahrheit sagen, aber jetzt hört auf, ich bitte euch!«
Der Notar fragt Salaì, ob er willens sei, sein Verhalten zu ändern und die Fragen des Gerichts von nun an ehrlich zu beantworten.
Der Angeklagte sagt, fünfzehn Peitschenhiebe hätten ein sachdienliches plötzliches Erwachen von Erinnerungen ausgelöst, die vorher in seinem Gedächtnis aus unerfindlichen Gründen ins Stocken geraten, ihm aber jetzt völlig klar zu Bewusstsein gekommen seien.
Tatsächlich räumt er ein, er habe sich in Rom von Del Carretto jenes Pferd geliehen, davon zuvor die Rede ging, doch er habe es ihm auf jeden Fall zurückgeben wollen, sobald er ihn in Fiorenza wiedergesehen hätte. Als er dann aber zurückgekehrt sei, habe er sich überlegt, dass Del Carretto auch mit Geld recht zufrieden sein müsse, da man es bequem in der Tasche tragen könne, während ein Pferd groß und schwer sei, einen Stall, Wasser und Hafer brauche, kurzum, es sei insgesamt eine ziemliche Plage. Er habe einen Händler aus Pistoia gefunden, der anständig gezahlt habe, und das Geld in gutem Glauben kassiert, um es Del Carretto anderntags auszuhändigen.
Der Notar gibt dem Angeklagten zu bedenken, dass er weitere schwerwiegende Fakten (den Diebstahl des Buches, einen Mord) verschwiegen habe, und fordert eine Erklärung.
Salaì bittet, man möge ihm ein wenig Zeit gewähren, um die Fragen des Notars gewissenhaft zu beantworten, da ihm die Schmerzen am Rücken im Moment nicht gestatteten, sich gebührend zu konzentrieren. Er bittet darum, ein weiteres Memorandum verfassen zu dürfen, darin er das bereits Berichtete präzisieren und vervollständigen werde.
Nach einer raschen Besprechung mit dem Verhandlungsskribenten gibt der Notar der Bitte des Angeklagten statt. Das zweite Memorandum sei ohne Aufschub spätestens um 6 Uhr am nächsten Morgen vorzulegen und müsse die reine Wahrheit und nichts als sie enthalten, außerdem sämtliche Ortschaften, in die Salaì sich während seiner Reise begeben habe.
Nach der Verlesung dieser Schrift könne die Vernehmung fortgesetzt werden.
Die Sitzung wird um 10 Uhr aufgehoben.
GENAUER ALS DAS VORHERGEHNDE VON DER REISE DES SALAÌ NACH ROM UM EIN BUCH FÜR SER LIONARDO ZU BESCHAFFEN
Diesmal alle Einzelheiten enthaltend welche der Signior Kriminalnotarius wissen will und zur Sicherheit auch noch jene die ihm vermutlich völlig wurscht sind.
Ruhmreicher und hochnobler Signior Notarius,
zuvörderst dank ich Euch und küss ich Euch tausendmal die Hände und auch die Füße dass Ihr mir die Gnade gewährt, mich besser zu erklären und genauer zu erzählen was mir in Rom passirt ist, weil sonst könnt es ja fast scheinen wie wenn Salaì ein Lügner wär. Dabei geht es doch nur um ein paar Einzelheiten, welche mir aus dem Gedächtnis gepurzelt sind, zumal ich ja nur wenige Tage in Rom geblieben bin statt wer weiß wie lange, aber jetzt versprech ich Euch dass ich nicht mehr zerstreut sein werde.
Grade tut mir der Rücken höllisch weh genau an der Stelle wo man mir die Peitschenhiebe gegeben, aber zum Glück hilft mir der Schmerz heut Nacht wach zu bleiben, insonderheit wenn ich mich auf das Bett mit Stroh legen will was an den Wunden grässlich weh tut, und drum denk ich, wird dies Memorandum für Euch, gütigster hochachtbarer Signior Notarius, bis morgen früh ganz bestimmt fertig sein. Dann könnt Ihr mich aus diesem Kerker entlassen, wo ich doch einen Haufen wichtiger Dinge zu tun hab, zum Beispiel das Ei bei mir auf dem Fenstersims begießen, weil sonst trocknet es aus, vielleicht hab ich das schon gesagt.
Also, wie Ihr Euch sicherlich entsinnt, das Buch was ich in Rom für Lionardo, meinen Ziehvater, kaufen sollte, ist ein Buch über Kosmografie, nemlich praktisch die Geografie von der ganzen Welt also Meere Seen Flüsse Berge und sogar die Länder wo erst vor kurzem entdeckt worden sind. Lionardo braucht dieses Buch, weil er will eine neue Weltkarte machen darauf man sieht dass es von den Kontinenten, also den Teilen der Welt, nicht nur drei sondern deren vier gibt, denn außer Europa Asien und Affrika gibt’s ja jetzt auch Amerika, die neue Welt die dieser berühmte Amerigo Vespucci entdeckt hat.
Drum hab ich in meinem Brief die Namen von Benci und Vespucci geschrieben, mit denen mein Ziehvater oft über Matematik Fisik und auch über Kosmografie redet. Dieser Benci besitzt nemlich schon eine Weltkarte die ihm Lionardo gemacht, und der Vespucci ist aus derselben Familie wie der berühmte Amerigo Vespucci, welcher wie alle wissen Amerika entdeckt, und drum ist Amerika ja auch nach ihm benannt.3
Vespucci und Benci sind in den letzten Monaten viele Male bei Lionardo gewesen und haben mit ihm über diese neue Welt gesprochen, die auf der andren Seite vom Ozean entdeckt wurde. Sonderlich an das letzte Gespräch mit Lionardo erinnre ich mich, da war ich nemlich auch dabei, aber versteckt hinter einer Tür, weil ich mach mir immer einen großen Spaß draus, Signior Notarius, mir den Stuss anzuhören wo mein Ziehvater seinen Gästen erzählt, um vor ihnen den weisen Mann zu spielen, und bei Gelegenheit verarsch ich ihn dann damit und mach dass er fuchsteuffelswild wird. Lionardo ist eigentlich igniorant wie die Bauern aus Vinci, sein Heimatdorf, aber er tut gern wie wenn er was viel Bessres wär, und wirklich hat er sich diese treffliche List ausgedacht, dass er vor seinen Besuchern immer ein ernstes Gesicht macht, also eine Miene wie von einem der sehr geheime und großartige Ideen im Kopf hat, und so denken dann alle, hm, vielleicht sagt dieser Lionardo nie was weil er ein verschlossenes Wesen hat wie alle großen Geister. In Wirklichkeit aber ist Lionardo erst dann richtig zufrieden, wenn er die Tür zumachen kann und seine Besucher wieder gehn, dann tut er einen großen Seufzer der Erleichterung, weil es ist ihm wieder mal gelungen, seine Ignioranz zu verheimlichen.
Was zum Kuckuck wollt ich eigentlich erzählen, ach ja, bei diesem Besuch sagt Vespucci, oh, welch Held ist mein Neffe Amerigo Vespucci, dass er Amerika entdeckt hat! Wirklich, ein großer Patriot, sagt Benci, durch ihn hat Fiorenza sich wahrhaft ewigen Ruhm erworben, weil man kann jetzt sagen, dass Amerika von Fiorenza entdeckt wurde und unsere Stadt wahrlich die Königin aller geografischen Entdecker ist. Auch Lionardo sagt, ja, meine teuren Freunde, ihr habt fürwahr Recht, aber er klingt nicht besonders überzeugt.
Und hinzu kommt, sagen Benci und Vespucci dann weiter, dass Ptolemäus, also der größte Geograf der Antike, viele Jahrhunderte lang vergessen war, bis er von dem Fiorentiner Palla Strozzi wiederentdeckt und aus dem Griechischen übersetzt ward von Emanuele Crisolora, welcher hier bei uns in Fiorenza Griechisch lehrte.4 Die Landkarten des Ptolemäus aus uralten griechischen Kodexen wurden in unsrer heutigen Zeit zum ersten Mal von zwei Fiorentinern kopiert, nemlich Francesco de Lapacino und Domenico de Lionardo Buoninsegna, und es war ebenfalls unsre Stadt, wo die antiken Weltkarten, die Ptolemäus und andre gemacht, verbessert und immer genauer gezeichnet wurden bis man sie dann schließlich gedruckt hat. Oh ja, lieber Benci, oh ja, lieber Vespucci, wie erhaben ist unsre Heimatstadt, oh, wie Recht Ihr habt! Und so beweihräuchern die beiden einander, dieweil mein Ziehvater stumm bleibt, und wenn er so lange Zeit den Mund hält, dann weiß ich, der ich ihn gut kenne, warum, nemlich ihm kocht die Galle vor Neid auf jeden von dem die andren gut sprechen. Denn Lionardo hält sich für einen großen Künstler aber er hat nie auch nur einen Heller in der Tasche wogegen immer die andren das Geld und die Ehren kriegen die gar nicht so gut zeichnen können und keine so scharfen Weiber malen können als wie er (obgleich mir, Signior Notarius, die Weiber wo Lionardo malt alleweil ein bisschen zickig scheinen, und meiner Meinung nach kann, mal grob geschätzt, keine einzige von denen den Schwengel richtig nehmen, Ihr vergebt mir den Ausdruck, oder?)
Also ich sagte, wie Lionardo so mit seinen Freunden redet aber innerlich kocht vor Neid, da hört man im Hintergrund des Zimmers aaahhh, uuuhhmmm, denn jetzt geht Lionardo sogar die Luft aus und er fängt fast an zu keuchen, weil es zwickt und zwackt ihm im Gedärm (ich lebe schon viele Jahre bei ihm, Signior Notarius, und weiß über diese Sachen gut Bescheid, denn früher hat er sich darüber immer bei mir beklagt), und solch ein Zwacken kriegen wir alle wenn man uns was sagt was uns überhaupt nicht behagt, und wenn wir aus irgendeinem Grunde den, der uns diese unangenehmen Dinge sagt, nicht dahin schicken können wo der Pfeffer wächst.
Ich sagte also, Benci und Vespucci kapiren nichts von den üblen Säften, wo meinen Ziehvater plagen, drum machen sie mit ihrem Gerede immer weiter. Oh ja, mein lieber Benci, wahrlich, mein lieber Vespucci, und ist Euch bewusst, guter Benci, welch ein großer Held unser Landsmann Pietro de Massajo war, der all diese Karten von der Toskana, Italien, Spanien, Frankreich, Etiopien und sogar vom Heiligen Land gezeichnet hat? Und Ihr, teurer Vespucci, habt Ihr je an unsren Mitbürger Cristoforo Buondelmonti gedacht, der ganze acht Jahre lang im Ägäischen Meer zwischen den griechischen Inseln umhergefahren ist und sie allesamt fein säuberlich gezeichnet hat für eine schöne Karte, so dass jeder der jetzt in jener Gegend segelt, seinen Weg findet und sich nicht mehr verirrt? Oh ja, welch ein Verdienst, das ist wahrlich ein großer Mann! Und ganz zu schweigen von dem Fiorentiner Paolo del Pozzo Toscanelli, dem Freund von Columbus, einem der besten Geografen aller Zeiten, oder von Benedetto Dei, der den ganzen Orient und ganz Affrika bereist und all diese Gegenden so gut kennt als wie ich meine Manteltasche. Vergessen wir auch nicht Giovanni da Empoli, der Indien und China besucht, oder Piero de Andrea Strozzi, welcher Asien von oben bis unten erforscht hat. Ach ja, meine Freunde, sagt Benci und erhebt sein Weinglas, trinken wir auf den Ruhm unserer Fiorenza, die Königin und Kaiserin der Geografie, und heben wir das Glas auf Pier Soderini, unsren großen Gonfaloniere. Erheben wir das Glas! wiederholen Lionardo und Vespucci und hinter der Tür hör ich wie die Gläser ding dong machen und dann den Wein der gluckgluck macht, aber unterdessen sag ich mir Na, wollen wir wetten, dass Lionardo gleich explodirt?
Und wirklich, in dem Moment hält’s mein Ziehvater, der sich bei dieser Lobhudelei für tausend Unbekannte gefühlt wie eine Null zwischen unzähligen Zahlen, nemlich einen Dreck wert, nicht mehr aus und sagt in feierlichem Ton: Lieber Benci, lieber Vespucci, eigentlich wollt ich Euch noch nichts davon sagen, doch Euer weises und edles Gespräch zwingt mich, Euch zu gestehen, dass auch ich vor einiger Zeit beschlossen habe meinen Beitrag zu den Ruhmestaten Fiorenzas in der Geografie zu leisten.
Wiiirklich? fragen die beiden höchst interessirt und überrascht weil sie kennen Lionardo nicht so gut und haben keine Ahnung vom Zwacken im Gedärm was mein Ziehvater über all dem Lobhudeln auf so viele andre Fiorentiner gekriegt. Jawohl, sagt Lionardo, ich bereite eine neue Weltkarte vor, noch schöner und kostbarer als alle früheren welche je ein menschliches Auge erblickt, und sobald sie fertig ist, dürft Ihr sie bewundern. Ich bin gewiss, dass sie Euch überaus gut gefallen wird, denn man wird zum ersten Mal sehen dass es nicht drei Erdteile gibt, nemlich Europa Asien und Affrika, sondern vier, weil auch Amerika dabeisein wird. Auf diese Weise, mein lieber Vespucci und mein lieber Benci, werden alle sagen können dass Amerika von einem Fiorentiner entdeckt wurde, nemlich von Euren Neffen Amerigo. Aber auch die schönste und neuste und wichtigste Weltkarte wird von einem treuen Diener der Stadt Fiorenza gemacht sein, nemlich in aller Bescheidenheit von mir.
Die beiden sagen natürlich: Welch eine Überraschung, oh, was für eine schöne Nachricht, was für eine gute Idee, Kompliment, Mastro Lionardo. Und erst in dem Moment fängt mein Ziehvater wieder an, normal zu atmen, ohne das schwere Keuchen was er immer bei diesem Gedärmzwacken kriegt. Dann sind die beiden sehr zufrieden fortgegangen aber Lionardo hat, ohne dass er’s wollte, hinter ihnen fast die Tür zugeschlagen, denn das Zwacken war zurückgekommen und hat ihn noch kolleriger gemacht: So er nemlich zu dem Mumpitz stehen will, den er gefaselt um Benci und Vespucci zu beeindrucken, muss er sich jetzt mit irgendeiner List behelfen sonst sieht er ganz schön alt aus, aber wie soll diese List aussehen?
Wenn diese Weltkarte gelingen soll, von der Lionardo Benci und Vespucci erzählt, dann braucht er unbedingt Hilfe, weil er will ja immer glauben machen dass er alles weiß, aber zuletzt kopirt er doch immer Bücher und Zeichnungen von andren kopirt. Wenn Ihr mit ihm sprecht, Signior Notarius, dann tut bitte so als hätt ich Euch all das nicht gesagt, in Ordnung?
Ein paar Tage nach diesem letzten Gespräch mit Benci und Vespucci hat Lionardo mich in eine Ecke gezogen und mir mit Flüsterstimme erklärt, im letzten Jahr hätt jemand in Teutschland ein Buch heraus ge bracht mit einer neuen, sehr gut gemachten Weltkarte, nemlich nach dem Vorbild der uralten Weltkarte eines griechischen Geografen, der hieß Ptolemäus. Sie zeigt außerdem auch die ganze neue Welt die Amerigo Vespucci entdeckt hat, und die ist riesengroß. Und genau dieses teutsche Buch mit der Karte darin soll ich ihm in Rom besorgen. In Fiorenza besitzt es nemlich keiner, wogegen es in Rom scheint’s zu haben ist.
Ich hab geantwortet, hört mal, Vater, warum sucht Ihr diese Weltkarte mit Amerika darauf nicht in einer andren Stadt wo Ihr Freunde habt die sich auskennen mit diesen wissenschafftlichen Dingen, statt dass Ihr den armen Salaì nach Rom schickt damit er sich für Euch den Arsch aufreißt?
Da sagt er, du undankbarer, blöder Rotzlöffel, niemals hilfst du mir, wenn ich dich um einen Gefallen bitte, willst dich immer nur auf meine Kosten durchfressen und Zeit mit den Weibern verlieren und kopirst mir obendrein auch noch meine Gemälde.
Das stimmt, Signior Notarius, aber ich muss dazu gleich sagen dass ich die Zeichnungen und Gemälde von Lionardo nicht aus Böswilligkeit kopire, sondern nur weil ich damit bei den Weibern gut ankommen kann. Wenn ich sie nemlich einlade damit sie meine Malereien sehn, sind sie so erstaunt und gerührt von meiner Kunst dass sie meist schon nach einer Viertelstunde reif sind, auf den Spieß gesteckt zu werden, denn mit der Kunst und ihrer Rührung hab ich ihnen einen feinen Vorwand geliefert für eine schnelle Nummer, und das ist etwas was alle Weiber in Wirklichkeit wollen, aber ohne eine gute Entschuldigung kommen sie immer mit tausend lästigen Problemen über denen man unnütz viel Zeit verliert während man selbst es grade zimlich eilig hat.
Wo war ich stehngeblieben, ach ja, also Lionardo hab ich dann so geantwortet: Mein lieber Ziehvater, mich dünkt, auch Ihr kopirt gern, denn Ihr schickt mich nach Rom dass ich die Weltkarte finde wo dieser Teutsche gemacht damit Ihr eine ebensolche Karte zeichnen könnt, und Eure Freunde glauben, es wär Eure eigne Idee.
Psssst, sei still, du Trottel, sagt er, sprich leise, jemand könnt uns hören! Und er fügt hinzu, natürlich könnte er auch nach Rom fahren, aber erstens ist er zu berühmt und man würde ihn dort bestimmt erkennen, und außerdem ist eine so lange Reise in seinem Alter beileibe kein Kinderspiel mehr. Das ist wahr, Signior Notarius, aber wenn Lionardo in den letzten Monaten der Rücken so schmerzt, dann liegt das meiner Meinung nach daran dass er, obwohl er fast sechzig ist, immer noch so viel wichst wie ein junger Bengel. Aber ich bitt Euch inständig, Signior Notarius, auch das dürft Ihr meinem Ziehvater nicht sagen, sonst schämt er sich gewaltig.
Am selben Tag hat Lionardo mir einen Zettel mit dem Titel von dem Buch gegeben, das ich ihm besorgen soll:
Universalis Cosmographia secundum Ptholomaei traditionem et Americi Vespucii aliorumque lustrationes
und hat mir erklärt, wie das Buch aussieht, nemlich darin ist eine Karte und noch andre sehr besondre Abbildungen und Zeichnungen. Dann gibt er mir ein Säckchen mit dem Geld das ich für die Reise brauche. Als ich bemerke wie viel das ist krieg ich einen Schreck, denn so viel Geld hab ich noch nie bei Lionardo gesehen, und ärgere mich auch ein bisschen, weil Lionardo ist zuletzt immer blank gewesen und hat sich ein hübsches Sümmchen von mir geliehen, aber wenn ich gewusst hätt dass er so fette Ersparnisse hat, dann hätt ich den Teuffel getan und ihm das Geld geliehen.5
Herr Vater, hab ich gefragt, kostet dies Buch wirklich so viel? Und er antwortet, ja gewiss, denn die Karte darinnen die ist so groß als wie ein Bettlaken und ist sehr kunstfertig gemacht, drum verlangen sie einen gesalzenen Preis dafür. Aber gib acht, Salaì, da du ein Esel und ein grober Klotz bist, wessenthalben du ein Buch mit so viel Wissenschafft darin niemals würdest verstehen können, musst du sagen wenn dich jemand frägt wozu du das Buch brauchst: Es ist für einen wichtigen Signiore in Fiorenza der nicht erkannt sein möchte.
Darauf hab ich gesagt, Ihr mögt entschuldigen, Herr Vater, ich meine, wo Ihr doch im Moment nicht mal eine Wohnstatt habt und müsst als Gast bei andren Leuten leben6, warum spart Ihr Euch dieses Geld nicht und gebt es für etwas Nützliches aus, zum Beispiel könntet Ihr einen schönen großen Truthahn kaufen, damit wir ihn morgen gefüllt mit Nüssen, Pflaumen und Kastanien braten?
Halt den Mund, Salaì, sagt er, und rede nicht wider die Befehle die ich dir gebe, und pass auf dass du das Geld nicht mit irgendwelchen Weibern von Rom vergeudest, sonst stech ich dir wenn du zurückkommst eigenhändig die Augen aus und schenk sie den Kindern hier unten auf der Straße dass sie damit Murmeln spielen, hast du verstanden, Salaì? Und jetzt frag mir keine Löcher mehr in den Bauch, sondern pack deine Sachen, denn ich will dass du morgen in aller Frühe aufbrichst, Punktum und Schluss.
Grad will ich wieder protestieren, Signior Notarius, denn es behagt mir überhaupt nicht so früh aufzustehen, doch die Worte bleiben mir im Halse stecken als Lionardo sagt: Wenn du morgen abreist und es unterwegs keine Probleme gibt, kommst du am Samstag in Rom an. Vielleicht kannst du dann sofort das Buch kaufen und schon am Sonntag zurückkehren. Wenn du aber erst übermorgen abreist, verlierst du einen Tag, denn am Sonntag ist in Rom alles geschlossen, und überdies muss ich dir eine weitre Nacht in der Herberge zahlen, aber da hast du dich geschnitten, das tu ich nicht.
Um es kurz zu machen sag ich, na gut, noch morgen werd ich nach Rom aufbrechen. Denn wenn Lionardo sich was in den Kopf gesetzt, gebärdet er sich schlimmer als wie eine zänkische Alte, also tut man besser was er sagt, sonst geht er einem noch die nächsten hundert Jahre damit auf den Sack. Dann wirft Lionardo einen Haufen neuer, wunderschöner und eleganter Kleider auf mein Bett, die haben überall Bänder und Federn und Schleifen und Dekorazionen, und haben ihn bestimmt eine schöne Stange Geld gekostet. Ich muss sofort eine vergoldete Weste anziehn, die hat Knöpfe in Form von Schneckenhäusern und um den Leib einen Gürtel aus feinstem Leder, und drunter trag ich eine Art Hemd aus rotem Atlas mit langen Ärmeln, das mich, in aller Bescheidenheit sei’s gesagt, Signior Notarius, wahrlich schön und prächtig kleidet.
Dann sagt Lionardo: Wenn du nach Rom kommst ziehst du sofort diese Gewänder an, so sehen alle dass ein großer Herr dich geschickt hat. Vergiss das nicht, geh immer nur so gekleidet auf die Straße! Dann kannst du sicher sein dass alle dich respektieren und dir helfen werden, weil gute Kleidung tragen ist immer von Nutzen.
Zuletzt nennt er mir den Namen von einem Priester den ich besuchen soll sobald ich in Rom angekommen, ein gewisser Pater Dati, aber ohne zu sagen dass Lionardo mich schickt. Er wird dir auf jeden Fall helfen, sagt mein Ziehvater, denn er ist ein Fachmann für Kosmografie und wenn er hört dass du aus Fiorenza kommst wie er, wird er dich gewisslich gut behandeln.
Eigentlich will ich noch sagen: Aber Herr Vater, wir sind doch immer zusammen in Rom gewesen und wenn jemand mich wiedererkennt so begreift er sicher dass Ihr mich geschickt, die Römer sind ja keine Dummköpfe nicht. Aber bei Lionardo hat es keinen Zweck dass man auf etwas beharrt, nemlich wenn er eine Idee hat, vor allem so es eine falsche ist, lässt er sie sich nimmer nicht ausreden. So ist es mit meinem Herrn: Bevor er kapirt wie die Sache wirklich steht, muss er sich immer erst den Kopf blutig schlagen. Zum Glück ist mir schon eine bessre Idee gekommen als seine, aber ich halt lieber die Klappe, weil wenn Lionardo so unleidlich wird ist es besser ich tu was ich will und lass ihn im Dunkeln.