Die drei !!!, 1,2 3 Freundschaft! (drei Ausrufezeichen) - Henriette Wich - E-Book

Die drei !!!, 1,2 3 Freundschaft! (drei Ausrufezeichen) E-Book

Henriette Wich

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Beschreibung

Kim, Franzi und Marie sind "Die drei !!!". Mutig und clever ermitteln die drei Detektivinnen und sind jedem Fall gewachsen. Zwei megaspannende Fälle im Doppelband: Undercover im Netz: An Kims und Franzis Schule treibt seit neuestem eine Mädchen-Clique ihr Unwesen, die auf ihrer Website über Mitschüler lästert, Coolness-Votings macht und dazu auffordert, diese Schüler fertig zu machen. Als die drei !!! eine Mitschülerin beim Klauen erwischen und diese prompt von den "Uncoolen" in die "coole" Clique aufsteigt, keimt in den drei !!! der Verdacht, dass die Clique ihre Mobbing-Opfer zwingt, für sie zu klauen. Marie schleicht sich wagemutig in die Clique ein und stellt schnell fest, dass diese brandgefährlich ist ... Fußballstar in Gefahr: Kim, Franzi und Marie sind völlig aus dem Häuschen: Seit sie beim Public Viewing der Fußball-WM den süßen Nachwuchs-Fußballer Bastian kennen gelernt haben, sind die drei ganz im Fußballfieber. Bastian hat die besten Chancen von einem Talent-Scout für den Trainingskader der U17-Nationalmannschaft ausgewählt zu werden. Doch plötzlich geht bei Bastians Training alles schief. Wird er etwa von jemandem aus seinem eigenen Verein sabotiert? Für die drei !!! beginnt ein spannender Wettlauf mit der Zeit ...

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Seitenzahl: 297

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Maja von Vogel Henriette Wich

1, 2, 3 – Freundschaft!

Kosmos

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Friedhelm Steinen-Broo, eSTUDIO CALAMAR

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2018, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-16345-0

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Maja von Vogel

Undercover im Netz

Kosmos

Mission: Shoppen bis zum Umfallen

Es war ein grauer Samstagnachmittag im Oktober und es regnete. Das Einkaufszentrum war brechend voll. Gestresste Mütter, die plärrende Kinder hinter sich herzerrten, mit zahllosen Tüten beladene Familienväter, kichernde Teenager und ältere Damen mit Shoppingtrolleys schoben sich langsam durch die Gänge. Die Stimmen der Besucher vermischten sich mit seichter Popmusik, die aus den Lautsprechern an der Decke drang. Zwischendurch verkündete eine sanfte Damenstimme die neuesten Sonderangebote und Verkaufsaktionen der einzelnen Geschäfte.

»Puh, ist hier viel los!« Franzi verzog das Gesicht, als sie hinter ihren Freundinnen Kim und Marie das Einkaufszentrum betrat. »Und die Luft ist zum Schneiden.« Sie öffnete den Reißverschluss ihrer Windjacke und zog die Gummibänder fest, die ihre kurzen, roten Zöpfe zusammenhielten.

»Wir sind offenbar nicht die Einzigen, die auf die Idee gekommen sind, bei diesem Mistwetter bummeln zu gehen.« Kim strich sich ein paar Regentropfen aus ihren dunklen Stirnfransen. »Vielleicht sollten wir uns gleich ins Eiscafé verziehen, bevor wir von den Besuchermassen überrollt werden.«

»Auf keinen Fall«, sagte Marie entschieden. »Wir haben heute eine wichtige Mission – schon vergessen?«

»Und die wäre?«, fragte Franzi.

Marie grinste. »Shoppen bis zum Umfallen!« Sie warf mit einer schwungvollen Bewegung ihre langen, blonden Haare zurück, straffte die Schultern und stellte die Ellbogen seitlich auf. »Mir nach!« Dann stürzte sie sich todesmutig ins Getümmel.

Normalerweise hatten Kim, Franzi und Marie eine ganz andere Mission: das Aufklären kniffliger Kriminalfälle. Seit sie ihren Detektivclub Die drei !!! gegründet hatten, waren ihnen schon einige Verbrecher ins Netz gegangen. Sie hatten nicht nur einem Handyerpresser, skrupellosen Tierschmugglern und gefährlichen Juwelendieben das Handwerk gelegt, sondern auch eine entführte orientalische Prinzessin gerettet und einen sorgfältig geplanten Bankraub verhindert. Ihre Ermittlungen hatten sie bereits nach Berlin und Paris, an die Côte d’Azur und auf die berühmte Pferderennbahn im englischen Ascot geführt.

Momentan war allerdings kein neuer Fall in Sicht. Seit dem Ende der Sommerferien herrschte totale Flaute. Statt aufregende Abenteuer zu erleben, hatten sich die drei !!! in den letzten Wochen tagein, tagaus durch den herbstlichen Nieselregen zur Schule und wieder nach Hause geschleppt, seitenlange Referate vorbereitet, für unzählige Klassenarbeiten gelernt und sich gegenseitig endlose Vokabellisten abgefragt. Sämtliche Lehrer schienen sich gegen sie verschworen zu haben. Offenbar wollten sie ihren Schülern unbedingt das Leben schwer machen und ihnen auch noch den letzten Rest Freizeit rauben.

»Jetzt reicht’s!«, hatte Franzi vor ein paar Tagen gestöhnt. »Wenn ich noch eine einzige Vokabel lerne, platzt mir der Kopf. Im Übrigen glaube ich nicht, dass ich jemals das Wort ›Kühlaggregat‹ auf Französisch brauchen werde.« Sie hatte gerade einen Zeitungsartikel über französische Obst- und Gemüsetransporte durchgearbeitet – eine Hausaufgabe, die mal wieder bewies, dass ihre Französischlehrerin eindeutig sadistisch veranlagt war. Warum sonst sollte sie ihre Schüler mit einem derartig langweiligen Thema quälen?

Daraufhin hatten die drei !!! einstimmig beschlossen, dass sie dringend eine Abwechslung brauchten und sich am Samstagnachmittag bei einer ausgedehnten Shoppingtour von den Strapazen des Schulalltags erholen wollten.

Eine Stunde nach Beginn der Shoppingmission hatte Marie einen neuen Wintermantel, ein Paar grasgrüne Lederstiefel mit schwindelerregend hohen Absätzen und eine Handtasche in Schlangenlederoptik erstanden. Kim hatte sich eine für ihre Verhältnisse ziemlich gewagte Röhrenjeans und heruntergesetzte Sneakers gekauft.

»Jetzt brauchen wir nur noch etwas für dich, Franzi«, stellte Marie gut gelaunt fest. Shoppen versetzte sie immer in Hochstimmung. »Wie wär’s mit einem schicken Herbstoutfit?«

Franzi gähnte. »Muss das sein? Meine Füße tun weh und alle fünf Minuten rammt mir jemand im Vorbeigehen seine Einkaufstasche zwischen die Rippen. Wollen wir nicht lieber ins Café Lomo gehen und einen Kakao Spezial trinken?«

»Später«, sagte Marie. »Alles zu seiner Zeit. Ich verlasse dieses Einkaufszentrum erst, wenn du auch etwas gekauft hast.« Sie betrat mit energischem Schritt eine schicke Boutique und verkündete: »Hier finden wir bestimmt das Richtige.«

Franzi war sich da nicht so sicher. »Der Laden ist doch viel zu teuer«, zischte sie. »Außerdem ist dieser edle Kram überhaupt nicht mein Ding. Lass uns lieber in das Sportgeschäft nebenan gehen.«

»Nichts da.« Marie ging auf einen Kleiderständer zu. »Du hast mehr als genug Sportklamotten. Höchste Zeit, dass du auch mal deine weibliche Seite betonst. Wie wär’s hiermit?« Sie hielt ein bodenlanges, cremefarbenes Wollkleid hoch.

Franzi stöhnte. »Igitt! So was ziehe ich nie im Leben an.«

»Na gut, dann nehmen wir eben etwas anderes.« Marie ließ sich nicht so leicht entmutigen. Mit fachmännischem Blick scannte sie die restlichen Klamotten auf dem Ständer. Plötzlich stieß sie einen spitzen Schrei aus. Die top gestylte Verkäuferin hinter dem Tresen zuckte zusammen und runzelte missbilligend die Stirn, was Marie jedoch überhaupt nicht bemerkte. »Jetzt hab ich’s!«, rief sie. »Das hier ist einfach perfekt für dich!« Sie zog ein schlichtes, lindgrünes Minikleid mit halblangen Ärmeln und Polokragen hervor. »Die Farbe passt super zu deinen roten Haaren!«

Franzi rümpfte die Nase. »Ich weiß nicht … Eigentlich trage ich nie Kleider …«

»Dann wird sich das jetzt eben ändern«, sagte Marie entschieden. »Es ist echte Verschwendung, dass du deine super Figur immer in diesen schlabberigen Skateroutfits versteckst.«

»Probier das Kleid doch wenigstens mal an«, ermutigte nun auch Kim ihre Freundin.

Franzi seufzte. Eigentlich hatte sie nicht die geringste Lust, sich in eine der engen Umkleidekabinen zu quetschen. Aber sie wusste, dass Marie nicht lockerlassen würde, darum gab sie schließlich nach. »Also gut. Aber wenn mir das Kleid nicht gefällt, gehen wir sofort ins Lomo, okay?«

Marie grinste. »Abgemacht.«

Wider Erwarten fühlte sich Franzi in dem Kleid alles andere als unwohl. Nachdem sie sich umgezogen hatte, drehte sie sich verblüfft vor dem großen Spiegel. »Wahnsinn! Ich sehe total anders aus.«

»Genau. Und zwar viel besser.« Marie nickte zufrieden. »Ich wusste doch gleich, dass der schlichte, sportliche Schnitt zu dir passt.«

»Steht dir echt gut«, sagte Kim. »Du solltest das Kleid unbedingt nehmen.« Sie zwinkerte Franzi zu. »Benni wird es bestimmt auch gefallen.«

Franzi wurde rot. »Meinst du?«

Benni war ihr Skaterkumpel, mit dem sie vor einer Weile kurz zusammen gewesen war. Leider hatte es nicht funktioniert und jetzt waren sie nur noch gute Freunde. Doch in letzter Zeit spürte Franzi wieder ein leichtes Kribbeln in der Magengegend, wenn sie Benni sah. Mit seinen blonden Locken und der sportlichen Figur war er aber auch genau ihr Typ – mal ganz abgesehen von seiner süßen und witzigen Art.

»Also gut.« Franzi gab sich einen Ruck. »Ich nehme es.« Doch als sie einen Blick aufs Preisschild warf, blieb ihr glatt der Mund offen stehen. »Das … das muss ein Irrtum sein«, stammelte sie. »Wer gibt denn so viel Geld für so ein bisschen Stoff aus?«

Marie zuckte mit den Schultern. »Qualität hat eben ihren Preis.« Sie zog ihr Portemonnaie heraus. »Mach dir keine Gedanken, ich übernehme das.«

Franzi schüttelte heftig den Kopf. »Das kann ich auf keinen Fall annehmen! Das ist doch viel zu viel.«

Marie seufzte. »Willst du das Kleid jetzt haben oder nicht? Du weißt doch, dass ich mehr als genug Taschengeld bekomme. Außerdem hat Papa mir vorhin extra noch etwas zugesteckt, damit wir uns einen schönen Nachmittag machen können. Ich glaube, er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er schon wieder zu einem Wochenend-Dreh muss. Dabei wollten wir morgen eigentlich zusammen segeln gehen. Na ja, bei dem Wetter wäre das wahrscheinlich sowieso nichts geworden …« Sie versuchte ein gleichmütiges Gesicht zu machen.

Franzi sah ihre Freundin mitfühlend an. Manchmal war es nicht leicht für Marie, dass ihr geliebter Vater ein berühmter Schauspieler war. Er wurde von seiner Arbeit sehr in Anspruch genommen und hatte deshalb nicht viel Zeit für seine Tochter. Wenn er mal zu Hause war, verwöhnte er sie dafür aber umso mehr und las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Außerdem verdiente er mit seiner Rolle als Hauptkommissar Brockmeier in der Vorabendserie Vorstadtwache so viel, dass er und Marie ein ziemlich luxuriöses Leben führen konnten.

»Okay«, gab Franzi nach. »Wir können ja zusammenlegen. Ich hab noch ein bisschen Taschengeld übrig.«

»Prima!« Zufrieden ging Marie zur Kasse, wo die Verkäuferin in Anbetracht des dicken Umsatzes, der sie erwartete, ein strahlendes Lächeln aufgesetzt hatte. »Dann sind wir uns ja einig.«

Nachdem die drei !!! die Boutique verlassen hatten, schlenderten sie mit Tüten beladen in Richtung Ausgang. Franzis Laune hatte sich nach ihrem Einkauf gebessert. Verheißungsvoll knisterte das in Seidenpapier gewickelte Kleid in der vornehmen Papiertasche. Ob es Benni tatsächlich gefallen würde? Sie beschloss, es gleich zu ihrem nächsten Treffen außerhalb der Skateranlage anzuziehen.

Eigentlich wollten die Freundinnen ihren Shoppingnachmittag mit einem Besuch in ihrem Lieblingscafé, dem Café Lomo, beschließen, doch als sie an einer Parfümerie vorbeikamen, zog Marie die anderen kurzerhand hinein.

»Was ist denn jetzt schon wieder?«, stöhnte Franzi. »Ich will endlich an die frische Luft!«

»Es dauert nur eine Minute«, versicherte Marie und blieb vor einem Regal mit hochpreisigen Kosmetikartikeln stehen. »Ich will mir bloß schnell einen neuen Lippenstift kaufen. Die aktuellen Herbstfarben sind einfach unwiderstehlich!« Sie griff nach einem auberginefarbenen Lippenstift und probierte ihn auf ihrem Handrücken aus. »Nein, der Ton ist zu kräftig für meinen hellen Teint. Aber zu deinem neuen Kleid würde er prima passen.« Marie hielt Franzi den Lippenstift hin. »Probier doch mal!«

Franzi schüttelte den Kopf. Sie schminkte sich nicht besonders oft, und wenn, dann eher dezent. »Ich will doch nicht aussehen wie lebendig gewordenes Gemüse. Außerdem mag Benni mehr den natürlichen Typ.«

»Aha!« Marie grinste. »Du stehst also tatsächlich noch auf ihn.«

Franzi fühlte sich ertappt und wurde prompt rot. »Na ja … ein klitzekleines bisschen vielleicht«, gab sie widerwillig zu.

»Wie schön!« Kim strahlte über das ganze Gesicht. »Vielleicht kommt ihr ja bald wieder zusammen. Benni wäre bestimmt überglücklich.«

»Ich weiß nicht …« Genau dieser Punkt machte Franzi schon seit einer Weile zu schaffen. »Nach unserer Trennung war er zwar supertraurig, aber inzwischen ist so viel Zeit vergangen … vielleicht will er ja gar nichts mehr von mir!«

»Es gibt nur einen Weg, um das herauszufinden«, sagte Kim. »Du musst mit ihm über deine Gefühle reden.«

Franzi seufzte. »Das sagt sich so leicht …«

»Du schaffst das schon.« Kim lächelte ihrer Freundin aufmunternd zu. »Und ich bin mir ganz sicher, dass Benni dir keinen Korb geben wird.«

»Wie läuft’s eigentlich zwischen dir und Michi?«, erkundigte sich Franzi, um vom Thema abzulenken. »Ist alles wieder paletti?«

Kim war mit ihrem Freund Michi bereits seit einer halben Ewigkeit zusammen. Die beiden waren einfach das perfekte Paar, wie Franzi immer wieder etwas neidvoll feststellte, wenn sie sie zusammen sah. Michi war aber auch ein toller Typ: gut aussehend, nett, witzig und verständnisvoll. Ein absoluter Glücksgriff. Allerdings hatten Kim und er in den Sommerferien eine Beziehungskrise gehabt, die ihr Liebesglück zeitweilig etwas getrübt hatte.

Kims Gesicht nahm eine rosa Färbung an, wie immer, wenn von Michi die Rede war. »Wir haben unsere Krise zum Glück überwunden. Ich glaube, die Sache hat uns sogar noch enger zusammengeschweißt.«

Trotzdem meinte Franzi, einen Schatten über Kims Gesicht huschen zu sehen. »Aber?«, hakte sie nach.

»Nichts aber.« Kim biss sich auf die Unterlippe. »Na ja … abgesehen davon … dass …«

Marie ließ den Lippenstift, den sie gerade aus dem Regal gezogen hatte, sinken und wandte sich Kim zu. »Was ist los? Stimmt was nicht zwischen euch?«

Kim seufzte. »Das kann man so nicht sagen.«

»Was ist es dann?« Franzi sah ihre Freundin aufmerksam an. »Du brauchst uns nichts vorzumachen, dazu kennen wir dich viel zu gut.«

»Ich weiß«, murmelte Kim. Dann gab sie sich einen Ruck. »Irgendwie ist es zwischen Michi und mir nicht mehr so wie früher. Es fehlt etwas. Dieses gewisse Kribbeln, das sonst immer da war, wenn wir uns gesehen haben …«

»Bist du etwa nicht mehr in ihn verliebt?«, fragte Franzi.

»Doch, ich glaube schon.« Das Rot auf Kims Wangen vertiefte sich. »Das heißt, eigentlich bin ich mir in diesem Punkt sogar hundertprozentig sicher. Aber … na ja … wir unternehmen einfach nichts Aufregendes mehr zusammen. Früher haben wir jedes Wochenende lange Ausflüge gemacht, zum Badesee oder in den Wald zum Picknicken. Es war immer total romantisch und schön. Jetzt treffen wir uns höchstens mal im Café Lomo. Michi erzählt von seinem Job in der Eisdiele und ich von der Schule. Das war’s dann auch schon. Wo bleibt denn da die Romantik?«

Marie legte Kim tröstend eine Hand auf den Arm. »Aber das ist doch völlig normal. Ihr seid schließlich schon länger zusammen, da schleicht sich irgendwann eine gewisse Routine in die Beziehung ein. Es bleibt eben nicht immer so rosarot wie am Anfang.«

Kim schüttelte trotzig den Kopf. »Ich will aber keine Routine!«

»Meine Eltern hocken abends auch meistens nur noch vor dem Fernseher«, erzählte Franzi. »Abgesehen von ihrem wöchentlichen Kinoabend natürlich. Irgendwann hat man sich halt nichts mehr zu sagen.«

Kim machte ein erschrockenes Gesicht. »Du kannst Michi und mich doch nicht mit deinen Eltern vergleichen! Wir sind schließlich kein altes Ehepaar!«

»So hat Franzi das bestimmt nicht gemeint«, sagte Marie beschwichtigend. »Ihr müsst euch einfach mal wieder Zeit füreinander nehmen und etwas ganz Besonderes zusammen machen. Wie wär’s zum Beispiel mit einem romantischen Abendessen bei Kerzenschein? Das kann wahre Wunder wirken.«

»Meinst du?« Kim machte ein skeptisches Gesicht.

Marie nickte eifrig. »Und ob! Probier’s doch mal aus. Übrigens war ich gestern bei Adrian zum Abendessen eingeladen. Das war auch ziemlich romantisch …«

Franzi wurde sofort hellhörig. »Adrian? Ich dachte, den wolltest du dir aus dem Kopf schlagen.«

Adrian war ein junger Schauspielschüler, der mit seiner WG in der Wohnung unter dem Penthouse von Marie und ihrem Vater wohnte. Die beiden waren gute Freunde, doch das reichte Marie nicht. Sie hatte alles versucht, damit mehr daraus wurde, leider ohne Erfolg. Dabei konnte sonst kaum ein Junge ihren Flirtkünsten widerstehen. Schließlich hatte sie entnervt beschlossen, sich zu entlieben und ihre Energien auf aussichtsreichere Projekte zu konzentrieren – zum Beispiel auf ihre zukünftige Karriere als Schauspielerin oder Sängerin. Und natürlich auf den Detektivclub.

»Na ja …« Jetzt war es an Marie, rot zu werden. »Das ist leichter gesagt als getan. Ich hab ehrlich versucht, nicht mehr an Adrian zu denken. Und ich hätte es auch fast geschafft. In den letzten Wochen bin ich ihm erfolgreich aus dem Weg gegangen und hab mich mit einer Extradosis Sport und Schauspielübungen abgelenkt. Aber gestern stand er plötzlich vor unserer Tür. Einfach so.«

»Und?«, fragte Kim gespannt.

»Er hat mich zum Abendessen eingeladen«, erzählte Marie weiter. »Es gab selbst gemachte Pizza. Ich dachte, ein entspanntes Essen mit seiner WG kann nicht schaden. Außerdem war ich mir sicher, dass ich über Adrian hinweg bin. Leider lief es nicht ganz so wie geplant.«

Franzi zog eine Augenbraue hoch. »Was ist passiert?«

»Die anderen WG-Mitbewohner waren gar nicht da.« Marie seufzte. »Adrian hatte nur für uns zwei gedeckt. Und überall im Wohnzimmer Kerzen aufgestellt. Es war so romantisch!«

»Hat er dich etwa geküsst?«, quiekte Kim.

»Leider nicht.« Marie stieß noch einen Seufzer aus. »Es sollte so eine Art Versöhnungsessen sein. Adrian wollte wissen, warum ich mich in letzter Zeit so rargemacht habe. Natürlich konnte ich ihm den wahren Grund nicht sagen. Also hab ich irgendwas von Stress in der Schule gestammelt. Und als er gefragt hat, ob wir noch Freunde sind, wäre ich ihm am liebsten um den Hals gefallen. Ich konnte mich in letzter Sekunde zurückhalten.«

»Du stehst also immer noch auf ihn«, stellte Franzi fest.

Marie nickte. »Scheint so. Aber er nicht auf mich. Das ist mir gestern noch einmal klar geworden. Es war alles rein freundschaftlich.«

»Schöner Mist«, stellte Kim fest.

»Tja.« Marie lächelte etwas gequält. »So viel zu romantischen Abendessen bei Kerzenschein.«

Bevor Franzi etwas erwidern konnte, nahm sie eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahr. Sie fuhr herum. Hinter ihr stand ein Mädchen, das ungefähr im Alter der drei !!! war. Es war sehr blass und sah mit seinen braunen, halblangen Haaren und dem ungeschminkten Gesicht eher unscheinbar aus. Es kam Franzi vage bekannt vor, ohne dass sie hätte sagen können, woher. Franzi beobachtete, wie das Mädchen etwas in seiner Umhängetasche verschwinden ließ. Gleich danach schaute es sich verstohlen um. Als es Franzis aufmerksamen Blick bemerkte, wurde sein Gesicht noch etwas blasser und es ging mit schnellen Schritten auf den Ausgang zu.

»Was ist los?«, fragte Kim. »Kennst du die?«

Das Ganze war so schnell gegangen, dass Franzi dem Mädchen ein paar Sekunden verblüfft nachschaute, ohne reagieren zu können. Hatte es gerade tatsächlich etwas geklaut? Oder hatte sie sich das nur eingebildet? Dann erreichte die Verdächtige den Ausgang und der Alarm ging los. Das laute Piepen kreischte in Franzis Ohren. Alle starrten zum Ausgang. Das Mädchen war einen Moment wie gelähmt. Es umklammerte seine Tasche. Franzi sah, wie seine Fingerknöchel weiß wurden.

Die Verkäuferin hinter der Kasse rief etwas und gestikulierte wild. Ihre Kollegin ließ vor Schreck einen kunstvoll geschliffenen Parfumflakon fallen, den sie gerade einer Kundin hatte präsentieren wollen.

Doch bevor irgendjemand etwas tun konnte, passierten zwei Dinge gleichzeitig.

Das Mädchen rannte los.

Und Franzi spurtete hinterher.

Schneewittchen mit den eiskalten Augen

Franzi war eine gute Läuferin. Sie joggte regelmäßig und ging mehrmals die Woche skaten. Normalerweise wurde sie nicht so leicht abgehängt. Doch das Mädchen rannte mit dem Mut der Verzweiflung. Flink wie ein Wiesel schlängelte es sich zwischen den Besuchern des Einkaufszentrums hindurch. Franzi hingegen musste immer wieder abbremsen, weil ihr irgendwelche Leute in die Quere kamen.

»Hey, was soll das?«, beschwerte sich ein Typ mit Schnauzbart und Lederjacke, als Franzi ihn aus Versehen anrempelte. »Kannst du nicht aufpassen?«

Franzi murmelte eine Entschuldigung und lief weiter. Sie reckte den Hals. Wo war das Mädchen? Dahinten! Der braune Haarschopf steuerte zielstrebig auf den Ausgang zu. Franzi musste die Verdächtige unbedingt vorher erwischen! Sie legte noch einen Zahn zu und schlug einen Haken um zwei Seniorinnen, die mit ihren karierten Einkaufstaschen im Schneckentempo über den Gang schlurften.

Das Mädchen hatte den Ausgang fast erreicht. Beinahe wäre es Franzi entwischt. Doch dann warf es einen schnellen Blick über die Schulter zurück, um nach seiner Verfolgerin Ausschau zu halten, und übersah deshalb eine junge Mutter mit Kinderwagen, die gerade das Einkaufszentrum betrat. Das Mädchen rannte direkt in den Kinderwagen hinein und warf ihn beinahe um. Das Baby schrie und die Mutter begann ärgerlich zu schimpfen.

Jetzt war Franzi ebenfalls am Ausgang angelangt. Ihre Hand schloss sich um den Oberarm der Diebin, während sie ihr freundlichstes Lächeln aufsetzte und sich mit einem schnellen Blick in den Kinderwagen davon überzeugte, dass dem Baby nichts passiert war. Es brüllte aus Leibeskräften, schien aber ansonsten unversehrt zu sein.

»Eine Unverschämtheit ist das!«, keifte die Mutter. »Hier einfach so herumzurennen, ohne nach rechts und links zu schauen. Da kann doch sonst was passieren!«

»Entschuldigen Sie bitte«, zwitscherte Franzi. »Meine Freundin hatte es eilig und hat Sie glatt übersehen. Tut uns wirklich leid. Nicht wahr?« Sie warf dem Mädchen einen auffordernden Blick zu und verstärkte den Griff um dessen Oberarm noch ein bisschen.

Das Mädchen zuckte zusammen und nickte stumm. Es war leichenblass und sah aus, als würde es jeden Moment in Ohnmacht fallen.

»Einen schönen Tag noch!«, verabschiedete sich Franzi schnell.

Die Frau schob den Kinderwagen kopfschüttelnd weiter und Franzi zog die Verdächtige mit eisernem Griff aus dem Getümmel am Ausgang in eine etwas ruhigere Nische direkt neben den Toiletten. Das Mädchen war jetzt völlig apathisch und schlurfte mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern hinter Franzi her, ohne die geringste Gegenwehr zu leisten. Trotzdem ließ Franzi seinen Arm erst los, als Marie und Kim neben ihr auftauchten. Kim keuchte. Sie war die Unsportlichste der drei !!! und futterte lieber Schokomuffins oder Süßigkeiten, statt sich fit zu halten. Als Kopf der drei !!! und Verantwortliche für das Detektivtagebuch, in dem sie jeden Fall genauestens dokumentierte, brauchte sie allerdings auch jede Menge Nervennahrung. Zumindest führte sie das gerne als Entschuldigung für ihren überdimensionalen Süßigkeitenkonsum an.

Marie sah ebenfalls etwas erhitzt aus und strich sich eine leicht zerzauste Haarsträhne aus der Stirn. »Du wirst wirklich immer schneller, Franzi«, sagte sie anerkennend.

»Und du hast sie tatsächlich erwischt!«, fügte Kim hinzu, deren Atmung sich allmählich wieder normalisierte.

Alle drei starrten die Verdächtige an. Sie erwiderte die Blicke nicht, sondern sah teilnahmslos zu Boden.

»Was hast du in der Parfümerie geklaut?«, wollte Franzi wissen.

Das Mädchen antwortete nicht. Es schwankte leicht vor und zurück und schien völlig abwesend zu sein. Nur seine Tasche hielt es immer noch fest umklammert, als würde sie einen wertvollen Schatz enthalten.

»Wie heißt du?«, fragte Kim.

Keine Antwort.

Marie seufzte. »So kommen wir nicht weiter.« Sie griff nach der Tasche, doch das Mädchen ließ sie nicht los. »Wir wissen, dass du was gestohlen hast«, sagte Marie eindringlich. »Wenn du auf stur schaltest, müssen wir dich der Polizei übergeben.«

»Willst du das wirklich?«, hakte Kim nach, als die Unbekannte weiterhin stumm blieb.

Endlich reagierte das Mädchen. Es schüttelte den Kopf und ließ sich die Tasche abnehmen.

»Na also«, brummte Marie und leerte die Tasche auf dem Boden aus. Was sie zu sehen bekam, verschlug ihr erst mal die Sprache.

Auch Franzi war überrascht. »Heiliger Bimbam!«, stieß sie nach einer Schrecksekunde hervor. Sie hatte mit einem geklauten Lippenstift gerechnet. Vielleicht mit zweien. Aber was dort auf dem schmutzigen Fußboden des Einkaufszentrums lag war eine Kosmetikauswahl, die jedem Hollywoodstar Ehre gemacht hätte. Franzi zählte fünf verschiedene Lippenstifte, drei Mascaras, mehrere Döschen mit Lidschatten, Rouge, Glitzerpuder und Schminkpinsel in allen Größen.

»Wow!« Marie nahm einen der Lippenstifte und betrachtete ihn fachmännisch. Sie war Expertin auf dem Kosmetiksektor und selbst immer top gestylt. »Longlasting Strawberry von NewFace. Der kostet mindestens zwanzig Euro im Laden. Auch die anderen Sachen sind von absoluten Edelmarken. Selbst ich leiste mir so was nur ab und zu.«

Franzi grinste. »Und das will schon was heißen!« Wenn sie in Maries Badezimmer stand, war sie immer wieder erstaunt über die zahllosen Kosmetikprodukte, die sich in den Regalen und über dem Waschbecken türmten.

Marie taxierte das seltsame Mädchen aufmerksam. »Du kennst dich aus, was?«

Die Unbekannte zuckte nur mit den Schultern. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum, die bereits zu bluten begann.

»Wie hast du es überhaupt geschafft, so viel Zeug mitgehen zu lassen?«, fragte Franzi. »Die haben doch bestimmt Überwachungskameras in dem Laden.«

»Ich hatte eben Glück.« Es war das erste Mal, dass sie die Stimme des Mädchens hörten. Sie klang trotzig und etwas rau.

»Du musst die Sachen zurückgeben«, sagte Kim.

Das Mädchen starrte sie feindselig an. »Auf keinen Fall!«

Die Antwort kam so schnell und entschlossen, dass Franzi überrascht nach Luft schnappte. Wie konnte jemand so stur sein?

»Das Zeug gehört dir nicht«, stellte Franzi klar. »Du hast es gestohlen. Wenn du es nicht freiwillig zurückgibst, werden wir die Polizei einschalten.«

»Nicht die Polizei!« Die Augen des Mädchens waren jetzt weit aufgerissen. Es erinnerte Franzi an ein Reh, das von einem herannahenden Auto geblendet wird.

»Dann geh mit uns zurück in die Parfümerie und gib die Sachen zurück«, sagte Kim noch einmal. »Vermutlich bekommst du dort Hausverbot, aber vielleicht verzichten sie auf eine Anzeige, wenn du dich freiwillig stellst.«

Das Mädchen sackte in sich zusammen. Plötzlich schien es keine Energie mehr zu haben. Es nickte nur und flüsterte: »Okay.«

Während Marie das Diebesgut zurück in die Tasche räumte, drückte Kim aufmunternd den Arm der Unbekannten. »Du wirst sehen, das ist die richtige Entscheidung.«

Doch das Mädchen reagierte nicht mehr. Es hatte sich wieder ganz in sein Schneckenhaus zurückgezogen.

Die drei !!! nahmen die Unbekannte in die Mitte. Langsam machten sie sich durch die auf den Ausgang zuströmenden Besucher auf den Rückweg zur Parfümerie. Es war inzwischen kurz vor sieben, das Einkaufszentrum würde bald schließen. Franzi schüttelte den Kopf. Wer hätte gedacht, dass der Shoppingnachmittag so eine dramatische Wendung nehmen würde? Eigentlich hatten sie um diese Zeit längst in der gemütlichen Sofaecke des Café Lomo sitzen wollen, jede einen Becher dampfenden Kakao Spezial vor sich auf dem Tisch …

Eine Gruppe lärmender Jugendlicher kam den drei !!! entgegen und drängelte sich zwischen ihnen hindurch. Plötzlich ging alles blitzschnell. Das Mädchen versetzte Franzi einen Stoß, sodass sie zur Seite taumelte. Dann entriss es Marie die Tasche und rannte los.

»Verflixt!«, fluchte Marie. »Sie will abhauen!«

»Hinterher!«, rief Kim.

Franzi war bereits losgelaufen. Doch es war beinahe unmöglich, der Flüchtenden gegen den Besucherstrom zu folgen. Ständig waren Franzi irgendwelche Leute im Weg, sodass sie abbremsen und die Richtung ändern musste. Es war wie verhext!

Nach einer Weile blieb Franzi stehen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, über die Köpfe der Menschen hinwegzuschauen. Aber vom braunen Schopf des Mädchens war nichts mehr zu sehen. Es war in der Menge untergetaucht und verschwunden. Als hätte es nie existiert.

»Wo ist sie?«, fragte Marie.

Franzi drehte sich zu ihrer Freundin um. Etwas weiter hinten konnte sie Kim sehen, die verzweifelt versuchte, sich zu ihnen durchzudrängeln. »Ich hab sie verloren«, sagte Franzi. »Sie ist weg.«

»So ein Mist!«, schimpfte Marie.

Dem konnte Franzi nur zustimmen. Heute hatten sie als Detektivinnen gründlich versagt.

Den ganzen Sonntag ärgerte sich Franzi darüber, dass ihnen die Unbekannte entwischt war. Immer neue Fragen gingen ihr durch den Kopf. Wer war das Mädchen? Warum hatte es die Sachen geklaut? Kein Mensch brauchte so viel Schminkzeug! Arbeitete sie für eine kriminelle Organisation? Oder verkaufte sie die Lippenstifte auf eigene Rechnung weiter?

Auch am Montag ließ Franzi die merkwürdige Geschichte nicht los. Als sie in der ersten großen Pause neben Kim auf dem Schulhof stand, grübelte sie missmutig vor sich hin.

»Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«, erkundigte sich Kim. »Hat Benni dein neues Kleid nicht gefallen?«

Franzi winkte ab. »Wir haben uns gestern gar nicht gesehen. Ich bin bloß immer noch stinksauer, dass uns diese dreiste Lippenstift-Diebin am Samstag entkommen ist. Das hätte einfach nicht passieren dürfen! Schließlich sind wir Profis.«

Kim nickte. »Stimmt, das war echt ärgerlich. Aber was soll’s, jeder macht mal einen Fehler. Und jetzt können wir sowieso nichts mehr daran ändern.«

Franzi seufzte. Kim hatte natürlich recht. Trotzdem passte es ihr ganz und gar nicht, die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen. Frustriert ließ sie ihren Blick über den Schulhof wandern, der trotz des herbstlichen Wetters gut gefüllt war. Ausnahmsweise regnete es einmal nicht. Doch dicke, graue Wolken hingen tief am Himmel und es wehte ein kühler Wind. Der nächste Schauer würde nicht lange auf sich warten lassen. Franzi wollte Kim gerade vorschlagen, sich in die gut geheizte Pausenhalle zu verziehen, als ihr ein brauner Haarschopf auffiel. Ein Haarschopf, der ihr ausgesprochen bekannt vorkam. Automatisch setzte sie sich in Bewegung.

»He, was ist denn jetzt los?«, rief Kim verdutzt. »Warum haust du einfach ab?«

»Dahinten ist sie!«, zischte Franzi über die Schulter zurück. »Los, jetzt schnappen wir sie uns!«

Das Jagdfieber überkam Franzi. Adrenalin wurde in ihre Blutbahn gepumpt und ihr Herz pochte wie ein Dampfhammer. Das Mädchen war noch ein ganzes Stück entfernt. Es stand etwas abseits von den anderen unter dem großen Kastanienbaum, der den Schülern im Sommer Schatten spendete. Jetzt lagen eine Menge glänzend brauner Kastanien zwischen den welken Blättern am Fuß des Baums.

Als sich das Mädchen umdrehte, war sich Franzi ganz sicher. Das war die Diebin aus dem Einkaufszentrum! Und diesmal würde sie ihnen nicht entwischen.

Franzi schlängelte sich zwischen den Schülern hindurch, immer darauf bedacht, nicht von dem Mädchen gesehen zu werden. Das Herbstlaub raschelte unter ihren Füßen, als sie schließlich in das Sichtfeld des Mädchens trat.

»So schnell trifft man sich wieder!« Franzi konnte nicht verhindern, dass sich ein triumphierendes Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete. Das ganze Wochenende hatte sie sich über die große Unbekannte den Kopf zerbrochen und jetzt stand sie plötzlich vor ihr. Was für ein glücklicher Zufall!

Das Mädchen schien das allerdings anders zu sehen. Es starrte Franzi an, als wäre sie ein Geist.

»Tja, wer hätte gedacht, dass wir auf dieselbe Schule gehen?« Franzi achtete auf jede noch so kleine Reaktion der Verdächtigen. Ein zweiter Fluchtversuch sollte ihr auf keinen Fall gelingen. »Du bist mir vorgestern gleich irgendwie bekannt vorgekommen. Und jetzt weiß ich endlich, weshalb.«

Kim erschien neben Franzi. »Na, so was!«, sagte sie verdutzt. »Wenn man vom Teufel spricht …«

»W…was wollt ihr von mir?«, stammelte das Mädchen. »Warum lasst ihr mich nicht in Ruhe?«

»Das werden wir«, sagte Franzi. »Sobald du uns ein paar Fragen beantwortet hast. Warum hast du all dieses Schminkzeug in der Parfümerie geklaut? Dein wievielter Diebeszug war das? Für wen arbeitest du?«

»Ich … ich … für niemanden …« Das Mädchen schluckte. Seine Stimme zitterte. Es schien den Tränen nahe zu sein. Gleich würde es auspacken, das spürte Franzi. Es würde zusammenbrechen und alles erzählen.

Doch in diesem Moment tauchten mehrere Gestalten hinter der Verdächtigen auf. Es waren drei Mädchen, die Franzi nur vom Sehen kannte. Sie waren etwas älter als die drei !!!, stets gut gekleidet und sorgfältig gestylt. Eine typische Tussiclique, der Franzi noch nie besondere Beachtung geschenkt hatte. Bis jetzt.

»Was wollt ihr von Dana?«, fragte ein großes, sehr schlankes Mädchen mit schwarzen Locken und weißer Schneewittchenhaut. Sie hätte wunderschön sein können, wenn ihre Augen nicht so eiskalt gewesen wären. Franzi fröstelte und zog unwillkürlich die Schultern hoch.

»Wir möchten uns nur ein bisschen mit ihr unterhalten«, erklärte Kim ruhig. »Kein Grund zur Aufregung.«

Franzi fiel auf, dass Schneewittchen ihnen unwissentlich eine wichtige Information geliefert hatte. Dana! Endlich hatte die Unbekannte einen Namen.

»Dana gehört zu uns«, stellte Schneewittchen fest. »Ihr solltet sie besser in Ruhe lassen.«

»Genau!«, fügte das Mädchen rechts von Schneewittchen hinzu. Es war etwas kleiner, ein wenig rundlich und trug die kupferroten Haare zu einem Pagenkopf geschnitten. Auf seiner Stupsnase kämpften unzählige Sommersprossen um den besten Platz.

Das dritte Mädchen, eine hagere Blonde mit riesigen, blauen Augen, nickte bestätigend.

Franzi merkte, wie sie wütend wurde. Was bildete sich diese Tussiclique eigentlich ein? Von denen würde sie sich bestimmt nicht vorschreiben lassen, was sie zu tun hatte! Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah Schneewittchen herausfordernd an. »Jetzt hör mir mal gut zu! Wir haben eure tolle Freundin vorgestern beim Klauen erwischt. Und wenn sie jetzt nicht endlich den Mund aufmacht und uns erzählt, wozu sie kiloweise Schminkzeug braucht, gehen wir direkt zur Polizei und zeigen sie an. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

»Absolut.« Schneewittchen verzog keine Miene. Sie klimperte nur herablassend mit ihren perfekt getuschten Wimpern. »Hast du zufällig handfeste Beweise? Ansonsten habe ich nämlich nicht die geringste Lust, mir deine unverschämten Behauptungen noch länger anzuhören.«

So viel Kaltblütigkeit verschlug Franzi glatt die Sprache. Sie schnappte nach Luft.

»Wir haben Dana in flagranti ertappt«, sprang Kim ein. »Wir sind zu dritt und wir können alle bezeugen, dass sie hochwertige Kosmetikartikel aus der Parfümerie im Einkaufszentrum gestohlen hat.«

»Außerdem hat die Verkäuferin sie auch gesehen«, fügte Franzi hinzu.

Danas blasses Gesicht zuckte nervös. Sie sah aus, als wäre sie am liebsten davongelaufen. Schneewittchen, die das zu spüren schien, legte ihr die Hand auf die Schulter. Ihre Fingernägel leuchteten blutrot. Eigentlich hat sie mehr Ähnlichkeit mit der bösen Stiefmutter, schoss es Franzi durch den Kopf.

»Es muss sich hier um eine Verwechslung handeln«, stellte Schneewittchen fest. Ihr Ton ließ keinen Widerspruch zu. »Dana war nämlich vorgestern den ganzen Nachmittag mit uns zusammen. Stimmt’s?«

Ihre Begleiterinnen nickten synchron. Dana selbst schien in einer Art Trance versunken zu sein. Ihre aufgesprungene Unterlippe blutete schon wieder.

»Das ist eine hundsgemeine Lüge!«, rief Franzi empört.

Schneewittchens Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sie funkelte Franzi wütend an. Wenn Blicke töten könnten, wäre Franzi auf der Stelle ins Jenseits befördert worden. »Sag das nie wieder, hörst du?«, zischte sie. »Ich lüge nicht! Genauso wenig wie meine Freundinnen klauen. Und wenn du keinen Ärger willst, kommst du uns in Zukunft besser nicht mehr in die Quere, klar?«

Auf ein kurzes Kopfnicken von Schneewittchen hin drehten sich alle drei Mädchen wie auf Knopfdruck um und stolzierten davon. Dana schlich wie ein begossener Pudel hinterher.

Kim runzelte die Stirn. »Was war denn das für ein merkwürdiger Auftritt?«

»Schneewittchen und die drei Giftspritzen, erster Akt.« Franzi spürte ein heftiges Kribbeln im Magen, wie immer, wenn sich ein neuer Fall ankündigte. »Ich habe keine Ahnung, was hier läuft«, sagte sie langsam. »Aber eins ist klar: Mit dieser Clique stimmt was nicht!«

Endlich ein neuer Fall!

Noch am selben Nachmittag trafen sich die drei !!! zu einem außerplanmäßigen Clubtreffen bei Kim. Draußen klatschte der Regen gegen die Fensterscheibe und der Herbstwind heulte ums Haus. Die Detektivinnen hatten es sich mit einer großen Schale Schokoladenkekse, einer Kanne Früchtetee und ein paar flauschigen Kissen auf dem Teppichboden bequem gemacht. Marie, die eine andere Schule besuchte als ihre Freundinnen, hörte mit offenem Mund zu, während Franzi und Kim abwechselnd von den Ereignissen des Vormittags berichteten.

»Die Diebin heißt also Dana und geht auf eure Schule?«, fragte Marie ungläubig. »Das gibt’s doch nicht!«

Franzi nickte eifrig. »Ich konnte es erst auch kaum glauben. Aber sie war es, hundertprozentig! Und sie hat uns auch wiedererkannt.«

»Stimmt, sie hat einen riesengroßen Schreck gekriegt, als sie uns gesehen hat«, bestätigte Kim.

»Wenn Schneewittchen und ihre Leibgarde nicht aufgetaucht wären, hätte sie garantiert alles gebeichtet.« Franzi ballte die Fäuste. Es wurmte sie immer noch, dass sie gegen diese arrogante Clique den Kürzeren gezogen hatten.

»Und ihr kennt die drei Mädchen nicht?« Marie nippte an ihrem Tee. »Wenn sie auch auf eure Schule gehen, müsste doch herauszukriegen sein, wer sie sind.«

Kim zückte ihr Detektivtagebuch, ein abgewetztes Heft, das sie immer bei sich trug, um wichtige Informationen zu notieren, wenn ihr Laptop gerade nicht greifbar war. »Ich hab mich ein bisschen in meiner Klasse umgehört. Die Eisprinzessin und ihre Freundinnen scheinen ziemlich bekannt zu sein. Man könnte auch sagen berühmt-berüchtigt.«

Franzi horchte auf. »Tatsächlich? Erzähl!«

Kim blätterte im Detektivtagebuch, bis sie die richtige Seite gefunden hatte. »Schneewittchen heißt eigentlich Lizzy, ihre Freundinnen heißen Kathi und Eva. Lizzy ist die Anführerin der Clique. Alle drei gehen in dieselbe Klasse, einen Jahrgang über uns. Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, haben ziemlichen Respekt vor ihnen.«

»Warum?«, fragte Marie.

Kim nahm sich einen Schokoladenkeks aus der Schale und biss genüsslich hinein. »Ihr Hobby ist es offensichtlich, andere fertigzumachen. Vor allem diese Lizzy scheint nicht ohne zu sein.«

»Das hab ich gemerkt«, murmelte Franzi. Beim Gedanken an Schneewittchens kalte Augen bekam sie immer noch eine Gänsehaut.

Kim steckte sich den restlichen Keks in den Mund und blätterte in ihren Unterlagen. »Anna hat erzählt, dass sie Lizzy im Gedränge der Pausenhalle einmal aus Versehen auf den Fuß getreten ist. Daraufhin wurde sie von ihr so zusammengestaucht, dass sie fast geweint hätte.«

Franzi konnte sich die Szene lebhaft vorstellen. Anna, ein schüchternes, ruhiges, aber sehr nettes Mädchen aus Kims Klasse, dem sie während ihres ersten Falls aus der Patsche geholfen hatten, war Lizzys fiesen Sprüchen bestimmt völlig hilflos ausgeliefert. Franzi hatte ja selbst den Kürzeren gezogen, dabei war sie eigentlich nicht auf den Mund gefallen.

»Und was machen wir jetzt?«, fragte Marie.

»Wir müssen herausfinden, was diese Clique im Schilde führt«, sagte Franzi entschlossen. »Und was es mit Danas Diebstählen auf sich hat. Da ist irgendwas faul. Dana schien gar nicht so glücklich darüber zu sein, dass Lizzy und ihre Freundinnen sich auf dem Schulhof eingemischt haben.«

»Stimmt.« Kim runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich würde fast sagen, sie hatte Angst vor ihnen.«

»Aber warum sollte sie sich vor ihren eigenen Freundinnen fürchten?« Marie machte ein ratloses Gesicht.

Kim stand auf, ging zum Schreibtisch und schaltete den Laptop ein. »Vielleicht sollten wir mal im Internet nachsehen. Anna hat erwähnt, dass die Clique eine eigene Homepage hat.«

Es dauerte nicht lange, bis Kim die Seite gefunden hatte. Sie befand sich auf News4Teens