Die Da-Vinci-Chroniken: Die Zweifel des Salaì - Rita Monaldi - E-Book
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Die Da-Vinci-Chroniken: Die Zweifel des Salaì E-Book

Rita Monaldi

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Beschreibung

Um die Familie Borgia ranken viele Gerüchte – Monaldi & Sorti kennen sie alle! „Die Da-Vinci-Chroniken: Die Zweifel des Salaì“ jetzt als eBook bei dotbooks. Einen Mann wie ihn hat es selbst in der Ewigen Stadt lange nicht gegeben: Der schöne Salaì ist ein Frauenheld, geschickter Dieb und gewandter Lügner. Im Frühjahr 1501 trifft er gemeinsam mit seinem Stiefvater Leonardo da Vinci in Rom ein. Was dieser nicht weiß: Salaì hat den Auftrag, ihn auszuspionieren und einen unbekannten Herrn aus Florenz auf dem Laufenden zu halten. Durch den blutigen Mord an einem päpstlichen Skribenten stoßen die beiden auf ein skrupelloses Bündnis. Mit allerlei Fälschungen bereiten Prälaten und Bankiers die größte Revolution aller Zeiten vor … „DIE ZWEIFEL DES SALAÌ mischt die deutsche Frühgeschichte der Renaissance gewaltig auf und nimmt die geifernde Papstkritik der Luther-Zeit wie eine große Büttenrede auf den Arm.“ FAZ Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Da-Vinci-Chroniken: Die Zweifel des Salaì“ von Monaldi & Sorti. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 702

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Über dieses Buch:

Einen Mann wie ihn hat es selbst in der Ewigen Stadt lange nicht gegeben: Der schöne Salaì ist ein Frauenheld, geschickter Dieb und gewandter Lügner. Im Frühjahr 1501 trifft er gemeinsam mit seinem Stiefvater Leonardo da Vinci in Rom ein. Was dieser nicht weiß: Salaì hat den Auftrag, ihn auszuspionieren und einen unbekannten Herrn aus Florenz auf dem Laufenden zu halten. Durch den blutigen Mord an einem päpstlichen Skribenten stoßen die beiden auf ein skrupelloses Bündnis. Mit allerlei Fälschungen bereiten Prälaten und Bankiers die größte Revolution aller Zeiten vor …

»DIE ZWEIFEL DES SALAÌ mischt die deutsche Frühgeschichte der Renaissance gewaltig auf und nimmt die geifernde Papstkritik der Luther-Zeit wie eine große Büttenrede auf den Arm.« FAZ

Über die Autoren:

»Monaldi & Sorti sind die Erben Umberto Ecos.« L’ Express, Frankreich

Das international erfolgreiche Autorenduo Rita Monaldi und Francesco Sorti machte mit seinem brillant recherchierten Romanzyklus »Imprimatur«, »Secretum« und »Veritas« weltweit auf sich aufmerksam. Als das Journalistenpaar außerdem im Zuge seiner Recherchen ein Geheimnis um Papst Innozenz XI. lüftete, machte der Vatikan seinen ganzen Einfluss geltend, weshalb die Werke jahrelang in Italien nicht vertrieben werden durften. In Folge des Skandals leben die Autoren heute in Wien.

Bei dotbooks sind bereits »Die Entdeckung des Salaì« sowie die »Imprimatur«-, die »Secretum«- und die »Veritas«-Trilogie erschienen.

***

eBook-Neuausgabe September 2015, September 2022

Die niederländische Erstausgabe erschien erstmals 2007 bei De Bezige Bij, Amsterdam. Die italienische Originalausgabe erschien erstmals 2017 unter dem Originaltitel »I dubbi di Salaì« bei Baldini & Castoldi, Mailand. Die deutsche Erstausgabe erschien erstmals 2008 unter dem Titel »Die Zweifel des Salaì« bei Rowohlt, Hamburg.

Copyright © der niederländischen Erstausgabe 2008 De Bezige Bij, Amsterdam

Copyright © der italienischen Originalausgabe 2017 Baldini & Castoldi, Milano

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2008 Rowohlt Verlag GmbH, Reinebek bei Hamburg

Copyright © der Neuausgabe 2015, 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH, München, unter Verwendung des Gemäldes PORTRAIT OF A YOUNG MAN von Bronzino

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm/ah)

ISBN 978-3-98690-365-7

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Monaldi & Sorti

Die Da-Vinci-Chroniken: Die Zweifel des Salaì

Roman

Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki

dotbooks.

DER EIN DIEB UND LÜGNER, EIN DICKSCHÄDEL UND FRESSSACK

AN DEN NACHFORSCHUNGENDES SER LIONARDO, MALER, SEIN MEISTERUND ZIEHVATERGewürzt mit einer pikanten Novelle des Boccaccio Und mit einem Brief des Machiavelli Welcher den Fall trefflich löst

»Zahllose Male habe ich im praktischen Leben bestätigt gefunden, dass Antiquare oft besser Bescheid wissen über Bücher als die zuständigen Professoren, Kunsthändler mehr verstehen als die Kunstgelehrten, dass ein Großteil der wesentlichen Anregungen und Entdeckungen auf allen Gebieten von Außenseitern stammt. So praktisch, handlich und heilsam der akademische Betrieb für die Durchschnittsbegabung sein mag, so entbehrlich scheint er mir für individuell produktive Naturen, bei denen er sich sogar im Sinn einer Hemmung auszuwirken vermag.«

Stefan Zweig, Die Welt von Gestern

Einführung

Die aufsehenerregende Entdeckung der Briefe Salaìs, Schülers und Adoptivsohns des großen Leonardo da Vinci, ist sicherlich eines der wichtigsten kulturellen Ereignisse unserer Zeit.

Der Kodex aus dem späten 16. Jahrhundert, der vor kurzem überraschend in der Bibliothek des Altersheims »Sant’Anna addolorata« in Grugliate (Mailand) auftauchte und eine große Anzahl privater Papiere Salaìs enthält, darunter die Briefe, die er im Frühling 1501 aus Rom an einen unbekannten Adressaten in Florenz schrieb, hat die Leonardo-Experten in Aufruhr versetzt. Dennoch harrt der Kodex noch seiner Veröffentlichung.

Es ist ausschließlich der freundlichen Hilfsbereitschaft Professor Mario Rossis von der Universität Mailand zu verdanken, dass die Autoren dieses Buches eine Fotokopie der Briefe erhielten, die hier zum ersten Mal in einer vorsichtig modernisierten Schreibweise veröffentlicht werden, um sie über die engen Grenzen der Fachkreise hinaus einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Wie unermesslich der historische und künstlerische Wert dieses Briefwechsels ist, muss kaum eigens betont werden. Dank der Schreiben Salaìs, des jungen Ziehsohns und Lehrlings von Leonardo da Vinci, der den Künstler jahrzehntelang auf seinem Weg begleitete, kommen wichtige Details über Leben und Werk des großen toskanischen Genies zum ersten Mal ans Licht. Auch unser Wissen über andere historische Berühmtheiten seiner Zeit wird durch diese Texte so gründlich revolutioniert, dass der amerikanische Historiker Vincent S. Leonard Salaìs Briefe sogar als »das erstaunlichste historische Dokument, das in den letzten hundert Jahren entdeckt wurde«, bezeichnet.

Nicht zuletzt ist die historisch-soziologische Bedeutung des Briefwechsels hervorzuheben, handelt es sich doch um ein äußerst seltenes Zeugnis aus der Renaissance, in dem sich der italienische Genius in einer völlig ungeschliffenen und authentischen Form ausdrückt. Der junge ungebildete, aber bauernschlaue Salaì ist ein perfekter Vertreter unseres »popolino scarpe grosse e cervello fino« – des kleinen Mannes, hinter dessen grobem Auftreten sich oft ein wacher Geist und gesunder Menschenverstand verbergen. Dieser Typus ist jenseits der Grenzen Italiens schwer zu finden und in Ländern ohne katholische Mehrheit vielleicht nicht einmal denkbar: ein Individualist, redselig, doch skeptisch, einer, der keine Verbote und Hierarchien kennt, ein vorurteilsloser und darum scharfer Beobachter der menschlichen Seele. Zu Recht stellt Professor Nino Borsellino, der große Italianist, dessen Studenten zu sein wir die Ehre hatten, Salaìs Briefe an die Seite der schönsten Texte in der Tradition Boccaccios, von »Calandrino e Buffalmacco« über »Bertoldo Bertoldino e Cacasenno« bis zum »Morgante« von Luigi Pulci, vor allem aber seiner nächsten Verwandten, der italienischen Antiklassizisten des 16. Jahrhunderts: des »Baldus« von Teofilo Folengo, der makkaronischen und fidanzianischen Dichter, Francesco Berni und der Burlesken bis hin zu Ruzante, Pietro Aretino und Benvenuto Cellini. Es sei uns erlaubt, an dieser Stelle das Urteil wiederzugeben, das Prof. Borsellino anlässlich der Bekanntgabe ihrer Entdeckung über Salaìs Briefe abgab: »Die strukturelle und formale Kohärenz des Werks gründet auf einer plebejischen, unersättlich expressionistischen und gestischen Schreibweise, die sich mit ihren verzerrenden und mimetischen Impulsen über jede rhetorische Konvention und erkennbare mundartliche Prägung hinwegsetzt und gerade aufgrund ihrer obszönen Maßlosigkeit umso elaborierter und ausgefeilter wirkt.« Salaì, schließt Borsellino, macht aus Leonardo »den größten aller ›Regellosen‹ der Renaissance.«

Die vorliegende Veröffentlichung erhebt selbstverständlich keinerlei Anspruch auf Wissenschaftlichkeit: Es handelt sich schlicht um eine Transkription der Briefe Salaìs (sein richtiger Name war Giangiacomo Caprotti, er lebte von 1480 bis 1526), deren Schreibweise nur soweit heutigen Lesegewohnheiten angepasst wurde, wie es nötig ist, um einem möglichst breiten Publikum Zugang zu diesem außergewöhnlichen Zeugnis über Leben und Werk Leonardo da Vincis zu verschaffen.

Der sehr gut erhaltene Band aus dem 16. Jahrhundert ist der Aufmerksamkeit der Historiker rein zufällig entgangen: Nachdem er als Teil eines Erbnachlasses in die Bibliothek des Altersheims geraten war, blieb er jahrhundertelang zwischen anderen zeitgenössischen Manuskripten von geringer Bedeutung begraben.

In der zusammenfassenden Abschrift, die uns überliefert wurde (die von Salaì geschriebenen Originale sind leider verloren), fehlen freilich einige wesentliche Angaben, vor allem das genaue Datum der einzelnen Briefe und außerdem die Antwortschreiben, die Salaì von seinem unbekannten florentinischen Briefpartner erhielt (auf dessen Identität der Text allerdings aufschlussreiche Hinweise gibt).

An der Echtheit der Briefe haben die wichtigsten Leonardo-Forscher jedoch nicht den geringsten Zweifel. Es ist bekannt, dass Leonardo da Vinci sich in den ersten Monaten des Jahres 1501 nach Rom begab, um dort eine Zeitlang die Werke der Antike zu studieren. Während dieser Zeit weilten auch andere historische Persönlichkeiten in der Papststadt, die Salaì in seinen Briefen erwähnt, zum Beispiel der polnische Astronom Kopernikus und dessen Landsmann, der Erzbischof Erasmus Ciolek. Äußerst detailgetreu sind die Angaben, die Salaì über seine Zeitgenossen macht, vom päpstlichen Zeremoniar Johannes Burkard bis zu den deutschen Bankiers Fugger, und ebenso präzise ist sein Bericht über den grausamen Mord an Giovanni Maria de Podio, der den Zeremoniar als »supernumerarius« vertreten hatte – all dies Tatsachen und Umstände, die in ihrer Gesamtheit nur modernen Historikern bekannt sind, von einem Zeitgenossen Salaìs jedoch niemals hätten gefälscht werden können.

Der Titel auf dem Frontispiz des Manuskripts, der vielleicht Salaì selbst zugeschrieben werden kann, lautet: »Briefe des Salaì / Ziehsohn von Lionardo aus Vinci / und sein Lehrjunge / von Lionardo genannt / Dieb, Lügner, Dickschädel und Fressack / enthaltend die Zweifel ebendieses Salaì / an der Inquisizion welche Lionardo in Rom für den Valentino geführt / ergänzt durch eine Novelle des Boccaccio / und einen Brief des Machiavelli.«

Weitere Dokumente aus dem wertvollen Archiv von Grugliate werden demnächst veröffentlicht. Wer weiterführende Informationen über die Entdeckung der Briefe und die Ergebnisse der Forschungen wünscht, die die Leonardo-Experten bis jetzt über den Briefwechsel betrieben haben, den verweisen wir auf den Artikel von N. Bianchi und P. Formigoni in der nächsten Ausgabe der International Review of Art History.

Monaldi & Sorti

1. Brief

Erhabner und erlauchter Padrone,

ich halte was ich versprech, und hier ist der erste Brief von mir Salaì, ergebenst Euer Diener, und mögt Ihr verzeihen, Signior Padrone, wann sie nicht genüsslich zu lesen sind weil ich komm aus dem Volk und hab nicht studirt und der einzige Lehrer den ich hatte ist mein Ziehvater gewesen, und ich spreche und schreibe nur unsere Sprache von Fiorenza, doch werd ich mein Bestes geben, und wann ich schon einen Feler geschrieben hab, so tut’s mir leid, aber hab zimlich wenig geschlafen heut in der Nacht und bin müd als wie ein Hund.

Nach einer langen Fahrt sind Lionardo und ich heute in Rom angekommen der heiligen und sehr schönen Stadt. Es tut nicht Not dass ich Euch abermals den Grund nenne für meine Reise ins Reich vom Papst, da ich es Euch ja schon in Fiorenza sagte bevor wir aufgebrochen: Mastro Lionardo, mein Ziehvater und Lehrer, der große Baumeister und Maler, sagt er will diese Reise tun um die antiken Büsten, Statuen und die Ruinen Roms nach der Natur zu studiren. Er sagt auch kein Verleger hat Bücher, die zeigen, wie man die edlen antiken Palazzi vom römischen Imperium und die Schönheit der Baukunst zeichnen sollt und das ist schlecht, denn wie Lionardo immer sagt, es ist löblicher die alten Dinge nachzuahmen als die neuen.

Lionardo wird recht lange hier in Rom bleiben, zwei oder drei Wochen vielleicht um Statuen, Monumente und Tempel nach der Natur abzuzeichnen und ich werd bei ihm sein. Er sagt, dieser Auffenthalt wird seiner Kunst zu großem Nutzen gereichen, zum Beispiel will er in die berühmte Villa vom Kaiser Hadrian gehn, das haben ihm nemlich der Bramante, Giuliano da Sangallo und der Peruzzi geraten, die anderen Baumeister, so seine Freunde sind, aber die haben im Leben immer Schwein gehabt, wogegen am Lionardo das Pech klebt wie der Honig am Löffel und er hat nie auch nur einen Groschen in der Taschen.

In Wahrheit ist, wie ich Euch schon geschrieben, der Zweck der Reise ganz ein anderer als was Ser Lionardo sagt, denn er tut als wenn nichts wär aber ich Signior Padrone, bin ja nicht tumb! Mein Ziehvater hat seine Sachen in Fiorenza, also sein Geld, wo er auf der Bank hat, seine Bücher und andre Papiere so bestellt, als wenn er lange Zeit fortbleiben müsst, von wegen zwei oder drei Wochen. Ich bin fast gewiss dass er in den Dienst einer hochwichtigen Person treten wird, sei’s ein Kardinal, ein Fürst oder gar ein König. Noch weiß ich nicht, wer’s ist, aber das find ich bald raus und ich werd versuchen Euch so rasch als wie möglich Kunde davon zu geben, wie Ihr wisst, nemlich es juckt mir in den Fingern einem großen und sehr guten Herrn zu dienen wie Ihr es seid zumal Ihr mir einen feinen Lohn versprochen und sowas lässt niemanden kalt.

Doch jetzt mach ich Schluss, denn in der Herberge, wo wir heut Nacht geschlafen hatte ich ein Getändel mit der Tochter vom Wirt, das in ihrer Kammer geendet, wo wir gewisse sehr gute und erfreuliche Übungen des Leibes gemacht und so ist sie zuletzt auch sehr zufriden gewesen, doch nun wiegen mir die Augenlider so schwer als wie zwei Pferdehufe.

In Gedanken stets in Fiorenza, unserer Heimat, grüßt EuchEuer treuerSalaì

2. Brief

Ehrwürdiger, guter Padrone,

vor unsrer Abreise aus Fiorenza hatte ich keine Zeit Euch zu sagen, wie ich herausgefunden hab, dass die Geschichte von der Reise nach Rom, um die antiken Palazzi abzuzeichnen, ein großer Schwindel von Lionardo ist. War nemlich ein rechter Hexenkessel in den letzten Wochen in unsrem Haus in Fiorenza, ein fortwärendes Kommen und Gehen von Menschen, Mastro Lionardo hier, Mastro Lionardo da, gebt ihm diesen Brief, sagt mir wo er ist, geht ihn suchen. Und drum dünkt mich schon, mein Ziehvater hätt endlich eine richtige Arbeit gefunden, wo man anständig verdient, statt dass er die ganze Zeit in seinem Zimmer hockt und Zeichnungen von wunderlichen Apparaten und Bildnisse von schönen Frauen macht, daher er ja auch dunkle Augenränder hat als wie, vergebt mir den Vergleich, Signior Padrone, die Jüngelchen so man mit elf, zwölf, dreizehn Jahren stets in ihrem Kämmerchen findet wo sie immerfort sich einen runterholen.

Aus Rom sind drei oder viermal in der Wochen Boten und Herolde kommen und gaben mir einen Haufen Briefe (von Lionardo hab ich Erlaubnis sie anzunehmen wann er nicht da ist). Das Treiben hat mich ganz fickerig gemacht, Signior Padrone, hab ja keine Engelsgeduld nicht als wie die Heiligen, also bohr ich in einen von diesen Briefen ein Löchlein und lins ein bisschen hinein. Aber da waren nur Zahlen, ein verschlüsselter Brief war das! Oh, hab ich gedacht, Lionardo hat gute und große Geschäffte und wichtig sind sie noch dazu, dieweil man das Verschlüsseln doch nur für Staatsgeschäffte braucht oder um die eigne Frau Hörner zu hintergehen, aber Lionardo hat gar keine nicht, im Gegenteil, er schaut die Weiber nicht mal an, indem dass er immer über seinen Zeichnungen sitzt und wenn er wirklich mal Geld braucht dann malt er Bildnisse von edlen Damen und dann bezahlen sie ihn ein bisschen besser.

Wie Lionardo den Brief nimmt sage ich, dass er schon so kaputt ankommen ist. Er sieht das kleine Loch das ich ins Futteral gemacht und schaut mich an wie er’s gewöhnlich tut wie jemand, der einem nicht glaubt, aber dann wollt er Gottseidank doch nichts fragen. Was hätt ich auch schon verstehn können von all denen Zahlen, die machen, dass das Ganze aussieht wie eines von Lionardos eignen Manuscripta welche er gern von rechts nach links schreibt wie die Araber. Armer Salaì hab ich gedacht, machst den Sklaven für Meister Lionardo und musst dich auch noch behandeln lassen als wie ein Dieb, aber wer sich das Paradies verdienen will, Signior Padrone, der muss getuldig sein.

Die Reise von Fiorenza nach Rom ist höchlich gefehrlich gewesen wegen der Kriege die in Italien herrschen zwischen dem Heer von Papst Rodrigo Borgia, Alexander VI. genannt, dessen Kommandant Cesare Borgia ist, der Neffe Seiner Heiligkeit, und den Signiorie von Faenza und Bologna, aber schließlich sind wir wohlbehalten und gesund in Rom ankommen. Ich bin zufriden hier zu sein, weil die römischen Frauenzimmer sind wirklich schön, vergleicht man sie mit denen aus Fiorenza, so haben sie mehr Fleisch auf den Hüften und auf dem Vorbau, ich sag nemlich immer, Brüste kann eine Frau nie zu viele haben.

Dies ist alles was ich im Augenblick berichten kann und lass ich Euer Gnaden entscheiden ob es gut oder schlecht ist für Fiorenza, unsre Heimat.

Euch stets ein untertäniger DienerSalaì

3. Brief

Erhabner und erlauchter Padrone,

Mastro Lionardo und ich haben uns in der Herberge de la Fontana einquartirt, in der Nähe von der Piazza Campo de Fiore und nicht weit von dem großen und schönen Palazzo der Cancelleria, den hat der Borgia bauen lassen wann er Vizekanzler war und jetzt gehört er dem neuen Vizekanzler also dem Kardinal Ascanio Sforza.

Bevor ich aus meiner Kammer auf die Straße geh frag ich einen der Diener wem das Gasthaus gehört. Der Diener scheint mir von der Frage überrascht und auch ein wenig besorgt und antwortet mir recht barsch dass es einer gewissen Vanozza Cattanei gehöre und entfernt sich daraufhin mit einer Höflichkeit die würd man in Fiorenza einen Tritt in den Hintern nennen. Mir sagt dieser Name rein gar nichts und ich nenn ihn Euch einfach so wie er ist. Freilich haben sie uns zwei große Zimmer gegeben, nur die Aussicht ist ein wenig trist weil das Fenster von all den Dächern ringsherum ganz erstickt wird.

Rom ist groß und man verirrt sich hier als wär man mitten auf den Feldern, doch so schön als wie unsere Stadt Fiorenza möge Gott sie beschützen ist sie nimmer nicht. Die Straßen sind voller Prozessionen von Bruderschaften und die Kirchen immer vollgestopft mit Volk und das Allerheiligste Sakrament wird bei jeder Gelegenheit ausgesetzt, kurzum, die Römer scheinen mir gute und fromme Christenmenschen. Trotzdem sieht man hier fürwahr nichts was so ist als wie unsere allerheiligste Kirche Sancta Reparata in Fiorenza und alle sagen sogar, sie wär viel herrlicher als die Kirche von San Pietro. Nemlich die Kirchen und Palazzi von Fiorenza sind voll schöner und prächtiger Dinge wogegen die Stadt vom Papst verfallen und kahl ist und sieht man auch allerorten viel Kühe auf Wiesen zwischen einer Kirche und der nächsten weiden und geben einen eklen Gestank. Das ist doch verrückt hab ich mir gesagt Padrone, was macht der Papst eigentlich, warum kümmert er sich nicht um Seine Stadt?

Die Weiber auf der Straße murmeln unaufhörlich das Paternoster um ihre Tugend zu zeigen doch wann sie mich sehen so klebt ihr Äuglein am Salaì wie das vom Falken der die Maus erspäht und so hat es gar keinen Zweck dass sie weiter ihr Gebet hersagen denn, Signior Padrone, man sieht sehr wohl dass auch sie nur die eine Sache im Kopf haben.

Des Abends wann die Händler auf den Straßen endlich aufhören zu schreien Wein, Wein ich verkaufe Wein oder Fritelle, kauft Fritelle (die hab ich gekauft und mundeten mir köstlich) hört man hunderterlei verschiedne Sprachen von den Pilgern die herkommen sich segnen zu lassen. Sie reden florentinisch mailändisch neapolitanisch und venezianisch, auch sind viele Leute aus anderen Ländern da, so hab ich zum Beispiel eine Menge Teutsche gesehen die Bäcker sind und Brot verkaufen. Doch ist unter den Sprachen so man hier und da hört eine die ganz anders ist als alle andren, von der ich kein Wort verstehe wiewohl ich sie jedes Mal erkenne, denn die Hälfte der Worte schnalzt recht ordentlich auf den Lippen, die andre Hälfte aber erstickt in der Kehle als wie Steine die in einen Brunnen fallen.

Meister Lionardo und ich haben im Wirtshaus de la Vacca grad gegenüber von unserer Herberge gegessen. Wie immer hat Lionardo gebeten dass ihm kein Fleisch serviret werde und so haben sie uns zwei Fladen mit Kräutern gebracht. Ich hab einen Bärenhunger und ess sofort den größren Fladen und wann Meister Lionardo mich schelten will frag ich entschuldigt Vater, aber welchen hättet Ihr denn gewählt? Und er sagt aus Anstand hätt ich den kleinren genommen, und ich erwidere seht Ihr, das ist in der Tat jener den ich Euch gelassen. Aber Lionardo kann nicht lachen über meinen Streich im Gegenteil er bleibt die ganze Mahlzeit über brummig und rührt fast nichts an von den Speisen, schade denn der Fladen war sehr gut und am Schluss hab ich auch noch die Hälfte von seinem gegessen, das wird ihm eine Lehre sein so mit mir zu grollen.

Stets mit Eifer in Euren DienstenSalaì

4. Brief

Mein geliebter Padrone,

um die Wahrheit zu sagen macht Lionardo mir Angst denn er scheint bekümmert und matt wie eine von diesen tristen, vertrockneten Nonnen bei denen man sofort weiß dass sie denken ach, hätt ich doch besser geheiratet wenigstens würd ich dann die Strümpfe von meinem Mann waschen statt die der andren Nonnen und obendrein tät mein Mann es mir auch besorgen. Nach dem Mittagessen hat Lionardo mich fast drei Stunden allein gelassen ohne mir zu sagen wohin und mit wem er geht und sowas geschieht in Fiorenza niemals. Zum Glück weiß Euer Salaì sich in derlei Fällen zu helfen, und wann Lionardo hinaus ist folg ich ihm von weitem und so seh wie er in den Palazzo der Cancelleria geht der zwei Schritt von hier entfernt liegt. Dann hab ich ihn in der Herberge erwartet wie er mir befohlen und wann er zurück kam sind wir gleich zum Abendessen gegangen, aber von dem was er ohne mich getan und gesehn kein Sterbenswörtchen. Drum frag ich ihn Herr Vater wollt Ihr dass ich Euch Gesellschaft leiste? doch er sagt danke nein ich möchte zeichnen und schließt sich in sein Zimmer ein. Also hab ich heimlich durch einen Spalt in der Tür gelinst und sehe dass er gar nicht zeichnet (unser Herr Jesus Christus wird mir vergeben dass ich solcherlei Mittel anwende aber ich tu’s ja in Euren Diensten, Padrone).

Wenn ich recht gesehn durch den Spalt dann las er wohl noch einmal jenes Gedichtchen das ihm ein Freund gewidmet hat und handelt von den Schönheiten der römischen Ruinen von Rom1 und wie er liest wirkt er besorgt und aufgeregt und kratzt sich den weißen Bart auf den er so stolz ist obwohl er damit aussieht wie der heilige Hieronymus. Ich hätt nicht übel Lust gehabt ihm zu sagen er soll zu Jesus und der Madonna beten statt sich am Bart zu ziehn denn das Beten beruhigt die Seele und verscheucht den bösen Blick und macht Jesus Freude aber ich weiß ja wie Lionardo darüber denkt, dem ist Jesus völlig wurst, drum hab ich vor dem Schlafengehn zweiunddreißig Avemaria gebetet für mich und nochmal zweiunddreißig für meinen armen Ziehvater weil er nemlich vor lauter Nachdenken über seine Apparate und die Matematik und die Wissenschafft schon fast ein Ungläubiger geworden ist, Gott möge ihm vergeben Amen. Nemlich das ist doch kein Zufall nicht, Lionardo der nicht an Jesus glaubt und nicht in die Kirche geht hat immer ein gottverdammtes Pech.

Wie ich dann weiter durch die Tür spähe, seh ich dass er beginnt wieder mal ein Bild von Antinoo zu zeichnen, das ist der junge Freund vom römischen Kaiser Hadrian und manche sagen er war vom andren Ufer und hatte ein schönes Gesicht und viele blonde Locken, grad so wie ich. Ich glaube hier in Rom gibt es viele Statuen von ihm, und Lionardo hat sein Gesicht das meinem so ähnlich sieht schon so häufig gezeichnet dass die Leute schließlich denken könnten ha, wir haben’s doch gewusst, Lionardo und Salaì sind auch warme Brüder. Aber wie falsch sie da bei mir liegen, Signior Padrone, das wissen sie gar nicht.

Ach, fast hätt ich vergessen Euch zu sagen, während wir im Wirtshaus de la Vacca auf die Fladen warten hab ich Mastro Lionardo allein gelassen weil ich mich in der Küche umschauen wollt (und hab mir da aus dem Schrank ein Stück Käse stibizt, nemlich ich einen fürchterlichen Kohldampf hatte). Neben dem Schrank ist eine kleine Tür welche gewiss in den Keller führt und ich denke, verflucht wär ich jetzt allein ich würd hinuntersteigen denn dort unten muss ein Haufen feiner Sachen zum Essen sein. Aber einer der Küchendiener steht in meiner Nähe der hat wohl verstanden was ich bei mir denke und sagt pass auf Junge, den Schlüssel zu dieser Tür den hat nur die Hauptköchin, darum brauchst du gar nicht darauf zu starren, das nützt dir nichts. Dann frag ich zwei andre Köche ob die Osteria auch dieser Vanozza Cattanei gehört aber sie antworten gar nicht und zeigen bloß auf die Hauptköchin die fett und mordshässlich ist und verdrehte Augen hat, und das Gesicht ist ganz zerfressen von Eiterpusteln, so schauerlich dass sie einen Blinden das Fürchten lehren könnt.

Die Köchin starrt mich lange an mit ihren Schielaugen und wirkt erstaunt, keine Ahnung warum, so dass ich schon denke was erlaubt sie sich mich so zu begaffen, und schließlich sagt sie ja, auch die Osteria gehört der Vanozza. Sie ist so abscheulich, besser Ihr kriegt sie nie zu Gesicht Signior Padrone, sonst schlaft Ihr nicht mehr des Nachts, und sagt zu mir Junge, du siehst grade so aus wie der Antinoo. Ach ja danke antworte ich und dann fragt sie mich woher ich komme und wie lang ich in Rom bleibe und ob mir die Sachen schmecken die sie kocht und ich sag ihr dass ich noch gar nicht angefangen hab mit dem Essen aber hinterher würd ich ihr schon sagen ob’s mir gemundet hat, derweil aber denk ich bei mir da kann sie lange warten bis ich’s ihr erzähl, mit der will ich nie nichts mehr zu schaffen haben, denn unter uns Mannsleuten gesagt Signior Padrone, mit ihrer Hässlichkeit hat sie mir meinen Schwengel so verschreckt dass er klein geworden ist als wie einer von ihren Pusteln im Gesicht.

Wie ich aus der Küche geh denk ich es ihr doch sonderbar dass diese Vanozza eine so große Herberge besitzt wie die Fontana und eine so gute und geräumige Hosteria wie die Vacca wo auch immer voller Volks ist, denn in Fiorenza gibt’s nur wenige Weiber die sowas besitzen ich glaub sogar eher es gibt kein einziges nicht. Das ist alles was ich Euch heute erzählen kann und lass ich Euer Gnaden entscheiden ob das alles gut oder schlecht ist für unsere Heimat Fiorenza.

Euer getreuer DienerSalaì

5. Brief

Mein über alles geliebter Padrone,

hab nun also Euren hochgeschätzten Brief bekommen welchen Ihr mir schriebet noch bevor Ihr meine Briefe aus Rom erhalten. In diesem Euren Brief find ich, wie ich’s mir schon gedacht, sehr viele weise und recht schlaue Sachen. Ihr ermahnt mich nemlich vorsichtig zu sein wann ich Euer Gnaden diene und ich schwör Euch dass auch dies von mir befolgt und ausgeführt wird und dass Ihr voll und ganz zufriden mit mir sein werdet. Ich tu das auch deswegen weil Lionardo hat die Neigung Dummheiten zu machen und bringt sich immer fest in Schwierigkeiten, und drum hab ich sowieso schon mächtigen Schiss vor dem was alles hier passiren könnt auf fremdem Boden. Ich glaube fast dass früher oder später uns was Schlimmes zustoßen wird. Hoffen wir, dass nicht und auch dass Gott unser Fiorenza beschützen möge. Ich werd versuchen mein Bestes zu tun doch müsst Ihr getuldig sein Signior Padrone, und vergesset nicht dass ich noch immer zimlich dumm bin, denn wann Lionardo mein Lehrer war erzählt er mir immer nur langweilige Sachen, Mattematica, Historia etcetera, das ging mir maximamente auf den Sack, Stunden um Stunden still dasitzen und Schreiben und Lesen etcetera insonderheit wann’s ein schöner Tag war. Da hab ich einmal gesagt seht doch nur Vater, auf der Straße hat’s dutzendweise schöne Weiber denen hängt die Meierei halb an der Luft, und da ist es Lionardo am Schluss auch zu bunt geworden und er hat aufgehört mir Lectiones zu erteilen, drum ist es jetzt auch seine Schuld wenn ich Dummheiten mache wo er eben nicht genug Getuld mit mir hatte, aber wenigstens komm ich leidlich zurecht mit meiner Inteliggens Intelgi ilntgz mit dem was ich im Kopf hab.

Euer stets treuerSalaì

6. Brief

Gnädigster Padrone,

heut will Mastro Lionardo sich die Haare wieder einmal blond färben denn obzwar er einen gewaltigen Schopf hat sieht man schon wieder weiße Haare, und hat mir also aufgetragen einen Barbier zu suchen weil man ihm gesagt dass es in Rom Barbiere gibt die Teutsche sind und dass sie gut sind. Mein Ziehvater hält nemlich sehr auf sein Äußeres auch wenn das alles vergebliche Müh ist weil er sich eh kein schönes Weib niemals nicht sucht, dabei könnt er berühmt wie er ist zehn oder zwölfe am Tag haben und es ist wirklich wahr Padrone, das Sprichwort dass wer Brot hat dem fehlen die Zähne. Ist von schönem Wuchs, Lionardo, wohlgestallt, angenehm und von löblicher Erscheinung schade nur dass er immer diesen angefressnen knickrigen Rock trägt der ihm nur bis zum Knie reicht und nicht einsehen will dass man heut lange Kleider trägt, und manch einer lacht wenn er ihn sieht. Den Bart rasiert Ser Lionardo sich allweil mit großer Sorgfalt und trägt ihn ganz zu Locken gekräuselt und schön gekämmt und lässt ihn bis auf die halbe Brust herabhängen, und er weiß genau dass er eine prächtige Figur macht und dünkt sich selbst sehr schön, ich hab ihn nemlich viele Male erwischt wie’s ihn so erregt hat das Malen von seinen Bildnissen von edlen Damen dass er sichs danach vor dem Spiegel selbst besorgt hat.

Was mir nicht gefällt sind seine Augengläser mit den blauen Linsen die er jetzt immer öfter aufsetzt weil er sieht damit aus wie ein alter Uhu, außerdem ist das Gestell woran die Linsen befestigt sind ganz kaputt so dass die Brille schief sitzt und man denkt, meine Güte warum kauft er sich denn keine neue? Kaum ist Lionardo bei mir aufgetaucht versuche ich ihm das noch mal zu sagen, doch unterbricht er mich und sagt ich soll Respekt vor ihm haben und duldet nicht dass ich etwas erwidere, also gut, mach doch was du willst denk ich, selbst Schuld wenn die Leute dich für einen Narren halten.

Nach dem Essen machen wir einen Spazirgang und treffen auf einen der gebratne Würste verkauft, und trotzdem dass mein Bauch fast voll ist ess ich zwei Würste und eine halbe weil sie gar so gut sind, der Händler ist nemlich ein Teutscher, und das wissen sogar die dümmsten Hinterwäldler dass die teutschen Würste die besten sind auf der Welt. Dann läuft uns eine Zigeunerin über den Weg die wahrsagt und Lionardo frägt sie wie viel sie will um ihm sein Schicksal vorherzusagen. Ich geb meinem Ziehvater einen Stoß mit dem Ellbogen denn die Zigeunerin gefällt mir nicht, sie hat kleine böse Augen, aber Mastro Lionardo verabredet ein Treffen mit ihr in den nächsten Tagen. Obendrein verkauft sie ihm eine ölige Salbe die nennt sie Protection und sagt, wer sie sich alle Abende auf die Schläfen und die Augen tut der ist beschützt vor jeglichem Missgeschick, heute und immerdar. Dabei spricht und schreibt Lionardo immer gegen die Hexenmeister und Schwartzkünstler und sagt das ist Zeug für Einfaltspinsel und Leichtgläubige, aber dann gibt er sein Geld doch für ihre Lügenmärchen aus, und derweil ist sein Konto auf der Bank von Sancta Maria Nova schon so geschrumpft dass wir bald nicht mal mehr Augen zum Weinen haben werden.

In letzter Zeit hat Ser Lionardo sogar immer ganz leere Taschen und muss er sich Geld von mir leihen und gibt’s mir fast nie zurück, aber ich lass mir nichts anmerken denn des Abends ist er eh so müde weil er seine wunderlichen Apparaten zeichnet und wenn die Leute wüssten was für ein Spinner die gemacht hat, sie würden allesamt zu lachen anfangen, und ich weiß gewiss eines Tages werden nur die dümmsten Trottel sagen Aaah oooh guck mal wie schön wie interessant. Was zum Teuffel wollt ich eigentlich sagen, ach ja, also bevor er sich schlafen legt vergisst Lionardo immer aus seinen Taschen das Geld zu nehmen das ich ihm geliehen und dann stehle ich’s ihm. Drum nennt er mich ja auch Salaì, also Saladin, wie der berühmte türckische Sultan, nemlich wann Lionardo mich zu sich genommen da war ich erst zehn Jahre alt aber tüchtig darin ihm Geld zu stibitzen und hab mir feine Sachen zum Essen gekauft davon, Zuckerwerk Brot Kuchen etcetera (damals hatte ich auch schon immer Hunger) und sogar Schuh, aber zu jener Zeit konnt er mich noch stets erwischen und eines Tages ist er böse geworden und hat gesagt jetzt ist’s genug ich hab’s satt mit dir du bist wirklich wie Salaì und seither nennen mich alle so.

Aber ich will Euch nicht langweilen, hochverehrter Padrone, weil in Wahrheit wollt Euch ich von andren Dingen schreiben, nemlich ich hab kapiert warum man auf den Straßen Roms so viele verschiedne Sprachen hört. Nicht nur weil die Pilger herkommen, der wahre Grund ist dass in dieser Stadt Völker aus der ganzen Welt leben und arbeiten, ja von denen hat’s sogar fast mehr als von den Römern selbst. Heut hab ich eine junge Magd aus der Herberge kennengelernt die ist nicht übel (sie erinnert mich an die schöne Cecilia, die Freundin von Ludovico il Moro dem Herrscher von Mailand die mein Adoptivvater mit einem Hermelin im Arm gemalt hat)2 – und hab ihr ein paar Fragen gestellt, ihr wisst wie das ist Signior Padrone, ein Wort zieht das andre nach sich und alle beide ziehen das Mädchen mit, und so will mir scheinen, auch sie hat ihren Gefallen an der Gesellschaft des Salaì so wie ich an der ihren, also frag ich sie ob sie gern in der Herberge arbeitet und sie sagt, ach, wenn du wüsstest, hier zahlt man mir recht wenig, fänd ich doch nur eine Anstellung im Dienst einer wichtigen Person, und so sprechen wir lange darüber dass allweil sehr viele Fremde sind in Rom, und sie erkläret mir dass der letzte römische Papst Martin V. war der schon vor achtundsiebzig Jahren krepirt ist, aber danach gab es nur mehr Päpste die nicht aus Rom kamen, der eine aus Siena, der andre Ligurien, einer aus Spanien wie der Papst jetzt, und alle miteinander haben sie einen Haufen Verwandte mitgebracht, die sich dann in Rom niedergelassen, und noch mehr Verwandte und Freunde hergeholt, welche alle verschiedne Sprachen sprechen, und das ist der Grund warum man hier durch die Straßen geht und nicht die Bohne versteht.

Also frag ich das Mägdlein was das für eine Sprache ist die ich hier in Rom so oft sprechen hör und die mir in den Ohren klingt als wie das Geräusch von Steinen in einem Brunnen, und sie sagt dass es vielleicht Frantzösisch ist dieweil es noch viele Frantzosen hier gibt, nemlich vor Martin V. sind die Päpste gut siebzig Jahre lang in Avignon in Frankreich gewesen weil der Teuffel das Schisma bewirkt hat, also die Spaltung der katholischen Kirche, drum hat es damals sogar drei Päpste zur gleichen Zeit gegeben, einen richtigen und zwei falsche die Ketzer waren, kurzum in der Kirche gab’s ein riesiges Durcheinander damals. Und das ist der Grund warum noch immer viele Frantzosen aus dem Frankenreich ankommen, mitsamt ihrem König der vom Teuffel geschickt ward um Italien zu erobern und den Papst gefangen zu nehmen und ihn als Sklaven nach Avignon zurückzubringen. Aber dieser Papst ist heilig sagt die Magd und unser Herrgott wird das nicht dulden. Also frag ich sie wie sie das weiß dass dieser Papst wirklich so gut und heilig ist und sie antwortet mir das wissen doch alle.

Danach lad ich sie ein mit spazieren zu gehen, weil ich hab so eine Idee, dass ich sie in ein Gebüsch mitnehm und ihr Küsse gebe und ein paar Schweinereien mit ihr mache, aber sie erwidert nein ich kann nicht ich muss gehen, auf meine alte Mutter achtgeben, doch man sieht genau dass es sie sehr wohl gelüstet mit mir zu gehen, denn die Weiber sagen immer, nein danke ich kann nicht, aber wenn einer sich auf die Sache versteht, Padrone, dann kriegt er sie alle weich.

Das ist alles was ich Euch im Augenblick erzählen kann und ich lass Euer Gnaden entscheiden ob das alles gut oder schlecht ist für unsere Heimat Fiorenza.

Euch immerdar ergebenSalaì

7. Brief

Gütigster Padrone,

das Mägdlein wollt mich nicht begleiten, nun gut, bin ich also allein spaziren gegangen und konnt ich so endlich mal ungestört durch die Stadt streifen und mich ein bisschen zurechtfinden, denn bis jetzt hat sich mir immer der Kopf gedreht von all den Straßen und Plätzen über die Lionardo und ich viele Tage werden gehen müssen, aber kann ich mich ja nicht alle drei Minuten verirren wie ein Trottel.

Nachdem ich den Palazzo de la Cancelleria im Rücken habe gehe ich an dem von den Borgia vorbei, was die Familie vom Papste ist, und gelange zu den Anwesen der mächtigsten und bekanntesten Familien von Rom, deren Namen Euch, Signior Padrone, gewiss so vertraut sind wie die Tage der Woche, nemlich Fieschi, Orsini, Santa Croce, Chigi, Savelli und Colonna. Vor jedem dieser Palazzi wacht ein Haufen Garden und steht im Dienste der Besitzer, denn die großen Familien von Rom haben seit jeher ihre Händel mit der Papstmacht so wie die Mücke den Mann plagt der schläft. Da fällt mir ein, Padrone, ich muss Euch eine sonderbare Sache berichten, ich könnt mich auch irren, aber gleich wie ich den Spazirgang begonnen da war mir schon als würd ich verfolgt vielleicht war’s nur ein Gefühl aber, welch ein Zufall, in Fiorenza geschieht mir sowas immer nie.

Gar sehr gefällt mir der Palazzo de l’Oratore von Venedig, der auch Palazzo del Ambasciatore genannt wird, mit der Kirche San Marco und der Residenz der Colonna, und daneben die Kirche der Sanctissimi Apostoli wo just in dem Moment Messe gelesen wurd, und das hab ich genutzt um zur heiligen Kommunion zu gehn welche ich fast keinen Tag auslasse, gelobt sei Gott mit allen Heiligen Amen.

In jeder Straße der Stadt schuften viele Maurer, Baumeister und Handwerker und manche sind sogar Fremde, nach dem Aktzent mein ich es wären Schweitzer oder Teutsche. Straßen und Dächer und Brücken und Bollwerke und Wasserkondukte werden alle neu gebaut, und überall fliegt ein Staub umher dass ich immerfort rote Augen hab, verflixt. Jüngst hat der Papst das Kastell Sant’Angelo verstärken lassen und dann Haus und Hospital San Rocco de li Schiavoni restrura restuar egal, erneuert jetzt will er Kirche und Piazza von San Pietro erweitern und erhabner machen, und darum lässt er einen Brunnen bauen wo viel besser und schöner ist, nemlich aus dem alten haben früher die Pferde und Maulesel von den Reisenden getrunken wie wenn sie auf dem Bauernhof wären, ich sage Euch, Signior Padrone, das ist wirklich eine Schande.

Im Palazzo vom Vatikan ward für den Papst ein ganz neuer Turm gebaut mit seinen Gemächern und darin herrliche Fresken von Pinturichio, aber die Häuser in Rom sind fast alle alt und zerfallen, drum will der Papst keine neuen baun und lieber die alten instandsetzen, wofür er die großen Meister wie Giuliano da San Gallo holt. Mein Ziehvater der den San Gallo sehr gut kennt wird deswegen gewiss arg neidisch sein, Lionardo nemlich den holt kein Schwein nicht damit er große Palazzi baut.

Wie ich an der Via dei Banchi am Tiber vorbei komm, bleib ich vor einer Osteria stehn und denk, eigentlich könnt ich mir einen schönen Krug Wein trinken wo mich ein viehischer Durst plagt, und tu recht dran denn der Wein ist gut. Der Wirt ist ein Schwatzmaul und fragt mich ob ich aus Siena bin und ich sag was fällt dir ein, ich bin aus Fiorenza und die aus Siena kann ich nicht ausstehn, da sagt er entschuldigung ich dachte du wärst aus Siena weil lange Jahre hat’s viele von dort bei der Dienerschaft Seiner Heiligkeit gegeben. Da nutz ich die Gelegenheit und frag ihn ob er jene sonderbare Sprache mit den Steinen im Brunnen kennt und er sagt, mein Junge, hier in Rom sprechen sie die wunderlichsten Sprachen und man sieht beileibe nicht nur Leute aus Siena, sondern aus der ganzen Welt, sogar Würdenträger aus dem Orient, Abgesandte der Königin von Zypern, der Despoten von Ägypten und Morea, der Zoe Paleologa Großherzogin von Moskau, ja vor Jahren ist sogar eine Gesandtschaft des Priesters Gianni gekommen, des Herrschers über das große Reich von Ostafrika, und auch der Bruder des Großsultans des Orients war hier, und so zählt mir der Wirt noch mehr schöne Namen auf, und ich denk, sieh mal einer an wie diese Orientalen sich den Arsch aufreißen um von zu Haus bis nach Rom zu reisen, wogegen ich niemals weiter östlich gekommen bin als bis nach San Godenzo, aber da gibt es diese Bäuerin mit den dicken Kugeln der ich’s immer so oft besorgen muss, dass ich abends grad so todmüd nach Hause komm als wie einer wo aus dem echten Orient heimkehrt.

Wann ich die Osteria verlass und über den Tiber geh, ragt sogleich vor mir das Kastell Sant’Angelo auf wo die Kerker sind darin die Päpste die Verbrecher stecken, doch ich hab gar keine Angst. In der Nähe steht nemlich einer der Obst und Gemüse verkauft, und wie er mich grad nicht sieht stehl ich ihm einen Apfel um mir den Mund zu säubern vom Weingeruch denn gestohlen schmecken sie immer besser, ich weiß nicht, Padrone, ob Euch das schon aufgefallen ist. Schließlich komm ich zu dem großen Palazzo vom Kardinal Della Rovere, nah bei der Kirche San Pietro, und in dem Moment, Signior Padrone, Teuffel auch, bin ich sicher dass da einer ist der mich verfolgt, nemlich ich hab ihn genau gesehen aber dann hat er sich in einem Gässchen versteckt und ich hab gewartet und gewartet weil ich glaubte auf der andren Seite kann man nicht raus, doch dann bin ich doch hinein und sah ich halt mich getäuscht.

Vielleicht war’s nur ein Verrückter, Signior Padrone, denn davon laufen hier viele herum, oder ein Bengel, der mir einen Streich spielen wollte, jedenfalls denk ich mir jetzt hab ich Lionardo schon zu lang aus den Augen gelassen, ist also besser ich geh zurück zur Herberge, man weiß ja nie.

Am Ser Lionardo möcht ich nicht kleben wie die Kacke am Hintern denn auch einer mit einem verschrobenen Kopf wie er könnte mal misstrauisch werden, doch möcht ihn auch nicht alleine lassen, weil ohne mich passirt ihm immerfort irgendein Unglück, Lionardo ist nicht gläubig und drum geht ihm immer alles schief, weil solche die nicht an Jesus und die Madonna glauben, sind meiner Meinung nach vom Pech verfolgt, aber mir scheint das hab ich Euch schon gesagt.

Euer getreuer DienerSalaì

8. Brief

Erlauchter und ehrwürdiger Padrone,

ich schreibe nachdem ich in der Osteria de la Vacca gegessen wohin wir gegangen sind um uns zu erholen von dem Wirrwarr hier in der Herberge, von dem ich Euch sogleich eine getreue Beschreibung auftischen werde, so wie die Diener hier in der Osteria uns gerade eben Brot verschiedne Schinken, frischen Ricotta, Salat, angemachte Kräuter und andre gute Dinge aufgetischt haben wogegen sie den andren Gästen bloß Minestra mit Gemüse und alten Käse geben, so dass ich mir denk vielleicht behandeln sie uns besser weil sie erkannt haben dass Lionardo ein großer Baumeister ist.

Ihr wisst recht gut, Signior Padrone, wie sehr ich meinen Ziehvater liebe, und ist es auch zu seinem Wohl dass ich Euch aus Rom berichte, weil wie Ihr mir befohlen habt muss man aufpassen wer Lionardo besucht, worüber er mit anderen Leuten spricht, welche Post er erhält und sonderlich ob die Leute die er trifft unserem Fiorenza wohlgesonnen sind oder ob sie bloß aus seiner Kunst und der Wissenschafft Nutzen ziehn wollen, um ihm Geheimnisse zu entlocken die den Feinden des Vaterlands dienlich sind, und auch deswegen weil mein Ziehvater so unschuldig ist als wie ein Kind, und jeder könnt ihn ganz leicht reinlegen, und drum müssen wir ihn beschützen wenn wir unser Fiorenza beschützen wollen.

Nun, als ich von meinem Spaziergang zurück bin erfahre ich dass mein Ziehvater sich zu einer Verabredung begeben will und also begleite ich ihn. Wann wir zum vereinbarten Ort gelangen kommt uns ein junger Mann von düstrem Aussehen entgegen, um genau zu sein er hat das Gesicht von einem dem man gehörig in die Eier getreten hat, und das sag ich auch zu Lionardo als ich ihn von weitem seh, und er lacht, aber er gibt mir Recht. Gleich darauf schickt Lionardo mich fort, so ein Mist, Padrone, natürlich bloß deswegen dass ich nicht höre was er mit dem andern bespricht, doch befielt er mir auch in einer halben Stunde wiederzukommen. Was soll ich Euch sagen, Signior Padrone, Lionardo will nicht dass ich ihm bei seinen Geschäfften im Weg bin, aber er hat auch Angst allein durch Rom zu gehen, warum hätte er mich sonst mit zu der Verabredung genommen?

Sobald ich mich entfernt, versuch ich die beiden von weitem zu beobachten, aber sie schlüpfen sofort in ein Eingangstor und so verlier ich sie aus den Augen. Wo wir nicht weit von der Herberge sind fällt mir ein dass ich in meine Kammer gehen könnt um etwas mehr Geld zu holen, denn vielleicht will Lionardo sich ja mal wieder was leihen. Wie ich Euch schon erklärt hab, Signior Padrone, versuch ich immer sehr großzügig zu sein und geb Ser Lionardo alles Geld um das er mich fragt, denn wer mehr besitzt der muss auch fürchten mehr zu verlieren, sagt er immer, und am Abend hol ich mir das Geld sowieso aus seiner Tasche zurück.

Also geh ich in die Herberge, und da find ich die Überraschung: die Tür von Lionardos Zimmer neben dem meinen ist aufgebrochen. Ich geh rein und seh das grässlichste Durcheinander das man sich vorstellen kann. Jemand hat alles durchwühlt und verstreut, Kleider Papiere Arzneien und Bücher, alles was Mastro Lionardo in seinen zwei Kisten aus Fiorenza mitgenommen.

Sofort heb ich einen ganzen Packen Papiere vom Boden auf um nicht draufzutreten und steck einige in ein Buch das ich auf den Tisch neben der Tür lege, und dabei frag ich mich ob der Dieb (denn was andres konnt’s nicht gewesen sein) wohl auch das Geld von Lionardo genommen hat. Dann mach ich ein paar Schritte zum Fenster das noch offen steht wie mein Meister es zurückgelassen hat und versuch mit der Fußspitze Strümpfe eine Feder und ein paar Bücher wegzuschieben, alles Zeug das auf dem Boden liegt. Vor dem Fenster bleib ich stehn, die Beine zittern mir noch vor Angst, und wie ich schon zur Tür zurück will um Hilfe zu holen stößt mein Fuß gegen ein Glasfläschchen, und damit ich nicht falle halte ich mich am Vorhang fest, und erst da merk ich, Signior Padrone, dass hinter dem Vorhang einer steht und sogar atmet. Der Schrecken lässt mich lang genug erstarrn so dass der Kerl Zeit hat sein Messer zu ziehn, hinter der Gardine hervorzuspringen und mich an der Kehle zu packen. Jung war er, mit wenig Bart, und die Wangen hohl als wie bei einem der arm ist, ja halb verhungert. Die Klinge von seinem Messer glänzt, und aus Angst, Padrone, mach ich mir ein warmes Bächlein in die Hosen.

Ach Salaì, denk ich bist kurz davor dem Leben addio zu sagen, und verdammt, was für ein elendes Pech, wär ich doch nur auf der Straße geblieben oder besser gleich in Fiorenza, doch wann mein Mörder zum Stoß anhebt, Signior Padrone, da ist etwas Sonderbares passirt, nemlich just wo das Messer herabsaust um mir ein Loch in den Bauch zu stechen bewegt sich der Vorhang und …

Ihr müsst entschuldigen, Signior Padrone, die Tinte ist leer, aber jetzt hol ich mir ein Glas mit rotem Wein und misch ein wenig Ruß darunter, so kann ich weiterschreibenSalaì

9. Brief

Verehrungswürdiger Padrone,

vergebt mir das Gekritzel auf dem vorigen Blatt, aber auch das Papier war mir ausgegangen, und werd ich Euch dies so schicken müssen als wie es ist, weil seit Lionardo angefangen griechische Handschrifften voll mit wunderlichen Gerätschaften zu kopiren verbraucht er mehr Papier als wie die Kühe Gras fressen, ich sag Euch die reinste Verschwendung, weil nach einiger Zeit vergisst er wozu die Apparate gut sind die er gezeichnet und wegen dem dass er gerne von rechts nach links schreibt kapiert er am Ende selbst rein gar nichts mehr.

Jedenfalls grad wann der Kerl dort mich abstechen will bewegt sich durch meinen Angstschauder der Vorhang sein Messer verfängt sich drin und er trifft mich nicht, denn wenn ja hätt er mich gewiss getötet, denkt bloß Padrone, was für ein Schwein ich hatte, drum bin ich mit meiner nassen Hose, schon zweimal in die Kirche gegangen und habe Dankgebete zur Jungfrau Maria gesprochen, denn eine solche Hilfe die konnte ja nur von Ihr kommen.

Derweil ich den Ruß im Wein auflös um ein wenig schlechte Tinte zu machen gesteh ich Euch dass mir das Herz noch immer gewaltig klopft, aber hab allweil noch eine frische Erinnerung und kann Euch daher eine sonderbare Einzelheit berichten: Wann das Messer sich im Vorhang verfängt hat der Dieb der mich töten wollt was gesagt aber ein Wort nicht von unsrer Sprache, nemlich es endet mit einem Gurgeln das man in unserem Idiom nie höret.

Was aber danach geschehen erinnre ich nur verworren, also der Dieb ist aus dem Fenster gesprungen und hat sich über die Dächer verflüchtigt, dieweil ich sitzen bleib und meine Hinterbacken auf was Hartes und Spitzes drücken. Heilige Jungfrau Maria, ich danke dir hab ich gedacht dass ich noch heil und lebendig bin und steh auf um zu sehen was mich da hinten schmerzt. War ein hölzern Kästchen, und ich konnt hineinschauen weil der der Dieb den Deckel aufgebrochen hatte. Drinnen war das Kästchen gefüttert mit rotem Samt und auf das Tuch waren viele kleine Ringe aus Stoff genäht, ich zähl sie eins zwei drei etcetera, dreizehn sind’s zusammen, mir scheint sie sollen Dinge halten von einer runden Form und etwa wie mein Finger so groß. Ich schau mich noch einmal um und zittre vor Angst und mir ist kalt in der nassen Hose und wenn jetzt jemand reinkommt in das Zimmer vom Lionardo mit dem ganzen Durcheinander er würd mich gewiss für den Dieb halten, vielleicht stecken sie mich dann auf der Stelle ins Sant’Angelo mitsamt der bepissten Hose, na das gäb ein Gelächter.

Wann ich zur Tür geh tret ich mit dem Fuß auf ein kleines Ding und da springt es gegen eine der Kisten von Lionardo, und weil es ein sonderbares Geräusch gemacht bück ich mich und seh es ist ein Stäbchen aus Holz, etwa sieben acht Fingerbreit, und an der Seite hat’s eine Kerbe und scheint gemacht damit man’s in ein Loch steckt. Also geh ich zurück nehm das Kästchen und steck das Stäbchen in einen der Ringe aus Stoff, und sieh mal an es passt genau hinein. Da hab ich gedacht was zum Teuffel macht Ser Lionardo mit diesen Stäbchen und wo sind wohl die andern die fehlen?

Hilfe hab ich nicht mehr geholt sondern bin gelaufen um meinem Ziehvater wo ich ihn zurückgelassen alles zu berichten, und find ihn wieder allein denn der Mensch dem man die Eier verbeult hat ist schon fort, also erzähl ich Lionardo was geschehen und wir laufen beide sogleich zur Herberge.

Wann wir bei der Fontana ankommen will ich einen der Diener bitten uns ins Zimmer zu begleiten, doch Lionardo befielt mir niemandem etwas zu sagen von dem was passirt ist, nicht jetzt und auch nicht später, das hat mich verwundert, Signior Padrone, aber ich gehorch ihm lieber, denn sonst macht er mir die Hölle heiß.

Wie wir die Treppen rauf sind haben wir drauf geachtet dass keiner uns sieht und sind in sein Zimmer und da stürzt Lionardo sich sofort auf die Sachen, und jammert und flucht, ich kann Euch gar nicht sagen, Padrone, wie’s ihn gedauert hat, und ruft wo sind meine Zeichnungen, meine Steine, meine Pinsel, meine Notate, und weint dieweil er in allen Ecken herumwühlt. Dann sieht er das hölzerne und mit Samt ausgeschlagne Kästchen, nimmt es und öffnet es langsam. Er fragt mich ob ich die andren Stücke gesehen, und ich sag, nein Ser Lionardo, nur das eine was noch drin ist. Mein Ziehvater scheint mir besorgt, doch frägt er nichts weiter.

Das Geld war Gottlob noch an seinem Platz denn der Dieb war zwar geschickt und wie er in die Herberge rein ist hat ihn niemand gesehen, doch mein Kommen hat ihn gestört und blieb ihm keine Zeit sich was Rechtes mitzunehmen. Lionardo hat das Kästchen gehalten wie wenn’s ein krankes Kind wär, bis dass nach langem Suchen auch die andren runden Stäbchen aus geschnitztem Holz hervorkommen, sind alle ganz gleich wie das erste. Doch zuletzt fehlt immer noch eins, und Mastro Lionardo sagt, wenn es nicht alle sind dann nützen sie einen Dreck. Dann fügt er hinzu dass vielleicht noch andre Sachen fehlen, doch plötzlich schweigt er und will durchaus nicht mehr sagen.

Schließlich lässt er sich aufs Bett fallen und ist zu Tode erschöpft wegen dem großen Kummer, und hat mir einen langen Vortrag gehalten den ich Euch nicht sofort wieder geben kann, nemlich erst muss ich erledigen was er mir aufgetragen, und verspäte ich mich wird er misstrauisch und entdeckt zuletzt gar dass ich Euch heimlich schreibe. Armer Ser Lionardo und armer Salaì, heut war kein guter Tag, und werd ich wohl heut Abend nochmal zur Heiligen Jungfrau und auch zur Sancta Reparata beten für Lionardo und für mich.

Das ist alles was ich Euch im Augenblick erzählen kann und lass ich Euer Gnaden entscheiden ob das alles gut oder schlecht ist für unsere Heimat Fiorenza.

Euer untertänigsterSalaì

10. Brief

Ehrwürdiger Padrone,

soeben bin ich in meine Kammer zurück und schreib Euch jetzt sofort diese Zeilen damit ich sicher sein kann dass ich nichts vergesse, und hoff ich dass Lionardo mich nicht gleich wieder stört weil immer wenn ich Euch grad was Interessantes berichten muss unterbricht er mich um mir einen Auftrag zu geben oder mir irgendeinen neuen Apparat zu erklären wo ihm in den Kopf kommen, und jedesmal sag ich, Ser Lionardo, den müsst Ihr verbessern, Ihr müsst dies machen und das machen denn sonst funktionirt das Ganze gewiss nicht, und da sagt er verflucht, du hast Recht, und dann schließt er sich wieder für zwei drei Stunden in sein Zimmer und denkt nach, und erst zum Abendessen kommt er zurück mit einem langen Gesicht weil er erkannt hat dass seine Idee nichts taugt und meine Idee, die von Salaì der ich ein Tölpel bin aber ein gesundes Hirn hab wie die normalen Leute, meine Idee funktionirt wahrscheinlich besser als seine obwohl er ein Genius ist, wenigstens sagen das alle, pah, wer weiß.

Jedenfalls die Sache ist so gelaufen. Weil ich Ser Lionardo nach der Geschichte mit dem Diebstahl und dem Mörder etcetera gewiss tausend Fragen gestellt hätte wollt er sich diese Fragen lieber gleich selbst stellen und antwortet auch gleich selbst, was meiner Meinung nach eben genau die Art der klugen Leute ist die einem immer das Wort aus dem Mund nehmen, dann kann ihnen nemlich niemand sagen, guck mal einer an, manchmal redest auch du dummes Zeug grad als wie ein normaler Mensch, und so war das auch wann Lionardo mir Lectiones in Lectura Scriptura Historia Politik Matematik etcetera erteilt weil wenn ich ihn was gefragt und er die Antwort nicht gewusst, dann hat er mich angeschrien, Salaì, was stellst du bloß für dämliche Fragen? Denn in Wahrheit ist er selbst ganz ein ebensolch ignioranter Hinterwäldler wie alle die aus Vinci kommen, seinem Dorf, und darum werden sie in Fiorenza ja auch von allen verarscht.

Von dem Reden von Lionardo hab ich jedenfalls den Eindruck, Padrone, dass Eure Idee sehr gut ist zu überwachen was er hier in Rom tut und sagt, denn Ser Lionardo hat sich in eine sehr gefehrliche Angelegenheit eingemischt die könnte viel Böses bringen für unser Fiorenza Gott segne es immerdar Amen.

Ser Lionardo hat mir nemlich gebeichtet sein Aufenthalt in Rom ist gar nicht für das Studium der Antiken bestimmt, das ist bloß ein Ammenmärchen für die Dummen, denn in Wahrheit ist er hier im Auftrag von Personen die er mir bald nennen will und die Seiner Heiligkeit dem Papst sehr nahe stehen.

Dann zieht er mich am Arm so dass mein Ohr ganz nah an seinen Mund ist sagt mir dass jemand, man weiß nicht genau wer, schreckliche Dinge über den Papst verbreitet um Seinen Ruf als guter und heiliger Mann zu besudeln. Der Zweck von diesen Ränken, sagt Lionardo, ist dass die Absichten vom Papst Borgia vereitelt werden sollen. Denn der versucht derzeit den kleinen italienischen Staaten ordentlich was aufs Dach zu geben damit sie sich nicht immer gegenseitig bekriegen und miteinander einig werden, und da hat er Recht, wo sie doch nur dran denken sich zu befehden und sogar gegen den Papst wettern der ihnen immer sagt sie müssen zusammenstehen, um Italien gegen Frantzosen und Teutsche zu verteidigen, doch der Nachbar geht ihnen viel mehr auf den Senkel als der Fremde. Ich versteh nicht viel von Politik, Padrone, aber eins hab ich kapiert, nemlich dass dieser Papst Borgia wo aus Spanien kommt im Grund viel mehr Italiener ist als die Mailänder, die Fiorentiner, die Sienesen und die Römer etcetera, also als wir Italiener allesamt, weil uns Italien völlig schnurz ist und wir lieber unsrem Nachbarn die Hucke vollhauen, und wenn ich’s recht bedenke dann gehn auch mir der ich aus Fiorenza bin die Leute aus Siena viel mehr auf den Sack, Gott verfluche sie tausendmal, als wie die Frantzosen oder die Teutschen wo ich doch nicht mal versteh was sie sagen.

Ser Lionardo erzählt mir, um zu erreichen dass die italienischen Staaten endlich tun was er sagt, verlässt sich der Papst auf die militärischen Operationen von Cesare Borgia, der Valentino genannt wird, und dieser Cesare ist sein Neffe und ein tüchtiger General. Aber der Krieg ist komplizirt, nemlich wie auch Ihr wisst, Signior Padrone, Italien ist seit jeher schon allein für sich ein Sauhaufen, doch jetzt herscht allergrößte Confusion seit vor sieben Jahren der Herrscher von Mailand, Ludovico der Moro, die Frantzosen als seine Verbündete nach Italien geholt hat um sein Anrecht aufs Königreich Neapel durchzusetzen.

Lionardo erklärt mir, Papst Borgia hat es nur den militärischen Künsten des Valentino zu verdanken der als General wahrhaftig Mumm in den Knochen hat, dass er Mittelitalien langsam im Griff hat und Fiorenza und Venezia zum Schweigen bringt und auch die andren kleinen Staaten wie Imola, Forlì, Faenza, Cesena, Rimini und Piombino sind schon zerquetscht als wie die Ameisen oder werden’s bald sein. In dem Moment schaut Lionardo mir achtsam in die Augen und sieht aus als hätt er ein schlechtes Gewissen, nemlich er weiß ja genau dass man ihn anklagen könnt unser Fiorenza zu verraten weil er in den Dienst des Papstes getreten, denn das sind harte Zeiten für uns aus Fiorenza, und wer nicht für uns ist der ist gegen uns, und ich muss Euch gewiss nicht dran erinnern, Padrone, dass vor nur drei Jahren niemand andres als dieser Papst den Fra Gerolamo, genannt Savonarola und Anführer der Republik Fiorenza, hat exkommunziren und hinrichten lassen und dass der vorige Papst Sixtus IV. Krieg gegen unser ruhmreiches Geschlecht der Medici geführt und die Verschwörer unterstützt hat die Ser Giuliano de Medici kaltgemacht haben. Und seinen eignen Bruder Lorenzo, genannt il Magnifico, den hat er auch noch exkommunizirt, und hat erst aufgehört Fiorenza Böses anzutun als in Kalabrien das türckische Heer angekommen, das allen miteinander, also den Italienern und dem Papst und den Frantzosen eine Scheißangst gemacht hat so dass sie endlich untereinander Frieden schließen wollten.

Dann versucht Lionardo sich zu entschuldigen und sagt dass jeder gute Christenmensch die Aufgabe und die Pflicht hat den Heiligen Vater vor Bedrohungen und falschen Anklagen zu schützen, und wenn einer das tut dann bedeutet das noch lange nicht dass er in die Dienste des Papstes getreten ist.