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Albert Hitfield hat für die drei Detektive Justus, Peter und Bob einen ziemlich mysteriösen Fall: eine alte Dame wird angeblich Tag und Nacht von kleinen "Gnomen" belästigt. Während die drei ??? noch rätseln, sitzen sie plötzlich in der Falle und werden ohnmächtige Zeugen eines raffinierten Bankraubes.
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Seitenzahl: 176
erzählt von Robert Arthur
Aus dem Amerikanischen übertragen von Leonore Puschert
Kosmos
Umschlagillustration von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
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© 1973, 2009, 2011, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-12880-0
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
… es sei denn, man kennt die drei ??? noch nicht!
Hier geht es um einen neuen Fall für meine jungen Freunde Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews, die sich »die drei ???« (sprich: die drei Detektive) nennen. Diesmal werden sie in einen höchst rätselhaften Museumsdiebstahl verwickelt, sind einer von tückischen Gnomen heimgesuchten Dame behilflich, finden sich unterwegs zu einem Sklavenmarkt im Mittleren Orient und widmen sich sonstigen abenteuerlichen Unternehmungen, bei denen sich mir die Haare sträuben.
Wenn ihr etwas von den vorhergegangenen Fällen gelesen habt, sind euch die Jungen ja bestens bekannt: der ziemlich übergewichtige und logisch denkende Erste Detektiv Justus Jonas, der große, muskelstarke Peter Shaw und der leichter gebaute, eher wissenschaftliche Typ Bob Andrews. Ihr kennt die Zentrale des Unternehmens, den kunstvoll versteckten Campinganhänger auf dem Schrottplatz der Firma »Gebrauchtwarencenter T. Jonas«, sozusagen einem Trödel-Supermarkt. Seine Besitzer sind Justs Onkel und Tante, bei denen er aufgewachsen ist. Ihr wisst, dass die Zentrale über gewisse Geheimein- und -ausgänge verfügt, die nur den Jungen bekannt sind und Schlüsselbezeichnungen wie Tunnel II, Dicker Bauch, Grünes Tor und Rotes Tor tragen.
Ihr wisst auch, dass die drei in Rocky Beach in Kalifornien wohnen, einem Städtchen am Pazifik, ganz in der Nähe der Traumstadt Hollywood. Kurz: Ihr wisst schon alles Nötige und habt deshalb all dies gar nicht erst gelesen. Solltet ihr aber mit den Jungen noch keine Bekanntschaft geschlossen haben, so diene das Vorausgegangene zur Vorstellung der drei ???.
Und nun geht’s los – der neueste Fall!
Albert Hitfield
»Ich möchte zu gern wissen«, sagte Justus Jonas, »ob wir die Regenbogen-Juwelen stehlen könnten.«
Die Frage kam für seine beiden Freunde völlig unerwartet. Peter Shaw hätte beinahe den Lötkolben fallen lassen, und Bob Andrews am Setzkasten ließ tatsächlich etwas fallen: den Winkel, auf dem er zeilenweise einen Text für die alte Druckerpresse zusammenstellte.
»Was hast du gesagt?«, fragte er mit einem Blick ohnmächtiger Verzweiflung auf den am Boden verstreuten Bleisatz.
»Ich sagte, ich möchte wissen, ob wir die Regenbogen-Juwelen stehlen könnten«, wiederholte Justus. »Das heißt, wenn wir Diebe wären.«
»Aber das sind wir nicht«, entgegnete Peter sehr bestimmt. »Juwelendiebstahl ist riskant. Man wird gejagt und abgeknallt. Im Übrigen halte ich es mit dem alten Spruch: Ehrlich währt am längsten.«
»Sehr richtig«, meinte Justus. Aber sein Blick blieb gedankenvoll an der Zeitung haften, die er gerade las.
Die drei Jungen, die sich »die drei ???«, nannten, waren in Justs verborgener Freiluft-Werkstatt im Schrottlager der Firma Jonas. Hier, im Freien und doch unter Dach, das zwei Meter breit von der hohen Umzäunung des Schrottplatzes vorsprang, setzten sie ausgedienten Trödel aus dem Warenlager wieder instand. Dank dem Anteil am Verkaufserlös, den ihnen Justs Onkel Titus zubilligte, waren sie immer bei Kasse und konnten sich überdies solchen Luxus wie das Telefon in ihrer geheimen Zentrale leisten.
In den letzten Tagen war es im Trödellager recht ruhig zugegangen. Das Detektivtrio hatte nichts zu ermitteln, weder Hund noch Katze waren als vermisst gemeldet. Im Augenblick beschäftigte die Jungen lediglich das uralte kleine Radio, das Peter unter den letzten Zugängen im Warenlager entdeckt hatte.
Zumindest galt dies für Bob und Peter. Justus ließ stets lieber den Kopf als die Hände arbeiten. Wenn er nicht gerade über einem echten Problem brütete, wusste man nie, was er von sich aus aufgreifen würde. Bob sah vom Setzkasten auf. »Du meinst bestimmt die Edelsteinsammlung im Peterson-Museum«, sagte er. Ihm war der Zeitungsartikel eingefallen, über den man sich in seiner Familie am Vorabend unterhalten hatte.
»Peterson-Museum?« Peter wusste von gar nichts. »Wo ist denn das?«
»Auf einer Anhöhe bei Hollywood«, erklärte ihm Bob. »Ein großer alter Bau, der früher dem Öl-Millionär Jonathan Peterson gehört hat. Er hat das Haus der Öffentlichkeit als Museum hinterlassen.«
»Und zurzeit wird dort eine Ausstellung mit prächtigen Edelsteinen und Schmuckstücken gezeigt«, ergänzte Justus. »Finanziert wird sie von der Firma Nagasami, einem großen japanischen Schmuckhersteller. Die Ausstellung wandert durch ganz Amerika, um für die Zuchtperlen des Unternehmens zu werben. Viele von den gezeigten Stücken sind einzelne Perlen oder aus Perlen gefertigter Schmuck. Besonders interessant sind daneben aber zwei Dinge. Erstens das Glanzstück der Ausstellung, die Regenbogen-Juwelen. Das ist eine Sammlung geschliffener Edelsteine – Diamanten, Smaragde, Rubine und andere Steine –, die so zusammengestellt sind, dass sie in allen Regenbogenfarben funkeln. Es sind sehr große Steine darunter, und ein Einzelner davon wäre schon tausende von Dollars wert. Als Kollektion haben sie Millionenwert.«
»Und dann gibt es noch einen Gürtel«, fiel Bob ein. »So ein Ding aus großen Goldplatten, besetzt mit vierkantig geschliffenen Smaragden. In der Zeitung stand, dass er über sechs Kilo wiegt! Früher war er im Besitz des japanischen Kaiserhauses.«
»Du spinnst, Just«, sagte Peter. »So wertvolle Schätze könnte keiner stehlen. Ich möchte wetten, die sind so scharf bewacht wie ein Banktresor.«
»Sogar schärfer als die meisten Banken«, sagte Justus. »Im Raum mit den Juwelen befinden sich ständig mehrere Aufseher. Im Büro der Verwaltung wird die Regenbogen-Sammlung über eine Fernsehkamera ununterbrochen auf einem Monitor beobachtet. Nachts wird der Raum mit einem Gitterwerk aus unsichtbaren Strahlen durchschossen. Würde einer dieser Strahlen durch einen Eindringling unterbrochen, so würde dies ein lautes Warnsignal auslösen. Außerdem sind in das Glas der Schaukästen dünne Drähte eingelassen, die ebenfalls mit dem Warnsystem verbunden sind. Zerbricht eine Scheibe, so schrillt der Alarm los. Die Anlage wird von einem unabhängigen Stromnetz gespeist, sodass sie auch dann noch funktioniert, wenn zum Beispiel ein heftiger Sturm die allgemeine Stromversorgung unterbricht.«
»Also kann sie auch keiner stehlen!«, sagte Peter, nun völlig überzeugt.
»Aber sie verleiten immerhin dazu, nicht?«, meinte Justus.
»Was heißt hier verleiten?«, fragte Bob. »Wir beschäftigen uns mit der Aufklärung von Verbrechen und nicht mit ihrer Planung und Ausführung.«
»Nur haben wir zurzeit keines aufzuklären«, stellte Justus fest. »Ich hoffte immer, Albert Hitfield würde sich mit einem spannenden Fall bei uns melden. Aber das tat er nicht, und als Detektiv sollte man seine Zeit nutzbringend verwenden. Wenn wir herauszufinden versuchen, ob man die Nagasami-Sammlung stehlen könnte oder nicht, dann werden wir wertvolle Erfahrungen für die Aufklärung künftiger Juwelendiebstähle sammeln. Und wir würden uns mit der Denkweise eines Diebes vertraut machen.«
»Damit verschwenden wir doch nur Zeit«, entgegnete Peter. »Es würde sich viel eher lohnen, wenn wir uns mehr im Tauchen und Schnorcheln übten. Wir müssen noch weit besser lernen, wie man mit der Tauchausrüstung umgeht.«
»Ganz meine Meinung«, erklärte Bob. »Gehen wir zum Tauchen. Sobald wir richtig fit sind, nimmt uns mein Vater mit zum Camping nach Nordkalifornien, wo man vor der Felsküste Hummer fangen kann.«
»Also zwei zu eins, Justus«, bemerkte Peter. »Du bist überstimmt.«
»In der Zeitung steht«, sagte Justus, als hätte er den Einwand gar nicht gehört, »dass heute im Museum Tag der Jugend ist. Wer unter achtzehn ist, kommt zum halben Preis rein, und Pfadfinder in Uniform samt Gruppenleiter haben freien Eintritt.«
»Uniformen haben wir keine«, meinte Peter. »Also ist das nichts für uns.«
»Aber wir haben uns extra was verdient, weil wir Onkel Titus die ganze Woche über geholfen haben«, erinnerte ihn Justus. »Außerdem habe ich jetzt frei. Das ist die ideale Gelegenheit, nach Hollywood zu fahren und den Regenbogen-Juwelen im Peterson-Museum einen Besuch abzustatten. Immerhin sollten wir uns mal anschauen, wie echte Edelsteine aussehen. Vielleicht müssen wir irgendwann mal welche suchen.«
»Ich habe das Gefühl«, murmelte Bob, zu Peter gewandt, »dass wir überstimmt werden, und zwar eins zu zwei.«
»Mann, ich hab da eine Idee!« Plötzlich war Peters Interesse erwacht. »Ich wüsste schon, wie man den Raubzug anstellen müsste. Juwelen sind Steine, nicht? Na, und was macht man mit Steinen?«
»Unterm Mikroskop untersuchen«, sagte Justus.
»Nach Blechdosen werfen«, schlug Bob grinsend vor.
»Sicher«, bestätigte Peter. »Aber man kann noch was anderes damit anfangen, wenn sie nicht zu groß sind. Mit der Schleuder abschießen! So könnte man nämlich die Steine stehlen. Einer zerschlägt den Schaukasten mit den Regenbogen-Juwelen, zieht eine Schleuder raus und schießt die Steine durchs offene Fenster. Seine Komplizen fangen sie draußen mit Körben auf, und dann machen sie sich schleunigst aus dem Staub.«
»Großartig!«, sagte Bob.
Justus überlegte. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Dieser Plan hat zwei schwache Stellen«, meinte er. »Erstens: Die Komplizen könnten vielleicht mit einem Teil der Beute entkommen, aber den einen würden die Aufseher bestimmt festnehmen. Und dann«, fuhr er fort, »gibt es ein noch größeres Hindernis. Die Steine lassen sich nämlich überhaupt nicht mit der Schleuder durchs Fenster hinausschießen, weil –.« Er machte eine wirkungsvolle Pause.
»Nun sag schon, warum!«, drängte Peter ungeduldig.
»Ja, warum?«, fragte Bob. »Ich fand die Idee gar nicht so übel.«
»Weil«, erklärte Justus, »das Peterson-Museum gar keine Fenster hat.«
Eine Stunde später kamen Bob, Peter und Justus am Fuß der kleinen Anhöhe an, auf der das Peterson-Museum stand. Der Hügel lag gegenüber dem Griffith-Park, wohin die Jungen schon oft zum Picknicken gegangen waren. Eine ausgedehnte Rasenfläche zog sich hügelaufwärts bis zu dem gewaltigen stuckverzierten Gebäude, dessen zwei Seitenflügel von ausladenden Kuppeln überdacht waren. Eine kurvenreiche Auffahrt führte als Einbahnstraße bis vor die Rückseite des Hauses, und eine zweite, getrennt angelegte Spur diente als Abfahrt.
Große und kleine Autos bewegten sich langsam auf der Zufahrt nach oben. Die drei Jungen wanderten in gebührendem Abstand zum Verkehr zu Fuß hinauf. Sie sahen, dass der Parkplatz schon dicht mit Autos besetzt war. Doch es kamen ständig noch mehr an, und immerfort stiegen Leute aus. Die meisten von ihnen waren Kinder, viele in Pfadfinderuniform. Die Kleinsten in ihrer blauen Uniform mit leuchtend gelbem Halstuch liefen zu Dutzenden wild durcheinander, und die Gruppenleiterinnen hatten Mühe, für Ruhe zu sorgen. Größere Pfadfinderinnen, die sich ganz damenhaft gaben, sahen dem Treiben missbilligend zu. Gruppen mit kleinen Mädchen waren ebenfalls zahlreich vertreten, und außerdem waren noch ein paar Altpfadfinder mit Rucksack und Axt im Gürtel anwesend.
»Ich will mir erst ansehen, wie das Gelände hier angelegt ist«, erklärte Justus. »Nehmen wir uns mal die Außenseite vor.«
Sie gingen langsam um den großen Bau herum. Bob stellte fest, dass Justus mit seiner Bemerkung über die fehlenden Fenster recht gehabt hatte. Wohl hatte das Gebäude einmal Fenster besessen, aber im Erdgeschoss des Mittelbaus und an den kuppelgekrönten Seitentrakten waren sie zugemauert worden.
Bob starrte so gebannt zu dem Haus hinüber, dass er eine Gruppe kleiner Pfadfinder mit ihrer Leiterin ganz übersah. »Hoppla! ’tschuldigung«, sagte er – er war ziemlich heftig mit einem der Buben zusammengeprallt und hatte ihn umgerissen. Der Kleine rappelte sich vom Boden auf, grinste fröhlich und enthüllte dabei einen blinkenden Goldzahn. Dann lief er los, seiner Gruppe hinterher.
...............???
»Oha!«, sagte Justus. »Schaut euch das an!«
»Was, bitte?«, fragte Peter. »Ich seh hier nur die Hinterfront von dem Bau.«
»Da, die Drähte«, sagte Justus. »Seht ihr? Die ganzen elektrischen Leitungen zweigen von einem Mast ab und führen von der Ecke hier in einem Kabelstrang ins Haus. Den könnte man leicht durchtrennen.«
»Wer sollte denn daran Interesse haben?«, wollte Bob wissen.
»Einbrecher«, sagte Justus. »Das Alarmsystem wäre davon natürlich nicht betroffen, das hängt bekanntlich nicht dran. Aber ein schwacher Punkt ist es doch.«
Sie hatten inzwischen das Gebäude umrundet und näherten sich dem Eingang an der Vorderseite. Da sie keine Pfadfinderuniform trugen, zahlte jeder Eintritt. Drinnen wies sie ein Aufseher nach rechts. »Immer den Pfeilen nach, bitte sehr«, sagte er.
Die drei gingen einen Gang entlang und fanden sich dann im rechten Flügel in einem großen Saal, mindestens drei Stockwerke hoch und mit Kuppeldach. Halb um die Saalwand zog sich eine Galerie, an der ein Schild »Geschlossen« hing.
Viele große Gemälde in reichgeschnitzten Rahmen schmückten die Wände.
»Seht mal, wie die Bilder aufgehängt sind«, sagte Justus, als sie langsam an der Wand entlanggingen. »Jedes ist von hinten unsichtbar an der Wand befestigt. Früher hängte man Bilder mit langen Drähten an Simsen dicht unter der Decke auf. Hier könnt ihr noch die breiten Simse sehen, die dazu dienten, als Mr Peterson hier wohnte.«
Peter sah hinauf, aber ihn interessierte mehr, wie die hohen Fenster zugemauert waren.
»Warum hat man die Fenster dicht gemacht?«, fragte er. »Es stimmt, hier könnte man keine Edelsteine rausschleudern, aber mir ist nicht klar, wieso die Fenster wegmussten.«
»Teilweise«, sagte Justus, »um mehr Wandfläche zum Aufhängen von Bildern zu gewinnen. Aber hauptsächlich deshalb, meine ich, damit sich eine gute Klimaanlage einbauen ließ. Fällt euch auf, wie kühl es hier ist? Wenn Temperatur und Feuchte immer konstant gehalten werden, kommt das der Erhaltung der wertvollen Gemälde zugute.«
Langsam schritten sie die Saalwand entlang und traten dann an der hinteren Seite in einen Korridor, vor sich eine Meute kichernder, sich gegenseitig schubsender Kinder. Endlich kamen sie im linken Trakt des Museums heraus, wo die Juwelen ausgestellt waren. Wie im rechten Saal gab es auch hier eine Galerie an der Wand, aber die nach oben führende Treppe war mit einem Seil versperrt.
Die Regenbogen-Juwelen befanden sich genau in der Mitte des Raums. Eine Samtkordel hinderte die Besucher daran, bis auf Reichweite an den gläsernen Schaukasten heranzutreten.
»Sehr wirksame Vorsichtsmaßnahmen«, sagte Justus, als sie im Besucherstrom näher kamen. »So kann kein Dieb einfach den Kasten zertrümmern und weglaufen.«
Sie blieben stehen und sahen sich staunend die Edelsteine an: einen riesigen Diamanten, der blaues Feuer sprühte, einen leuchtenden Smaragd, einen Rubin von intensiver Rotglut und eine prachtvolle, schimmernde Perle. Dies waren die kostbarsten Stücke, doch es gab noch mehr Steine in allen Regenbogenfarben, die ringsum im Licht funkelten.
Ein Aufseher neben dem Glaskasten sagte, der Wert der Juwelen sei auf zwei Millionen Dollar geschätzt, und forderte die Jungen zum Weitergehen auf. Ein Trupp kichernder Pfadfinderinnen nahm ihren Platz ein.
Nun fanden sich die Jungen vor einem anderen Schaukasten näher an der Wand, genau unterhalb der Galerie, in welchem ein wundervoller juwelenbesetzter Gürtel ausgestellt war. Er war über einen Meter lang und bestand aus großen goldenen Einzelgliedern, die mit riesigen, zu Quadraten geschliffenen Smaragden besetzt waren. Den Rand der Gliederplatten säumten Perlen, und an der Schließe funkelten Diamanten und Rubine. Der Gürtel machte den Eindruck, als sei er für einen wahrhaft gewichtigen Mann geschaffen.
»Dies ist der ›Goldene Gürtel‹ des alten Kaiserreichs«, erläuterte ihnen ein Bewacher, der in der Nähe stand. »Er ist über tausend Jahre alt. Das Gesamtgewicht an Gold und Edelsteinen beträgt mehr als sechs Kilo. Das Stück ist sehr kostbar, aber der historische Wert ist noch weit höher als der Wert der herrlichen Edelsteine. Jetzt bitte weitergehen, damit die Nächsten herankönnen.«
Sie gingen weiter und schauten in andere Kästen, in denen ganz erstaunliche Dinge aus Nagasami-Perlen ausgestellt waren: Schwäne, Tauben, Fische, Antilopen und anderes Getier, alles aus zusammengeleimten oder in durchsichtigen Glasformen zusammengestellten Perlen. Aus der Mädchenschar ertönte entzücktes Ah und Oh.
Jetzt war der Saal recht voll, und Peter, Justus und Bob stellten sich etwas abseits, um sich unterhalten zu können.
»Der Raum ist voller Wächter«, sagte Justus. »Einen Diebstahl am helllichten Tag könnte also niemand unternehmen. Den müsste man bei Nacht ausführen. Aber das große Problem dabei wäre, hereinzukommen und dann die Alarmdrähte in den Schaukästen abzuklemmen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich komme zu dem Schluss, dass die Juwelen hier in Sicherheit sind, außer vor einer sehr erfahrenen, gut organisierten Bande. In diesem Fall –«
»Holla – Verzeihung!«, sagte ein Mann, der mit Justus zusammengestoßen war. Er hatte auf seine Uhr geschaut, dabei ein paar Schritte rückwärts gemacht und so die Jungen übersehen.
»Ah, guten Tag, Mr Frank«, sagte Justus.
»Kennen wir uns denn?«, fragte der Mann freundlich.
»Das Pummelchen vom Fernsehen«, sagte Justus in Anspielung auf die heitere Fernsehserie, worin er als ganz kleiner Junge mitgewirkt hatte. »Sie waren damals in vielen Teilen dabei, wissen Sie noch? Sie waren immer der geplagte Mensch, der für den Unfug, den wir Kinder anstellten, den Kopf hinhalten musste.«
»Das Pummelchen! Natürlich!«, rief der Mann. »Nur passt der Name heute nicht mehr. Wäre nett, ein bisschen zu plaudern, aber es geht bei mir nicht. Es ist Zeit für meinen Auftritt.«
»Auftritt?«, fragte Justus.
»Passt nur auf!« Mr Frank lachte in sich hinein. »Das gibt einen Riesenspaß. Da ist ja ein Aufseher. Den muss ich auf mich aufmerksam machen.« Er erhob die Stimme: »Oh – bitte, Herr Inspektor –«
Der Uniformierte wandte sich um, sein erhitztes Gesicht wirkte gereizt. »Ja – was ist denn?«, knurrte er.
Mr Frank tat so, als taumele er. »Mir ist so schlecht«, flüsterte er. »Bitte Wasser.«
Er zog sein Taschentuch aus der Brusttasche, um sich die Stirn abzutupfen. Dabei fiel etwas zu Boden. Es war ein riesiger roter Stein, ähnlich dem Rubin im Schaukasten. »Ach, du Schreck!« Mr Frank sah verwirrt und schuldbewusst drein. Der Aufseher hatte sofort Verdacht geschöpft.
»Was ist das?«, fragte er barsch. »Wo haben Sie das gestohlen? Ihnen werden wir mal gleich noch ein paar Fragen stellen!«
Er wollte Mr Frank an der Schulter packen, doch der wehrte ab. Da setzte der Wächter seine Trillerpfeife an die Lippen und pfiff durchdringend.
Das Schrillen der Pfeife hatte offenbar auf jedermann im Raum eine lähmende Wirkung. Alle Blicke richteten sich auf den Wächter und Mr Frank. Gleich darauf waren die übrigen Aufseher hinzugeeilt und hatten Mr Frank umstellt, der jetzt noch verwirrter und schuldbewusster wirkte.
»So, Mister, nun mal raus mit der Sprache –«, begann der Oberaufseher.
Doch er brachte seinen Satz nicht zu Ende, denn im selben Augenblick war es im Museum stockfinster geworden. Sekundenlang blieb es still. Dann schrien ein Dutzend Stimmen durcheinander: »Licht, Licht! Licht anmachen!«
Aber das Licht blieb aus. Der Oberaufseher stieß in seine Trillerpfeife.
»Zwei Mann zum Mittelkasten!«, brüllte er. »Die anderen sorgen dafür, dass keiner den Saal verlässt!«
Plötzlich herrschte Aufruhr im Saal. Kleine Jungen und Mädchen fingen an zu weinen. Mütter riefen nach ihren Kindern, und alle tappten ziellos im Dunkeln herum.
»Chef!«, schrie ein Aufseher. »Ich stecke mittendrin in einer Kinderschar! Ich komm nicht durch zum Schaukasten!«
»Versuch’s trotzdem!«, schrie eine Stimme zurück. »Das ist ein Raubüberfall!«
In diesem Augenblick splitterte Glas – einer der Schaukästen mit Juwelen war eingeschlagen worden! Sofort machte das Schrillen des Alarmsignals den ohnehin lärmerfüllten Raum zum ohrenbetäubenden Tollhaus.
»Die Juwelen!«, flüsterte Peter keuchend Justus zu. »Darauf hat’s einer abgesehen!«
»Ja, natürlich.« Es hörte sich fast an, als hätte Justus seine Freude daran. »Das ist ein gut organisierter Juwelenraub. Wir müssen zum Hauptausgang vordringen und sehen, dass wir die Täter beschatten, wenn sie sich davonmachen wollen.«
»Vielleicht gibt es hinten noch einen Ausgang!«, rief Bob.
»Wir müssen es darauf ankommen lassen!«, gab Justus zurück.
»Mir nach!«
Wie ein kleiner Panzer schob sich Justus durch das Gequirle aufgeregter Kinder. Als sie jedoch zur Saaltür kamen, merkten sie, dass die Wachen vorn am Hauptportal niemanden hinausließen. Eine gefährliche Entwicklung bahnte sich an. Der Vorraum war schon voll erregter Menschen, die zum Ausgang schoben und drängten. Jeden Moment konnten Kinder hinfallen und unter die Füße der Menge geraten.
Da hörten die Jungen lautes Rufen, das sogar den Lärm der Alarmglocke übertönte. Und dann verstummte plötzlich das Schrillen, jemand hatte den Notschalter betätigt und den Stromkreis der Warnanlage unterbrochen. Die Stimme war jetzt ganz in der Nähe zu hören. Es war eine Männerstimme mit japanischem Akzent.
»Alle Wachen nach draußen!«, schrie der Mann. »Den Leuten hinaushelfen, aber niemand darf weggehen. Alle müssen vorher durchsucht werden!«
Daraufhin machten die Aufseher Platz, und wie eine Flutwelle strömten die Menschen ins Freie. Justus, Peter und Bob wurden mitgeschoben. Sie sahen, dass die Aufseher die Menge auf der großen Rasenfläche vor dem Gebäude zusammenhielten und beruhigend auf die Frauen und Kinder einsprachen. Kurz darauf kamen mehrere Polizeiwagen mit heulender Sirene vorgefahren, um sich der Situation anzunehmen.
Am Portal gab es ein großes Gedränge, weil zu viele Leute gleichzeitig durch die Tür wollten.
»Lasst uns da mal eben helfen«, sagte Justus, und die Jungen hielten eine Gruppe Pfadfinderinnen zurück, bis ein paar kleinere Kinder durchgekommen waren. Unter den Letzten, die das Gebäude verließen, war Mr Frank. Völlig verdattert kam er auf die Jungen zu.
»Was ist nur los?«, fragte er. »Hier waren sicher Einbrecher am Werk. Aber ich –«
Da stürzte sich ein Aufseher auf ihn. »Sie bleiben hier!«, brüllte er und zog den protestierenden Mr Frank mit sich fort.
»Der hat bestimmt nichts damit zu tun«, meinte Justus, »aber er wird nun natürlich eine Menge Fragen beantworten müssen. Ich möchte nur wissen, was die Diebe erbeutet und wie sie es ins Freie geschafft haben. Es ist kaum anzunehmen, dass sie hier durchgekommen sind.«
Peter blickte über die Menge auf dem Rasen hin. »Da sind fast nur Frauen und Kinder«, stellte er fest.
»Nun werden sie natürlich jeden durchsuchen«, meinte Justus. In diesem Augenblick stürzte ein kleiner Japaner, der dienstlich wirkte, mit einer großen Stablampe an ihnen vorbei in das stockfinstere Museum.
Eine Minute später kam er mit verdutztem Gesicht wieder heraus.