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Ein Zirkus hält Einzug in die Stadt und mit ihm die schaurige Legende der zwei Lebenden und der drei Toten. Doch die Gaukler schweigen eisern über die seltsamen Phänomene, die die drei ??? in den Bann ziehen - denn wer über die Legende spricht, den überkommt schreckliches Unheil. Keine guten Voraussetzungen für Justus, Peter und Bob, die sich außerdem fragen müssen, was es mit ihrem mysteriösen Auftraggeber auf sich hat. Können sie das Geheimnis der Gaukler lüften?
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Seitenzahl: 150
Die Legende der Gaukler
erzählt von Christoph Dittert
Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
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© 2018, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur
ISBN 978-3-440-14962-1
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
»Ich spiele«, sagte der fremde Mann mit dem feinen Anzug und den perfekt gepflegten Fingernägeln. Er war vor zwei Minuten gemütlich auf den Schrottplatz spaziert.
»Und?«, fragte Justus.
Der Besucher lächelte und zeigte strahlend weiße Zähne. »Und ihr sollt mir helfen zu gewinnen!«
Die drei ??? Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews waren seit einer halben Stunde dabei, alte Eisenstangen von Onkel Titus’ Pick-up zu dem großen Schrottberg am Rand des Schuppens zu schleppen, um ihre Detektivkasse ein wenig aufzubessern. In der brütenden Hitze des Donnerstagnachmittags waren sie nicht böse über die Störung – obwohl sie nicht im Geringsten durchschauten, was der Fremde von ihnen wollte.
Genau das sagte Bob, der gerade eine der schweren Stangen in der Hand hielt, ihrem Besucher dann auch. »Ich verstehe leider nicht, worum Sie uns bitten. Wir sollen Ihnen helfen zu gewinnen? Was soll das heißen? Wir sind Detektive, wie Sie vielleicht wissen?«
»Das weiß ich sehr wohl! Schließlich habe ich euch gezielt aufgesucht und war froh, euch gleich hier zu entdecken.« Der Fremde zog sein Jackett aus. Darunter trug er ein blütenweißes Hemd. Es war völlig verschwitzt. »Sehr sonnig hier. Ich hab’s zwar mit der Sonne, wie ihr erfahren werdet … aber im Moment wäre mir ein Schattenplätzchen lieber, um euch Genaueres zu erzählen.«
»Das lässt sich einrichten«, antwortete Justus. »Die drei ??? sind für jeden Auftrag offen – sofern es sich um einen Kriminal- oder Rätselfall handelt, was mir bei Ihrem Anliegen nicht sicher zu sein scheint. Dennoch hören wir uns gerne an, was Sie zu sagen haben. Unser Kollege Bob bringt noch die Stange weg, Peter und ich führen Sie derweil schon einmal zur Veranda. Dort können Sie uns alles erzählen, Mr …?« Beim letzten Wort hob er die Stimme.
»Littlehorn«, sagte der Fremde. »Elliot Littlehorn. Und ich denke schon, dass ich bei euch richtig bin. Ich hörte, euer Leitspruch sei: Wir lösen jedes Problem.«
»Nicht ganz, Sir«, stellte Peter klar. »Er heißt: Wir übernehmen jeden Fall.«
Littlehorn legte die Hände vor der Brust zusammen, indem er Fingerspitze an Fingerspitze positionierte. »Na, das passt doch prima.«
Justus ging voran, und als nach einer Minute auch Bob nachkam, saßen sie schließlich zu viert im Schatten des jonasschen Wohnhauses auf der Veranda. Tante Mathilda war in der Stadt unterwegs und Onkel Titus sichtete den neu erworbenen Nachlass, zu dem auch die Eisenstangen gehörten, die die drei ??? eben noch ins Schwitzen gebracht hatten. So konnten sie sich ungestört mit ihrem potenziellen Auftraggeber unterhalten.
»Einen Moment«, sagte Justus. »Ehe wir beginnen, hole ich etwas zu trinken. Sie sagten zwar, dass Sie es ›mit der Sonne haben‹ – was immer Sie damit genau meinten –, aber da Sie ebenso schwitzen wie wir, kann ein wenig Flüssigkeitszufuhr nicht schaden.«
»Ganz im Gegenteil«, gab Peter zum Besten. »Meine Kehle fühlt sich an wie Wüstensand im Backofen bei 220 Grad!«
»Nicht sehr treffend formuliert«, sagte der Erste Detektiv. »Ein guter Vergleich zeichnet sich dadurch aus, dass es eine gemeinsame Ebene gibt, auf der …«
»Schon klar«, unterbrach Peter. »Was ich eigentlich sagen wollte: Ich habe Durst. Und der geht nicht davon weg, dass du uns einen Vortrag über sprachliche Spitzfindigkeiten hältst.«
Justus ging mit einem »Ich bin eben gerne korrekt« in die Küche und kehrte kurz darauf mit einem Tablett zurück, auf dem vier Gläser und ein Krug roter Limonade standen. Die Eiswürfel im Krug klimperten verheißungsvoll. Justus schenkte Mr Littlehorn und sich selbst ein Glas ein, seine Freunde bedienten sich selbst.
Sie tranken, und ihr Gast ergriff das Wort. »Das Wichtigste habe ich ja schon gesagt: Ich spiele und ihr sollt mir helfen zu gewinnen. Euer Ruf in Rocky Beach ist hervorragend. Wenn man ein wenig die Ohren offen hält, hört man so einiges Bemerkenswerte über euch.«
»Das freut uns«, versicherte Justus, »aber ich verstehe immer noch nicht, was Sie von uns erwarten. Sie spielen? Was meinen Sie damit? Eine Sportart? Gesellschaftsspiele?«
»Glücksspiel?«, warf Peter ein.
»Und inwiefern könnten wir Ihnen dabei helfen?«, fuhr Justus fort, ehe er den Zweiten Detektiv anschaute. »An Glücksspiel glaube ich nicht, da es in Kalifornien verboten ist.«
»Lassen wir es Mr Littlehorn doch in Ruhe erklären«, schlug Bob vor.
Der nickte. »Gern. Wobei, wenn ich darüber nachdenke … So einfach ist das nicht.« Er verzog das Gesicht und suchte offenbar nach den richtigen Worten. »Vielleicht ist es besser, wenn ich es euch zeige. Wenn ihr es mit eigenen Augen seht, versteht ihr am besten. Ja, so ist es am einfachsten. Entschuldigt, dass ich das nicht gleich vorgeschlagen habe. Wobei …« Er nippte erneut an seinem Getränk. »Sonst wäre ich nicht in den Genuss dieser köstlichen Limonade gekommen. Kirsche, nicht wahr? Ausgerechnet!«
»Justus’ Tante backt den besten Kirschkuchen dies- und jenseits des Mississippi«, sagte Peter. »Und weil diesmal noch Kirschen übrig waren, hat sie etwas Neues ausprobiert. Kirschlimonade. Wir durften gestern schon davon probieren.«
»Es schmeckt zukunftsträchtig, nicht wahr?«, ergänzte Justus. Er wollte noch fragen, wieso ihr Gast davon sprach, dass es ausgerechnet Kirschlimonade war, aber er kam nicht dazu.
Littlehorn lachte laut auf. »Das ist die beste Beschreibung einer Geschmacksrichtung, die ich je gehört habe! Zukunftsträchtig! Fantastisch, Junge! Du solltest in die Werbung gehen. Jemanden wie dich könnte ich gebrauchen.«
»Sie haben eine Werbeagentur?«, fragte Bob.
»Na ja. Ich vermarkte mein eigenes … nun, nennen wir es ein Geschäft.«
»Das mit der Sonne zu tun hat?«, wollte Peter wissen.
Littlehorn reckte beide Daumen in die Höhe. »Ganz genau. Kommt mit mir, ich werde es euch zeigen.«
»Es wäre schon gut«, sagte Justus, »wenn Sie uns vorher noch einige Informationen geben. Sie sagten, Sie seien bei uns durchaus richtig, also geht es – zumindest im weitesten Sinne – um einen tatsächlichen Fall?«
»Nun ja, es geht, wie gesagt, zum einen um ein Spiel. Und außerdem …« Er presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, atmete tief durch und meinte: »Außerdem wurde ich bestohlen.«
Justus’ Augen wurden groß. »Nun ist das Interesse der drei ??? definitiv geweckt. Erzählen Sie mehr!«
Mr Littlehorn schüttelte den Kopf. »Nicht hier. Kommt mit mir zur Steilküste, ja? Zu der Hochebene etwa einen Kilometer südlich von Rocky Beach. Kennt ihr den Bereich? Leider bin ich mit dem Fahrrad hier und kann euch nicht mit dem Auto hinfahren.«
Peter versuchte, sich diesen perfekt gekleideten Anzugträger auf einem Fahrrad vorzustellen. Das Ganze wurde immer absonderlicher. Vom Äußeren her hätte er erwartet, dass der Mann mit einem noblen Edelschlitten zum Schrottplatz gekommen war. Trotzdem erklärte der Zweite Detektiv freundlich: »Wir sind sowieso häufig mit den Rädern unterwegs.«
»Na dann – worauf warten wir noch?«, fragte Mr Littlehorn. »Brechen wir auf!«
»Aber an dem Ort, den Sie eben beschrieben haben, kann unmöglich Ihr Geschäft stehen«, sagte Bob. »Wir kennen die Gegend rund um Rocky Beach in- und auswendig. Auf der Hochebene gibt es nichts außer Felsen!«
»Ich habe mit meinem Wohnmobil heute Vormittag dort haltgemacht. Dann bin ich mit meinem Fahrrad in die Stadt gefahren – ist einfacher als mit dem klotzigen Ding. Nur eins noch, ehe wir aufbrechen.« Er deutete auf Peter. »Du hast vorhin Glücksspiel erwähnt. Darum handelt es sich natürlich nicht. Mein ›Sturz der Sonne‹ ist ein astreines Hintertürchen!«
»Ihr … ›Sturz der Sonne‹?«, fragte Peter.
»Ein … Hintertürchen?«, wiederholte Bob skeptisch.
Mr Littlehorn grinste. »Interessiert?«
»Na, und ob«, versicherte Justus, wenngleich er sich fragte, warum ihr potenzieller Auftraggeber sich so geheimnisvoll gab, und er sich deutlich lieber mit dem Auto auf den Weg gemacht hätte.
Als sie sich der Steilküste näherten, wehte vom Meer her eine erfrischende Brise. Die Luft schmeckte salzig. Die flache Felsenebene, von der Elliot Littlehorn gesprochen hatte, konnte man weithin übersehen. Darum fiel auch sein Wohnmobil sofort auf. Es war ein unscheinbares, graues Modell. Zumindest dachten die drei ??? das, bis sie dort ankamen und ihre Räder abstellten. Nun sahen sie den Wagen von der Seite, die momentan dem Meer zugewandt stand. Die ganze Fläche war tiefschwarz angestrichen und mit tausenden von hellen Punkten versehen – eine beeindruckende Darstellung des nächtlichen Sternenhimmels.
Peter deutete darauf. »Sie sprachen doch von Sonne – hier sehe ich nur Nacht!«
»Immer mit der Ruhe«, meinte Littlehorn. »Ihr werdet den Sonnensturz gleich sehen.« Er holte einen abgegriffenen Schlüssel aus seiner Hosentasche und öffnete die Tür des Wohnmobils. »Wartet kurz.« Er verschwand im Inneren. Kurz darauf rollte er von dort eine über einen Meter lange und einen halben Meter breite und hohe Kiste zum Ausgang. »Könnt ihr mir die abnehmen? Vorsichtig, bitte!«
»Klar«, meinte Peter, griff zu – und ächzte. Erst gemeinsam mit Bob und Justus schaffte er es, das schwere Ding ins Freie zu wuchten. »Was ist da drin? Steine?«
»Dann wär’s leichter«, presste Bob zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während sie die Kiste absetzten.
Kurz darauf kam Littlehorn wieder zum Vorschein und schleppte eine zusammengerollte Leinwand ins Freie. Er lehnte sie vorsichtig an das Wohnmobil und widmete sich dann der Kiste. »Ich kann euch erst mal nur eine Demoversion meiner Darbietung zeigen«, kündigte er an. »Für die richtige Vorstellung werde ich noch ein Vorzelt aufbauen, das den ganzen Bereich hier überspannt. Stellt euch vor, ihr wärt in einem geschlossenen Zelt, dessen Innenseiten genauso aussehen wie die Wand des Wohnmobils.«
»Also wie ein Sternenhimmel«, sagte Justus.
»Richtig. Ihr würdet euch vorkommen wie mitten im All oder in der Aussichtskuppel eines Raumschiffs. Dann wirkt alles noch viel stärker. Aber ihr werdet auch so verstehen, worauf es ankommt.«
»Sie müssen uns gar nicht noch neugieriger machen«, versicherte Peter. »Das ist Ihnen bereits bestens gelungen.«
Littlehorn grinste. »Sonst wäre ich auch ein schlechter Gaukler!«
»Gaukler?«, hakte der Zweite Detektiv nach.
»Ich mag es, mich so zu nennen. Schausteller, Artist … das alles trifft es irgendwie auch, aber …« Littlehorn grinste. »Na ja. Gaukler klingt besser und darauf kommt es letzten Endes an in meinem Geschäft.«
Er öffnete die Kiste und klappte aus ihrem Inneren an den beiden hinteren Ecken Holzbalken hoch, die klickend einrasteten und nun senkrecht in die Höhe standen. Zwischen ihnen hängte Littlehorn die Leinwand ein und entrollte sie. Als Nächstes holte er aus der Kiste einen Laptop, einen kleinen Beamer, ein schwarzes Kästchen mit Loch sowie einen Stoffbeutel, den er auf die Seite legte. Den Computer fuhr er hoch, tippte kurz darauf herum und ließ ihn wieder in der Kiste verschwinden, ehe er sie verschloss. Den Beamer platzierte er auf einem Tischchen davor und verbarg ihn unter dem schwarzen Kästchen. Durch das Loch schickte das Gerät ein Bild auf die Leinwand, ein beeindruckendes Weltraumfoto.
Nein – kein Foto, sondern einen Film. Am oberen rechten Rand leuchtete grell die Sonne, während links unten ein Teil eines wunderschönen blauen Planeten zu sehen war: die Erde. Auf der Oberfläche der Sonne brodelte es in Orange und Gelb und immer wieder schossen gebogene Flammenarme ins All – sogenannte Protuberanzen.
»Wie gesagt, normalerweise bereite ich mich besser vor, also seht es mir nach, wenn die Show nicht ganz perfekt ist«, bat Littlehorn. »Aber nun denn, an die Arbeit. Versucht euer Glück!«
»Glück?«, fragte Bob.
Mr Littlehorn schnappte sich den Stoffbeutel und holte drei Becher daraus hervor. Danach kramte er noch ein wenig darin, ehe er einen kleinen, runden und weiß angemalten Gegenstand ins Freie beförderte. »Vorhin, als ihr mir ausgerechnet Kirschlimonade angeboten habt … das war schon witzig. Als ob ihr von meinem Kirschkern gewusst hättet. Ich habe natürlich mehrere davon, aber der hier ist der beste! Mein persönlicher Glücksbringer.« Er grinste übers ganze Gesicht und drückte bei allen Bechern jeweils einen kleinen Knopf. Offenbar schaltete er damit verborgene Schwarzlichtlampen an, denn der weiße Kirschkern leuchtete gespenstisch auf, als Mr Littlehorn einen Becher darüberhielt. »Also, meine Damen und Herren …« Er unterbrach sich selbst. »Nun ja, in diesem Fall sind ja nur Herren anwesend. Aaalso – beginnen wir! Wo ist der Kirschkern? Passen Sie gut auf, es hängt viel davon ab! Das Schicksal der ganzen Welt möglicherweise!« Er legte den Kirschkern auf die Kiste und setzte einen Becher mit der offenen Seite darüber, sodass der Kern nicht mehr zu sehen war. Auch vom Licht im inneren des Bechers schien nichts mehr nach außen. »Mein schwarzes Loch hat den Kern verschluckt!«, sagte er. »Aber es ist nicht das einzige schwarze Loch!« Er stellte die anderen Becher, ebenfalls mit der Oberseite nach unten, rechts und links daneben. »Behalten Sie den Kern im Auge!« Er schob den rechten Becher nach ganz links, dann den jetzt mittleren nach rechts. Danach lüpfte er den Becher in der Mitte und präsentierte erneut den Kern, durch das Licht im Becher hell erleuchtet. »Und nun … bleiben Sie dran!« Seine Hände flogen hin und her und verschoben die Becher, mal langsam, mal schnell.
Die drei ??? versuchten, den Becher mit dem Kirschkern im Auge zu behalten, aber es war fast unmöglich.
»Löst das Rätsel und Millionen von Menschen werden es euch danken. Ach, was sage ich – Milliarden!« Endlich ließ Littlehorn die Becher los, hob die Arme und klatschte zweimal. »Nun«, fragte er, »wo ist der Kirschkern?«
Die drei ??? wechselten rasche Blicke. »Ich denke, links«, flüsterte Peter seinen Freunden zu.
Bob schüttelte den Kopf. »Mitte.«
Justus nickte. »Vermute ich auch! Also, zwei gegen einen. Sollen wir?«
Peter stimmte zu. »Mitte«, sagte er zu Littlehorn.
Der hob den Becher an. Darunter war nichts. »Falsch. Übel.« Er drückte eine Taste an der Seite des Beamers. Auf der Leinwand wurde die flammende Sonne größer – und rückte damit ein Stück näher an die Erde heran. Es sah imposant und bedrohlich aus. »Aber noch ist nicht alles verloren!«
In dem Moment begriffen die drei ???, wie das Spiel funktionierte. »Wann immer es Ihnen gelingt, uns zu täuschen«, sagte Peter, »kommt die Sonne der Erde näher, bis sie am Ende auf die Erde stürzt! Deswegen nennen Sie es Ihren ›Sturz der Sonne‹!«
»Komplett richtig«, sagte Littlehorn. »Oder sagen wir, fast. Die Sonne stürzt nicht wirklich auf die Erde. Aber wenn sie unserem Planeten nahe genug gekommen ist, werden die glühend heißen Flammen, die von ihr ausgehen, die Erde restlos verzehren!«
»Eine gute Show«, sagte Justus. »Aber uns würden nun auch weitere Informationen über den von Ihnen erwähnten …«
»Spielen wir zuerst zu Ende!«, bat Littlehorn. »Dann sollt ihr alles erfahren. Mal sehen, ob ihr verliert.«
Also ging es in die zweite Runde. Die Becher ruckten hin und ruckten her … vor und zurück … Littlehorn zappelte und winkte … Es ging so schnell, dass keiner der drei ??? folgen konnte. Oder doch? Beim zweiten Mal verloren sie, beim dritten Mal ebenso – erst beim vierten Mal waren sich alle einig, dass der Kirschkern ganz rechts lag. Und tatsächlich, so war es auch.
Littlehorn zwinkerte. »Ich habe euch diese Runde gewinnen lassen«, behauptete er.
Auf der Leinwand war die Sonne inzwischen ein riesiger brennender Koloss, seine Flammenarme reichten beinahe bis zur Oberfläche der Erde. Über dem blauen Planeten spielte sich ein Spektakel wie aus einem Actionfilm ab. Dort zuckte und blitzte es, die Wolken rasten durch die Atmosphäre und Qualmwolken stiegen auf. Noch eine verlorene Runde – und das ganze Spiel wäre verloren. Die Protuberanzen würden sich über die Erde stülpen und sie verbrennen.
»Nun stellt euch vor, ihr seid im Zelt, vom All umgeben«, sagte Littlehorn. »Dann wirkt alles noch viel cooler. Ganz davon abgesehen, dass ich dramatische Musik laufen lasse.«
Vor allem Peter und Bob waren begeistert. Justus sah das Ganze etwas nüchterner. »Ich nehme an, Sie spielen diese von Ihnen stimmungsvoll umgesetzte Variante des klassischen sogenannten Hütchenspiels gegen Geld, richtig? Ihre Kunden zahlen einen gewissen Preis in der Hoffnung, mehr zu gewinnen. Auch wenn Sie es ein Hintertürchen nennen – da kann ich Ihnen absolut nicht zustimmen. Das Hütchenspiel ist eindeutig ein Glücksspiel oder eine Sonderform davon, nämlich eigentlich ein Trickbetrug. Es ist fast überall in Amerika verboten, wenn öffentlich um Geld gespielt wird. Es gibt viele Möglichkeiten zu tricksen und ich bin sicher, dass Sie einige davon angewandt haben. Wir sind nicht so naiv, wie Sie vielleicht denken mögen!«
»Du kennst dich gut aus«, lobte Littlehorn, »und prinzipiell hast du recht. Ich werde es euch erklären – aber ich sehe dir an, dass du noch mehr Fragen auf dem Herzen hast. Also, heraus damit!«
»Ganz davon abgesehen, dass wir Sie bei einem illegalen Glücksspiel und Trickbetrug niemals unterstützen würden«, sagte Justus, »verstehe ich nicht, wie wir Ihnen überhaupt dabei helfen könnten, zu gewinnen. Sie scheinen das alleine sehr gut hinzubekommen. Ich glaube Ihnen sogar, dass Sie uns die eine Runde haben gewinnen lassen. Also – was sollen wir Ihrer Meinung nach für Sie tun? Und was hat es mit dem Diebstahl auf sich? Oder war das nur ein Vorwand, um uns hierherzulocken?«
»Nein, Justus«, meinte Littlehorn. »Natürlich stimmt es, dass ich beim Hütchenspiel ganz gut alleine gewinnen kann. Das Problem sind nicht die Kunden, sondern die anderen! Und die werden sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen.«
Peter stützte sich auf den Rand der Kiste. »Die anderen? Welche anderen?«
Littlehorn presste wieder kurz die Lippen zusammen. Dann hob er den Arm und deutete an den drei Jungen vorbei Richtung Küstenstraße. »Da kommen sie«, sagte er verärgert. »Wusste ich’s doch!«
Die drei ??? drehten sich um. Auf der Straße donnerte eine Wagenkolonne heran. Vorneweg fuhr ein knallroter Bully, aus dem laute Rockmusik schallte. Hinterher kam eine bunte Ansammlung von Gefährten, an denen Fähnchen flatterten: moderne Wohnwagen, bemalte Zirkuswagen aus Holz, Pick-ups mit Anhängern.
»Wegen dieser Leute«, sagte Littlehorn, »brauche ich eure Hilfe!«