Die Dämonenakademie – Wie alles begann - Taran Matharu - E-Book

Die Dämonenakademie – Wie alles begann E-Book

Taran Matharu

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Beschreibung

Die Dämonenakademie - Wie alles begann erzählt die Geschichte von Arcturus, der später einmal der größte Dämonenmagier seiner Zeit werden soll. Schon als kleiner Junge hat Arcturus seine Familie verloren und schlägt sich eher schlecht als recht als Stalljunge durchs Leben. Doch dann bemerkt er eines Tages, dass er die seltene Gabe besitzt, Dämonen zu beschwören. Arcturus wird Schüler der geheimnisvollen Dämonenakademie – und das größte Abenteuer seines Lebens beginnt.

Die E-Book-Story umfasst umfasst circa 112 Manuskriptseiten.

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Seitenzahl: 182

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Das Buch

Die Dämonenakademie – Wie alles begann erzählt die Geschichte von Arcturus, der später einmal einer der größten Dämonenmagier seiner Zeit werden soll. Schon als kleiner Junge hat Arcturus seine Familie verloren und schlägt sich eher schlecht als recht als Stalljunge durchs Leben. Doch dann bemerkt er eines Tages, dass er die seltene Gabe besitzt, Dämonen zu beschwören. Gemeinsam mit seinem Dämon Sacharissa kommt Arcturus an die geheimnisvolle Dämonenakademie – und das größte Abenteuer seines Lebens beginnt.

Der Autor

Taran Matharu wurde 1990 in London geboren und entdeckte schon früh seine Leidenschaft für Geschichten. Nach seinem BWL-Studium und einem Praktikum bei Random House UK schrieb er 2013 seinen ersten Roman Die Dämonenakademie, der auf der Leserplattform Wattpatt innerhalb kürzester Zeit zum Publikumsliebling avancierte. Seither widmet sich Taran Matharu ganz dem Schreiben. Der Autor lebt und arbeitet in London.

TARAN MATHARU

WIE ALLES BEGANN

STORY

Aus dem Englischen übersetztvon Michael Pfingstl

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Das Original-E-Book erscheint unter dem Titel Originsbei Hodder Children’s Books
Copyright © 2015 by Taran Matharu Ltd Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe byWilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München Redaktion: Joern Rauser Umschlaggestaltung: Das Illustrat GbR, München Satz: Schaber Datentechnik, Austria
ISBN 978-3-641-20396-2V003
www.heyne-fliegt.de

1

ARCTURUS ZOG SICH TIEFER in die Schatten des Stalls zurück und wartete darauf, dass es Mitternacht wurde. Der Lärm in der Schenke nebenan hatte nachgelassen, aber jetzt schon herauszukommen schien ihm zu riskant.

Falls alles so ablief wie geplant, würde sein Herr bald die Glocke läuten. Für die betrunkenen Gäste bedeutete dies, dass es an der Zeit war, nach Hause zu wanken, oder – wenn sie Glück hatten – nach oben in eins der Zimmer. Erst dann konnte Arcturus zur Tat schreiten.

Er hatte es nun schon seit zehn Jahren geplant, vor fast zwei Dritteln seines jungen Lebens. Endlich würde er den Prügeln entkommen, dieser endlosen Plackerei und den mageren Mahlzeiten, die sein einziger Lohn waren.

Als Waise war er nur so viel wert wie seine Arbeit, seine charakterlichen Qualitäten spielten keine Rolle. Selbst der Ochse in dem Abteil gleich neben Arcturus bekam besseres Essen als er. Immerhin hatte er auch ein Vielfaches dessen gekostet, was sein Herr im Armenhaus für Arcturus bezahlt hatte.

Also war er nicht einmal so viel wert wie ein Lasttier.

Die Glocke ertönte und riss ihn aus seinen Gedanken. Die Tür zur Schenke schwang quietschend auf, und er hörte, wie der Kies unter den Schritten der Betrunkenen knirschte. Ihr rohes Gelächter verhallte in der Ferne, dann kehrte wieder Stille ein. Trotzdem wartete er noch volle zehn Minuten, bis er sich ins Freie wagte.

Arcturus befühlte seinen Rucksack und überlegte, ob er alles dabeihatte. Weglaufen war nicht einfach, wie er aus bitterer Erfahrung wusste. Als er noch klein war und im Armenhaus lebte, waren ständig Kinder weggelaufen. Jedes Mal kamen sie ein paar Tage später zurück, ausgehungert, verprügelt oder Schlimmeres.

Für unterernährte Kinder ohne Bildung gab es keine Arbeit. Sie konnten nirgendwo hin. Zog er einfach aufs Geratewohl los, würde er betteln müssen und dann ein paar Tage später reumütig zurückkehren – wie so viele andere. Oder er käme wieder ins Armenhaus. In die Hölle auf Erden.

Er kniete sich ins Stroh und ging ein letztes Mal sein Gepäck durch. Zweiundvierzig Schillinge, angespart aus Almosen und dem Trinkgeld, das er über die Jahre bekommen oder auf dem Boden gefunden hatte. Damit würde er wenigstens ein paar Wochen durchkommen, bis er neue Arbeit fand.

Außerdem besaß er einen dicken Pelz, den ein fahrender Händler wegen des Weinflecks darauf weggeworfen hatte. Für Arcturus’ Zwecke genügte dieser Pelz vollauf; Hauptsache, der hielt ihn warm, wenn er draußen schlafen musste. Dann war da noch ein Messer, das er unter hohem Risiko aus der Küche gestohlen hatte. Zur Verteidigung gegen Räuber schien es ihm zwar kaum geeignet, aber Arcturus fühlte sich einfach sicherer damit. Dazu hatte er noch zwei Kerzen, einen Laib Brot, gepökeltes Schweinefleisch und Ersatzkleidung, das war’s. Gerade genug, um eine Chance zu haben.

Das Wiehern eines Pferdes ganz in der Nähe erinnerte Arcturus daran, warum er sich gerade für diese Nacht entschieden hatte. Eine so gute Gelegenheit hatte sich ihm noch nie geboten: Vor ein paar Stunden war ein junger Adliger eingetroffen. Vollkommen erschöpft von seinem langen Ritt hatte er nicht einmal die Taschen vom Sattel genommen, sondern Arcturus die Zügel schnell in die Hand gedrückt und sich dann ins Gasthaus geschleppt, um sich ein Zimmer für die Nacht zu nehmen.

Arcturus wusste, wohin der Junge unterwegs war: zur Dämonenakademie, um die Kunst der Beschwörung zu erlernen, so wie alle Adelssprosse, sobald sie volljährig waren. Die Akademie befand sich in Corcillum, am anderen Ende Hominums. Mit ein bisschen Glück würde Arcturus in den Satteltaschen alles finden, was er für seine Reise brauchte. Ganz zu schweigen von den Wertsachen, die sich mit Sicherheit darin fanden.

Er schnalzte mit der Zunge, um den Hengst zu beruhigen, und kam langsam näher. Als Stalljunge konnte er gut mit Pferden umgehen, und wirklich: Sogleich beschnupperte der Hengst auf der Suche nach Essbarem seine Hand. Arcturus streichelte seine Schnauze, dann machte er die Satteltaschen los und ließ sie zu Boden fallen.

Eine gründliche Durchsuchung ergab, dass sie größtenteils leer waren. Kein Wunder, dass der Kerl sie nicht mit aufs Zimmer mitgenommen hatte. Arcturus’ Stimmung trübte sich ein wenig, aber am meisten war ohnehin das Pferd selbst wert. Er hatte schon viele gesehen, doch dieses hier war ein wunderschöner Hengst mit langen, kräftigen Beinen und hellen, klugen Augen. Auf seinem Rücken würde er jeden Verfolger abhängen, seien es Räuber oder gar Pinkertons – das war die Polizei Hominums, die sich nicht zu schade war, flüchtige Waisenkinder wieder einzufangen, wenn nur die Belohnung stimmte.

Arcturus wühlte gerade das letzte Taschenfach durch, da bekam er einen Gegenstand zu fassen und lächelte. In der Dunkelheit konnte er ihn kaum erkennen, doch es fühlte sich wie ein aufgerolltes Stück Leder an. Er breitete es vor sich aus und fand ein Stück Pergament darin.

Eine schwarze Schrift zeichnete sich im Mondlicht ab, das durch die Fugen im Dach hereinfiel. Arcturus hob das Pergament auf und hielt es ans Licht. Er hatte im Armenhaus gerade mal ein Jahr Unterricht bekommen und war nicht besonders gut im Lesen. Allerdings ließen die Reisenden oft Bücher in ihren Zimmern liegen, mit denen er im Lauf der Jahre geübt hatte. Mittlerweile konnte Arcturus besser lesen als die meisten, musste allerdings immer noch laut mitsprechen.

»Do rah lo fah lo go …«, flüsterte er.

Die Silben ergaben keinen Sinn, trotzdem konnte Arcturus nicht aufhören. Seine Augen wurden wie magisch von den Buchstaben angezogen, und während er sprach, überkam ihn ein eigenartiges Gefühl. Zuerst wurde sein Geist schwerfällig wie von Alkohol, dann aber schärfte sich seine Wahrnehmung plötzlich von Sekunde zu Sekunde. Das Grau der Nacht schien heller zu werden, die Farben tiefer.

»Sai lo go mai nei go …«, ertönten die Worte, während seine Augen von Zeile zu Zeile sprangen, als hätten sie sich selbstständig gemacht.

Arcturus’ Herz schlug immer schneller, etwas regte sich in seinem Innern. Dann sah er ein Flackern in der Dunkelheit. Das ausgerollte Leder zu seinen Füßen begann violett zu leuchten, Muster zeichneten sich darauf ab. Aus dem Augenwinkel erkannte er die Umrisse eines Pentagramms mit sonderbaren Symbolen an jedem der fünf Spitzen. Das Leuchten pulsierte wie ein Herzschlag, begleitet von einem tiefen Summen.

Als er die letzte Zeile erreichte, erschien eine leuchtende Kugel in der Luft. Sie drehte sich um die eigene Achse und erstrahlte immer heller. Das Leuchten blendete Arcturus, das Brummen wurde zu einem Brüllen und dabei so laut, dass es in seinen Ohren schmerzte.

Arcturus sprach die letzten Worte, dann warf er sich auf den Boden und presste die Hände auf die Ohren. Eine glühende Hitze rollte über ihn hinweg, als liege er gleich neben einem großen Lagerfeuer. Dann verstummte das Geräusch mit einem Donnerschlag.

Die plötzliche Stille senkte sich wie eine Glocke über den Stall, das einzige Geräusch waren Arcturus’ abgehackte Atemzüge. Er presste die Lider aufeinander, so fest er konnte, und rollte sich zu einer Kugel zusammen. Arcturus wusste, er sollte seine Sachen packen und verschwinden, bevor jemand kam, aber eine lähmende Furcht hatte sich seiner bemächtigt. Wie steifgefroren lag er auf dem kalten Stallboden.

Der Hengst riss sich mit einem lauten Schnalzen von seinem Haltestrick los und galoppierte mit donnernden Hufen davon. Das Gleißen, die Hitze und der Lärm waren für das prächtige Tier zu viel gewesen. Als Arcturus begriff, dass seine letzte Hoffnung auf Flucht gerade durch die Stalltür entwischt war, schlug seine Angst in Verzweiflung um.

Da raschelte etwas in dem Stroh neben ihm. Er hörte ein leises Knurren und hielt den Atem an. Die Augen immer noch fest geschlossen, hielt er sich mucksmäuschenstill. Was auch immer das sein mochte, wenn er sich tot stellte, zog es vielleicht weiter und suchte woanders nach Beute.

Das Knurren wurde lauter. Es kam auch immer näher, bis Arcturus den heißen Atem der Kreatur in seinem Nacken spürte. Eine Zunge leckte ihm über die Wange und hinterließ eine Speichelspur auf seiner Haut. Arcturus spannte die Muskeln an und bereitete sich auf einen Kampf vor.

Mit einem Schrei sprang er auf und schlug sofort zu. Er spürte eine weiche, feuchte Schnauze unter seiner Faust und hörte, wie die Kreatur winselnd zurückwich. Mit neuem Mut schlug er gleich ein zweites Mal zu, und zwar so hart, dass das Vieh über den Boden geschleudert wurde. Dann ergriff es mit tapsigen Schritten die Flucht und fiel dabei fast über die eigenen Beine.

Arcturus griff nach seinem Beutel und rannte zur Stalltür. Das Gasthaus lag in vollkommener Stille, nichts rührte sich. Er grinste erleichtert. Es gab nach wie vor eine Chance. Mit etwas Glück war der Hengst noch nicht weit.

Doch als er den ersten Schritt in die Freiheit machte, überkam ihn ein eigenartiges Gefühl … von Schmerz und … Verrat. Arcturus schüttelte den Kopf und lief weiter, aber das Gefühl blieb. Es wurde sogar stärker.

Etwas regte sich am Rande seines Bewusstseins. Es rührte von dem Geschöpf her, als wäre es über eine unsichtbare Nabelschnur mit ihm verbunden. Eine Empfindung unendlicher Einsamkeit überkam ihn, er fühlte sich im Stich gelassen. Das war ein Zustand, den er nur zu gut kannte.

Er drehte sich um und spähte in den dunklen Stall. Im fahlen Mondlicht sah der Eingang wie der Schlund einer Höhle aus. Ein Stück dahinter winselte das Geschöpf wie ein geprügelter Hund. Arcturus bekam ein schlechtes Gewissen. Er hatte das arme Geschöpf ja auch geprügelt, dabei hatte der Dämon ihm nur übers Gesicht geleckt. Er war sicher, dass es sich um einen Dämon handelte, schließlich war der Reiter auf dem Weg zur Akademie gewesen, um dort zu lernen, Dämonen herbeizurufen. War es das, was soeben passiert war? Und hatte Arcturus diesen Dämon gerufen? Unmöglich. Das konnten nur Adlige …

Als spürte der Dämon Arcturus’ Gewissensbisse, tappte er aus dem Stall und blinzelte ins Mondlicht. Er war kleiner, als Arcturus es sich vorgestellt hatte, gerade einmal so groß wie ein Hund. Auch der Kopf sah wie der eines Hundes aus. Das Geschöpf hatte große blaue Augen, und schräg darüber zwei weitere, etwas kleinere. Sein Fell war pechschwarz, mit einer struppigen Rückenmähne. Der Schwanz war buschig wie der eines Fuchses und zuckte freudig hin und her. Das Sonderbarste aber war der Körperbau: muskulös wie eine Raubkatze aus dem Dschungel – und am Ende der kräftigen Beine glänzten gefährlich scharfe Krallen.

»Was bist du?«, flüsterte Arcturus und streckte die Hand aus. Er spürte, wie die Angst des Dämons nachließ, verdrängt von dem unbedingten Willen, ihm zu gefallen. Das Wesen machte vorsichtig einen Schritt auf ihn zu, dann leckte es ihm mit der rauen Zunge über die Finger.

Arcturus streichelte den Dämon hinterm Ohr und betrachtete ihn genauer. Er schien noch jung zu sein, der Kopf wirkte im Verhältnis zum Körper viel zu groß, die Beine kurz und dick wie bei einem Welpen.

»Möchtest du mitkommen?«, fragte Arcturus und kraulte das Wesen unterm Kinn. Es schloss die vier Augen und schmiegte sich hechelnd in seine Hand. Dabei empfand er am Rand seines Bewusstseins eine tiefe Befriedigung.

»Ich wette, ein Straßenräuber wird sich zweimal überlegen, uns zu überfallen, wenn er dich sieht«, flüsterte Arcturus mit einem Lächeln. »Ich hoffe nur, dass du dem Pferd nicht genauso viel Angst machst, denn das brauchen wir noch.«

Arcturus hob den Kopf und sah einen Knüppel auf sich zurasen.

Schmerz.

Dann wurde alles schwarz.

2

ER ERWACHTE IM DUNKELN. Einen schrecklichen Moment lang glaubte er, der Schlag hätte ihm das Augenlicht geraubt, da sah er die schmale Mondsichel durch ein Fenster am Ende des Zimmers hereinscheinen.

Die Luft war dick und abgestanden, als wäre schon lange niemand mehr hier drin gewesen. Der Steinboden unter ihm fühlte sich abweisend und kalt an. Jede noch so kleine Kopfbewegung verursachte ihm fürchterliche Schmerzen. Als er vorsichtig an seine Schläfe fasste, spürte er eine Beule, so groß wie ein Gänse-Ei.

Eine Weile lag Arcturus einfach nur da und sammelte Kraft, um aufzustehen und sich ein wenig umzusehen. Vielleicht … wenn er sich ans Fenster schlich, konnte er Hilfe rufen.

Als er zu sprechen versuchte, kam nur ein Krächzen aus seiner Kehle. Er hatte Durst wie noch nie zuvor in seinem Leben. Seine angeschwollene, ausgetrocknete Zunge klebte wie ein Stück Pökelfleisch am Gaumen.

Plötzlich näherten sich Schritte, laut und zielgerichtet. Die Tür schwang auf, er wurde von Fackelschein geblendet, blinzelte in das gelbe Licht und hielt sich eine Hand vors Gesicht.

»Endlich wach geworden?«, keifte eine feindselige Stimme.

Er kniff die Augen zusammen und sah eine schwarze Jacke mit Messingknöpfen darauf: eine Pinkerton-Uniform. Das Gesicht darüber war hübsch, die Augen allerdings kalt und mitleidlos. Der Pinkerton hob seine Fackel und kauerte sich neben Arcturus, um ihn zu untersuchen.

Da sah er den Wasserkrug in der anderen Hand des Pinkerton. Ohne zu fragen, schnappte sich Arcturus den Krug und leerte ihn mit langen, gierigen Schlucken, die sich gurgelnd in seinen leeren Magen ergossen.

Der Pinkerton packte Arcturus an der Schulter und zog ihn auf die Beine. Der Griff seiner Finger fühlte sich wie ein Schraubstock an.

»Danke für das Wasser«, keuchte Arcturus benommen von dem schnellen Aufstehen.

»Das war nicht zum Trinken, sondern um es dir ins Gesicht zu schütten, damit du endlich wach wirst. Zwei ganze Tage hast du vor dich hingedämmert. Der junge Graf muss dich ganz schön erwischt haben.« Mit einem Lachen zerrte ihn der Pinkerton aus der Zelle und schob Arcturus einen schmalen Gang entlang.

»Wohin gehen wir?«, fragte er nuschelnd. Ihm war so schwindlig, dass er glaubte, sich jeden Augenblick übergeben zu müssen. In seinem Schädel hämmerte ein Schmerz wie von tausend Blitzen. Irgendwo in weiter Entfernung spürte er den Dämon, der vor Angst und Verwirrung halb wahnsinnig war.

Seine Kopfschmerzen waren ihm lieber. Der Wirt hatte ihn so oft verdroschen, dass er eigentlich an Schmerzen gewöhnt war. Aber die Angst des Dämons war kaum zu ertragen, und nun kam auch noch seine eigene hinzu, denn der Pinkerton ignorierte die Frage und zerrte Arcturus wortlos eine Treppe hinauf.

Die Treppe führte zu einem kleinen Flur mit einer Flügeltür aus dunklem Eichenholz an seinem Ende. Das Wappen eines mächtigen Adelshauses prangte darauf. An den Wänden hingen die Porträts alter Männer, die jeden seiner Schritte mit finsterem Blick zu verfolgen schienen.

»Du gehst da allein rein. Und mach gefälligst schnell. Es gehört sich nicht, den König warten zu lassen«, bellte der Pinkerton und grinste hämisch, als er das Entsetzen auf Arcturus’ Gesicht sah.

»Hast richtig gehört, Junge. Du steckst ganz schön in der Klemme.« Dann schubste er Arcturus durch die Tür und schlug sie hinter ihm zu.

Arcturus stolperte hindurch und fiel sogleich der Länge nach hin. Doch er lag auf einem weichen Bärenfell. Um ihn herum erstreckten sich endlose Bücherregale, lediglich unterbrochen von der Tür in seinem Rücken und einem prasselnden Kamin am gegenüberliegenden Ende des Raums. Die Luft war unangenehm heiß. Wie in einer Schwitzhütte für Sieche und Kranke.

Neben dem Kamin standen zwei Sessel und ein einfacher Stuhl. Der junge Adlige saß auf dem Stuhl und beäugte Arcturus ängstlich. Die beiden Männer in den Sesseln waren mittleren Alters, das schwarze Haar zeigte die ersten grauen Strähnen an den Schläfen. Der eine hatte kleine Knopfaugen und eine Hakennase wie die Männer auf den Porträts vor der Tür. Außerdem bestand eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihm und dem Jungen. Die beiden mussten Vater und Sohn sein.

Der andere trug einen Kronreif und hatte die Stirn in so übertriebene Falten gelegt, dass das eigentlich hübsche Gesicht wie eine Grimasse wirkte. Das konnte nur König Alfric sein, der Herrscher Hominums. Alle drei trugen teure Kleider aus silberbesticktem Samt und Seide.

»Erzähl uns genau, wie es passiert ist, Karl«, sagte König Alfric mit tiefer, drohender Stimme. »Lass nichts aus.«

»Ich habe doch schon alles gesagt. Ich hatte mir in einem heruntergekommenen Gasthaus kurz vor Boreas ein Zimmer genommen. Die Beschwörungsrolle und das Leder ließ ich in meinen Satteltaschen und ging zu Bett. Dann wurde ich von einem schrecklichen Lärm draußen geweckt und stand auf. Als ich nachsah, was los war, entdeckte ich diesen … Strolch … der meinen Dämon streichelte!« Karl deutete mit zitterndem Finger auf Arcturus, Speicheltropfen spritzten aus seinem Mund. »Ich schlug ihn mit meinem Knüppel bewusstlos und befahl dem Wirt, die Pinkertons zu holen, während ich den Dämon in den Stall sperrte. Ihr solltet nicht mich befragen, sondern ihn, den Missetäter!«

»Sprich gefälligst nicht so mit deinem König!«, bellte der Vater, sprang auf und gab Karl eine Ohrfeige. Dann verneigte er sich vor Alfric, doch dieser winkte ab.

»Beruhigt Euch, Royss. Wir haben drängendere Probleme als solche kleinlichen Umgangsformen.« Der König wandte sich mit einem gezwungenen Lächeln an Arcturus. Wahrscheinlich wollte er ihn damit beruhigen, doch er erreichte das Gegenteil.

»Hör gut zu, Stalljunge. Du bist der Einzige, der bezeugt hat, wie Graf Faverhams Dämon gestohlen wurde … oder, besser gesagt, der Dämon seines Sohnes. Die Schriftrolle und das Leder, die beide von Karl erwähnt wurden, sind die Werkzeuge, mit denen ein Dämon von einem Adligen an den anderen weitergegeben wird, normalerweise geschieht das zwischen Vater und Sohn. Und jetzt denk genau nach: Wer hat diese beiden Gegenstände an sich genommen und damit den Dämon gerufen? Hatte seine Kleidung eine auffällige Farbe, oder hast du vielleicht ein Wappen darauf gesehen?«

Noch bevor Arcturus antworten konnte, wandte sich Alfric schon wieder an den Grafen Faverham. Das war ihm allerdings nur recht, denn sein Kopf drehte sich immer noch.

»Graf Lovetts Kinder sind alle vier mit der Gabe gesegnet. Seine jüngste Tochter kommt wie Karl noch in diesem Jahr auf die Akademie. Ein schwacher Bändiger wie er könnte Probleme haben, einen weiteren Dämon für sie zu fangen, meint Ihr nicht?«

»Mein König, das würde er nicht wagen! Die Lovetts sind arm. Ihr Lehen, Calgari, hat gerade einmal ein paar Bauerngüter und Flüsse aufzubieten, mehr nicht. Er würde das Risiko niemals eingehen. Ertappt man ihn, würde meine Leibwache Calgari überrennen und alles zurückholen, was er uns gestohlen hat. Und noch mehr als das, wenn Ihr es erlaubt.«

»Selbstverständlich.« Alfric nickte, dann wanderte sein Blick zu Arcturus zurück.

»Aber wer war es dann?«, fragte Karl wütend. Von der Ohrfeige, die ihm sein Vater gerade gegeben hatte, leuchtete seine Wange knallrot. »Wer hat meinen Dämon gestohlen?«

Arcturus wusste nicht, was er sagen sollte. Lügen schien ihm noch die beste Möglichkeit. Alles auf einen mysteriösen Unbekannten schieben, dessen Gesicht in der Dunkelheit nicht zu erkennen gewesen war. Würden sie ihn überhaupt am Leben lassen, wenn sie wüssten, was er wusste? Und selbst wenn, was dann? Zurück ins Armenhaus, um wieder mit den anderen elternlosen Kindern zu hungern?

Vielleicht war es klüger, alles auf eine Karte zu setzen und die Wahrheit zu sagen. Einen Bürgerlichen, der Dämonen herbeirufen konnte, hatte es doch noch nie gegeben. Für Arcturus konnte das der Beginn eines ganz neuen Lebens sein. Wenn man ohnehin so weit unten war, konnte es nicht schaden, die Karten neu zu mischen.

»Ich war’s«, sagte er, so selbstbewusst er konnte. »Ich habe den Dämon gerufen. Selbst jetzt spüre ich ihn.«

Es folgte eine Stille, dann brachen der König und Graf Faverham in schallendes Gelächter aus. Selbst Karl kicherte, aber sein Blick blieb bösartig.

Arcturus sah schweigend zu und machte sich bereit.

Der König brachte das Gelächter mit einer Geste zum Verstummen. Sein Lächeln wurde noch dünner. »Komm her, Karl.«

Er winkte den jungen Adligen heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Karl zögerte kurz, dann verließ er mit langen Schritten das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.

Alfric legte die Fingerspitzen aneinander und musterte Arcturus mit einem durchdringenden Blick. Seine grauen Augen ließen keine Gefühlsregung erkennen, nur Graf Faverham trommelte nervös mit den Fingern auf seiner Armlehne herum. Trotz der Hitze lief Arcturus ein eiskalter Schauer über den Rücken.

»Du spielst ein gefährliches Spiel, Bursche«, sagte Graf Faverham mit bohrendem Blick. »Wie viel hat man dir bezahlt, damit du uns dieses Märchen auftischst? Wenn du glaubst, du könntest uns belügen und dieses Schloss lebend wieder verlassen, täuschst du dich gewaltig.«

»Es ist aber wahr«, erwiderte Arcturus und fluchte innerlich, weil seine Stimme so zitterte. »Ich habe laut von der Schriftrolle vorgelesen, dann ist der Dämon erschienen.«